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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 08.09.2004
Aktenzeichen: 1 Ws 276/04 (Vollz)
Rechtsgebiete: StVollzG, ZPO


Vorschriften:

StVollzG § 18 Abs. 1 Satz 1
StVollzG § 18 Abs. 2 Satz 2
StVollzG § 109
StVollzG § 112 Abs. 1 Satz 1
StVollzG § 115 Abs. 3
StVollzG § 116 Abs. 1
StVollzG § 144
StVollzG § 120 Abs. 2
StVollzG § 201 Abs. 3
ZPO §§ 114 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

1 Ws 276/04 (Vollz)

In dem Strafvollzugsverfahren

des Strafgefangenen G. F., geboren am .................................... in .........................., zurzeit in Strafhaft in der Justizvollzugsanstalt .................,

wegen Feststellung der Rechtswidrigkeit

hier: Rechtsbeschwerde

hat der 1. Strafsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgericht Dr. Ohler, den Richter am Oberlandesgericht Maurer und den Richter am Landgericht Stricker

am 8. September 2004

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen wird der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Zweibrücken vom 26. Mai 2004 aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass die Unterbringung des Antragstellers in einer umgebauten Einzelzelle in der Zeit vom 13. August 2003 bis 30. September 2003 rechtswidrig war. Im Übrigen wird der Antrag verworfen.

3. Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsbestimmung bewilligt. Ihm wird Rechtsanwältin R., ab Antragstellung beigeordnet.

4. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Die Gebühr wird jedoch um 3/4 ermäßigt. Die Landeskasse hat 3/4 der notwendigen Auslagen des Antragstellers zu tragen.

Gründe:

Der Antragsteller verbüßt gegenwärtig mehrere Freiheitsstrafen. Das vorläufige Haftende ist auf den 20. Juli 2010 notiert.

Auf seinen Antrag, eine Ausbildung absolvieren zu können, wurde er am 12. August 2003 von der Justizvollzugsanstalt ................... in die Justizvollzugsanstalt .......................... verlegt. Der Gefangene war vorab schriftlich darüber belehrt worden, dass er im Falle einer Verlegung zur Teilnahme an einer Ausbildungsmaßnahme wegen der in der Justizvollzugsanstalt .................... zurzeit herrschenden Überbelegung zunächst nicht damit rechnen könne, in einer Einzelzelle untergebracht zu werden. Er könne sich für eine Einzelzelle vormerken lassen, müsse aber u. U. eine längere Wartezeit in Kauf nehmen. Eine weitergehende Belehrung erfolgte nicht.

Der Antragsteller wurde nach seiner Ankunft in .................... zusammen mit einem Mitgefangenen in einer umgebauten Einzelzelle untergebracht, die etwa acht Quadratmeter groß ist und nicht über eine räumlich fest abgetrennte Toilette mit separater Entlüftung.verfügt. Die vorhandene Abgrenzung zur Toilette bietet nur Sichtschutz, wenn sich die beiden Insassen darüber absprechen, gegenseitig die Intimsphäre zu wahren und sich dementsprechend innerhalb der Zelle zu positionieren. Geruchs - und Geräuschbelästigungen sind dabei nicht vermeidbar.

Der Antragsteller besuchte von montags bis freitags den Ausbildungslehrgang und war daher in der Regel an vier Tagen acht Stunden und an einem Tag fünf Stunden nicht in dem Haftraum untergebracht. Er hatte daneben die Möglichkeit, bis zu dreieinhalb Stunden täglich am Aufschluss teilzunehmen.

Mit Schreiben vom 30. September 2003 beanstandete der Antragsteller die Unterbringung in der doppelt belegten Einzelzelle. Er wurde am 1. Oktober 2003 angehört und von der Anstaltsleitung über die chronische Überbelegung informiert. Es wurde ihm angeboten, ihn auf eine Strafabteilung im Untersuchungshaftgebäude zu verlegen, wo der in der Anstalt ansonsten gewährte - über das gewöhnliche Maß hinausgehende - abendliche Aufschluss nicht gewährt wird. Dies lehnte der Antragsteller ab.

Der Antragsteller wurde erst am 15. Oktober 2003 auf eine Einzelzelle verlegt. Er befürchtet, dass aufgrund der Überbelegung ein weiterer Gefangener auf die ebenfalls umgebaute Einzelzelle verlegt wird.

