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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 04.07.2003
Aktenzeichen: 2 UF 2/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 85 Abs. 2
ZPO § 233
ZPO § 522 Abs. 1
Ein Rechtsanwalt, dem Akten auf Vorfrist vorgelegt werden, muss - wenn er die Bearbeitung bis zum Tag des Fristablaufes aufschiebt - eigenverantwortlich sicherstellen, dass ihm die Akten am Tag des Fristablaufes wiedervorgelegt werden. Er muss entweder nachprüfen, ob die Ablauffrist im Fristenkalender eingetragen ist oder in der Handakte deren Wiedervorlage am Ablauftag verfügen;
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 2 UF 2/03

In der Familiensache

wegen Trennungsunterhalts

hat der 2. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Giersch, den Richter am Oberlandesgericht Hengesbach und die Richterin am Oberlandesgericht Geib-Doll

ohne mündliche Verhandlung am 4. Juli 2003

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin, ihr wegen Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Ludwigshafen am Rhein vom 28. November 2002 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wird abgewiesen.

Die Berufung der Klägerin gegen das vorgenannte Urteil wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

IV. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 2.879,59 € festgesetzt.

V. Der Antrag der Klägerin, ihr zur Durchführung des Berufungsverfahrens Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgewiesen.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt vom Beklagten Trennungsunterhalt für die Zeit von Dezember 2001 bis zum 27. Juli 2002 (Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsurteiles).

Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 4. Dezember 2002 zugestellte Urteil des Familiengerichtes vom 28. November 2002, durch das ihrem Begehren nur teilweise entsprochen wurde, legte die Klägerin mit Schriftsatz vom 6. Januar 2003, eingegangen am gleichen Tag (Montag), Berufung ein. Eine Begründung des Rechtsmittels folgte innerhalb der bis zum 4. Februar 2003 laufenden Begründungsfrist nicht.

Nach Hinweis des Vorsitzenden des Senates auf den Ablauf der Berufungsbegründungsfrist mit Verfügung vom 6. Februar 2003 beantragte die Klägerin mit Schriftsatz vom 21. Februar 2003, eingegangen am gleichen Tag, ihr wegen Versäumung dieser Frist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen und begründete zugleich ihre Berufung.

Zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuches trägt sie vor, ihr Bevollmächtigter habe nach Eingang des Urteils in der Kanzlei die Rechtsmittelfristen berechnet und die in der Kanzlei mit der Führung des Fristenkalenders betraute Büroangestellte M R angewiesen, diese Ablauffristen sowie eine, eine Woche vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist liegende, Vorfrist in den Fristenkalender einzutragen und in der Handakte zu vermerken. Diese Vorgehensweise entspreche der allgemeinen kanzleiinternen Organisation zur Überwachung von Fristen. Die Akte sei ihm dann auch am Vorfristtag, dem 28. Januar 2003, vorgelegt worden. Nachdem er sich vergewissert habe, dass eine Fertigung des Begründungsschriftsatzes noch am - in der Handakte vermerkten - Tag des Fristablaufes, dem 4. Februar 2003, möglich sei, habe er die Akten in die Registratur zurückgegeben. Am 4. Februar 2003 sei ihm die Akte dann jedoch entgegen der allgemeinen Büroanweisung nicht mehr vorgelegt worden. Die auf Hinweis des Gerichtes vom 6. Februar 2003, ihm zugegangen am 7. Februar 2003, durchgeführte Überprüfung habe ergeben, dass die vorgenannte Kanzleimitarbeiterin, bei der es sich um eine gelernte Rechtsanwaltsfachangestellte handele, die - wie regelmäßige Kontrollen durch ihren Prozessbevollmächtigten und dessen Vorgänger in der Vergangenheit gezeigt hätten - die ihr übertragenen Aufgaben seit fünf Jahren sorgfältig und fehlerfrei erfüllt habe, aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen nur die Vorfrist, nicht aber die Ablauffrist in den Fristenkalender eingetragen hatte.

II.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ist verfahrensrechtlich bedenkenfrei. Er wurde innerhalb der zweiwöchigen Notfrist gestellt und begründet; die versäumte Prozesshandlung wurde ebenfalls innerhalb der Frist nachgeholt (§ 234 ZPO).

