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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 17.11.2006
Aktenzeichen: 2 UF 79/06
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 1572 Nr. 1
BGB § 1578
BGB § 1579 Nr. 1
BGB § 1579 Nr. 5
BGB § 1585 c
ZPO § 520 Abs. 3 Nr. 2
ZPO § 520 Abs. 3 Nr. 3
ZPO § 520 Abs. 3 Nr. 4
ZPO § 629 a Abs. 2
1. Eine ehevertragliche Unterhaltsvereinbarung, die für den nachehelichen Unterhalt in Abweichung von § 1578 BGB den Bedarf des unterhaltsberechtigten Ehegatten auf den sozialhilferechtlichen Grundbetrag beschränkt, ist grundsätzlich nicht zu beanstanden.

2. Zu den Voraussetzungen eines nachehelichen Unterhaltsanspruchs wegen Krankheit infolge Alkoholmissbrauchs.

3. Zu den Voraussetzungen einer Anfechtung der auf eigenen Antrag ausgesprochenen Ehescheidung.

4. Zu den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 2 UF 79/06

Verkündet am: 17. 11. 2006

In der Familiensache

wegen Ehescheidung und Folgesachen,

hat der 2. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Reichling und die Richterinnen am Oberlandesgericht Schlachter und Geib-Doll auf die mündliche Verhandlung vom 17. November 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Antragstellerin wird das Verbundurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Bad Dürkheim vom 21. Februar 2006 in seiner Ziffer 3 geändert:

Der Antragsgegner wird verurteilt, an die Antragstellerin für die Zeit ab Rechtskraft der Ehescheidung eine Unterhaltsrente in Höhe von monatlich 280,-- €, zahlbar jeweils zum ersten eines Monats zu zahlen.

Im Übrigen wird die Unterhaltsklage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung der Antragstellerin hinsichtlich der Folgesache "nachehelicher Unterhalt" wird zurückgewiesen.

Soweit sich die Antragstellerin mit der Berufung gegen Ziffern 1 (Ehescheidung), 2 (Regelung des Versorgungsausgleichs) und 4 (Regelung des Umgangs mit den beiden gemeinsamen Kindern) des vorgenannten Verbundurteils wendet, wird das Rechtsmittel als unzulässig verworfen.

III. Hinsichtlich der Kosten des ersten Rechtszugs verbleibt des bei der Regelung im angefochtenen Verbundurteil (dort Ziffer 7).

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien haben am ... geheiratet. Bereits vor der Eheschließung wurden ihre beiden gemeinsamen Kinder

- A..., geboren am ..., und

- N..., geboren am ...,

geboren. Die Vaterschaft erkannte der Antragsgegner jeweils unmittelbar nach den Geburten an.

Am ... schlossen die Parteien einen notariellen Ehevertrag, in dem sie Gütertrennung sowie den Ausschluss des Versorgungsausgleichs vereinbarten und den nachehelichen Unterhalt wie folgt regelten:

"Nach rechtskräftiger Scheidung unserer Ehe soll ein eventuell zu zahlender Unterhalt nach den gesetzlichen Vorschriften berechnet werden. Die Höhe des Unterhalts ist jedoch durch die dann aktuell geltende Höhe des Sozialhilfebetrages für einen Haushaltungsvorstand (Grundbetrag) nach oben begrenzt.

Auf Unterhalt, der über diesen Satz hinausgeht, verzichten wir wechselseitig, auch für den Fall der Not und nehmen diesen Verzicht wechselseitig an."

Die Parteien leben spätestens seit dem Auszug der Antragstellerin aus der Ehewohnung im Juni 2001 getrennt. Dem ihm am 23. Juli 2003 zugestellten Scheidungsantrag der Antragstellerin vom 30. April 2003 stimmte der Antragsgegner zunächst zu und stellte mit Schriftsatz vom 15. Januar 2004 eigenen Scheidungsantrag.

Das Familiengericht hat die Ehe der Parteien auf die beiderseitigen Anträge geschieden, festgestellt, dass der Versorgungsausgleich mit Rücksicht auf den geschlossenen Ehevertrag, an dessen Wirksamkeit Bedenken nicht bestünden, nicht stattfinde, das Begehren der Antragstellerin auf Zahlung nachehelichen Unterhalts sowie die von beiden Parteien gestellten Sorgerechtsanträge hinsichtlich der beiden gemeinsamen Kinder, die sich nach Entzug des Sorgerechts seit Sommer 2001 in einer Pflegefamilie aufhalten, abgewiesen und den Umgang der Antragstellerin mit den beiden Kindern geregelt.

Gegen diese Verbundentscheidung haben beide Parteien Rechtsmittel eingelegt.

