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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 28.02.2000
Aktenzeichen: 2 UF 235/99
Rechtsgebiete: EGBGB, ZPO, KostO, FGG


Vorschriften:

EGBGB Art. 234 § 6 Satz 1
EGBGB Art. 17 Abs. 3
ZPO § 621 e Abs. 1 ZPO
KostO § 131 a
KostO § 99 Abs. 1
KostO § 99 Abs. 2
KostO § 99 Abs. 3
FGG § 13 a Abs. 1 Satz 2
Zur Durchführung des Versorgungsausgleiches bei sogenannten DDR-Ehen, die auf einen nach dem 1. September 1986 rechtshängig gewordenen Antrag vor dem 1. Januar 1992 geschieden wurden.

Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken - 2. Zivilsenat - Familiensenat Beschluss vom 28. Februar 2000 - 2 UF 235/99


2 UF 235/99 2 F 767/99 Amtsgericht Kaiserslautern

PFÄLZISCHES OBERLANDESGERICHT ZWEIBRÜCKEN

Beschluss

In der Familiensache

C... O..., ... , ... ,

Antragstellerin und Beschwerdeführerin,

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt ..., ..., ...,

gegen

W... O..., ..., ... ,

Antragsgegner und Beschwerdegegner,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte ..., ..., ...,

wegen Versorgungsausgleichs (Abänderung gemäß § 10 a VAHRG)

hat der 2. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Giersch, den Richter am Oberlandesgericht Burger und die Richterin am Oberlandesgericht Geib-Doll auf die befristete Beschwerde der Antragstellerin vom 26. Oktober 1999, eingegangen am 27. Oktober 1999 gegen den ihr am 27. September 1999 zugestellten Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Kaiserslautern vom 9. September 1999 nach schriftlicher Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung am 28. Februar 2000 beschlossen:

Tenor:

1. Die befristete Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.000,-- DM festgesetzt.

4. Der Antrag der Antragstellerin, ihr zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgewiesen.

Gründe

I.

Die Parteien haben am 26. Mai 1951 in L... die Ehe geschlossen. Ihr letzter gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt war L..., wo der Antragsgegner auch jetzt noch wohnt. Die Antragstellerin ist im Oktober 1986 nach Westdeutschland übergesiedelt; seit diesem Zeitpunkt leben die Parteien getrennt.

Im Februar 1988 hat die Antragstellerin beim Amtsgericht - Familiengericht - Kaiserslautern den Scheidungsantrag eingereicht, der dem Antragsgegner im Wege der Rechtshilfe durch das Kreisgericht L... am 2. Dezember 1988 zugestellt wurde. Das Amtsgericht - Familiengericht - Kaiserslautern hat mit Urteil vom 2. Februar 1989 die Ehe der Parteien unter Anwendung des Scheidungsrechtes der Bundesrepublik Deutschland geschieden und ausgesprochen, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfinde, da dieses Rechtsinstitut in der (früheren) DDR nicht vorgesehen sei. Dieses Urteil ist seit dem 4. April 1989 rechtskräftig.

Die Antragstellerin beantragt nunmehr die Abänderung vorgenannter Entscheidung hinsichtlich des Versorgungsausgleiches und die Durchführung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleiches, da durch die Wiedervereinigung das bisherige Hindernis entfallen sei. Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen, da das Recht des Versorgungsausgleiches nach den Vorschriften des Art. 234 § 6 Satz 1 EGBGB für vor dem 1. Januar 1992 geschiedene "DDR-Ehen" nicht gelte, so dass ein Versorgungsausgleich auch weiterhin zu unterbleiben habe.

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer befristeten Beschwerde.

