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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 14.07.2000
Aktenzeichen: 1 Ws 328/00
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 56 g Abs. 1 Satz 1
StGB § 56 f Abs. 1 Nr. 1
StGB § 56 f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
StPO § 473 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 1 Ws 327/00 1 Ws 328/00

In dem Strafvollstreckungsverfahren gegen

wegen Diebstahls u.a.,

hier: Widerruf der Strafaussetzungen zur Bewährung

hat der 1. Strafsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Ohler sowie die Richter am Oberlandesgericht Maurer und Friemel am 14. Juli 2000

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Zweibrücken vom 7. Juni 2000 wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.

Gründe:

Das Amtsgericht - Jugendschöffengericht - Neustadt/Weinstraße hat den Verurteilten am 23. Juli 1987 wegen fortgesetzten, gemeinschaftlichen Diebstahls in besonderes schwerem Fall zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Die Strafaussetzung zur Bewährung ist widerrufen worden. Am 17. Mai 1991 hat ihn das Landgericht Frankenthal (Pfalz) wegen unerlaubtem Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Zweibrücken am 2-7. August 1993 die Reststrafen zur Bewährung ausgesetzt und die Bewährungszeit auf drei Jahre festgelegt. Mit Beschluss vom 3. April 1997 hat sie die Bewährungszeit um ein Jahr verlängert, weil der Verurteilte am 7. November 1994 durch das Amtsgericht Bitburg (4 Js 8718/93) wegen eines in der Bewährungszeit begangenen Verstoßes gegen das Waffengesetz zu einer Freiheitsstrafe mit Bewährung verurteilt worden ist. Durch den angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer die Strafaussetzungen zur Bewährung widerrufen, weil ihn das Landgericht Mannheim am 3. Februar 2000 (Az.: 203 Js 10024/98) wegen Betrugs und Vortäuschens einer Straftat unter Einbeziehung der Verurteilung durch das Amtsgericht Bitburg zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und einem Monat verurteilt hat. Dagegen richtet sich die zulässige, sofortige Beschwerde des Verurteilten.

Das Rechtsmittel führt nicht zum Erfolg.

Die Strafvollstreckungskammer hat im Ergebnis zu Recht die Strafaussetzungen zur Bewährung widerrufen, obwohl die Bewährungszeiten nach der am 3. April 1997 erfolgten Verlängerung der Bewährungszeit seit 14. September 1997 abgelaufen waren (vgl. zur Berechnung Senat, StV 1987, 351; LK-Gribbohm, StGB 9. Aufl., § 56 Rdrnr. 42). Der Beschwerdeführer konnte nicht darauf vertrauen, dass ihm die Reststrafen erlassen werden würden.

Nach § 56 g Abs. 1 Satz 1 StGB wird eine Strafe nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen, wenn das Gericht die Strafaussetzung nicht widerruft. Der Straferlass setzt nach übereinstimmender Meinung in Rechtsprechung und Literatur voraus, dass sich das Gericht die Überzeugung verschafft hat, dass die Voraussetzungen für einen Widerruf fehlen. Besteht aufgrund anhängiger Straf- oder Ermittlungsverfahren der Verdacht, dass ein Widerrufsgrund nach § 56 f Abs. 1 Nr. 1 StGB vorliegt, ist die Entscheidung - gegebenenfalls bis zum Abschluss des/der neuen Strafverfahren - zurückzustellen, damit die Täterschaft und Schuld in einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Weise festgestellt werden können (OLG Hamm NStZ 1998, 478 m.w.N.; OLG Düsseldorf VRs 89, 365 m.w.N.; Senat, MDR 1989, 178 m.w.N.). Können diese Voraussetzungen auch auf andere Weise festgestellt werden, kommt ausnahmsweise ein Widerruf auch früher schon in Betracht (Senat, Beschluss vom 7. Juli 2000 - 1 Ws 324/00 m.w.N.). Eine Frist für die Entscheidung über den Erlass der Strafe ist im Gesetz nicht vorgesehen. Nach allgemeiner Meinung ist daher auch nach Ablauf der Bewährungszeit der Widerruf der Strafaussetzung zulässig. Eine bestimmte Höchstfrist für die nachträgliche Widerrufsentscheidung besteht auch dann grundsätzlich nicht (OLG Düsseldorf, aaO; OLG Hamm, aaO; Senat - 1 Ws 324/00 -, LK-Gribbohm, aaO, Rdnr. 47 m.w.N.). Selbst nach Ablauf der Bewährungszeit muss der Verurteilte mit einem Widerruf rechnen, wenn dem Gericht nachträglich Straftaten bekannt werden, die er in der Bewährungszeit begangen hat (LK-Gribbohm, aaO, Rdnr. 46). Jedoch darf die Entscheidung darüber nicht in ungebührlicher Weise hinausgezögert werden, so wenn der fortbestehende Zweifel über einen Widerrufsgrund auf Fehlern der Justizorgane beruht und der Verurteilte nicht mehr mit einem Widerruf rechnen muss (BGH NStZ 1993, 235). Dann können im Einzelfall Vertrauensschutzgründe dem Widerruf entgegenstehen (OLG Hamm, aaO).

