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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 28.05.2008
Aktenzeichen: 2 UF 191/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 157
BGB § 315 Abs. 3
BGB § 1585 c a.F.
Haben die Parteien eine privatschriftliche Vereinbarung über die Zahlung nachehelichen Unterhalts getroffen, die eine rechtsverbindliche Regelung über die Anpassung des Unterhalts an die gestiegenen Lebenshaltungskosten enthält und sind die Voraussetzungen der Anpassung eingetreten, so bedarf es zur Geltendmachung der Anpassung keiner vorhergehenden Auskunft des Unterhaltsverpflichteten.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 2 UF 191/07

Verkündet am: 28. Mai 2008

In der Familiensache

wegen Auskunftserteilung,

hat der 2. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Reichling und die Richterinnen am Oberlandesgericht Schlachter und Geib-Doll auf die mündliche Verhandlung vom 22. Februar 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Rockenhausen vom 20. September 2007 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen. Gründe:

I.

Die Parteien haben am ... in B... geheiratet und wurden durch Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Berlin-Schöneberg vom 19. August 1992, rechtskräftig seit ..., geschieden.

Am 14. August 1992 trafen die Parteien im Hinblick auf die bevorstehende Ehescheidung folgende privatschriftliche Vereinbarung:

"§ 1 - nachehelicher Unterhalt: Der Ehemann zahlt an die Ehefrau einen nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 20 000,-- DM (entspricht 10 225,84 €).

Zur Absicherung der Unterhaltsleistung verpflichtet sich der Ehemann, einen Betrag in Höhe von 3 Mio. DM fest anzulegen, wobei die Bank angewiesen wird, den festgelegten Betrag ohne ausdrückliche Zustimmung der Ehefrau nicht - auch nicht teilweise - auszukehren. Der Ehemann kann lediglich über den Zinserlös aus dem fest angelegten Betrag verfügen. Dabei sind die Parteien einig, dass der von der Ehefrau bereits fest angelegte Teilbetrag in Höhe von 500 000,-- DM auf den Betrag von 3 Mio. DM anzurechnen ist.

Bei der genannten Unterhaltsregelung gehen beide Parteien davon aus, dass beide Parteien den Wohnsitz in Monaco beibehalten.

Sollte in der Person eines Ehepartners diese Voraussetzung wegfallen, so kann er sich auf steuerliche Nachteile nur dann berufen, wenn er diesen Wegfall nicht zu vertreten hat.

Andere - außer den steuerlichen - Gründen berechtigen keine Seite zur Abänderung des Vergleichs, wobei es den Ehepartnern selbstverständlich freisteht, gegebenenfalls übereinstimmend eine anderweitige Regelung gemeinsam zu treffen.

Insbesondere lässt eine eventuelle Wiederverheiratung der Ehefrau den oben genannten Unterhaltsanspruch unberührt.

Die Ehepartner verpflichten sich gegenseitig, sich über eine Anpassung des monatlichen Ehegattenunterhalts zu besprechen, wenn der Lebenshaltungskostenindex aller privaten Haushalte im Bundesgebiet gegenüber dem Stand zum 01.09.1992 um mehr als 25 % gestiegen ist. Die Änderung des monatlichen Unterhalts soll dann möglichst in Anlehnung an die Erhöhung des Lebenshaltungskostenindexes erfolgen."

Mit Schreiben vom 12. Mai 2006 hat die Klägerin geltend gemacht, der Lebenshaltungskostenindex sei zwischenzeitlich um mehr als 25 % gestiegen und daher erhöhten Unterhalt in Höhe von nunmehr monatlich 25 612,43 DM = 13 095,48 € begehrt.

Nachdem sich der Beklagte außergerichtlich geweigert hatte, erhöhten Ehegattenunterhalt zu zahlen, hat die Klägerin beim Amtsgericht Kaiserslautern Stufenklage mit folgenden Anträgen erhoben:

1. Der Beklagte hat der Klägerin Auskunft über sein gesamtes Einkommen im Zeitraum vom 01.01.2000 bis 31.12.2005 zu erteilen.

2. Der Beklagte hat die Auskünfte gemäß Ziffer 1. durch Vorlage von Steuererklärungen mit Anlagen sowie Steuerbescheiden für die Jahre 2000 bis 2005 zu belegen.

3. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen über sein Vermögen am 31.12.1992 und am 31.12.2005 durch Vorlage eines geordneten und übersichtlich zusammengestellten Bestandsverzeichnisses im Sinne des § 260 Abs. 1 BGB, getrennt nach Aktiva und Passiva; dabei sind die einzelnen Positionen nach Anzahl, Art und wertbildenden Merkmalen einzeln aufzuführen.

4. Der Beklagte hat die Vollständigkeit und Richtigkeit der Auskunft gegebenenfalls vor Gericht an Eides Statt zu versichern.

5. Der Beklagte ist verpflichtet, einer Erhöhung des in der Scheidungsfolgenvereinbarung vom 14.08.1992 vereinbarten nachehelichen Unterhalts von bisher 20 000,-- DM auf einen nach Erledigung der Anträge zu 1. und 2. zu beziffernden Betrag zuzustimmen.

Das Amtsgericht Kaiserslautern hat die Sache an das örtlich zuständige Amtsgericht - Familiengericht - Rockenhausen abgegeben.

In der ersten und letzten mündlichen Verhandlung beim Familiengericht am 6. September 2007 hat die Klägerin lediglich die Klageanträge zu Ziffern 1. bis 4. gestellt.

Das Familiengericht hat nach entsprechendem richterlichen Hinweis die Klage als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung hat das Familiengericht im Wesentlichen ausgeführt, eine Abänderung der Unterhaltsvereinbarung vom 14. August 1992 sei nach deren ausdrücklichem Wortlaut ausgeschlossen. Auch die Tatsache, dass der Lebenshaltungskostenindex aller privaten Haushalte im Bundesgebiet zwischenzeitlich um mehr als 25 % gestiegen sei, berechtige die Klägerin nicht zur Abänderung bzw. einer Erhöhung des vereinbarten Unterhalts. Nach der eindeutigen Formulierung der Unterhaltsvereinbarung bestehe insoweit nur die Möglichkeit, dass sich die Parteien "über eine Anpassung des monatlichen Ehegattenunterhalts besprechen". Dies könne allerdings nur auf freiwilliger Basis und mit Einverständnis des Beklagten erfolgen. Nachdem der Beklagte nicht bereit sei, sich über eine Anpassung des bisherigen Unterhalts zu einigen, stehe der Klägerin kein Anspruch gegen den Beklagten auf Zustimmung zu einer Erhöhung des bisherigen Unterhalts zu.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin form- und fristgerecht Berufung eingelegt.

Mit ihrem Rechtsmittel verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Klageanträge Nrn. 1. bis einschließlich 4. weiter.

Die Klägerin macht geltend:

Die Scheidungsfolgenvereinbarung vom 14. August 1992 sehe für den Fall eines Anstiegs der Lebenshaltungskosten um mehr als 25 % eine zweistufige Verpflichtung vor:

- In der ersten Stufe hätten sich die Ehepartner verpflichtet, sich über eine Anpassung des monatlichen Ehegattenunterhalts zu besprechen. Diese Verhandlungsverpflichtung enthalte den ernsthaften Willen zur Einigung mit der Folge, dass die Parteien gehalten seien, sich über alle für einen Unterhalt relevanten Tatsachen auszutauschen.

- In einer zweiten Stufe sollte nach erfolgter Verhandlung die Änderung des monatlichen Unterhalts "möglichst in Anlehnung an die Erhöhung des Lebenshaltungskostenindexes erfolgen".

Eine Sollbestimmung besage, dass etwas ohne triftigen Grund nicht unterlassen werden dürfe. Eine Sollbestimmung bedeute somit gebundenes Ermessen. Lediglich eine Kann-Bestimmung würde es in das Belieben der Parteien stellen, etwas zu tun oder zu unterlassen. Der Beklagte könne sich daher nur dann einer Anpassung des Unterhalts an die gestiegenen Lebenshaltungskosten rechtlich wirksam widersetzen, wenn eine Erhöhung des Unterhalts aufgrund seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse oder sonstiger Umstände unbillig wäre. Diese Billigkeitsprüfung erfordere eine Kenntnis der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beklagten und impliziere somit auch eine Auskunftspflicht des Beklagten. Erst nach Auskunftserteilung könne entschieden werden, ob ein Erhöhungsanspruch bestehe oder nicht. Ein Anspruch auf Anpassung an die gestiegenen Lebenshaltungskosten sei daher gegeben, wenn keine Billigkeitsgründe dagegen sprächen. Der nach § 1580 BGB für geschiedene Ehegatten bestehende Auskunftsanspruch sei somit durch die vertragliche Regelung in der Vereinbarung vom 14. August 1992 nicht ausgeschlossen. Das sei nur dann der Fall, wenn die begehrte Auskunft den Unterhaltsanspruch unter keinem denkbaren Gesichtspunkt beeinflussen könnte (Hinweis auf OLG Düsseldorf FamRZ 98, 1191), was nicht der Fall sei.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil als zutreffend.

