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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 15.12.2000
Aktenzeichen: 2 UF 130/00
Rechtsgebiete: EGBGB, ZPO


Vorschriften:

EGBGB Art. 21
EGBGB Art. 3 Abs. 2
EGBGB Art. 18 Abs. 4
EGBGB Art. 6
ZPO § 623 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
ZPO § 623 Abs. 3
EGBGB Art. 21,3 Abs. 2,18 Abs. 4, 6; Deutsch-Iranisches Niederlassungsabkommen; ZPO § 623 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3

Zur Regelung der elterlichen Sorge im Verbundverfahren und zum nachehelichen Unterhalt bei Anwendung iranischen Rechts.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 2 UF 130/00 4 F 973/96 Amtsgericht - Familiengericht - Kaiserslautern

Verkündet am: 15. Dezember 2000

Sander, Justizobersekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In der Familiensache

wegen Ehescheidung und Folgesachen; hier elterliche Sorge; nachehelicher Unterhalt

hat der 2. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Giersch, den Richter am Oberlandesgericht Burger und die Richterin am Oberlandesgericht Geib-Doll

auf die mündliche Verhandlung vom 17. November 2000

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Verbundurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Kaiserslautern vom 18. Mai 2000 geändert:

a) Die Nr. II und III. des Urteils (Regelung der elterlichen Sorge) werden aufgehoben.

Es wird klargestellt, dass der Antragsgegnerin weiterhin gemäß Beschluss des Amtsgerichts Kaiserslautern vom 10.9.1996 (3 F 918/94) die alleinige elterliche Sorge für die ehegemeinschaftliche Tochter D..., geb. am 7. Januar 1992, zusteht.

b) Unter Abänderung von Nr. VI. des Urteils wird der Antragsteller verurteilt, für die Antragsgegnerin einen nachehelichen Unterhalt von je 1566 DM monatlich für den Zeitraum von Rechtskraft der Scheidung (3.10.2000) bis 2. Januar 2001 sowie von je 925 DM monatlich für die Zeit ab 3. Januar 2001 zu bezahlen. Die Zahlungen haben für die Zeit bis einschließlich November 2000 bis zu einer Höhe von 929 DM monatlich an das Sozialamt der Stadt K... Bezirksamt L... (Aktenzeichen 1933 127 27 9810 6) zu erfolgen, im Übrigen an die Antragsgegnerin selbst.

2. Für die erste Instanz verbleibt es bei der Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Antragsteller 3/5 und die Antragsgegnerin 2/5 zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand und Entscheidungsgründe:

Die Parteien, in Deutschlandlebende Iraner, streiten im Rahmen des Ehescheidungs-Verbundverfahrens noch um elterliche Sorge und nacheheliche Unterhalt. Durch das teilweise angefochtene Verbundurteil wurde die Ehe geschieden und der Versorgungsausgleich geregelt. Weiterhin wurde die gemeinsame elterliche Sorge für die eheliche Tochter D..., geb. am 7. Januar 1992, angeordnet, der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht zugewiesen und der Antragsteller unter Abweisung des weitergehenden Antrages zur Zahlung eines nachehelichen Unterhaltes in Höhe von monatlich 766 DM verurteilt; die Antragsgegnerin hatte insoweit einen monatlichen Betrag von 1575 DM verlangt. Mit der Berufung will die Antragsgegnerin erreichen, dass ihr die alleinige elterliche Sarge belassen wird und der dahingehende Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Kaiserslautern vom 10. September 1996 (3 F 918/94) aufrechterhalten bleibt. Außerdem erstrebt sie die Erhöhung des ihr zugesprochenen nachehelichen Unterhaltes. Die Parteien streiten zunächst über den rechtlichen Rahmen der zu treffenden Entscheidungen. Hinsichtlich des nachehelichen Unterhaltes ist im Wesentlichen streitig, Ob sich die Antragsgegnerin, in deren Obhut sich die am 7. Januar 1992 geborene, jetzt 8-jährige ehegemeinschaftliche Tochter D... befindet, entsprechend der Auffassung der Erstrichterin ein fiktives Einkommen wegen Verletzung ihrer Erwerbsobliegenheit anrechnen lassen muss. Der in erster Instanz ergangene Scheidungsausspruch ist rechtskräftig seit 3. Oktober 2000.

