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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 14.11.2007
Aktenzeichen: 1 Ws 470/07
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 142 Abs. 1 S. 2
StPO § 142 Abs. 1 S. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

1 Ws 470/07

In dem Strafvollstreckungsverfahren

wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.

hier: Pflichtverteidigerbestellung im Vollstreckungsverfahren

hat der 1. Strafsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Petry, den Richter am Oberlandesgericht Maurer und den Richter am Amtsgericht Schubert

am 14. November 2007

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Beschwerde des Untergebrachten werden die Verfügung der Berichterstatterin der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 24. Oktober 2007 und die Nichtabhilfeentscheidung des Kammervorsitzenden vom 8. November 2007 aufgehoben.

2. Unter Entpflichtung des mit Verfügung des Kammervorsitzenden vom 30. Oktober 2007 bestellten Pflichtverteidigers Rechtsanwalt B........................, wird zur Verteidigerin des Verurteilten im Verfahren zur Prüfung der Notwendigkeit der Fortdauer der Unterbringung (1 StVK 137/07 LG Landau in der Pfalz) Rechtsanwältin G....... S..........., .................., bestellt.

3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen, die dem Verurteilten darin entstanden sind, trägt die Landeskasse.

Gründe:

Mit Urteil des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 2. Mai 2005 ist die Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden, die in der .....klinik vollzogen wird. Mit Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer vom 24. Juli 2006 und 14. März 2007 wurde jeweils die Fortdauer der Unterbringung angeordnet, wobei zuletzt die Überweisung in eine Entziehungsanstalt erfolgte. Dem Untergebrachten wurde durch den Kammervorsitzenden für das jeweilige Prüfungsverfahren zusammen mit der Bestimmung des Anhörungstermins Rechtsanwalt B..., ..................., als Pflichtverteidiger bestellt, was dem zuvor geäußerten Vorschlag des Untergebrachten entsprach. Für die nunmehr erneut anstehende Überprüfung hat die Kammer mit Beschluss vom 19. Juni 2007 die Einholung eines externen Sachverständigengutachtens angeordnet. Mit Schreiben des Untergebrachten an die Kammer ohne Datum (offenbar bei Gericht eingegangen am 29. Juni 2007) hat dieser die Bitte geäußert, den Verteidiger wechseln zu dürfen, da es mit der Kanzlei der Rechtsanwälte L....................... (der Rechtsanwalt B... angehört) "in der Vergangenheit oft zu Misstrauen" gekommen sei. Die Berichterstatterin teilte dem Verurteilten daraufhin mit Verfügung vom 5. Juli 2007 mit, dass die Voraussetzungen für eine Entpflichtung des bislang beigeordneten Verteidigers, Rechtsanwalt B..., nicht vorlägen. Auf das Schreiben des Verurteilten, das offenbar auch an die Rechtsanwaltskanzlei L.......... zur Kenntnis gegeben worden war, erfolgte mit Schriftsatz vom 12. Juli 2007 an das Landgericht die Mitteilung, dass das Vertrauensverhältnis "auch von Verteidigersicht aus zerstört" sei. Nach Eingang des schriftlichen Gutachtens wurde mit Verfügung des Kammervorsitzenden vom 19. September 2007 zusammen mit der Bestimmung des Anhörungstermins Rechtsanwalt B... dem Untergebrachten "in dem Verfahren 1 StVK 137/07 als Pflichtverteidiger beigeordnet". Seinen Wunsch auf Verteidigerwechsel wiederholte der Untergebrachte sodann erneut mit Schreiben an die Kammer vom 22. Oktober 2007. Als Verteidigerin käme Rechtsanwältin S........... in Betracht, mit der er bereits Kontakt aufgenommen habe. Die Berichterstatterin teilte ihm mit Verfügung vom 24. Oktober 2007 mit, es gäbe kein Recht, "zu jeder Anhörung die Verteidigung zu wechseln", Gründe für die Entpflichtung des beigeordneten Verteidigers, Rechtsanwalt B....,seien nicht ersichtlich. Hiergegen wendet sich die durch Rechtsanwältin S........... mit Schriftsatz vom 6. November 2007 unter Vollmachtsvorlage eingelegte Beschwerde des Untergebrachten. Mit Nichtabhilfeentscheidung vom 8. November 2007 hat der Kammervorsitzende die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Die zulässige Beschwerde führt in der Sache zum Erfolg. Unerheblich ist, dass die angegriffene Entscheidung von der Berichterstatterin und nicht dem Kammervorsitzenden getroffen wurde, dem die Pflichtverteidigerbestellung obliegt (§ 142 Abs. 1 S. 1 StPO), denn letzterer hat sich die Entscheidung der Berichterstatterin durch seine Nichtabhilfeentscheidung vom 6. November 2007 zu Eigen gemacht.