Mit Schreiben vom 24. Dezember 2003 beantragte er festzustellen, dass die gemeinschaftliche Unterbringung mit einem weiteren Gefangenen in einem Haftraum mit nur ca. acht Quadratmetern, der über keine räumlich fest abgetrennte Toilette und separate Entlüftung verfügt, eine rechtswidrige Menschenrechtsverletzung im Sinne des Art. 1 Abs. 1 und Art. 3 EMRK darstellt. Er beantragte ferner, ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Zweibrücken hat die beiden Anträge abgewiesen und dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens auferlegt. Sie hat den Hauptantrag für zulässig, aber unbegründet erachtet. Das Vorliegen eines Feststellungsinteresses wurde von der Strafvollstreckungskammer bejaht. Sie ist zum Ergebnis gelangt, dass die Behandlung des Antragstellers nicht rechtswidrig gewesen sei. Es komme entscheidend darauf an, dass der Antragsteller die ihm seitens der Vollzugsbehörde angebotene Alternativunterbringung in einer Einzelzelle in der Untersuchungshaftabteilung abgelehnt habe. Das Verhalten des Antragstellers erscheine daher widersprüchlich, sich auf einen Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 3 EMRK zu berufen, sei deshalb rechtsmissbräuchlich. Nachdem die Vollzugsbehörde bemüht gewesen sei, den Belangen des Gefangenen durch die zumutbare Alternativunterbringung Rechnung zu tragen, könne eine irgendwie geartete rechtswidrige Behandlung durch die Unterbringung in der Einzelzelle bei der Doppelbelegung nicht gesehen werden.

Das Ministerium der Justiz hat beantragt, den Antrag als rechtsmissbräuchlich zu verwerfen.

Die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 116 Abs. 1 StVollzG liegen vor. Die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung ist - wie die folgenden Erwägungen zeigen - zur Fortbildung des Rechts geboten.

Die Rechtsbeschwerde ist frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§ 118 StVollZG).

In der Sache hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung war nur teilweise zulässig.

Ein allgemeines Rechtschutzbedürfnis des Antragstellers für die nachträgliche Feststellung, dass die Unterbringung in dem Zeitraum vom 1. bis 13. Oktober 2003 rechtswidrig war, hat nicht bestanden. Der Antragsteller erklärte am 1. Oktober 2003, dass er mit der Form der Unterbringung nicht einverstanden sei. Ihm wurde daraufhin eine der Menschenwürde gerechte Unterbringungsform angeboten. Diese hat er ausdrücklich und in freier Willensbestimmung abgelehnt. Die Unterbringung in einem anderen Gebäude war ihm auch zumutbar. Auch wenn dort der Aufschluss in geringerem Umfang stattfindet, ist von dem Antragsteller nicht behauptet worden, dass diese Vorgehensweise rechtswidrig gewesen sei oder ihn gar in seinen Grundrechten verletzt hätte. Durch den Hinweis, den er anlässlich seiner Verlegung erhalten hatte, musste ihm klar sein, dass es im Vergleich zu anderen Gefangenen zu Einschränkungen kommen konnte, wenn auch nicht im Hinblick auf die vom Staat zu achtende Menschenwürde. Der Gleichbehandlungsgrundsatz wurde dadurch ebenfalls nicht verletzt. Die Unterbringung in einem anderen Gebäude hätte zwar gegenüber anderen Gefangenen möglicherweise zu einer Ungleichbehandlung geführt, diese wäre aber sachlich gerechtfertigt gewesen. Um möglichst vielen Gefangenen die Möglichkeit zu eröffnen, eine Ausbildung zu absolvieren und damit ihre Resozialisierungschance zu verbessern, war es zulässig, neu ankommende Gefangene in einer Abteilung unterzubringen, in der geringfügige Einschränkungen hinsichtlich des Aufschlusses vorgenommen werden. Der Antragsteller hätte, falls er sich diesen Einschränkungen nicht hätte unterwerfen wollen, jederzeit die Ausbildung abbrechen können und wäre in die für ihn zuständige hessische Anstalt zurückverlegt worden.

