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Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 23.11.2007
Aktenzeichen: 2 UF 107/07
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 1360 | |
BGB § 1360 a | |
BGB § 1578 |
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil
Aktenzeichen: 2 UF 107/07 Verkündet am: 23. November 2007
In der Familiensache wegen Elternunterhalts (aus übergegangenem Recht) hat der 2. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht Hengesbach und die Richterin am Oberlandesgericht Geib-Doll auf die mündliche Verhandlung vom 2. November 2007 für Recht erkannt: Tenor:
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Ludwigshafen am Rhein vom 30. März 2007 geändert:
Die Klage wird abgewiesen. II. Die Kosten des Rechtsstreites hat die Klägerin zu tragen. III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. IV. Die Revision wird nicht zugelassen. Gründe: I. Der Beklagte und fünf weitere Geschwister sind die Kinder von A... W..., geboren am .... A... W... lebt in einem Pflegeheim. Soweit seine Einkünfte zur Deckung der Heimunterbringungskosten nicht ausreichen, wurden und werden sie von der Klägerin getragen. Die monatlichen Aufwendungen der Klägerin beliefen sich in der Zeit von Juli 2005 bis März 2006 auf Beträge zwischen monatlich 1 696,72 Euro und 2 066,94 Euro. Die Klägerin wies den Beklagten bereits mit Schreiben vom 27. Oktober 2001 auf die Hilfegewährung hin. Für den hier streitgegenständlichen Zeitraum (Juli 2005 bis März 2006) errechnete die Klägerin eine Verpflichtung des Beklagten zur Beteiligung an den Heimunterbringungskosten seines Vaters von monatlich 504,00 Euro. Der Beklagte zahlte für diesen Zeitraum lediglich monatlich 19,00 Euro und berief sich im Übrigen auf fehlende Leistungsfähigkeit. Der Beklagte ist bei der Firma B... beschäftigt. Er ist seit ... verheiratet; seine Ehefrau ist geringfügig beschäftigt.
Im Zuge der Vermögensauseinandersetzung mit ihrem ersten Ehemann übernahm die Ehefrau des Beklagten im Jahre 2000 zwei vermietete Immobilien im A..., deren Belastungen zunächst durch die Mieteinnahmen gedeckt waren. Im Jahre 2004 überstiegen die Mieteinnahmen die Belastungen. Zum Ausgleich nahmen der Beklagte und seine Ehefrau Darlehen auf, auf welche monatliche Zins- und Tilgungsleistungen zu erbringen waren. Zwischenzeitlich ist Zwangsverwaltung der Immobilien angeordnet. Die Ehefrau des Beklagten war gemeinsam mit ihrem vormaligen Lebenspartner Miteigentümerin einer Immobilie in L.... Im Mai 2003 erwarben der Beklagte und seine Ehefrau die Immobilie im Rahmen der Teilungsversteigerung. Zur Finanzierung nahmen sie im Juli 2003 gemeinsam ein Baudarlehen bei der Firma B... auf und traten in zwei bestehende Darlehensverträge der Sparkasse V... ein. Auf diese Darlehen erbrachte der Beklagte im streitgegenständlichen Zeitraum monatliche Zins- und Tilgungsleistungen von rund 1 046,00 Euro. Zwischenzeitlich ist auch über dieses Anwesen, welches vom Beklagten und seiner Ehefrau bewohnt wird, die Zwangsversteigerung angeordnet. Im April 2004 nahm der Beklagte ein weiteres Darlehen bei seiner Arbeitgeberin (sogenanntes Belegschaftsdarlehen) über 5 100,00 Euro auf, das er mit monatlich 100,00 Euro zurückführt.
Das Familiengericht hat den Beklagten für einen monatlichen Unterhalt von 191,83 Euro als leistungsfähig erachtet und für den streitgegenständlichen Zeitraum unter Berücksichtigung der monatlich geleisteten 19,00 Euro zur Zahlung von insgesamt 1 555,47 Euro an die Klägerin verurteilt.
Da die Geschwister des Beklagten zum Teil nicht leistungsfähig seien, zum Teil Unterhaltsleistungen ebenfalls nur in geringem Umfang erbringen könnten und die Unterhaltsansprüche des Vaters gegenüber allen Kindern zur Deckung des verbleibenden Fehlbetrages für die Heimunterbringung nicht ausreichten, bedürfe es keiner Ermittlung der jeweiligen Haftungsanteile der unterhaltspflichtigen Kinder. Mit seiner Berufung erstrebt der Beklagte die Abweisung der Unterhaltsklage insgesamt, da er entgegen der Berechnung des Familiengerichtes aufgrund seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zur Zahlung von mehr als monatlich 19,00 Euro nicht in der Lage und verpflichtet sei. Zudem sei die Leistungsfähigkeit seiner übrigen Geschwister nicht ausreichend geklärt. Demgegenüber geht die Klägerin von einer Leistungsfähigkeit des Beklagten für einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 391,83 Euro aus und begehrt mit ihrer Anschlussberufung eine Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von insgesamt 3 355,47 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 28. März 2006 (Zustellung des Mahnbescheides). Zur Ergänzung der tatsächlichen Feststellungen wird Bezug genommen auf das angefochtene Urteil sowie die gewechselten Schriftsätze, insbesondere Berufungs- und Anschlussberufungsbegründung und deren Erwiderungen, nebst den zu den Akten gereichten Anlagen. II. Berufung und Anschlussberufung sind zulässig.
