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Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 21.09.2007
Aktenzeichen: 1 U 103/07
Rechtsgebiete: ZPO, VVG


Vorschriften:

ZPO § 377 Abs. 3 Satz 1
ZPO § 522 Abs. 2 Satz 1
VVG §§ 16 ff.
VVG § 16 Abs. 1
VVG § 16 Abs. 1 Satz 3
VVG § 16 Abs. 2 Satz 1
VVG § 21
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin wird darauf hingewiesen, dass ihre Berufung gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 19. April 2007 keine Aussicht auf Erfolg hat. Der Senat beabsichtigt deshalb, die Berufung nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO - dessen Voraussetzungen auch im Übrigen vorliegen - zurückzuweisen. 1. Bei der Beurteilung des streitgegenständlichen Anspruchs der Klägerin auf Auszahlung einer Lebensversicherungssumme hat der Senat von den entscheidungserheblichen Feststellungen der Erstrichter auszugehen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 1. Hbs. ZPO). Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Feststellungen, die erneute Feststellungen gebieten würden (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 2. Hbs. ZPO) bestehen nicht. Sie ergeben sich insbesondere nicht daraus, dass das Landgericht gem. § 377 Abs. 3 Satz 1 ZPO die schriftliche Beantwortung der Beweisfragen angeordnet und - nach Vorliegen der schriftlichen Aussagen der Zeuginnen - von einer Ladung der Zeuginnen abgesehen hat. Die Voraussetzungen für die schriftliche Beantwortung der Beweisfragen durch die den Versicherungsnehmer damals behandelnden Ärzte waren im Hinblick auf den Inhalt der Beweisfrage und die Person der Zeugen offensichtlich gegeben; es ging um bei Ausübung der ärztlichen Tätigkeit getroffene Feststellungen und die Glaubwürdigkeit der befragten Zeugen war nicht im Streit. Die schriftlichen Aussagen der Zeugen wirkten vollständig und widerspruchsfrei; von Amts wegen hatte das Landgericht keinen Anlass, die Zeugen "zur weiteren Klärung der Beweisfrage" (§ 377 Abs. 3 Satz 2 ZPO) zu laden und ergänzend zu vernehmen. Ein Antrag der Klägerin dies zu tun, weil es aus bestimmten Gründen notwendig sei, lag nicht vor. 2. Die Feststellungen des Landgerichts rechtfertigen keine andere Entscheidung (§ 513 ZPO). Die Beklagte ist zur Auszahlung der Lebensversicherungssumme nicht verpflichtet, weil sie von dem Versicherungsvertrag gem. § 16 Abs. 2 Satz 1 VVG wirksam zurückgetreten ist. Die Voraussetzung hierfür, die Verletzung einer Anzeigeobliegenheit nach § 16 Abs. 1 VVG haben die Erstrichter zu Recht bejaht. a) Die streitgegenständliche Gesundheitsfrage "Sind Sie in den letzten 5 Jahren untersucht, beraten oder behandelt worden (z.B. wegen Herz oder Kreislauf ... Atmungs-, Verdauungs-, Stoffwechsel ..." war erkennbar weit gefasst. Sie betraf grundsätzlich jede Gesundheitsstörung, die eine Untersuchung, Beratung oder Behandlung ausgelöst hatte und die nicht offenkundig belanglos gewesen war (vgl. BGH VersR 1994, 711). Ausdrücklich ausgenommen war nur die Behandlung "wegen einer Erkältungskrankheit". b) Deren Verneinung durch den Versicherungsnehmer war unrichtig.