Die Berufung ist zulässig. Sie führt zur Aufhebung der erstinstanzlich getroffenen Sorgerechtsregelung, weil nach dem maßgeblichen deutschen Verfahrensrecht eine Entscheidung dazu im Verbundverfahren nicht ergehen durfte und zur Zuerkennung von weitergehenden Ansprüchen auf nachehelichen Unterhalt.

2. Eine Entscheidung zur elterlichen Sorge war hier im Ehescheidungs-Verbundverfahren nicht zu treffen.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin folgt dies allerdings nicht bereits aus der Übergangsregelung nach Art. 15 § 2 Abs. 4 KindRG, wonach eine (wie hier) am 1.7.1998 bereits anhängige Folgesache nach § 1671 BGB a.F. als in der Hauptsache erledigt anzusehen war,, wenn nicht binnen 3 Monaten von einer Seite die alleinige elterliche Sorge beantragt wurde. Es reicht insoweit auch eine schon vor dem 1.7.1998 erfolgte Antragstellung aus (FamRefK, § 623 ZPO Rn. 26), die hier von beiden Seiten vorlag.

Die Voraussetzungen nach § 623 ZPO für eine Sorgerechtsentscheidung im Verbund sind dennoch nicht erfüllt. Folgesache kann nämlich nicht jeder Antrag sein, der die elterliche Sorge für ein gemeinschaftliches Kind betrifft, sondern gemäß § 623 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 ZPO nur der Antrag eines Ehegatten, ihm die Sorge aus Anlass der Trennung ganz oder teilweise zu übertragen (§ 1671 BGB) sowie die Sorgerechtsübertragung im Fall der Gefährdung des Kindeswohls (§ 1666 BGB; vgl. Zöller aaO., ZPO 22. Aufl. § 623 Rn. 20c). Dagegen ist gemäß § 1696 BGB und damit außerhalb des Verbunds zu entscheiden, wenn eine Entscheidung über die elterliche Sorge aus Anlass der Trennung bereits getroffen ist und diese damit lediglich abgeändert werden könnte; dies gilt nach Auffassung des Senats auch dann, wenn es sich um eine vor Inkrafttreten des Kindschaftsreformgesetzes nach § 1672 BGB a.F. getroffene Entscheidung handelt und wenn diese nach ihren Wortlaut an sich auf die Zeit des Getrenntlebens beschränkt ist (Senatsurteil FamRZ 1999, 807); hiervon hält der Senat gegen die - auch von den anderen Familiensenaten des OLG Zweibrücken vertretene (OLGR 1990, 468, 471; jeweils m.w.N.) - abweichende Auffassung fest. Eine solche fortwirkende Sorgeregelung ist hier gegeben, nachdem der Antragsgegnerin durch den Beschluss des Amtsgerichts Kaiserslautern vom 10.9.1996 für die Zeit des Getrenntlebens die elterliche Sorge allein übertragen worden ist.

Die dargelegten Grundsätze können allerdings auf den vorliegenden Fall nicht unmittelbar angewendet werden, weil für die Sorgerechtsregelung hier - entgegen Art. 21 EGBGB und Art. 2 des Minderjährigenschutzabkommens (MSA) - grundsätzlich das iranische Recht gilt, obwohl auch das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat. Die Geltung des iranischen Rechts ergibt sich aus Art. 8 Abs. 3 des weiterhin in Gültigkeit befindlichen deutsch-iranischen Niederlassungsabkommens vom 17.2.1929 und aus Ziff. 1 des diesem Abkommen beigefügten Schlussprotokolls (beides abgedruckt bei Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht Stand Juli 2000 Iran S. 2). Das Niederlassungsabkommen ist dabei gemäß Art. 3 Abs. 2 EGBGB und Art. 18 Abs. 2 des MSA gegenüber dem Minderjährigenschutzabkommen vorrangig (BGH FamRZ 1993, 316; 1053).

Auch das iranische Recht kennt aber keine besonderen Regelungen; die eine Entscheidung über das elterliche Sorgerecht gerade im Zusammenhang mit einer Scheidung vorsehen; insofern ist es mit der in Deutschland nach Inkrafttreten von § 1671 BGB n.F. bestehenden Rechtslage vergleichbar.