In der Sache führt das Rechtsmittel des Beklagten zu einer Abänderung der angefochtenen Entscheidung und vollständigen Abweisung des Unterhaltsbegehrens der Klägerin. Deren Anschlussberufung ist demzufolge unbegründet. Der Beklagte war seinem Vater in der Zeit von Juli 2005 bis März 2006 nicht zur Zahlung höheren Unterhaltes als den von ihm geleisteten 19,00 Euro monatlich verpflichtet. Auf die Klägerin als Träger der Sozialhilfeleistungen ist damit auch kein höherer Unterhaltsanspruch übergegangen (§ 94 Abs. 1 SGB XII). (1) Es steht außer Streit, dass der Beklagte - gemeinsam mit seinen weiteren fünf Geschwistern - dem Vater dem Grunde nach zum Unterhalt verpflichtet ist (§§ 1601, 1606 BGB). (2) Der Vater des Beklagten ist unterhaltsbedürftig. Seine Einkünfte (Leistungen der Pflegeversicherung) reichen zur Deckung seines Unterhaltsbedarfs (Kosten der Heimunterbringung) nicht aus. Über Vermögen verfügt er nicht. Er ist daher außer Stande, sich selbst zu unterhalten (§ 1602 Abs. 1 BGB). (3) Der Beklagte und seine Geschwister haften für den nicht gedeckten Unterhaltsbedarf ihres Vaters als gleichnahe Verwandte anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen (§ 1606 Abs. 3 S. 1 BGB). (4) Eine - über die freiwillig erbrachte Leistung hinausreichende - (Mit-)Haftung des Beklagten auf den ungedeckten Unterhaltsbedarf des Vaters besteht nicht, weil der Beklagte bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen nicht im Stande ist, ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhaltes (weiteren) Unterhalt für den Vater zu gewähren (§ 1603 Abs. 1 BGB). (a) Er hat im streitgegenständlichen Zeitraum ein durchschnittliches monatliches Nettoerwerbseinkommen von 2 358,73 Euro erzielt.
Nach Bereinigung um die Beitragszahlungen zu den vermögenswirksamen Leistungen sowie zur Pensionskasse und um die Pauschale von 5 % für berufsbedingte Aufwendungen verbleiben rund 2 145,00 Euro. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig. (b) Das Einkommen des Beklagten ist weiter zu bereinigen um Aufwendungen für das von ihm und seiner Ehefrau gemeinsame bewohnte Anwesen, soweit diese den Gebrauchsvorteil des mietfreien Wohnens übersteigen. Der Wohnvorteil ist nach den ersparten Mietaufwendungen zu bestimmen. Maßgebend dafür ist der Betrag, den der Beklagte und seine Ehefrau für ihren Lebens- und Einkommensverhältnissen angemessenen Wohnraum am örtlichen Wohnungsmarkt aufzuwenden hätten (BGH FamRZ 2003, 1179). Der Senat bemisst diesen angemessenen Wohnwert mit monatlich 800,00 Euro. Dieser Wohnvorteil wird gemindert durch die Aufwendungen für die zur Finanzierung des Anwesens aufgenommenen Darlehen, allgemeine Grundstückskosten und Lasten sowie sonstige verbrauchsunabhängige Hausnebenkosten. Allgemeine Grundstückslasten und verbrauchsunabhängige Hausnebenkosten sind mit monatlich rund 40,00 Euro unstreitig. Als abzugsfähig anzuerkennen sind jedenfalls die Zinsleistungen auf die zur Finanzierung des Hausanwesens aufgenommenen Darlehen.
Die Zinsleistungen des Beklagten auf die Hausdarlehen lagen in den Jahren 2005 und 2006 bei insgesamt rund 854,00 Euro (Darlehen B... rund 312,00 Euro, Darlehen S rund 320,00 Euro und rund 222,00 Euro). Zu erbringende Tilgungsleistungen sind im Rahmen des Elternunterhaltes grundsätzlich berücksichtigungsfähig, wenn und soweit die Verbindlichkeiten und hieraus resultierenden Annuitäten in angemessener Höhe zu den vorhandenen Einkünften stehen und bereits zu einer Zeit eingegangen wurden, als der Unterhaltspflichtige noch nicht damit zu rechnen brauchte, für den Unterhalt eines Elternteils aufkommen zu müssen (BGH aaO S. 1181 f). Das ist hier nicht uneingeschränkt der Fall.