Das Amtsgericht habe übersehen, dass die Vorschrift des Art. 234 § 6 EGBGB dann nicht gelte, wenn nach den Grundsätzen des interlokalen Kollisionsrechtes ein Versorgungsausgleich möglich gewesen wäre. Da das Scheidungsverfahren erst nach dem 1. September 1986 rechtshängig geworden sei, sei Art. 17 EGBGB anzuwenden; nach Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 dieser Vorschrift könne ein Versorgungsausgleich trotz des "ausländischen" Scheidungsstatuts stattfinden, wenn der andere Ehegatte in der Ehezeit eine inländische Versorgungsanwartschaft erworben habe. Diese Voraussetzung läge zwar wohl beim Antragsgegner nicht vor, da auf ihn das Fremdrentengesetz keine Anwendung finde; sie habe aber, da sie vor dem 18. Mai 1990 nach Westdeutschland übergesiedelt sei, nach den Grundsätzen des Fremdrentenrechtes inländischer Anwartschaften im Sinne des Art. 17 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 EGBGB erworben, so dass nach dieser Vorschrift der Versorgungsausgleich durchzuführen sei. Im Übrigen könne, da beide Ehegatten bereits Altersrente bezögen, auch ein vorläufiger Versorgungsausgleich nach § 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 2. Halbs. der in Kap. III Sachgebiet B Abschnitt 2 Nr. 2 der Anlage 1 zum Einigungsvertrag getroffenen besonderen Bestimmungen durchgeführt werden.

II.

Die gemäß § 621 e Abs. 1 ZPO statthafte befristete Beschwerde ist zulässig, bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.

Von einer mündlichen Verhandlung (§ 53 b Abs. 1 FGG) hat der Senat abgesehen, weil lediglich Rechtsfragen zu entscheiden sind und nicht zu erwarten ist, dass durch eine mündliche Verhandlung wesentliche neue Gesichtspunkte zu Tage gefördert werden (vgl. BGH FamRZ 1988, 936 <937>).

Ein Ausgleich der Versorgungsanrechte der beteiligten Ehegatten ist auch nach der Wiedervereinigung Deutschlands nicht durchzuführen.

Zwar ist der Antragstellerin darin zuzustimmen, dass der in Art. 234 § 6 Satz 1 EGBGB normierte Grundsatz, nach dem bei sogenannten DDR-Ehen, die vor dem 1. Januar 1992 geschieden wurden, ein Versorgungsausgleich nicht durchzuführen ist, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (FamRZ 1991, 421 <422>; 1992, 295 und 1994, 884) nicht anzuwenden ist auf Fälle, in denen schon vor dem Wirksamwerden des Beitrittes nach den Regeln des innerdeutschen Kollisionsrechtes ein Versorgungsausgleich durchzuführen war. Vorliegend war jedoch nach dem bisherigen in Anlehnung an das Privatrecht des EGBGB entwickelten innerdeutschen Kollisionsrechtes ein Versorgungsausgleich gerade nicht durchzuführen. Da der Ehescheidungsantrag der Antragstellerin nach dem 1. September 1986 rechtshängig geworden ist, ist im innerdeutschen Kollisionsrecht Art. 17 EGBGB in der seit dem vorgenannten Stichtag geltenden Form entsprechend anzuwenden (vgl. etwa Palandt/Heldrich, BGB, 58. Aufl., § 17 EGBGB Rdnr. 41 m.w.N.). Nach Abs. 3 dieser Vorschrift unterliegt der Versorgungsausgleich dem Scheidungsstatut. Anknüpfungspunkt für das Scheidungsstatut war nach dem innerdeutschen Kollisionsrecht der letzte gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt der Ehegatten (BGHZ 91, 186 = FamRZ 84, 674); danach war auch für die Scheidung der Parteien DDR-Recht anzuwenden mit der Folge, dass auch der Versorgungsausgleich dem Recht der ehemaligen DDR unterliegt und - da das Recht der DDR einen solchen nicht kannte - nicht durchzuführen war.

