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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 14.09.2009
Aktenzeichen: 1 Ws 108/09
Rechtsgebiete: StPO, AO


Vorschriften:

StPO § 359 Nr. 5
AO § 396
Aufgrund der sog. Vorfragenkompetenz der Strafgerichte in Steuerstrafsachen kann die spätere, von den Bewertungen im Strafurteil abweichende Steuerfestsetzung allein die Wiederaufnahme des Strafverfahrens wegen neuer Tatsachen und Beweismittel nicht begründen.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

1 Ws 108/09

In dem Strafverfahren

wegen Steuerhinterziehung

hier: Wiederaufnahme des Verfahrens

hat der 1. Strafsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Müller-Rospert und die Richter am Oberlandesgericht Burger und Süs

am 14. September 2009

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der 7. Strafkammer - Große Wirtschaftsstrafkammer - des Landgerichts Kaiserslautern vom 21. Januar 2009 wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unbegründet verworfen.

Gründe:

Die 4. Große Strafkammer (1. Wirtschaftsstrafkammer) des Landgerichts Koblenz hat gegen den Verurteilten, der von Beruf Steuerberater ist, am 16. März 2009 wegen Steuerhinterziehung in 16 Fällen, davon in zwei Fällen wegen Versuchs, und in vier Fällen tateinheitlich mit Steuerhinterziehung eine Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 2 Monaten verhängt. Gegen den mitangeklagten Bruder des Verurteilten - ebenfalls Steuerberater - wurde wegen derselben Vorwürfe eine Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Monaten festgesetzt. Beide Strafen wurden zur Bewährung ausgesetzt. Das Urteil (2050 Js 24737/00 - 4 KLs), das auf Geständnissen der Angeklagten und auf einer Verfahrensabsprache beruhte, wurde durch Rechtsmittelverzicht unmittelbar rechtskräftig.

Der Verurteilte betreibt nunmehr die Wiederaufnahme des Verfahrens. Er stützt sich dabei auf die - teils nachträgliche - Änderung von Steuerbescheiden sowie auf die vom zuständigen Finanzamt mittlerweile gebilligte Annahme einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft zwischen den beiden von den Brüdern betriebenen Gesellschaften Steuerberatungssozietät G GbR sowie Steuerberatungsgesellschaft S mbH. Die 7. Strafkammer - Große Wirtschaftsstrafkammer - des Landgerichts Kaiserslautern hat das Wiederaufnahmegesuch durch den angefochtenen Beschluss vom 21. Januar 2009 als unzulässig verworfen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Verurteilten ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg aus den auch gegenüber dem Beschwerdevorbringen zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung; das Rechtsmittel ist daher auf Kosten des Verurteilten (§ 473 Abs. 1 StPO) als unbegründet zu verwerfen.

Wie die Kammer zu Recht angenommen hat, liegt in der späteren Änderung von Steuerbescheiden und in der nachträglichen Zubilligung einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft durch die Finanzbehörden nicht die Beibringung neuer Tatsachen und Beweismittel im Sinne von § 359 Nr. 5 StPO. Vielmehr handelt sich nur um sog. Rechtstatsachen, die lediglich die rechtliche Bewertung des Sachverhalts und die Bestimmung der aus ihm abzuleitenden Rechtsfolgen betreffen; aus ihnen kann der Wiederaufnahmegrund nach der o.a. Bestimmung nicht abgeleitet werden (BGH NJW 2007, 853 Tz. 23 f.; NJW 1993, 1481, 1482 = BGHSt 39, 75; KK-StPO, 6. Aufl. § 359 Rn. 19; Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 359 Rn. 24).

Die Strafgerichte entscheiden nämlich im Steuerstrafverfahren in eigener Verantwortung und Überzeugung über die steuerrechtlichen Grundlagen; ihnen obliegt die sog. Vorfragenkompetenz. An die Steuerfestsetzungen und Bewertungen durch die Finanzbehörden und Finanzgerichte sind sie nicht gebunden (BVerfG NStZ 1991, 88; BayObLG wistra 2004, 239; OLG Hamm NJW 1978, 283, 284; Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze Stand Mai 2009 § 370 AO Rn. 111; § 396 AO Rn. 9; Klein, AO 9. Aufl. § 396 Rn. 1). Aus diesem Grund bleibt auch die von der Beschwerde angeführte Vorschrift des § 175 AO über die Bedeutung rückwirkender Ereignisse ohne Auswirkung auf das Wiederaufnahmeverfahren und den Bestand des angefochtenen Urteils. Wie bereits die Überschrift der Bestimmung ergibt - "Aufhebung oder Änderung von Steuerbescheiden in sonstigen Fällen" - betrifft sie das Steuerverfahren durch die Finanzbehörden und die Festsetzung der Abgaben durch diese; derartige Regelungen finden aber im Strafverfahren gerade keine Anwendung (OLG Düsseldorf NStZ 1989, 370, 371 f.; Erbs-Kohlhaas a.a.O., § 370 Rn. 111).

Zu Recht auch ist die Kammer davon ausgegangen, dass der Vermerk des Steueramtsrates T vom 24. Oktober 2007 (Bl. 1309 d.A.) und das Zeugnis dieses sachbearbeitenden Beamten, auf die sich Wiederaufnahmeantrag und Beschwerdebegründung beziehen, nicht als neue Beweismittel im Sinne von § 359 Nr. 5 StPO angesehen werden können. Auch dies betrifft allein die steuerrechtliche Bewertung der fraglichen Vorgänge und damit nicht den Nachweis von Tatsachen, die für die Wiederaufnahme des Verfahrens erheblich sein könnten. Entsprechendes gilt auch für die Geständnisse, die vom Beschwerdeführer und seinem mitverurteilten Bruder abgegeben worden waren, und für die dazu später erklärten Widerrufe. Beides bezieht sich nur auf den strafrechtlichen Vorwurf als solchen und nicht auf den ihn ausfüllen den Sachverhalt.

Jedenfalls im Wesentlichen sind zudem die vom Verurteilten als neue Tatsachen oder Beweismittel angeführten Umstände auch deshalb zur Begründung der Wiederaufnahme ungeeignet, weil sie nicht zum Freispruch oder zur geringeren Bestrafung aufgrund eines milderen Strafgesetzes führen können (§ 359 Nr. 5 StPO). Auch dies wird in dem angefochtenen Beschluss zutreffend dargelegt. Gerade der Vermerk des Finanzamts vom 24. Oktober 2007 (Bl. 1309 d.A.), auf den die Wiederaufnahme sich maßgeblich beruft, geht davon aus, dass sich aus der Zusammenfassung von S GdbR und S....GmbH durch die umsatzsteuerliche Organschaft im Ergebnis keine Änderung hinsichtlich der Steuersollstellung ergibt; auf eine entsprechende Rückabwicklung wurde daher - auch im Einverständnis des Beschwerdeführers und seines mitverurteilten Bruders - aus verwaltungsökonomischen Gründen verzichtet.

Ende der Entscheidung

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