Die Hausverbindlichkeiten von insgesamt rund 1 046,00 Euro monatlich (Darlehen B... 391,00 Euro, S...darlehen 380,00 Euro und 274,56 Euro) sind zwar im Verhältnis zum Erwerbseinkommen des Beklagten und dem Zusatzverdienst seiner Ehefrau aus geringfügiger Beschäftigung nicht unangemessen hoch. Bei Eingehen der Verbindlichkeiten im Jahr 2003 war dem Beklagten allerdings bereits bekannt, dass er für den Unterhalt seines Vaters aufzukommen hatte; auf entsprechende Aufforderung der Klägerin erbrachte er zu diesem Zeitpunkt auch bereits Leistungen für den Vater.
Daher können die Tilgungsleistungen hier nur eingeschränkt unter dem Gesichtspunkt der Vermögensbildung zur zusätzlichen Altersvorsorge im Umfang von 5 % des Bruttoeinkommens (BGH FamRZ 2004, 792) als abzugsfähig anerkannt werden. Die Tilgungsleistungen des Beklagten in den Jahren 2005/2006 betrugen rund 192,00 Euro (Darlehen B... rund 79,00 Euro, Darlehen S... rund 60,00 Euro und rund 53,00 Euro).
Ausgehend von einem Jahresbruttoeinkommen zwischen 43 000,00 und 44 000,00 Euro ist dem Beklagte zusätzlichen Altersvorsorge bis zu monatlich rund 180,00 Euro zu gestatten. Da zusätzliche Altersvorsorge bereits in Form von Beitragszahlungen zur Pensionskasse (60,00 Euro) und zu den vermögenswirksamen Leistungen (rund 40,00 Euro) betrieben wird, kann die Tilgung der Hausdarlehen unter dem Gesichtspunkt der Altersvorsorge nur noch im Umfang von rund 80,00 Euro monatlich berücksichtigt werden. Dem Wohnvorteil stehen daher berücksichtungsfähige Finanzierungsaufwendungen von rund 934,00 Euro gegenüber.
Insgesamt belaufen sich die abzugsfähigen Aufwendungen damit auf rund 974,00 Euro; sie übersteigen den Wohnvorteil um rund 174,00 Euro monatlich und mindern in dieser Höhe das Erwerbseinkommen des Beklagten. (c) Zu den zu berücksichtigungsfähigen sonstigen Verpflichtungen des Beklagten gehört auch die Unterhaltspflicht gegenüber seiner Ehefrau, soweit diese ihren Unterhaltsbedarf nicht durch eigenes Einkommen deckt. Der Beklagte schuldet ihr Familienunterhalt gemäß §§ 1360, 1360 a BGB. Das Maß des Familienunterhaltes bestimmt sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen; daher kann § 1578 BGB als Orientierungshilfe herangezogen und der Anspruch auf Familienunterhalt bei Konkurrenz mit anderen Unterhaltsansprüchen in Geldbeträgen veranschlagt werden. Bei einem auf Elternunterhalt in Anspruch genommenen Unterhaltspflichtigen ist nach den Süddeutschen Leitlinien, die der Senat in ständiger Rechtsprechung anwendet, für den mit ihm zusammenlebenden Ehegatten ein Eigenbedarf von mindestens 1 050,00 Euro anzusetzen (Nr. 22.3). Dem steht die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (FamRZ 2004, 186) nicht entgegen. Danach kann eine bei Eingehung der Ehe bereits bestehende oder zumindest latent vorhandene Unterhaltslast gegenüber einem Elternteil sich auf die Bemessung des Familienunterhaltes des Ehegatten auswirken, weil diese Unterhaltslast die ehelichen Lebensverhältnisse bereits mitbestimmt hat. Dies gilt aber nur für die Frage, ob der Mindestbedarf mit Blick auf die ehelichen Lebensverhältnisse angemessen zu erhöhen ist. Einer solchen Erhöhung kann die latente Unterhaltslast entgegenstehen (BGH aaO). Sie rechtfertigt es aber nicht, den Mindestbedarf für den mit dem Unterhaltspflichtigen zusammenlebenden Ehegatten weiter herabzusetzen. Da die Ehefrau des Beklagten lediglich über Einkünfte aus geringfügiger Beschäftigung - nach Abzug der Pauschale von 5 % für berufsbedingte Aufwendungen also über solche von höchstens 380,00 Euro - verfügt hat, belief sich ihr Familienunterhaltsanspruch gegenüber dem Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum auf mindestens 670,00 Euro. (d) Zur Deckung seines eigenen Bedarfes verblieben dem Beklagten mithin noch (2 145,00 Euro ./. 174,00 Euro ./. 670,00 Euro =) rund 1 301,00 Euro. Das sind weniger als die ihm im Verhältnis zu seinem Vater mindestens zu belassenden 1 400,00 Euro (Nr. 21.3.3 Süddeutsche Leitlinien), so dass er zur Erbringung von Elternunterhalt nicht leistungsfähig war. (e) Darauf, ob weitere Verpflichtungen des Beklagten im Rahmen der Ermittlung seiner Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen wären (Belegschaftsdarlehen, Darlehen für die Immobilien der Ehefrau), kommt es nicht mehr an. III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Das Urteil ist gemäß §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, 26 Nr. 9 EGZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind (§§ 543 Abs. 2 ZPO).
Beschluss
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 3 355,47 Euro festgesetzt.
Ende der Entscheidung
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