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Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 22.10.2009
Aktenzeichen: 1 Ws 181/09
Rechtsgebiete: OWiG, StPO


Vorschriften:

OWiG § 45 Abs. 1
OWiG § 74 Abs. 2
OWiG § 79 Abs. 1
OWiG § 79 Abs. 3
OWiG § 80 Abs. 1
OWiG § 80 Abs. 2
OWiG § 80 Abs. 3
StPO § 300
StPO §§ 44 ff.
StPO § 344 Abs. 2 S. 2
StPO § 473 Abs. 7
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

1 Ws 181/09 1 SsRs 34/09 In dem Bußgeldverfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeit

hier: Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde hat der Senat für Bußgeldsachen des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Richter am Oberlandesgericht Burger als Einzelrichter auf Antrag der Staatsanwaltschaft und nach Anhörung des Betroffenen am 22. Oktober 2009 beschlossen: Tenor:

1. Dem Betroffenen, der die Frist zur Begründung seines Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Kusel vom 17. April 2009 versäumt hat, wird auf seinen Antrag und auf seine Kosten die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. 2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen. 3. Auf die zugelassene Rechtsbeschwerde wird das angefochtene Urteil mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Kusel zurückverwiesen. Gründe: Durch Bußgeldbescheid der Kreisverwaltung Kusel vom 30. Oktober 2008 wurde gegen den Betroffenen ein Bußgeld von 40 € festgesetzt, weil er es als Halter eines Anhängers pflichtwidrig unterlassen habe, das Fahrzeug zur fälligen Hauptuntersuchung vorzuführen. Den Einspruch des Betroffenen hat das Amtsgericht Kusel durch das angefochtene Urteil vom 17. April 2009 verworfen, weil der Betroffene trotz ordnungsgemäßer Ladung und ohne genügende Entschuldigung zur Hauptverhandlung nicht erschienen sei. Hiergegen hat der Betroffene Rechtsbeschwerde sowie sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung eingelegt. Das Hauptrechtsmittel ist nach Gewährung der Wiedereinsetzung und nach Zulassung durch das Beschwerdegericht zulässig und führt in der Sache zu dem damit offenbar erstrebten vorläufigen Erfolg. Die gegen die Kostenentscheidung gerichtete Beschwerde ist hierdurch gegenstandslos geworden (vgl. Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 464 Rn. 20).

Weil hier lediglich eine Geldbuße von nicht mehr als 100 € gegen den Betroffenen festgesetzt worden ist, kann das angefochtene Urteil gemäß §§ 79 Abs. 1, 80 Abs. 1 und 2 OWiG nicht unmittelbar mit der Rechtsbeschwerde, sondern lediglich mit dem Antrag auf Zulassung derselben angefochten werden. Das vom Betroffenen als Rechtsbeschwerde bezeichnete Hauptrechtsmittel ist gemäß §§ 79 Abs. 3, 80 Abs. 3 OWiG; § 300 StPO in diesem Sinne auszulegen.

Hinsichtlich der äußeren Form des Zulassungsantrags (§ 80 Abs. 3 OWiG; §§ 341, 345 StPO) fehlt es lediglich an der Einhaltung der Begründungsfrist (§ 345 Abs. 1 StPO). Die innerhalb der Frist zu Protokoll des Amtsgerichts Kusel abgegebene Erklärung vom 29. Mai 2009 war unwirksam, weil sie nicht durch einen Rechtspfleger, sondern durch eine unzuständige Beamtin aufgenommen worden ist (BayObLG NStZ 1993, 193; Meyer-Goßner a.a.O., § 345 Rn. 19 und Einl. Rn. 133).

Dem Betroffenen ist aber insoweit gemäß § 45 Abs. 1 OWiG; §§ 44 ff., 473 Abs. 7 StPO auf seinen Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, nachdem er seine Erklärung durch das am 1. Oktober 2009 bei der Rechtsantragsstelle des Amtsgerichts Kusel aufgenommene Protokoll rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form nachgeholt hat. Bei der ursprünglichen Protokollaufnahme durch die unzuständige Beamtin handelt es sich um ein Verschulden der Justizbehörden, das dem Betroffenen nicht zugerechnet werden kann und das nach den Grundsätzen des fairen Verfahrens einen Wiedereinsetzungsgrund darstellt (§ 44 S. 1 StPO; vgl. BVerfG NStZ-RR 2005, 238; BGH NJW 1952, 1386; Meyer-Goßner a.a.O., § 44 Rn. 17).

Dem somit formal ordnungsgemäß gestellten Zulassungsantrag ist zu entsprechen, weil es geboten ist, das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG).

Ein Verwerfungsurteil nach § 74 Abs. 2 OWiG, um das es sich handelt, ist schon dann als rechtsfehlerhaft anzusehen und aufzuheben, wenn der Antrag auf Entbindung von der Erscheinenspflicht (§ 73 Abs. 2 OWiG) und dessen Behandlung in den Gründen nicht erwähnt werden; das Gericht muss sich mit diesbezüglichen Einwendungen und Bedenken gegen die Möglichkeit der Einspruchsverwerfung in seinem Urteil auseinander setzen (OLG Celle ZfS 2000, 365; OLG Stuttgart ZfS 2002, 253 und NStZ-RR 2003, 273; KK-OWiG, 3. Aufl. § 74 Rn. 39). Ein derartiger Verstoß stellt zugleich eine die Zulassung der Rechtsbeschwerde rechtfertigende Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör dar (OLG Hamm NZV 2003, 588; BayObLG DAR 2000, 578; Göhler, OWiG 15. Aufl. § 80 Rn. 16b).

Ein solcher Fall liegt hier vor. Dass der Betroffene einen Entbindungsantrag gestellt hatte, ergibt sich zutreffend aus der nunmehrigen Beschwerdebegründung, die den inhaltlichen Anforderungen nach § 344 Abs. 2 S. 2 StPO entspricht. Mit dem Entbindungsantrag setzt sich die rein formularmäßig abgefasste Urteilsbegründung nicht auseinander. Ausführungen der Beschwerdebegründung dazu, was bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs vorgetragen worden wäre, sind in dem hier vorliegenden Fall der Einspruchsverwerfung entbehrlich, weil es dabei nicht um den Tatvorwurf selbst, sondern allein um die Zulässigkeit des Prozessurteils geht (OLG Köln NZV 1999, 264, 265; KK-OWiG a.a.O., § 74 Rn. 41e).

Nach Aufhebung des Urteils muss die Sache in die Ausgangsinstanz zurückverwiesen werden (§ 79 Abs. 3 OWiG; § 354 StPO). Es besteht kein Anlass, diese Zurückverweisung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zu richten (§ 79 Abs. 6 OWiG; § 354 Abs. 2 StPO). Das Amtsgericht wird nunmehr auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu befinden haben (vgl. KK-OWiG a.a.O., § 79 Rn. 165).

Ende der Entscheidung

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