Das frühere iranische Familienschutzgesetzes von 1975 (abgedruckt, bei Bergmann/Ferid aaO., S. 35 ff.) hatte allerdings in Art. 12 angeordnet, dass gleichzeitig mit dem "Beschluss über die Unmöglichkeit des ehelichen Zusammenlebens" u.a. von Amts wegen eine Entscheidung über die "Erziehung der Kinder" zu treffen sei. Das fragliche Gesetz ist aber im Zuge der ab 1979 im Iran stattgefundenen politischen Umwälzungen außer Kraft getreten; dies haben Rechtsgutachten ergeben; die in Entscheidungen des OLG Bremen (FamRZ 1992, 343, 344) und des OLG Saarbrücken (FamRZ 1992, 848, 849) mitgeteilt werden (vgl. auch BGH FamRZ 1993,1053, 1054; OLG Düsseldorf FamRZ 98, 1113, 1114).

Das spätere iranische Gesetz vorn 26.11.1992 zur Änderung der Scheidungsbestimmungen (abgedruckt in IPraX 94; 326) enthält keine Bestimmungen zur Sorgerechtsregelung. Das Recht der elterlichen Sorge beurteilt sich daher im Iran jetzt nach den Bestimmungen der Art. 1168 ff., 1180 ff. des Zivilgesetzbuches (ZGB), die durch allgemein anerkannte islamische Rechtsgrundsätze ergänzt werden (so. auf der Grundlage des o.a. Gutachtens OLG Bremen FamRZ 1992,343; ebenso BGH FamRZ 1993,316,318; 1053,1054; OLG Bremen FamRZ 1999,1520, 1521); die dargestellte Rechtslage bezieht sich dabei auf die Bevölkerungsmehrheit der schiitischen Moslems (vgl. insoweit Bergmann/Ferid aaO., S. 6, 8), der auch die Parteien angehören.

Die genannten iranischen Regelungen knüpfen nicht an die Situation der Scheidung an, sondern gelten allgemein für das Recht der elterlichen Sorge. Damit ist eine dem § 1671 BGB n.F. entsprechende Situation gegeben. Der als deutsche lex fori maßgebliche § 623 ZPO ist auf das ausländische materielle Recht sinngemäß anzuwenden (vgl. Johannsen/Henrich, Eherecht 3. Aufl. § 623 Rn. 25). Im Verbundverfahren scheidet danach eine erneute Entscheidung über das bereits geregelte Sorgerecht aus. Der Senat hebt das angefochtene Urteil insoweit auf und stellt klar, dass der bereits 1996 ergangene Sorgerechtsbeschluss des AG Kaiserslautern in Kraft bleibt.

Diese frühere Entscheidung wird ihre Wirksamkeit auch nicht etwa durch eine nach iranischem Recht demnächst eintretende Volljährigkeit des Kindes D... verlieren. Nach Art. 1210 des iranischen ZGB werden Mädchen zwar mit 9 Jahren volljährig (Knaben mit 15 Jahren). Das Alter von 9 Jahren wird D... am 7.1.2001 erreichen. Das iranische Gesetz meint hier aber nur das Alter der Pubertät als Heiratsvoraussetzung (OLG Frankfurt am Main FamRZ 1991, 730, 731; OLG Bremen FamRZ 1999,1520,1521f.; Bergmann/Ferid aaO., S. 14a und S. 32 Fn. 52a; Art. 1041 iran. ZGB); dagegen soll etwa die Geschäftsfähigkeit im Sinne der Fähigkeit zur eigenständigen Vermögensverwaltung auch nach iran. Recht regelmäßig im Alter von 18 Jahren eintreten (Art.1207,1209 ZGB). Jedenfalls aber wäre eine solche Auffassung der Volljährigkeit mit dem deutschen ordre public unvereinbar, so dass eine Sorgerechtsregelung keinesfalls entbehrlich wäre bzw. als erledigt angesehen werden könnte (so auch OLG Bremen aaO.).

3. Ansprüche auf nachehelichen Unterhalt stehen der Antragsgegnerin in weiterem Umfang zu, als vom Amtsgericht zuerkannt.

Auch der nacheheliche Unterhalt richtet sich nach iranischem Recht. Dies ergibt sich bereits aus Art. 18 Abs. 4 EGBGB, nachdem auf die mittlerweile rechtskräftige Scheidung der Parteien ebenfalls das iranische Recht angewendet worden ist.