Die fehlerhafte Rechtsanwendung im Rahmen des - rechtskräftigen - Scheidungsausspruches hat auf die Frage, welches Recht auf den Versorgungsausgleich anzuwenden ist, keine Auswirkungen. Dies ergibt sich aus Art. 17 Abs. 3 Satz 1, wo für den Versorgungsausgleich auf das nach Abs. 1 Satz 1 anzuwendende Recht verwiesen wird und nicht - wie beispielsweise in Art. 18 Abs. 4 EGBGB für das Unterhaltsrecht - auf das für die ausgesprochene Ehescheidung angewandte Recht (vgl. von Bahr/Mankowskie in Staudinger, 13. Bearb. 1996, Art. 17 EGBGB Rz. 291; MüKo/von Mohrenfels, BGB, 3. Aufl., Art. 17 EGBGB Rz. 188 f. Eine Durchführung des Versorgungsausgleiches kann vorliegend auch nicht in entsprechender Anwendung des Art. 17 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 EGBGB stattfinden. Nach dieser Vorschrift ist trotz eines ausländischen Scheidungsfolgenstatus der Versorgungsausgleich auf Antrag eines Ehegatten durchzuführen, wenn der andere Ehegatte in der Ehezeit eine inländische Versorgungsanwartschaft erworben hat, soweit die Durchführung des Versorgungsausgleiches der Billigkeit nicht widerspricht. Als "inländische" Anwartschaft sind bei der analogen Anwendung dieser Vorschrift nach dem innerdeutschen Kollisionsrecht solche Anwartschaften zu verstehen, die vor dem 3. Oktober 1990 in einem Versorgungssystem der alten Bundesländer erworben wurden (vgl. Adlerstein/Wagenitz, FamRZ 1990, 1300 <1306>). Solchen "inländischen" Anwartschaften stehen Anwartschaften, die auf im beigetretenen Teil Deutschlands zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten beruhen, nur dann gleich, wenn diese nach den Grundsätzen des Fremdrentenrechtes abzugelten sind. Solche Anrechte hat vorliegend lediglich die vor dem 18. Mai 1990 in die Bundesrepublik übergesiedelte Antragstellerin erworben (vgl. hierzu Adlerstein/Wagenitz, aaO), während der Antragsgegner, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt am 18. Mai 1990 und danach in den neuen Bundesländern hatte, keine inländischen Versorgungsanwartschaften erworben hat. Daraus folgt, dass ein Versorgungsausgleich in analoger Anwendung des Art. 17 Abs. 3 Satz 2 EGBGB nur dann durchführbar wäre, wenn der Antragsgegner den in dieser Vorschrift vorgesehenen Antrag gestellt hätte; dies ist jedoch nicht der Fall; der Antragsgegner wendet sich vielmehr gegen die Durchführung des Versorgungsausgleiches. Der von der Antragstellerin gestellte Antrag würde aber beim Antragsgegner als dem anderen Ehegatten inländische Versorgungsanwartschaften voraussetzen (vgl. OLG Celle, FamRZ 1991, 714 <715> und OLG Frankfurt, FamRZ 1991, 1323).

Soweit die Antragstellerin meint, der Versorgungsausgleich wäre jedenfalls nach § 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 der besonderen Bestimmungen in Kap. III Sachgebiet B Abschnitt II Nr. 2 der Anlage 1 zum Einigungsvertrag durchzuführen, ist dem nicht zuzustimmen. Diese Vorschrift beinhaltet lediglich Regelungen zur Art und Weise der Durchführung des Versorgungsausgleiches; ihre Anwendung setzt demnach voraus, dass ein Versorgungsausgleich überhaupt durchzuführen ist, was vorliegend nach oben Gesagtem jedoch nicht der Fall ist.

Die Antragstellerin hat daher das Unterbleiben eines Versorgungsausgleichs hinzunehmen; einen gewissen Ausgleich schaffen etwaige Ansprüche auf nachehelichen Unterhalt (vgl. BGH FamRZ 1994, 160 <161> m.w.N.) und unter Umständen Ansprüche auf Hinterbliebenenversorgung (vgl. MüKo-Mayer, Ergänzungsband zur 2. Aufl., Einigungsvertrag Rz. 491).

Da das Rechtsmittel der Antragstellerin keinen Erfolg hat, war ihr die nachgesuchte Prozesskostenhilfe zu verweigern (§ 114 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 131 a, 99 Abs. 1 und 2 KostO, § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG; die Festsetzung des Gegenstandswertes des Beschwerdeverfahrens auf § 99 Abs. 3 KostO.



Ende der Entscheidung

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