Über die gegen die Abweisung seines Begehrens auf Rückübertragung der elterlichen Sorge für die beiden Kinder erhobene befristete Beschwerde des Antragsgegners wird im (auf seinen Antrag) gemäß § 623 Abs. 3 ZPO abgetrennten Verfahren (2 UF 171/06) zu entscheiden sein.

Gegenstand des Verbundverfahrens sind die Berufungsangriffe der Antragstellerin, mit denen sie die Zurückweisung des Scheidungsantrags, die Durchführung des Versorgungsausgleichs, die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung eines nachehelichen Unterhalts von monatlich 664,-- € sowie einen unbetreuten Umgang mit den beiden Kindern erstrebt.

Zur Ergänzung der tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil sowie die gewechselten Schriftsätze, insbesondere Berufungsbegründung und -erwiderung, nebst den zu den Akten gereichten Anlagen Bezug genommen.

II.

Das einheitlich als Berufung zu behandelnde Rechtsmittel der Antragstellerin (§ 629 a Abs. 2 ZPO) ist unzulässig, soweit es sich gegen den Scheidungsausspruch, die Feststellung zum Versorgungsausgleich sowie die Regelung des Umgangs richtet.

Keine Bedenken bestehen an der Zulässigkeit des Rechtsmittels hinsichtlich des nachehelichen Unterhalts. Insoweit hat die Berufung der Antragstellerin auch einen Teilerfolg. Der Antragsgegner ist zur Zahlung eines nachehelichen Unterhalts in der im Entscheidungssatz niedergelegten Höhe verpflichtet.

1. Zwar steht der Zulässigkeit des Rechtsmittels der Antragstellerin hinsichtlich des Scheidungsausspruchs nicht schon der Umstand entgegen, dass sie selbst die Scheidung der Ehe beantragt hat. Wird mit dem Rechtsmittel die Aufrechterhaltung der Ehe erstrebt, so bedarf es keiner formellen Beschwer. Auch der Ehegatte, der mit seinem Scheidungsbegehren obsiegt hat, kann Rechtsmittel einlegen, um den Scheidungsantrag zurückzunehmen oder auf ihn zu verzichten (BGHZ 89, 328 m. w. N.). Seine Berufung ist dann aber nur unter der Voraussetzung zulässig, dass er in der Berufungsbegründung deutlich macht, die Ehe solle aufrechterhalten werden und vorbehaltlos die Rücknahme seines Scheidungsantrags erklärt bzw. den Verzicht ankündigt (BGH FamRZ 1987, 264). Diesen Erfordernissen ist hier nicht in allen Punkten Rechnung getragen.

Der Berufungsbegründung der Antragstellerin kann zwar mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden, dass sie die Aufrechterhaltung der Ehe anstrebt; es fehlt jedoch die darüber hinaus erforderliche Prozesserklärung zur Antragsrücknahme oder zum Verzicht auf den eigenen Scheidungsantrag.

Darüber hinaus wäre das Rechtsmittel - bei unterstellter Zulässigkeit - aber auch unbegründet. Nachdem die Parteien mehr als drei Jahre getrennt leben, wäre die Ehe auch bei einseitigem Scheidungsantrag des Antragsgegners (der daran auch in der Berufungsinstanz festhält) zu scheiden gewesen (§§ 1564 Satz 1, 1565 Abs. 1, 1566 Abs. 2 BGB). Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Härtegrundes (§ 1568 Abs. 1 BGB) sind nicht gegeben.

2. Soweit die Antragstellerin die Entscheidung zum Versorgungsausgleich und zur Regelung ihres Umgangs mit den beiden Kindern angreift, fehlt es an einer den gesetzlichen Vorgaben genügenden Berufungsbegründung. Deshalb ist die Berufung insoweit als unzulässig zu verwerfen (§ 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

Nach § 520 Abs. 3 Nrn. 2 bis 4 ZPO muss die Berufungsbegründung für das Berufungsgericht erkennen lassen, auf welche Gründe der Berufungsführer sein Änderungsbegehren stützen will. Richtet sich das Rechtsmittel gegen mehrere selbständige Streitgegenstände, so ist eine (ausreichende) Begründung für einen von ihnen nötig. Es sind die Umstände darzulegen, aus denen sich - nach Auffassung des Berufungsführers - die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben. Die auf den Streitfall zugeschnittene Berufungsbegründung muss erkennen lassen, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art sowie aus welchen Gründen der Berufungsführer das angefochtene Urteil für unrichtig hält (vgl. Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 25. Aufl. § 520 Rnrn. 33 ff m. w. N.).

Ihren Antrag auf (anderweitige) Regelung des Umgangs mit den beiden Kindern hat die Antragstellerin gar nicht begründet.