Die Geltendmachung der Rechtswidrigkeit im Nachhinein bezogen auf diesen Zeitraum stellt sich daher als rechtsmissbräuchlich dar. Das widersprüchliche Verhalten des Antragstellers verdient insoweit keinen Rechtsschutz; ihm fehlt das allgemeine Rechtschutzinteresse an der begehrten Feststellung (OLG Koblenz, Beschluss vom 31. März 2003 - 2 VA f 6/03). Dem steht auch nicht entgegen, dass der effektive Rechtschutz des Gefangenen (Art. 19 Abs. 4 GG) die Zulässigkeit derartiger Anträge gebietet. Danach darf zwar das Fortbestehen des Rechtschutzinteresses bei tief greifenden Grundrechtsverletzungen nicht wegen Erledigung abgelehnt werden (BVerfG NJW 2002, 2699, 2700 und NJW 2002, 2700, 2701), gleichwohl muss der Antragsteller bei Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtschutzes die allgemein geltenden Regeln des jeweiligen Verfahrensrechts beachten (BVerfG NStZ-RR 2004, 59, 60, vgl. auch ThürOLG ZfStrVo 237, 239, das darauf abstellt, dass der tief greifende Grundrechtseingriff allein nicht das nachträgliche Begehren auf Feststellung der Rechtswidrigkeit rechtfertige). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass das Rehabilitationsinteresse, das auch auf die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches abzielt, aufgrund der Verhaltensweise des Antragstellers keinerlei Aussicht auf Erfolg hätte. Die in diesem Zusammenhang vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fälle (BVerfG NJW a.a.O.), in denen das Gericht zur Frage des Bestehens des (Fortsetzungs-)Feststellungsinteresses Stellung genommen hatte, betrafen Gefangene, die die Haftbedingungen zunächst hingenommen hatten, ohne dass ihnen jedoch ein anderer (menschenwürdiger) Haftraum angebotenen worden war.

Es kann daher dahinstehen, ob der Antragsteller ab diesem Zeitpunkt auf seinen Grundrechtschutz wirksam verzichten konnte. Es fehlt insoweit jedenfalls an dem allgemeinen Rechtschutzinteresse für die gerichtliche Feststellung.

Soweit der Antragsteller darüber hinaus beantragt hat, festzustellen, dass die Unterbringung während des Zeitraums vom 12. August 2003 bis 30. September 2003 rechtswidrig war, sind neben dem Rechtschutzinteresse auch die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen gegeben.

Der von dem Antragsteller gestellte Feststellungsantrag ist gemäß § 115 Abs. 3 StVollzG zulässig. Es handelt sich, nachdem die Maßnahme, die dieser beanstandet, sich bereits vor Antragstellung erledigt hat, um keinen Fortsetzungsfeststellungsantrag im engeren Sinne. Ein Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit einer erledigten Maßnahme ist aber auch dann zulässig, wenn die Erledigung bereits vor Antragstellung eingetreten ist (OLG Frankfurt NJW 2003, 2843, 2844 m.w.N.; ThürOLG a.a.O., 238). Eine entsprechende Auslegung ist im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG geboten (vgl. auch BVerfG NJW 2002, 2699, 2700). Der Antrag muss aber die übrigen Voraussetzungen des § 115 Abs. 3 StVollZG erfüllen (BVerfG NStZ-RR 2004, 59, 60).

Dies ist hier der Fall.

Der Antrag ist dahingehend gerichtet festzustellen, dass eine erledigte Maßnahme rechtswidrig war. Die Zuweisung des doppelt belegten Haftraumes am 13. August 2003 stellt eine Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Strafvollzugs im Sinne des § 109 StVollzG dar (OLG Frankfurt a.a.O., a.A. Schuler in Schwind/Böhm StVollVG 3. Aufl. § 109 Rn. 18, der in diesen Fällen eine allg. Feststellungsklage für zulässig erachtet). Die Zulässigkeit des Feststellungsantrags war binnen eines Jahres geltend zu machen; § 112 Abs. 1 Satz 1 StVollzG findet insoweit keine Anwendung, weil die Maßnahme dem Antragsteller weder schriftlich zugestellt noch bekannt gemacht worden war (offen gelassen ThürOLG a.a.O. 239). Die der Belegung vorausgegangene Belehrung (ohne Datum), er könne nicht damit rechnen, in eine Einzelzelle verlegt zu werden, stellte keine schriftliche Bekanntmachung dar, da der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt die konkreten Haftbedingungen noch gar nicht kennen konnte, und hat keinen Regelungscharakter. Dass danach, spätestens nach Zuweisung des Haftraumes, eine schriftliche Bekanntmachung oder Zustellung der konkreten Maßnahme erfolgte, wird von der Justizvollzugsanstalt nicht behauptet. Auch als der Antragsteller sich am 30. September 2003 an die Anstaltsleitung gewendet hatte, wurden ihm lediglich mündlich die Gründe der Unterbringung eröffnet. Auch dies konnte die Frist des § 112 Abs. 1 Satz 1 StVollZG nicht auslösen.

