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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 08.03.2007
Aktenzeichen: 1 Ws 47/07
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 175
StPO § 152
Zur Frage der Verpflichtung der Staatsanwaltschaft zur Anklageerhebung bei rechtlicher Beurteilung eines festgestellten Sachverhalts als straflos trotz entgegenstehender höchstrichterlicher Rechtsprechung.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

1 Ws 47/07

In dem Strafverfahren

wegen: Untreue

hier: Antrag der ..., vertreten durch Rechtsanwalt ..., über die Erhebung der öffentlichen Klage gerichtlich zu entscheiden

hat der 1. Strafsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Ohler, den Richter am Oberlandesgericht Maurer und den Richter am Landgericht Gau

am 8. März 2007

beschlossen:

Tenor:

Es wird die Erhebung der öffentlichen Klage gegen die Beschuldigte ... durch die Staatsanwaltschaft Frankenthal (Pfalz) angeordnet mit der Anschuldigung, im Juli 2000 und der Folgezeit über die ihr aufgrund des Wohnraummietvertrages mit der Mieterin ... vom 3. Juli 2000 von dieser auf ihr Girokonto bei der Sparkasse Rhein-Haardt, Bad Dürkheim, überwiesene Mietkaution in Höhe von 1.380 DM vertragswidrig verfügt, insbesondere deren gesetzlich und vertraglich gebotene von ihrem Vermögen abgesonderte und verzinsliche Anlegung bei einer Sparkasse oder Bank unterlassen und dadurch der Mieterin einen Nachteil zugefügt zu haben.

Gründe:

Die Antragstellerin hat gegen die Beschuldigte Strafanzeige wegen Untreue erstattet. Nach der Anzeige und aufgrund der durchgeführten Ermittlungen ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Die Antragstellerin hatte laut Mietvertrag vom 3 Juli 2000 von der Beschuldigten ab 1. August 2000 eine Wohnung angemietet. Die am 6. Juli 2000 überwiesene Kaution in Höhe von 1.380 DM sollte entsprechend der gesetzlichen Regelung und der Vereinbarung im Mietvertrag mit dem üblichen Zinssatz für Spareinlagen bei einer Sparkasse oder Bank getrennt vom Vermögen der Vermieterin angelegt werden. Nach Beendigung des Mietverhältnisses war die Kaution einschließlich Zinsen bei ordnungsgemäßer Rückgabe der Mieträume an die Mieterin zurückzuzahlen. Das Mietverhältnis endete am 31. Januar 2005. Die Kautionsrückzahlung erfolgte trotz mehrer Aufforderungen nicht, die Beschuldigte hat am 5. Juli 2006 eidesstattlich versichert, keine Vermögensgegenstände zu besitzen. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft haben ergeben, dass die Beschuldigte nach Überweisung der Kaution an sie am 14. Juli 2000 1.000 DM von ihrem Girokonto in bar abgehoben und auf ihrem Sparkonto eingezahlt hatte.

Die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren eingestellt mit der Begründung, die Beschuldigte habe zwar den Tatbestand der Untreue verwirklicht, die fünfjährige Verjährungsfrist sei jedoch abgelaufen, weil die Tat mit der Verfügung über den Betrag spätestens im September 2000 beendigt gewesen sei. Die Beschwerde der Antragstellerin hiergegen hat die Generalstaatsanwaltschaft als unbegründet zurückgewiesen, wobei davon ausgegangen wird, das Verhalten der Beschuldigten erfülle bereits nicht den Tatbestand der Untreue.

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrem Antrag auf gerichtliche Entscheidung, der in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden und somit zulässig ist. Auch in der Sache hat er Erfolg. Die rein auf materiellrechtliche Erwägungen gestützte Einstellung des Verfahrens hat keinen Bestand.

Die Rechtsfrage, ob der Untreuetatbestand gem. § 266 StGB erfüllt ist, wenn der Vermieter von Wohnraum über eine vom Mieter geleistete Mietkaution vertragswidrig verfügt, insbesondere entgegen § 551 Abs. 3 BGB n.F. bzw. § 550b Abs. 2 BGB a.F. deren abgesonderte Anlegung unterlässt, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet. Während die Tatbestandserfüllung überwiegend in der Literatur (etwa MK-Dierlamm StGB § 266 Rn. 110 ff m.w.N.) und teilweise auch der Rechtsprechung (etwa OLG Düsseldorf wistra 1994, 33, worauf die Generalstaatsanwaltschaft abstellt, ebenso OLG Düsseldorf wistra 1989, 198; OLG Kiel SchlHA 1990, 111) verneint wird mit der Begründung, es bestehe keine Vermögensbetreuungspflicht, vertritt insbesondere der Bundesgerichtshof unter ausdrücklicher Erörterung dieser Rechtsprechung die gegenteilige Auffassung (BGHSt 41, 224; ebenso BayObLG wistra 1998, 157). Nach Auffassung des Senats folgt bei derart unterschiedlicher rechtlicher Bewertung einer Rechtsfrage, wobei Strafbarkeit nach ernstzunehmender Meinung in Betracht kommt, aus dem Legalitätsgrundsatz die Obliegenheit zur Anklageerhebung, sofern im Übrigen alle Voraussetzungen hierfür erfüllt sind (BGHSt 15, 155; Meyer-Goßner GVG 49. Aufl. Vor § 141 Rn. 11). Aufgrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu dieser Frage erscheint eine Verurteilung eher wahrscheinlich als unwahrscheinlich, zumal die Staatsanwaltschaft zunächst selbst von der Tatbestandserfüllung ausgegangen ist.

Zur weiteren Rechtsfrage der Verfolgungsverjährung teilt der Senat die Auffassung der Antragstellerin. Zwar konnte die Tat bereits mit der vertrags- und gesetzeswidrigen Verfügung der Beschuldigten im Sommer bzw. Herbst 2000 aufgrund der damit verbundenen Vermögensgefährdung vollendet sein, sie war jedoch nach höchstrichterlicher Rechtsprechung noch nicht beendet (BGH wistra 2003, 379; BGH wistra 2001, 422). Ob und ggf. in welcher Höhe sich die Gefährdung letztlich als Schaden realisiert ist etwa davon abhängig, in welcher Höhe sich ein Kautionsrückzahlungsanspruch bei Mietbeendigung errechnet (denkbar sind Einbehaltungen für Instandsetzungen). So steht auch die Höhe der dem Mieter gutzuschreibenden Zinsen bei Beginn des Mietverhältnisses noch nicht fest. In der Regel bedingt daher die Nichtanlage der Kaution auch eine Vergrößerung des Schadens während der Mietdauer.

Damit scheidet eine Verfahrenseinstellung mit der bisherigen materiellrechtlichen Begründung aus. Auch sonst sind die Voraussetzungen für die Anklageerhebung gegeben. Zwar hat sich die Beschuldigte bisher noch nicht zur Sache geäußert. Sie hat der Aufforderung der ermittelnden Polizeidienststelle zur Vereinbarung eines Vernehmungstermins keine Folge geleistet. Allerdings ist ihr bei diesem Anlass durch das Schreiben vom 31. August 2006 (Bl. 24 d.A.) der in dem Strafverfahren gegen sie erhobene Vorwurf mitgeteilt worden. Es kann von einer wirksamen Beschuldigtenvernehmung ausgegangen werden.

Der Senat hat der Beschuldigten den Klageerzwingungsantrag gemäß § 173 Abs. 2 StPO mitgeteilt; innerhalb der ihr eingeräumten Frist hat sie sich nicht geäußert.

Ende der Entscheidung

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