Ihm kann jedoch nicht entsprochen werden.

Gemäß § 233 ZPO ist einer Partei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sie ohne ihr Verschulden daran gehindert war, eine Notfrist oder eine andere der dort genannten Fristen einzuhalten. Das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten muss sich die Partei gemäß § 85 Abs. 2 ZPO wie eigenes Verschulden zurechnen lassen. Fehlleistungen von Angestellten des Prozessbevollmächtigten hat die Partei dagegen nicht zu vertreten, soweit sich darin nicht ein Organisations-, Aufsichts- oder Informationsverschulden des betreffenden Rechtsanwaltes selbst auswirkt (vgl. hierzu etwa Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., §233 Rdnr. 19 ff.).

Die vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages geschilderte eigene Büroorganisation und seine Vorgehensweise sind nicht geeignet, ihn vom Vorwurf der schuldhaften Fristversäumung zu entlasten.

Zum einen hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nicht ausreichend dargetan, wie die Überwachung der Büroangestellten, die mit der Führung des Fristenkalenders betraut ist, sichergestellt ist. Zu organisatorischen Maßnahmen zur Vermeidung oder Aufdeckung von Fehlern bei der Behandlung von Fristsachen, insbesondere dem - hier zum Tragen gekommenen - Vergessen der Eintragung einer Notfrist, ist nichts vorgetragen.

Darüber hinaus hat aber auch der Prozessbevollmächtigte selbst seine anwaltliche Sorgfaltspflicht verletzt und dadurch zur Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beigetragen.

Zwar ist ein Rechtsanwalt, dem die Akten auf Vorfrist vorgelegt werden, nicht verpflichtet, die Berufungsbegründung alsbald zu fertigen. Er kann die Akten wieder in die Registratur seiner Kanzlei zurückgeben, wenn er meint, die Berufungsbegründung noch nach Wiedervorlage am Tage des Fristablaufes fertigen zu können. Dabei muss er allerdings - wegen der Warnfunktion der Vorfrist -eigenverantwortlich sicherstellen, dass ihm die Akten am Tage des Fristablaufes auch wieder vorgelegt werden, indem er entweder nachprüft, ob die Ablauffrist im Fristenkalender eingetragen ist oder in der Handakte deren Vorlage am Ablauftag verfügt (BGH NJW 1999, 2680; 1997, 3243; BRAK Mitt. 1998, 269).

Nur dann kann er darauf vertrauen, dass ihm die Akten rechtzeitig vor Fristablauf wieder vorgelegt werden. Gibt er dagegen - wovon hier nach dem Sachvortrag auszugehen ist - die ihm am Vorfristtag vorgelegte Akte unbearbeitet und ohne Verfügung der Wiedervorlagefrist zurück, ohne sich zu vergewissern, dass die Ablauffrist (nicht nur in der Handakte vermerkt, sondern auch) im Fristenkalender eingetragen ist, genügt er seiner Prüfungspflicht nicht und hat die Fristversäumung zu verantworten (BGH NJW 1999 aaO sowie 1997, 2825).

III.

Da die Berufungsbegründung erst am 21. Februar 2003 und damit nach Ablauf von zwei Monaten nach Zustellung des angefochtenen Urteils an ihren Prozessbevollmächtigten am 4. Dezember 2002 beim Oberlandesgericht eingegangen ist, ist die Berufungsbegründungsfrist nicht gewahrt (§ 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Die Berufung war daher gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens war gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbs. GKG auf die Differenz zwischen dem für den streitgegenständlichen Zeitraum durch die angefochtene Entscheidung zuerkannten und dem von der Klägerin für diesen Zeitraum geforderten Unterhaltsbetrag festzusetzen.

Der Antrag der Klägerin, ihr zur Durchführung des Berufungsverfahrens Prozesskostenhilfe zu bewilligen, war abzuweisen, da das (unzulässige) Rechtsmittel keine hinreichende Erfolggsaussicht bietet (§ 114 ZPO)

Ende der Entscheidung

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