Die Begründung ihres Begehrens auf Durchführung des Versorgungsausgleichs ist unzureichend. Es fehlt jegliche Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung. Das Familiengericht hat sich mit der Frage der Wirksamkeit des Ehevertrags im Hinblick auf den Ausschluss des Versorgungsausgleichs im angefochtenen Verbundurteil eingehend befasst und ist dabei auf alle von der Antragstellerin schriftsätzlich vorgebrachten Argumente und Einwendungen eingegangen. Demgegenüber hat die Antragstellerin nur auf ihren Sachvortrag erster Instanz (in den Schriftsätzen vom 19. August 2003 und 2. Juni 2004) Bezug genommen. Darin liegt keine Auseinandersetzung mit der erstinstanzlichen Entscheidung und damit keine den gesetzlichen Anforderungen genügende Berufungsbegründung.

3. Hinsichtlich des nachehelichen Unterhalts legen die Parteien den vor der Heirat geschlossenen Ehevertrag übereinstimmend dahin gehend aus, dass Unterhalt nur bei Vorliegen eines gesetzlichen Unterhaltstatbestandes geschuldet und der Unterhaltsbedarf des unterhaltsberechtigten Ehegatten - hier also der Antragstellerin - auf den sozialhilferechtlichen Grundbetrag beschränkt sein soll.

a) Bedenken gegen die Wirksamkeit der so verstandenen Vereinbarung, die hinsichtlich der Unterhaltsbemessung von § 1578 BGB abweicht, bestehen nicht; solche werden von der Antragstellerin auch nicht (mehr) erhoben.

b) Derzeit liegt der sozialhilferechtliche Grundbetrag bei monatlich 690,-- €. Er ist definiert als zweifacher Eckregelsatz (§ 85 SGB XII). Als Eckregelsatz wird der Regelsatz für den Haushaltsvorstand bezeichnet (§ 28 Abs. 2 SGB XII). Mit der seit 1. Januar 2005 geltenden Eckregelsatzverordnung wurde dieser auf monatlich 345,-- € festgesetzt.

c) Die Antragstellerin hat gegen den Antragsgegner einen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt nach § 1572 Nr. 1 BGB, weil von ihr zum Zeitpunkt der (Rechtskraft der) Scheidung wegen Krankheit keine Erwerbstätigkeit erwartet werden kann, die es ihr ermöglicht, ein Einkommen in Höhe des vertraglich festgelegten Bedarfs von monatlich 690,-- € zu erzielen.

Nach den Feststellungen des gerichtlich beauftragten Sachverständigen Privatdozent Dr. med. D..., Arzt für Neurologie, Psychatrie, Psychotherapie und Sozialmedizin, ist die Antragstellerin infolge ihrer Erkrankung in ihrer Erwerbsfähigkeit gehindert. Der Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 06. Juni 2006 eine hirnorganische Beeinträchtigung diagnostiziert, die sich in Form von Auffassungsstörungen, Konzentrationsstörungen und deutlicher Herabsetzung der kognitiven Verarbeitungsgeschwindigkeit zeigt und die Leistungsfähigkeit der Antragstellerin im Erwerbsleben deutlich einschränkt. Aufgrund dieser - mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Alkoholmissbrauch zurückzuführenden - Beeinträchtigung ist die Antragstellerin wegen langjährig fehlender beruflicher Praxis nicht in der Lage, in den erlernten Berufen als Arzthelferin und Krankenschwester zu arbeiten. Tätigkeiten als Telefonistin oder Sekretärin sind in klar strukturierten Tätigkeitsbereichen in einem Umfang von drei bis vier Stunden täglich zumutbar und möglich.

Der Senat folgt den Feststellungen des Sachverständigen, die im Rahmen richterlicher Nachprüfbarkeit keine Unrichtigkeiten und Unvollständigkeiten erkennen lassen. Auch die Parteien haben keine Einwendungen gegen das Gutachten vorgebracht.

d) Ausreichende Bemühungen zur Erlangung einer Arbeitsstelle, die ihr nach den Feststellungen des Sachverständigen unter Berücksichtigung ihrer Erkrankung zumutbar ist, hat die Antragstellerin nicht entfaltet oder jedenfalls nicht dargetan. Auch kann nicht festgestellt werden, dass es ihr bei Entfaltung der von ihr in Erfüllung ihrer Erwerbsobliegenheit zu verlangenden Bemühungen nicht gelungen wäre, eine entsprechende Arbeitstelle zu erlangen. Deshalb ist die Antragstellerin unterhaltsrechtlich so zu behandeln, als hätte sie eine entsprechende Stelle inne und würde daraus Einkünfte zur Deckung ihres Unterhaltsbedarfs erzielen.