Schließlich hat der Antragsteller auch ein - über das allgemeine Rechtschutzinteresse hinausgehendes - Feststellungsinteresse im Sinne des § 115 Abs. 3 StVollzG. Er beruft sich auf die Verletzung von Grundrechten, insbesondere das der Menschenwürde (vgl. BVerfG NJW a.a.O.; ThürOLG a.a.O.), und befürchtet die Wiederholung der beanstandeten Haftbedingungen in der Weise, dass ein Gefangener zu ihm auf seine Einzelzelle verlegt wird. Dies rechtfertigt grundsätzlich die nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme. Das Feststellungsinteresse ist auch nicht deshalb entfallen, weil der Antragsteller möglicherweise schon vor Erledigung der Maßnahme hätte Rechtschutz erreichen können (BVerfG NJW 2002, 2699, 2700). Eine Verwirkung seiner prozessualen Rechte, weil der Antragsteller trotz Kenntnis der Rechtslage untätig geblieben war, liegt ebenfalls nicht vor. Die Geltendmachung verstößt - jedenfalls für den vorgenannten Zeitraum - nicht gegen Treu und Glauben. Dem Antragsteller, der zunächst nicht anwaltlich vertreten war, ist zu zubilligen, dass er sich einen Eindruck von den konkreten Haftbedingungen verschafft und danach in einem angemessenen zeitlichen Rahmen seine Rechte geltend macht. Er wandte sich hier nach weniger als zwei Monaten an die Vollzugsleitung. Hierin kann keinesfalls ein Verstoß gegen Treu und Glauben gesehen werden (vgl. BVerfGE 32, 305), sodass auch nicht von einer Verwirkung des Grundrechtsschutzes ausgegangen werden kann (vgl. Calliess/Müller-Dietz StVollZG 9. Aufl. § 112 Rn.1 am Ende). Eine Verpflichtung, sich gegen diese Maßnahme zur Wehr zu setzen, um nicht den Grundrechtsschutz zu verlieren, bestand nicht; denn Achtung und Schutz der Menschenwürde ist aller staatlichen Gewalt auferlegt (BVerfG NJW 2002, 2699, 2700).

Der Antrag ist, soweit zulässig, auch begründet.

Die Verbüßung der Freiheitsstrafe in der doppelt belegten Einzelzelle in der Zeit vom 13. August 2003 bis 30. September 2003 war rechtswidrig.

Die Unterbringung mit einem weiteren Gefangenen in einer Zelle von etwa acht Quadratmetern Raum und nicht vollständig abtrennbarer und gesonderter Toilette ist grundsätzlich geeignet, die Menschenwürde des Antragstellers zu verletzen und ein fortwirkendes Rehabilitationsinteresse zu begründen.

Es kommt dabei entscheidend auf die Haftbedingungen im konkreten Einzelfall an; die Grenze zur menschenunwürdigen Behandlung ist dann überschritten, wenn die Art der Unterbringung diskriminierend wirkt (BVerfG a.a.O., 2700, 2701). Wie diese ausgestaltet sein soll, ergibt sich aus § 144 StVollZG.

Auch wenn der Gefangene aus dieser Vorschrift (Verordnungen nach § 144 Abs. 2 StVollZG sind hierzu bisher nicht ergangen) keine Ansprüche ableiten kann (Entscheidung des Senats NStZ 1982, 221; OLG Frankfurt NStZ 1985, 572 m.w.N.), so gibt sie doch Hinweise auf Mindeststandards (OLG Frankfurt a.a.O. 572, 573). Dem Ermessen der Vollzugsbehörde bei der Ausgestaltung der Hafträume sind jedenfalls durch das Recht des Gefangenen auf Achtung der Menschenwürde, das Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung und die Europäischen Mindestgrundsätze für die Behandlung der Gefangenen Grenzen gesetzt (Senat a.a.O., 221f, KG Berlin ZfStrVo 1980, 191 192).

Diese Grenze zur menschenunwürdigen Unterbringung war hier überschritten.