(1) Nach den schriftlichen Aussagen der Zeuginnen Dr. W... und Dr. v... d... H... suchte der verstorbene Ehemann der Klägerin am 13. November 2003 die Zeugin Dr. W... - Fachärztin für Allgemeinmedizin - wegen "Bauchschmerzen und Durchfall" auf. Die Zeugin diagnostizierte einen "viralen Magen-Darm-Infekt" und verschrieb das Medikament Symbiflor. Am nächsten Tag, den 14. November 2003, stellte er sich darüber hinaus in der Praxis der Zeugin Dr. v... d... H... - Ärztin für Innere Medizin - vor und berichtete über unspezifische Schmerzen im Unterbauch sowie über schleimige Durchfälle. Bei der Untersuchung stellte die Zeugin eine "unspezifische Druckdolenz im linken Unterbauch" fest und empfahl eine Koloskopie ("Darmspiegelung). Den Termin hierfür vereinbarte sie sogleich mit Kollegen auf den 18. November 2003. Außerdem verschrieb sie dem Ehemann der Klägerin wegen des Verdachts auf eine entzündliche Darmerkrankung ein Antibiotikum. (2) Die von den Zeuginnen bekundeten Untersuchungen und Verhandlungen wenige Tage vor Stellung des Versicherungsantrags am 17. November 2003 gab der damalige Antragsteller - der später verstorbene Versicherungsnehmer - auf die in Rede stehende Gesundheitsfrage zu Unrecht nicht an. Die Begründung der Klägerin, er habe angenommen, es habe sich dabei um die Behandlung einer nicht anzeigepflichtigen Erkältungskrankheit gehandelt, ist abwegig. Die entzündliche Erkrankung des Magen-Darm-Traktes ist trotz der umgangssprachlichen Bezeichnung "Magen-Darm-Grippe offensichtlich keine ebenfalls umgangssprachlich mit Erkältung umschriebene - oft von Husten und Schnupfen begleitete - Infektion der oberen Luftwege (vgl. z.B.: Duden, Universalwörterbuch, Stichwort "Erkälten"), bzw. der Nasen-, Hals- und Bronchialschleimhäute (vgl. auch: www.wikipedia.org, Suchwort: Erkältung). Die vom Antragsteller am 13. und 14. November 2003 den Zeugen Dr. W... und Dr. v... d... H... mitgeteilten Beschwerden und deren ärztliche Feststellungen dazu nach einer Untersuchung des Antragstellers ergaben auch keine völlig unbedeutende Bagatellerkrankung, die keiner Behandlung bedurft hätte. Beide (sachverständige) Zeuginnen verabreichten Medikamente; die Zeugin v... d... H... riet darüber hinaus zu einer Abklärung durch eine Koloskopie. c) Was die Gefahrerheblichkeit der verschwiegenen ärztlichen Behandlung des Antragstellers am 13. und 14. November 2003 angeht, kommt der Beklagten grundsätzlich die Vermutung des § 16 Abs. 1 Satz 3 VVG zugute. Die Beklagte hat darüber hinaus substantiiert vorgetragen, dass sie bei Angabe der ärztlichen Behandlungen des Antragstellers am 13. und 14. November 2003 weitere Nachforschungen angestellt und - der Antragsteller kam in der Nacht vom 17. auf den 18. November 2003 mit heftigen Unterbauchkrämpfen ins Krankenhaus - nach den dabei zu erwartenden Erkenntnissen den Versicherungsantrag abgelehnt hätte. Das hat die Klägerin nicht ausgeräumt (vgl. z.B. BGH VersR 2000, 1486). d) Die Klägerin hat gleichfalls nicht bewiesen, dass die Anzeige der erfragten Untersuchungen und Behandlungen des Antragstellers am 13. und 14. November 2003 ohne dessen Verschulden unterblieben ist (vgl. § 16 Abs. 3 VVG). Die Möglichkeit, der Antragsteller habe damals trotz der Beschwerden im Unterbauch und der hierauf gerichteten Untersuchung und Behandlung durch die sachverständigen Zeuginnen Dr. W... und Dr. v... d... H... bei Anspannung der erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 1 Satz 2 BGB) unentschuldbar annehmen dürfen, die ärztliche Untersuchung, Beratung und Behandlung beziehe sich noch auf eine im Versicherungsantrag von der Anzeigepflicht ausgenommene "Erkältungskrankheit", ist fernliegend. e) Schließlich hat das Landgericht auch zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin den Kausalitätsgegenbeweis nach § 21 VVG nicht geführt hat. f) Auf die unter den Parteien streitige Frage, ob der Antragsteller der Beklagten vor Antragsannahme das nach Antragstellung diagnostizierte Rektumkarzinom nach § 16 ff. VVG hätte mitteilen müssen und ob er eine derartige Obliegenheit (objektiv) verletzt hat, kann nach alledem (weiterhin) offenbleiben. II. Die Parteien erhalten Gelegenheit zum Hinweis des Senats bis zum 19. Oktober 2007 Stellung zu nehmen.

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