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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 01.12.2000
Aktenzeichen: 2 UF 177/99
Rechtsgebiete: BGB, GG, BarwertVO


Vorschriften:

BGB § 1587 a Abs. 3 Nr. 2
BGB § 1587 a Abs. 4
GG Art. 3 Abs. 1
BarwertVO § 1
Den in letzter Zeit in Rechtsprechung und Literaturgeäußerten Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der BarwertVO schließt sich der Senat hinsichtlich der zugrunde gelegten sog. biometrischen Daten an. Für eine Übergangszeit von etwa 2 bis 3 Jahren erscheint es dennoch hinnehmbar, den Versorgungsausgleich unter Anwendung der bisherigen Tabellen zur BarwertVO durchzuführen. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache wird die weitere Beschwerde zugelassen.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 2 UF 177/99 1 F 86/99 Amtsgericht Kaiserslautern

In der Familiensache

wegen Ehescheidung und Folgesachen

hier: Versorgungsausgleich,

hat der 2. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Giersch, den Richter am Oberlandesgericht Geisert und die Richterin am Oberlandesgericht Geib-Doll auf die befristete Beschwerde der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, B..., vom 16. August 1999, an diesem Tage eingegangen beim Pfälzischen Oberlandesgericht Zweibrücken, gegen Ziffer 2. des Urteils des Amtsgerichts - Familiengericht - Kaiserslautern vom 14. Juli 1999, der Beschwerdeführerin zugestellt am 20. Juli 1999,

ohne mündliche Verhandlung am 1. Dezember 2000

beschlossen:

Tenor:

1. Das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Kaiserslautern vom 14. Juli 1999 wird in seinen Ziffern 2. und 3. (Regelung des Versorgungsausgleichs) geändert:

a) Von dem Versicherungskonto des Antragsgegners Nr.... bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, B..., werden auf das Versicherungskonto der Antragstellerin Nr.... bei demselben Versorgungsträger monatliche Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 67,63 DM, bezogen auf den 31. Januar 1999, übertragen.

b) Zum Ausgleich der Anwartschaft des Antragsgegners auf eine Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder, K..., Vers.Nr...., werden für die Antragstellerin auf deren Versicherungskonto bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, B..., Vers.Nr...., Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 8,58 DM monatlich, bezogen auf den 31. Januar 1999, begründet.

c) Es wird angeordnet, dass die in der gesetzlichen Rentenversicherung zu begründenden und zu übertragenden Anwartschaften in Entgeltpunkte umgerechnet werden.

2. Hinsichtlich der Kosten des ersten Rechtszuges verbleibt es bei der Kostenentscheidung in dem angefochtenen Urteil.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Im Übrigen werden die Kosten des Beschwerdeverfahrens zwischen den beteiligten Ehegatten gegeneinander aufgehoben. Außergerichtliche Kosten der beteiligten Versorgungsträger werden nicht erstattet.

3. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 1 000,-- DM festgesetzt.

4. Gegen die Entscheidung wird die weitere Beschwerde zugelassen.

Gründe:

Die befristete Beschwerde der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (künftig: BfA) ist gemäß § 621 e Abs. 1 ZPO statthaft, in zulässiger Weise erhoben und führt in der Sache zu einer anderweitigen Regelung des Versorgungsausgleichs zwischen den beteiligten Ehegatten.

Die BfA rügt zu Recht, dass der Ausgleich der Versorgungsanwartschaften des Antragsgegners auf eine betriebliche Altersversorgung bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (künftig: VBL) vom Familiengericht in das Splitting gemäß § 1587 b Abs. 1 BGB miteinbezogen wurde. Hierfür sind jedoch nur die von den Ehegatten in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen Anwartschaftsrechte zu berücksichtigen.

Gemäß den Auskünften der BfA vom 17. Mai und 26. April 1999, die im Rahmen richterlicher Nachprüfbarkeit nicht zu beanstanden sind, haben der Antragsgegner Rentenanwartschaften in Höhe von 816,94 DM und die Antragstellerin in Höhe von 681,69 DM in der Ehezeit vom 1. Mai 1982 bis 31. Januar 1999 erworben. Der Unterschiedsbetrag (135,25 DM) ist hälftig mit gerundet 67,63 DM durch den Antragsgegner als Inhaber der insgesamt höheren Versorgungsanwartschaften auszugleichen, § 1587 Abs. 1 BGB.

Der Ausgleich der betrieblichen Anwartschaft des Antragsgegners bei der VBL als öffentlich-rechtlichen Versorgungsträger hat gemäß § 1 Abs. 3 VAHRG im Wege des Quasisplittings und somit entsprechend § 1587 Abs. 2 BGB durch Begründung von Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung zu erfolgen.

Da der Antragsgegner bei der VBL bislang lediglich eine statische Versicherungsrente unverfallbar erlangt hat (vgl. dazu etwa: BGH NJW 1982, 1989), ist deren Umrechnung gemäß § 1587 a Abs. 3 Nr. 2 BGB i. V. mit der Barwertverordnung zur Angleichung an die dynamischen Altersversorgungen erforderlich. Hierfür ist der Barwert der Teilversorgung für den Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags zu ermitteln und als Beitrag in die gesetzliche Rentenversicherung zu unterstellen. Die sich daraus ergebene fiktive Altersrente ist in die Ausgleichsbilanz einzubeziehen.