Der Beschwerdeführer durfte im vorliegenden Fall nicht mit einem Straferlass rechnen. Die Strafvollstreckungskammer hat zu Recht die Entscheidung über den Erlass wiederholt zurückgestellt, weil ihr immer neue Ermittlungs- und Strafverfahren bekannt geworden sind. Bereits im Verlängerungsbeschluss vom 3. April 1997 (der zwar ebenfalls rund 6 1/2 Monate nach Ablauf der ursprünglich beschlossenen Bewährungszeit, aber noch rechtzeitig gefasst worden ist) hat sie den Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass wegen anderer Ermittlungsverfahren der "Staatsanwaltschaften Mannheim und München" (gemeint waren wohl die Verfahren 508 Js 847/95 und 1814/94 - StA Mannheim - wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und 313 Js 44953/96 - StA München - wegen Betruges) ein Widerruf "unumgänglich sei", wenn "weitere Verurteilungen erfolgen sollten". Schon bald nach Ablauf der (verlängerten) Bewährungszeit hat sie ihn am 20. Januar 1998 davon in Kenntnis gesetzt, dass das noch nicht abgeschlossene Verfahren bei der Staatsanwaltschaft München einer Entscheidung entgegenstehe. Nachdem der Beschwerdeführer (aufgrund seines Geständnisses) am 24. Juli 1998 von dem Amtsgericht Mannheim (203 Js 10024/98) wegen Betrugs und Vortäuschens einer Straftat (zunächst nicht rechtskräftig) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden ist, hat sie dem Verurteilten am 8. Dezember 1998 mitgeteilt, dass (nunmehr) wegen dieser Entscheidung die Reststrafen nicht erlassen werden könnten. Unter diesen Umständen konnte der Beschwerdeführer bis zum Widerrufsbeschluss keinen Straferlass erwarten.

Durfte die Strafvollstreckungskammer somit die Strafe nicht erlassen, weil ihr in der "Wartezeit" immer neue Verfahren bekannt geworden sind, ist es nicht zu beanstanden, wenn sie (auch) den Ausgang des ihr zuletzt bekannt gewordenen Verfahrens (203 Js 10024/98) abgewartet hat, das letztlich den Anlass für den Widerruf geboten hat. Die zeitlichen Verzögerungen beruhen nicht auf Fehlern der Justizorgane, sondern vor allem darauf, dass die Verfahren in mehreren Städten (Mannheim, München, Bitburg) geführt bzw. abgeurteilt wurden. Die Strafvollstreckungskammer musste insbesondere nicht deshalb vor dem Verfahren 203 Js 10024 "die Augen verschließen", weil sie dem Beschwerdeführer einen (möglichen) Widerruf wegen anderer Verfahren angedeutet hatte, und sich jenes Verfahren dadurch verzögert hat, dass es über mehrere Instanzen geführt wurde. Dabei kann dahinstehen, ob im Einzelfall schon ein (zu) langer Zeitablauf allein aus Gründen des Vertrauensschutzes einen Erlass gebieten kann. Der hier interessierende Zeitraum zwischen dem Ablauf der Bewährungszeit und der Widerrufsentscheidung legt jedenfalls eine solche Annahme noch nicht nahe.

Der Widerruf ist sachlich geboten.

Die Voraussetzungen des § 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB liegen vor. Der Beschwerdeführer ist mittlerweile rechtskräftig wegen innerhalb der Bewährungszeit begangener Vergehen des gemeinschaftlichen Betruges und Vortäuschens einer Straftat unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts Bitburg vom 7. November 1994 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und einem Monat verurteilt worden. Die neuerlichen Straftaten innerhalb der Bewährungszeit machen deutlich, dass sich die der Strafaussetzung zugrundeliegende Erwartung künftiger Straffreiheit nicht erfüllt hat. Die den Verurteilungen zugrundeliegenden Straftaten hat er schon bald nach seiner Entlassung aus der Strafhaft in den vorliegenden Verfahren begangen (September 1993 und April 1994). Unter diesen Umständen hat die Strafvollstreckungskammer zu Recht ausgeführt, dass der Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung die einzig gebotene Maßnahme darstellt.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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