Maßgeblich ist insoweit das tatsächliche Scheidungsstatut (vgl. Staudinger BGB 1996 Art. 18 EGBGB Rn. 34). Es ist daher jetzt ohne Bedeutung, dass die Parteien - wie von der Antragsgegnerin bereits in 1. Instanz vorgetragen (Schriftsätze vom 21.7. und 27.7.98 nebst Anlagen, Bl. 82 ff. d.A.) und von beiden Parteien bei ihrer Anhörung durch den Senat bestätigt - ihre in Deutschland standesamtlich geschlossene Ehe bei den iranischen Behörden nicht haben registrieren lassen, so dass keine nach dortigem Recht gültige (vgl. Bergmann/Ferid aaO., S. 11), sondern eine nur "hinkende" und an sich nach deutschem Recht zu scheidende Ehe (OLG Hamm FamRZ 1994,1182; Palandt, BGB 59. Aufl. Art. 17 EGBGB Rn. 10) vorlag.

Nach iranischem Recht steht der Antragsgegnerin für die ersten drei Monate nach Rechtskraft der Scheidung - die als Wartezeit für die Wiedereingehung einer Ehe gelten (sog. "eddah"; vgl. Art. 1150 f. ZGB) - Unterhalt "nach den sozialen Gewohnheiten der Frau" zu; dieser früher in Art. 12 Abs. 1 Satz 1 des Familienschutzgesetzes geregelte Anspruch ist weiterhin anerkannt (vgl. Jones DRiZ 1996; 322, 325).

Nach dem Verständnis des Senats ist danach der volle eheangemessene Unterhalt zuzusprechen. Diesen bemisst der Senat - in Anknüpfung an die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil - ausgehend von einem monatlichen Nettoeinkommen des Antragstellers in Höhe von 4300 DM und einem von ihm zu deckenden Kindesunterhaltsbedarf von 645 DM (510 DM + 135 DM) auf rund 1566 DM monatlich. Auf eine eigene Erwerbstätigkeit kann die Antragsgegnerin während der Wartezeit nach Auffassung des Senats nicht verwiesen werden.

Die Antragsgegnerin hat zur Darstellung der ehelichen Lebensverhältnisse in zulässiger Weise auf das am 31.10.1997 ergangene Senatsurteil zum Trennungsunterhalt (2 UF 40/97) Bezug genommen. Der Senat hat dabei dem Antragsteller - entgegen dessen nunmehrigen Einwendungen - damals keineswegs ein fiktives Einkommen angerechnet, sondern ist von tatsächlich erzielten, jedoch verschleierten Einkünften ausgegangen. Dem Vorbringen des Antragstellers kann nicht entnommen werden, dass sich an den damaligen Verhältnissen etwas geändert hätte. Unbehelflich ist insbesondere der nunmehrige Einwand des Antragstellers, es sei während des ehelichen Zusammenlebens in größerem Umfang Geld an Verwandte im Iran geschickt worden. Bereits in dem damaligen Urteil hat sich der Senat an den Beträgen orientiert, die für den gemeinsamen Lebensunterhalt der Parteien tatsächlich zur Verfügung standen. Daneben boten die damals festgestellten Verschleierungsmaßnahmen des Antragstellers durchaus Möglichkeiten, Gelder für die Verwandten abzuzweigen.

Für die an die "eddah" anschließende Zeit ist dem iranischen Recht ein Unterhaltsanspruch nicht zu entnehmen (vgl. Art. 1102 ff., 1195 ff: WB); insbesondere sieht das Scheidungsgesetz vom 26.11.1992 (IPrax 1994, 326) einen solchen nicht allgemein vor (vgl. dazu Jones DRiZ 1994, 322, 325).

Dieses Ergebnis erscheint hier aber mit der öffentlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland unvereinbar, weil die Antragsgegnerin wegen der ihr obliegenden Betreuung eines gemeinschaftlichen Kindes ohne erhebliche Vernachlässigung ihrer Elternpflicht nicht in der Lage wäre, ihren eigenen ausreichenden Unterhalt sicherzustellen; gemäß Art. 6 EGBGB ist es daher geboten, dem betreuenden und deshalb bedürftigen Elternteil einen Anspruch auf Sicherstellung seines Lebensunterhalts gegen den anderen Elternteil einzuräumen, nachdem die Bedürftigkeit des betreuenden Elternteils auf einem gemeinsamen Entschluss beider Ehegatten beruht (vgl. Senat FamRZ 1997, 93, 94 f. m.w.N.).