Die Umbewertung eines statischen Anrechts in ein den dynamischen Versorgungen vergleichbares Anwartschaftsrecht auf der geltenden rechtlichen Grundlage, insbesondere der Barwertverordnung, hat in Rechtsprechung und Literatur in der letzten Zeit Kritik erfahren. Demnach führe eine entsprechende Dynamisierung regelmäßig zu einer erheblichen Unterbewertung der betrieblichen Anrechte, weil die Barwertverordnung auf veralteten Grundlagen über die Sterblichkeit und Invalidität (biometrische Daten) beruhe und darüber hinaus eine Abzinsung in Höhe von 5,5 % beinhalte, obgleich eine entsprechende Dynamik in der gesetzlichen Rentenversicherung seit Jahren nicht mehr erreicht werde. Zudem bleibe bei der Barwertbildung eine Hinterbliebenenversorgung außer Ansatz. Das System der Umrechnung in eine Anwartschaft der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund einer fiktiven Beitragszahlung führe zu einer zusätzlichen Minderbewertung betrieblicher Anwartschaftsrechte, weil die dafür geleisteten Beiträge auch für sog. versicherungsfremde Leistungen in der gesetzlichen Rentenversicherung herangezogen würden (vgl. Glockner/Gutdeutsch, FamRZ 1999, 896 ff; Bergner, FamRZ 1999, 1487 ff; MüKo/Dörr, BGB 4. Aufl., § 10 a VAHRG Rnrn. 51 ff; OLG München, FamRZ 1999, 1432; OLG Stuttgart, FamRZ 2000, 1019). Die Anwendung des geltenden Rechts führe deshalb zu Ergebnissen, die in erheblichem Umfang von dem der gesetzlichen Regelung zugrunde liegenden Halbteilungsgrundsatz abwichen und damit dem Gleichheitsgebot nach Art. 3 Abs. 1 GG zuwiderliefen (OLG München und OLG Stuttgart, jeweils aaO; Bergner, FamRZ 2000, 97; a. A. etwa: OLG Nürnberg, FamRZ 2000, 538).

Der Senat schließt sich den genannten Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der genannten Regelungen nur teilweise an.

Die vom Antragsgegner bei der VBL in der Ehezeit erworbene statische Versorgungsanwartschaft in Höhe von 107,75 DM monatlich ergibt einen nach der Barwertverordnung dynamisierten Wert in Höhe von 17,15 DM (Jahresbetrag: 1 293,-DM x Barwertfaktor 3,0 nach Tabelle 1 zur Barwertverordnung x 0,0000928019 Umrechnungsfaktor = 0,36 Entgeltpunkte x 47,65 DM aktueller Rentenwert).

Der Senat hat zur Feststellung der Abweichung der Barwertbildung auf der Grundlage der Barwertverordnung zu einem versicherungsmathematisch errechneten Wert ein Sachverständigengutachten eingeholt. Danach ergibt sich auf der Grundlage der Richttafeln Heubeck 1998 (Mischwert Männer und Frauen) zu den biometrischen Grundwahrscheinlichkeiten ein Barwertfaktor von 4,376 (auf der Grundlage des Rechnungszinsfußes von 5,5 %) und damit eine Abweichung von nahezu 46 %. Eine Wertdifferenz in dieser Größenordnung verletzt die verfassungsrechtlich gebotene Gleichbehandlung der in den Versorgungsausgleich einzubeziehenden unterschiedlichen Versorgungen (vgl. BGHZ 85, 194 = NJW 1983, 336 = FamRZ 1983, 40 bei einer Wertdifferenz von 40 %).

Auf die weiteren, in der Rechtsprechung und Literatur genannten verfassungsrechtlichen Bedenken kommt es für die vorliegend zu treffende Entscheidung somit nicht mehr an. Der Senat vermag diesen weiteren Einwänden aber auch nicht zu folgen.

Es besteht keine ausreichende Veranlassung, den der Barwertverordnung zugrunde liegenden Rechnungszinsfuß von 5,5 % als unangemessen anzusehen. Die Erwartungen für die künftigen Steigerungsraten in der gesetzlichen Rentenversicherung stehen dieser Beurteilung nicht entgegen. Eine geringere Dynamik von gesetzlicher Rentenversicherung und Beamtenversorgung wird sich dahin auswirken, dass andere Anwartschaften eher als dynamisch zu beurteilen sein werden als in der Vergangenheit. Die Angemessenheit des Rechnungszinsfußes für die Barwertbildung ist hingegen danach zu beurteilen, ob sie mit sonstigen Kapitalrenditen noch vergleichbar ist (vgl. z. B. Klattenhoff, FamRZ 2000, 1257, 1262). Es ist nicht ersichtlich, dass der Verordnungsgeber seinen Gestaltungsspielraum insoweit überschritten hätte.

