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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 15.10.2007
Aktenzeichen: 1 W 37/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 114 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 1 W 37/07

In dem Rechtsstreit

wegen Schadenersatzes und Schmerzensgeldes aus Verkehrsunfall vom 27. Mai 2006 in Ludwigshafen am Rhein

hier: Prozesskostenhilfe,

hat der 1. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Morgenroth, den Richter am Oberlandesgericht Klüber und den Richter am Amtsgericht Dr. Holler auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 9. Juli 2007 gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 14. Juni 2007

am 15. Oktober 2007

beschlossen:

Tenor:

I. Der angefochtene Beschluss wird geändert:

Dem Kläger wird für folgenden Klageantrag Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung bewilligt:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 821,32 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

In diesem Umfang wird dem Kläger Rechtsanwalt M... F..., ..., beigeordnet.

II. Der weitergehende Antrag des Klägers wird zurückgewiesen.

III. Eine Gebühr für das Beschwerdeverfahren ist nicht zu erheben.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde hat überwiegend Erfolg. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist dem Kläger Prozesskostenhilfe für den in der Beschlussformel wiedergegebenen Klageantrag zu bewilligen. Er ist nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen und seine Klage hat - mit Einschränkungen beim Schadensumfang - hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. § 114 Satz 1 ZPO).

1. Der Kläger bringt vor, der Polizeiwagen sei unter Missachtung des Rotlichts einer für diesen geltenden Verkehrsampel mit hoher Geschwindigkeit (rücksichtslos und grob verkehrswidrig) in die Kreuzung eingefahren; als er, der Kläger, ihn habe bemerken können, sei es zu spät gewesen. Rechtfertigen die vom Kläger angebotenen Beweise eine derartige Feststellung, kommt eine Alleinhaftung des Beklagten für die Unfallfolgen in Betracht.

Durch den - hier gegebenen - Einsatz von Martinshorn und Blaulicht an dem Polizeiwagen wird zwar dessen Wegerecht herbeigeführt (vgl. § 38 Abs. 1 Satz 2 StVO; BGHZ 63, 327; KG VM 1998, 14+90). Andere Verkehrsteilnehmer sind aber erst dann zur Gewährung von freier Bahn verpflichtet, wenn sie das Blaulicht und das Martinshorn tatsächlich wahrgenommen haben oder zumindest bei gehöriger Aufmerksamkeit hätten wahrnehmen können. Der Fahrer eines Dienstfahrzeugs darf deshalb nicht auf die Gewährung des Wegerechts durch andere Verkehrsteilnehmer vertrauen. Er muss vielmehr vor Einfahren in eine Kreuzung bei rotem Ampellicht den bevorrechtigten Verkehrsteilnehmern rechtzeitig seine Absicht, in die Kreuzung einzufahren, zu erkennen geben. Dabei muss er sich davon überzeugen, dass ihn alle anderen Verkehrsteilnehmer wahrgenommen haben und seiner Absicht Rechnung tragen werden (vgl. BGHZ aaO). Beabsichtigt der Führer eines Einsatzfahrzeuges in eine unübersichtliche Kreuzung einzufahren, darf er dies allenfalls mit Schrittgeschwindigkeit tun. Im Einzelfall kann es sogar erforderlich sein, das Fahrzeug fast bis zum Stillstand abzubremsen oder anzuhalten (Senat, Beschluss vom 15. Dezember 2006, 1 W 25/06).

Hat der Führer des Einsatzfahrzeugs des Beklagten dies in völlig unverständlicher Weise außer Acht gelassen und dadurch den streitgegenständlichen Unfall verursacht, kann die einfache Betriebsgefahr des Pkw des Klägers dahinter ganz zurücktreten. Die Umstände des vorliegenden Falles lassen eine solche Möglichkeit als im Sinn des § 114 Satz 1 ZPO hinreichend wahrscheinlich erscheinen. Dass dies unter anderen Umständen - wie in dem vom Landgericht zitierten Beschwerdeverfahren 1 W 25/06 - anders zu beurteilen ist, berührt die Erfolgaussicht der vorliegenden Klage nicht.

2. Hinsichtlich des Schadensumfangs bejaht der Senat nach einer summarischen Prüfung die Erfolgsaussicht der Klage auf Zahlung von Schadenersatz allerdings nur eingeschränkt, nämlich in Höhe von 821,32 €: 326,00 € wegen Selbstbeteiligung (300,00 €) + Unkostenpauschale (26,00 €), 36,32, € wegen Behandlungskosten, 10,00 € wegen Praxisgebühr, 150,00 € wegen Kleiderschaden, 199,00 € wegen verlorener Goldkette und 100,00 € wegen verlorenem Handy.

Bei der Kürzung der Positionen Kleiderschaden (geltend gemacht. 246,90 €) und Handy (geltend gemacht: 151,30 €) hat der Senat berücksichtigt, dass das Vorbringen des Klägers zur Höhe nach Sachlage nur die Schätzung eines Mindestschadens zulässt. Erhebliche Beweisangebote für den Anschaffungszeitpunkt der genannten Gegenstände und deren Neuwert (z.B.: Handy mit oder ohne Vertrag) fehlen.

Den gleichfalls geltend gemachten Verdiensausfallschaden von 582,40 € in der Zeit vom 1. Juni bis 2. Juli 2006 hat der Kläger nicht schlüssig dargelegt. Sein Arbeitsverhältnis endete nach seinem eigenen Vortrag unfallunabhängig am 31. Mai 2006. Dass er durch den Unfall gehindert war, ab dem 1. Juni 2006 eine neue Arbeitsstelle anzutreten und ein Einkommen zu erzielen, hat er nicht behauptet.

3. Das vom Kläger für angemessen gehaltene Schmerzensgeld in Höhe von 2.000,00 € ist im Hinblick auf den Unfallhergang, die Primärverletzungen des Klägers und den Heilungsverlauf - bei voller Haftung des Beklagten - im Rahmen des Möglichen.

4. Eine Gebühr für das Beschwerdeverfahren ist nicht zu erheben (vgl. KV 1812).

Ende der Entscheidung

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