Es spricht schon dafür, dass generell die Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft, bei der die Toilette über keine feste Abtrennungen verfügt, die einen Sicht-, Geruchs- und Geräuschschutz gewährleistet, unzulässig ist (so OLG Frankfurt NStZ-RR 2001, 28, 29; LG Braunschweig NStZ 1984, 286; Schöch in Kaiser/Kerner/Schöch Strafvollzug 4. Aufl. § 6 Rn. 61). Dem Gefangenen ist bei Verrichtung seiner persönlichen Bedürfnisse eine Absonderung von dem Mitgefangenen nur mit dessen Einverständnis möglich. Die Geruchs- und Geräuschbelastungen sind auch bei gegenseitigem Wohlverhalten nicht vermeidbar. Es kommt hinzu, dass der Haftraum nur eine Größe von acht Quadratmetern hat. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Nutzung des Raumes durch die Schlafgelegenheiten, die Toilette und eine Waschgelegenheit eingeschränkt wird. Es verbleibt dem einzelnen Gefangenen kaum noch Raum, um seine Intimsphäre zu wahren, sich zu bewegen und sinnvoll seine Freizeit zu gestalten. Auch wenn sich beide Gefangenen nicht ständig in dem Haftraum aufhielten, mussten sie täglich mehr als 12 Stunden in der umgebauten Einzelzelle verbringen. Darauf, dass möglicherweise der vorhandene Luftraum (vgl. KG Berlin a.a.O.), d.h. der Rauminhalt, über den nichts bekannt ist, ausreichend war, kann es somit nicht ankommen. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände, stellte sich die Art der Unterbringung in der Zeit vom 13. August 2003 bis 30. September 2003 als diskriminierend, weil gegen die Menschenwürde verstoßend, dar.

Die Menschenwürde des Antragstellers konnte nicht durch § 18 Abs. 2 Satz 2 StVollZG eingeschränkt werden. Es ist bereits zweifelhaft, ob diese Vorschrift bei chronischer Überlegung der Anstalt überhaupt anwendbar ist (verneinend OLG Celle ZfStrVo 1999, 57, 58). Selbst dann ist der Justizvollzugsanstalt zwar die Bildung von sog. Notgemeinschaften, das heißt die ausnahmsweise gemeinschaftliche Unterbringung im geschlossenen Vollzug, gestattet; aber auch nach dieser Vorschrift sind der Unterbringung Grenzen gesetzt. Das Recht des Gefangenen auf Achtung seiner Menschenwürde ist auch in diesen Fällen zu beachten (BVerfG a.a.O. 2699, 2700).

Gleiches gilt für die ausnahmsweise gemeinschaftliche Unterbringung nach § 201 Abs. 3 StVollZG. Die vor 1977 errichtete Justizvollzugsanstalt ............ fällt zwar unter diese Übergangsregelung, die aber gleichfalls nur gemeinschaftliche Unterbringung von Gefangenen gestattet und nichts über die Ausgestaltung der Hafträume besagt.

Es ist schließlich nicht von Bedeutung, dass der Antragsteller sich aufgrund der Belehrung vor der Verlegung mit den Haftbedingungen einverstanden erklärt hatte. Sein Einverständnis kann nur dahingehend ausgelegt werden, dass er auf die Einzelunterbringung im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 1 StVollzG verzichtet hatte. Ihm war insbesondere nicht mitgeteilt worden, dass er zusammen mit einem anderen Gefangenen in einer umgebauten Einzelzelle untergebracht werden sollte. Eine "freiwillige Gemeinschaftsunterbringung" in diesem Haftraum lag daher nicht vor. Eine staatliche Einrichtung - insbesondere im Bereich des Strafvollzugs - darf dem Betroffenen keine Unterbringung anbieten, die sich als menschenunwürdig darstellt. Denkbar ist allenfalls, dass die Einrichtung dem Gefangenen, der in einem Haftraum untergebracht ist, der den Anforderungen an eine menschenwürdige Unterbringung entspricht, auf ausdrücklichen Wunsch die gemeinschaftliche Unterbringung mit einem anderen Gefangenen in einer zu diesem Zwecke umgebauten Einzelzelle gestattet wird.

Dem Antragsteller war gemäß § 120 Abs. 2 StVollZG i.V.m. §§ 114 ff. ZPO Prozesskostenhilfe ab Antragstellung zu gewähren und Rechtsanwältin R. beizuordnen (§ 121 Abs. 2 ZPO).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 StVollzG i. V. m. § 473 Abs. 1 und 4 StPO.

Ende der Entscheidung

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