Der Senat vermag auch nicht der Auffassung zu folgen, die Barwertbildung müsse zur Vermeidung verfassungswidriger Ergebnisse eine zugesagte Hinterbliebenenversorgung berücksichtigen (so etwa: OLG München aaO; Glockner/Gutdeutsch aaO). Der Versorgungsausgleich findet gemäß § 1587 Abs. 1 Satz 1 BGB statt hinsichtlich der Anwartschaften auf eine Versorgung wegen Alters oder verminderter Erwerbsfähigkeit. Demzufolge hat eine Hinterbliebenenversorgung bei einem Ausgleich nach § 1587 a Abs. 3 BGB außer Ansatz zu bleiben sowohl bei entsprechenden Deckungsrückstellungen (nach § 1587 a Abs. 3 Nr. 1 BGB) als auch bei der Ermittlung eines Barwertes (BGH NJW-RR 1992, 194, 195; Staudinger/Rehme, 13. Bearbeitung 1997, § 1587 a Rnr. 440). Qualitätsunterschiede der Versorgungen sind beim Versorgungsausgleich grundsätzlich ohne Belang. Die Barwertbildung dient ausschließlich der Wertangleichung an die Wertsteigerungen einer dynamischen Versorgung (BGH aaO; BGHZ 85, 194, 209 = NJW 1983, 339; zur Problematik grundsätzlich auch: Heubeck, Beilage 6/77 zu BB 1977, S. 7).

Die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung von § 1 Abs. 3 BarwertVO, der eine Anwendung der dazugehörenden Tabellen vorschreibt, ist nicht gegeben (BGHZ 85, 194 = FamRZ 1983, 40, 44; BGH FamRZ 1991, 310, 313). Damit scheidet nach Auffassung des Senats auch die Anwendung von Ersatztabellen aus (vgl. auch MüKo/Maier, BGB 4. Aufl., § 1587 a Rnr. 354; anders aber: OLG München aaO, Glockner/ Gutdeutsch aaO, sowie FamRZ 2000, 270). Eine Vorlage nach Art. 100 GG scheidet bei untergesetzlichen Regelungen wie der Barwertverordnung aus (BGHZ 85, 194).

Für eine Übergangszeit können die derzeit geltenden Tabellen zur Barwertordnung nach Auffassung des Senats jedoch weiterhin angewendet werden. Dem Verordnungsgeber ist ein angemessener Zeitraum für eine Angleichung der Tabellen der Barwertverordnung an die aktuellen biometrischen Grunddaten (Erscheinungstermin: Oktober 1998, vgl. Heubeck, Der Betrieb, 1998, 2542) zuzubilligen. Für diese Übergangsfrist (nach Auffassung des Senats erscheinen derzeit noch weitere zwei bis drei Jahre vertretbar) ist es hinnehmbar, den Versorgungsausgleich unter Anwendung der Tabellen zur Barwertverordnung durchzuführen statt das Verfahren auszusetzen oder in jedem Einzelfall ein Sachverständigengutachten einzuholen (ebenso, wenn auch mit anderer Begründung: Klattenhoff aaO; 1269). Bei einer Neufassung der Tabellen in einem überschaubaren zeitlichen Rahmen können wesentliche Änderungen für den Ausgleichsanspruch in einem Verfahren nach § 10 a VAHRG geltend gemacht werden (vgl. etwa: Johannsen/Henrich/Hahne, Eherecht 3. Aufl., § 10 a VAHRG, Rnr. 31). Ist der Versorgungsfall bereits eingetreten, findet ein Ausgleich ohnehin nach den tatsächlich gezahlten Versorgungsbeträgen statt, so dass eine fiktive Wertermittlung ausscheidet (BGH FamRZ 1992, 47, 1997, 161, 164).

Obgleich im vorliegenden Fall ein Sachverständigengutachten zum versicherungsmathematisch bestimmten Barwert vorliegt, hat es bei der Anwendung der BarwertVO sein Bewenden. Denn es ist offen, wie der Verordnungsgeber den anzuwendenden Barwertfaktor festsetzen wird. Der Senat kann dem vor Ablauf der gegenwärtig noch hinzunehmenden Übergangszeit nicht vorgreifen.

Demzufolge sind zu Lasten der Anwartschaft des Antragsgegners bei der VBL für die Antragsgegnerin Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von gerundet 8,58 DM monatlich (17,15 DM : 2) zu begründen.

Die Anordnung der Umrechnung der zu übertragenden und zu begründenden Anwartschaften in Entgeltpunkte ist gemäß § 1587 b Abs. 6 BGB erforderlich.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 93 a ZPO, 8 Abs. 1 GKG, 13 a FGG (Kosten) und 17 a GKG (Wertfestsetzung). Der Senat hat die weitere Beschwerde gemäß den §§ 621 e Abs. 2 Satz 1, 546 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO zugelassen, weil die Rechtssache im Hinblick auf die Anwendung der Barwertverordnung grundsätzliche Bedeutung hat.

Ende der Entscheidung

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