Die Frage der Entpflichtung des bestellten und der Neubestellung eines Pflichtverteidigers kann nicht losgelöst beurteilt werden von dem Verfahren über die Bestellung von Rechtsanwalt B.... Die Beschwerde weist zu Recht darauf hin, dass die Pflichtverteidigerbestellung im Vollstreckungsverfahren nicht generell, sondern für einzelne Verfahrensabschnitte erfolgt (OLG Frankfurt NStZ-RR 2003, 252; KG NStZ-RR 2002, 63). Dem steht die Entscheidung des Oberlandesgericht Stuttgart (NJW 2000, 3367) nicht entgegen, da dieser als Ausgangslage die Verteidigerbestellung "für das Vollstreckungsverfahren" zugrunde lag, wobei auch die abschnittsweise Verteidigerbestellung generell für zulässig erachtet wird. Hier hat der Kammervorsitzende in den bisherigen drei Überprüfungsverfahren für jeden Abschnitt eigens und unter ausdrücklicher Bezeichnung des jeweiligen Aktenzeichens des Verfahrensabschnittes die Pflichtverteidigerbestellung angeordnet. Danach unterliegt es keinem Zweifel, dass die Bestellung nur für den Verfahrensabschnitt erfolgte. Somit war in jedem Bestellungsverfahren das Recht des Untergebrachten auf Bezeichnung eines bestimmten Rechtsanwalts nach § 142 Abs. 1 S. 2 StPO zu beachten. Im ersten Überprüfungsverfahren entsprach die Bestellung von Rechtsanwalt B... dem Wunsch des Untergebrachten. Bei sich wiederholenden Überprüfungsverfahren wird zwar regelmäßig stillschweigend davon ausgegangen werden können, dass der Untergebrachte mit der Bestellung des früher bestellten Verteidigers einverstanden ist, wie es hier bei der zweiten Überprüfung der Fall war. Dies kann jedoch bei der jetzigen Verteidigerbestellung deswegen nicht mehr gelten, weil der Untergebrachte bereits zu Beginn des Verfahrensabschnittes nach der Anordnung der Einholung eines externen Sachverständigengutachtens den Wunsch auf Bestellung eines anderen Pflichtverteidigers geäußert hatte, da er kein Vertrauen mehr zu Rechtsanwalt B... habe. Ihm hätte daher die Möglichkeit zur Bezeichnung eines Rechtsanwalts eingeräumt werden müssen. Da dies unterblieben ist, stellt sich die erneute Bestellung von Rechtsanwalt B... als verfahrensfehlerhaft dar. Zur Wiederherstellung der Rechtsposition des Untergebrachten hätte dessen Ersuchen auf Entpflichtung von Rechtsanwalt B... entsprochen werden müssen, denn es ist auszuschließen, dass der Untergebrachte bei Nachholung der unterbliebenen Befragung erneut Rechtsanwalt B... als Pflichtverteidiger benannt hätte.

Es ist auch davon auszugehen, dass sich die nunmehr zu treffende Auswahl auf Rechtsanwältin S........... beschränkt. Die fehlende Ortsansässigkeit ist zwar als wichtiger Grund i.S.v. § 142 Abs. 1 S. 3 StPO gegen die Bestellung in Betracht zu ziehen. Sie verliert jedoch dann an Bedeutung, wenn bereits ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht und wenn Gerichtsort und Sitz des Rechtsanwalts nicht allzu weit voneinander entfernt sind (Meyer-Goßner StPO 50. Aufl. § 142 Rn. 12 m.w.N.). Beide Voraussetzungen sind gegeben. Rechtsanwältin S........... hat erklärt, sie habe sich in die Sache bereits eingearbeitet und habe das Vertrauen des Untergebrachten. Auch die mit der Entpflichtung von Rechtsanwalt B....und Neubestellung von Rechtsanwältin S........... verbundene Verfahrensverzögerung ist ohne Bedeutung, da sie im wesentlichen auf der verfahrensfehlerhaften Bestellung von Rechtsanwalt B... beruht und nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie in gleicher Weise auch bei Bestellung eines ortsnahen Rechtsanwalts eingetreten wäre; im Übrigen hat sich der Untergebrachte ausdrücklich mit dieser Verfahrensverzögerung einverstanden erklärt. Da ansonsten keine Gründe ersichtlich sind, die es rechtfertigen könnten, dem Wunsch des Untergebrachten nicht zu entsprechen, kann der Senat die Bestellung selbst vornehmen (vgl. Senat Beschlüsse vom 21.05.2001 - 1 Ws 297/01 - und 05.06.2001 - 1 Ws 305/01).

Ende der Entscheidung

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