II.

Das - zulässige - Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

Entgegen der Auffassung des Familiengerichts geht der Senat davon aus, dass der Klägerin ein Anspruch auf eine Erhöhung ihrer Unterhaltsrente im Sinne einer Anpassung an die seit 1. September 1992 um mehr als 25 % gestiegenen Lebenshaltungskosten gegenüber dem Beklagten zusteht; gleichwohl ist der Beklagte zur Erteilung der begehrten Auskünfte nicht verpflichtet, weil die Klägerin auch ohne diese Auskünfte ihren (erhöhten) Unterhaltsanspruch beziffern und sogleich im Wege der Leistungsklage geltend machen kann.

1. Die nach den Bestimmungen der §§ 133, 157 BGB vorzunehmende Auslegung der privatschriftlichen Unterhaltsvereinbarung der Parteien vom 14. August 1992, die am 19. August 1992 anlässlich der Ehescheidung als Scheidungsfolgenvereinbarung gerichtlich protokolliert wurde, führt nach Ansicht des Senats zu dem Ergebnis, dass die Parteien mit der Aufnahme der so genannten Schwellenklausel in § 1 der Scheidungsfolgenvereinbarung eine rechtsverbindliche Regelung über eine Anpassung des Unterhalts an die gestiegenen Lebenshaltungskosten getroffen haben.

Der Annahme des Familiengerichts, man habe lediglich eine rechtlich nicht verbindliche gemeinsame Absichtserklärung in den Vertragstext aufnehmen wollen, steht schon die grundsätzliche materielle Auslegungsregel entgegen, dass Vertragsparteien im Zweifel den vertraglichen Gegenstand vernünftig und sinnvoll regeln wollen.

Daher ist bei mehreren möglichen Auslegungen jener der Vorzug zu geben, nach welcher der Vertragsbestimmung Bedeutung zukommt und die sie nicht als sinnlos erscheinen lässt (vgl. Busche in MünchKomm zum BGB 5. Aufl. Rdnr. 60 zu § 133 BGB m. w. N. a. d. höchstrichterl. Rechtspr.).

Die Aufnahme der sogenannten Schwellenklausel in den Vertragstext ergibt aber nur dann einen rechtlichen Sinn, wenn damit zugleich ein Anspruch der Klägerin auf eine Anpassung des Unterhalts nach den vereinbarten Regeln verbunden ist.

Dies hat zur Folge, dass die Klägerin bei Überschreiten der Schwellengrenze von 25 % eine Erhöhung ihres Unterhalts auf der Basis des nunmehr geltenden Lebenshaltungskostenindexes verlangen kann.

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kann in solchen Fällen die Klage in entsprechender Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB sogleich auf Leistung gerichtet werden (vgl. Grüneberg in Palandt BGB 67. Aufl. Rdnr. 17 zu § 315 BGB m. w. N. a. d. höchstrichterl. Rechtspr.).

2. Die Klägerin ist daher auch ohne Auskunft des Beklagten ohne weiteres in der Lage, ihren Unterhaltsanspruch nach Maßgabe des Verbraucherpreis-Indexes zu berechnen und einzuklagen, wie sie dies bereits mit vorprozessualem Schreiben vom 12. Mai 2006 angekündigt hat.

Es ist dann Sache des Beklagten, zu seiner Leistungsfähigkeit Stellung zu nehmen.

Dem Auskunftsbegehren der Klägerin ermangelt es daher an dem erforderlichen rechtlichen Interesse.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Das Urteil ist gemäß den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, 26 Nr. 9 EGZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Beschluss

Der Gebührenstreitwert für das Verfahren des zweiten Rechtszugs wird auf 10 330,71 Euro festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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