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Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 17.04.2002
Aktenzeichen: 1 Ws 167/02
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 313 | |
StPO § 322 a |
Zur Anfechtbarkeit der Nichtannahmeentscheidung bei Abweichung von der vorangegangenen Berufungsannahme - Ausnahme von § 322 a S. 2 StPO.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss
In dem Strafverfahren gegen
wegen Beleidigung hier: Zulässigkeit der Berufung
hat der 1. Strafsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Ohler, den Richter am Oberlandesgericht Maurer und den Richter am Amtsgericht Martin
am 17. April 2002
beschlossen:
Tenor:
1. Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss der 3. (Kleinen) Strafkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 6. März 2002 aufgehoben.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeklagten darin entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse.
Gründe:
Das Amtsgericht Landau in der Pfalz hat den Angeklagten wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je 10 € verurteilt. Nach rechtzeitig eingelegter und auch näher begründeter Berufung des Angeklagten hat die Staatsanwaltschaft die Akten der Berufungskammer vorgelegt mit dem Antrag, das Rechtsmittel als unzulässig gemäß §§ 313 Abs. 2 S. 2, 322 a StPO zu verwerfen. Der Kammervorsitzende hat mit Verfügung vom 19. Februar 2002 unter Ladung des Angeklagten sowie einer Zeugin Hauptverhandlungstermin auf den 15. März 2002 bestimmt. Mit Beschluss vom 6. März 2002 ist sodann die Berufung nicht angenommen und als unzulässig verworfen worden. Entsprechend der erteilten Rechtsmittelbelehrung hat der Angeklagte hiergegen sofortige Beschwerde eingelegt.
Das Rechtsmittel ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.
Zwar ist die Entscheidung der Nichtannahme der Berufung kraft gesetzlicher Regelung (§ 322 a S. 2 StPO) und entgegen der vom Kammervorsitzenden ausdrücklich erteilten Rechtsmittelbelehrung grundsätzlich unanfechtbar. Eine Anfechtung wird allerdings allgemein dann zugelassen, wenn objektiv kein Fall der Annahmeberufung vorgelegen hat bzw. die förmlichen Voraussetzungen des § 313 StPO nicht erfüllt waren; Sinn der Regelung ist lediglich, die Bewertung der Erfolgsaussichten der Berufung einer weiteren richterlichen Kontrolle zu entziehen (Senat NStZ 1994, 601; OLG Koblenz NStZ 1994, 601; OLG Stuttgart Justiz 1999, 494; Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 45. Aufl. § 322 a Rn. 8). Diese vom Wortlaut des § 323 a S. 2 StPO abweichende Anfechtungsmöglichkeit muss in gleicher Weise dann gegeben sein, wenn das Berufungsgericht bereits die Berufung angenommen hat und später diese Entscheidung durch Nichtannahme rückgängig macht. Denn mit der Annahmeentscheidung wird eine formelle Rechtsposition des Angeklagten geschaffenen, die besonderen Bestandsschutz genießt, was insbesondere aus ihrer Unanfechtbarkeit (§ 322 a S. 2 StPO) folgt. Das Berufungsgericht hat mit dieser Entscheidung die Erfolgsaussichten der Berufung als nicht offensichtlich unbegründet gewürdigt. Damit besteht kein Raum mehr für eine gegenteilige Entscheidung; diese erschiene rechtsmissbräuchlich. Für die spätere Nichtannahmeentscheidung kann daher die ohnehin eng auszulegende Ausnahmeregelung der Unanfechtbarkeit keine Anwendung finden.
Die dargestellte Konstellation ist hier gegeben, obwohl eine ausdrückliche Entscheidung über die Annahme der Berufung nicht ergangen ist. Denn der Kammervorsitzende hat die Annahmeentscheidung stillschweigend mit der Terminsverfügung getroffen. Der vom Vorsitzenden außerhalb der Hauptverhandlung zu erlassende Annahmebeschluss, der keiner Begründung bedarf, wird zweckmäßigerweise mit der Terminsbestimmung und der Ladungsverfügung verbunden. Da diese Verfügungen sachlogisch die Annahme der Berufung voraussetzen, ist in der Terminsbestimmung zur Hauptverhandlung in der Regel die stillschweigende Annahme der Berufung zu sehen (SK StPO Frisch § 322 a Rn. 5; KMR StPO Brunner § 322 a II; Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 45. Aufl. § 322 a Rn. 3; Rieß AnwBl 1993, 56). Dass dies auch hier so zu verstehen ist, folgt insbesondere aus dem Umstand, dass der Kammervorsitzende dem ausdrücklich durch die Staatsanwaltschaft gestellten Antrag auf Verwerfung der Berufung als unzulässig in Verbindung mit dem Hinweis auf die Vorschriften über die Nichtannahme nicht entsprochen und statt dessen Termin zur Hauptverhandlung bestimmt hat. Ein Versehen ist demnach auszuschließen.
Auf die sofortige Beschwerde ist der Nichtannahme- und Verwerfungsbeschluss aufzuheben. Damit lebt die bereits stillschweigend getroffene Annahmeentscheidung wieder auf und die Kammer wird erneut Termin zur Hauptverhandlung zu bestimmen haben.
Ende der Entscheidung
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