Den danach zuzubilligenden Unterhalt bemisst der Senat auf monatlich 925 DM. Der auf der Grundlage von Art. 6 EGBGB zu gewährende Unterhalt kann zwar - nach Maßgabe von Art. 18 Abs. 7 EGBGB - den vollen eheangemessenen Unterhalt erreichen (BGH FamRZ 1991, 925, 927). Andererseits ist aber zu berücksichtigen, dass Art. 6 EGBGB als Ausnahmevorschrift eng auszulegen ist und lediglich besondere Härten vermeiden soll; die allgemeinen Maßstäbe des deutschen Unterhaltsrechts können daher nicht ohne Weiteres angewendet werden (vgl. Senat FamRZ 2000,32 f., m.w.N.).

Die Anrechnung eines fiktiven Erwerbseinkommens von monatlich 800 DM, wie sie die Erstrichterin vorgenommen hat; ist daher im Grundsatz nicht zu beanstanden. Auch nach deutschem Unterhaltsrecht könnte eine Teilzeit-Erwerbstätigkeit neben der Betreuung eines bei Rechtskraft der Scheidung bereits 8 Jahre alten Kindes grundsätzlich erwartet werden. Besondere Erschwernisse der Kindesbetreuung werden von der Antragsgegnerin weder geltend gemacht, noch sind sie sonst ersichtlich.

Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragsgegnerin am Arbeitsmarkt ohne reale Chance wäre und auch bei rechtzeitigen und hinreichenden Bemühungen keine Aussichten hätte, den genannten Betrag durch eine Teilzeitbeschäftigung zu verdienen. Es ist zwar nicht zu übersehen, dass die Antragsgegnerin gewisse Merkmale aufweist, die ihre Vermittelbarkeit erschweren (Ausländerin, die jedenfalls keine perfekten deutschen Sprachkenntnisse besitzt; keine in Deutschland anerkannte Schul- oder Berufsausbildung; Hausfrau im Alter von jetzt 41 Jahren, die nunmehr ins Erwerbsleben eintreten will).

Andererseits bringt die Antragsgegnerin aber von ihrer Persönlichkeit her durchaus die Voraussetzungen mit, um bei einem von ihr zu fordernden guten Willen und einer gewissen Anpassungsbereitschaft einen Arbeitsplatz zu finden. Anders als möglicherweise nach deutschem Unterhaltsrecht ist sie auf der Grundlage von Art. 6 EGBGB verpflichtet, jede allgemein zumutbare Tätigkeit anzunehmen. Sie lebt in dem Ballungsraum K..., wo sie angesichts der erweiterten Möglichkeiten des dortigen Arbeitsmarktes möglicherweise auch iranische Sprachkenntnisse und Herkunft wird einsetzen können. Daher vermag das Scheitern der spärlichen und verspätet einsetzenden Bewerbungsbemühungen, die von der Antragsgegnerin vorgetragen worden sind, fehlende Erwerbschancen nicht zu belegen.

Nach Auffassung des Senats kann allerdings das so ermittelte fiktive Einkommen nicht ungekürzt auf den Unterhaltsanspruch angerechnet werden: Es müssen zunächst in gewissem Umfang berufsbedingte Aufwendungen abgezogen werden, die der Senat hier mangels konkreter Anhaltspunkte, pauschal mit einem Mindestbetrag von 50 DM monatlich bemisst. Weiterhin erscheint es auch nach Maßgabe von Art. 6 EGBGB unverzichtbar, aus Gründen der Gleichbehandlung der Antragsgegnerin ebenso wie dem Antragsteller das sog. Anreizsiebtel zu belassen. Der anzurechnende Betrag kürzt sich damit auf rund 640 DM monatlich, so dass ein Unterhaltsanspruch von monatlich 925 DM (gerundet) verbleibt.

Das Recht, den so ermittelten Ehegattenunterhalt zu fordern, hat die Antragsgegnerin auch nicht durch die ihr bisher gewährte Sozialhilfe verloren; dem dadurch ausgelösten Forderungsübergang (§ 91 Abs. 1 BSHG) hat sie in zulässiger Weise dadurch Rechnung getragen, dass sie für die Vergangenheit beantragt hat, den Antragsteller teilweise zur Zahlung an das Sozialamt zu verurteilen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97, 93a ZPO. Das Urteil ist gemäß §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird festgesetzt

a) bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung vom 17. November 2000 auf 11100 DM

(elterliche Sorge: 1500 DM; Unterhalt 12* 800 DM = 9600 DM);

b) danach auf 5331 DM

(Unterhalt 3*800 DM + 9*159 DM); §§ 12 Abs. 2,17 Abs. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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