Bei einer Tätigkeit im Umfang von 3,5 Stunden täglich mit einem erzielbaren Stundenlohn von 8,-- € brutto könnte die Klägerin (bei 5 Arbeitstagen pro Woche) ein durchschnittliches monatliches Bruttoeinkommen von rund 607,-- € erzielen. Steuern und Solidaritätsbeitrag wären hieraus nicht zu entrichten. Nach Bereinigung um rund 21 % Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung (wobei der Senat unterstellt, dass die Antragstellerin zur Erlangung eigenständiger Rentenversicherungsansprüche von der Möglichkeit des Verzichts auf die Reduzierung der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung Gebrauch macht - §§ 20 Abs. 2 SGB IV, 163 Abs. 10 SGB VI) sowie der Pauschale von 5% für berufsbedingte Aufwendungen und den Erwerbsanreiz errechnet sich ein erzielbares, der Antragstellerin fiktiv zurechenbares bereinigtes Erwerbseinkommen von rund 410,-- €.

Der nicht durch erzielbare eigene Einkünfte gedeckte Unterhaltsbedarf und damit ihr Unterhaltsanspruch nach § 1572 Nr. 1 BGB beläuft sich danach auf (690,00 € ./. 410,00 € =) 280,00 €.

e) Eine Herabsetzung oder gar Versagung dieses Unterhaltsanspruchs wegen Verwirkung (§ 1579 BGB) ist nach Auffassung des Senats nicht gerechtfertigt.

a) Es kann nicht festgestellt werden, dass die Antragstellerin ihre Bedürftigkeit durch Alkoholmissbrauch und/oder unterlassene Steigerung ihrer Leistungsfähigkeit durch konsequente Alkoholabstinenz und Durchführung einer Entwöhnungsbehandlung mutwillig herbeigeführt hat (Nr. 3).

Mutwilligkeit erfordert zumindest unterhaltsbezogene Leichtfertigkeit. Bei Verlust oder Einschränkung der Erwerbsfähigkeit infolge Alkoholsucht und Unterlassen einer rechtzeitigen Therapiemaßnahme knüpft der unterhaltsrechtliche Vorwurf nicht daran, dass der Süchtige im Bewusstsein der gesundheitlichen Gefahren sich in den krankhaften Zustand versetzt hat, sondern daran, dass er in Kenntnis der Krankheit eine zumutbare und Erfolg versprechende Suchtbehandlung unterlassen hat. Leichtfertigkeit kann dem Bedürftigen dann nicht vorgeworfen werden, wenn seine Fähigkeit, entsprechend seiner Einsicht in die Notwendigkeit einer Therapie zu handeln, suchtbedingt eingeschränkt ist. Deshalb fehlt es an einer Mutwilligkeit, wenn der Bedürftige nicht (mehr) imstande ist, seinem Alkoholmissbrauch entgegenzusteuern und Maßnahmen zu dessen Bekämpfung zu ergreifen und durchzustehen, wenn er also - wie gerade bei diesem Krankheitsbild häufig feststellbar - seine Erkrankung negiert oder zumindest verharmlost und infolge der fehlenden oder eingeschränkten Krankheitseinsicht nicht in der Lage ist, sich daraus zu befreien.

Nach den Feststellungen des Sachverständigen sind bei der Antragstellerin solche, gegen die Mutwilligkeit einer unterbliebenen Therapierung sprechenden, Verhaltensmuster vorhanden. Sie negiert ihre Suchtsproblematik völlig. Auch zu Zeiten, in denen infolge ihrer Suchterkrankung teils gegen ihren Willen stationäre Behandlungsmaßnahmen erforderlich waren, stellte sie jeglichen Alkoholmissbrauch in Abrede und begründete ihren Zustand mit Überarbeitung durch die Betreuung und Versorgung der Kinder und ein daneben betriebenes Fernstudium. Dies sowie die bereits eingetretenen hirnorganischen Veränderungen begründen erhebliche Zweifel an der Vorwerfbarkeit der unterlassenen Entwöhnungsbehandlung und Therapierung. Die Zweifel gehen zu Lasten des für das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen einer Verwirkung gemäß § 1579 BGB darlegungs- und beweispflichtigen Antragsgegners.

b) Auch eine gröbliche Verletzung ihrer Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen (Nr. 5), kann der Antragstellerin nicht zur Last gelegt werden. Dass sie der von ihr im Rahmen der Aufgabenteilung innerhalb der Ehe übernommenen und zu erbringenden Verpflichtung zur Betreuung und Erziehung der Kinder vor der Trennung nur unzureichend nachgekommen ist, hatte seinen Grund ebenfalls in der - gerade unmittelbar vor und nach der Trennung sehr ausgeprägten - Suchterkrankung. Dieses Versäumnis ist der Antragstellerin daher (subjektiv) nicht in einem Maße vorwerfbar, das eine gröbliche Unterhaltspflichtverletzung begründen könnte.

c) Darüber hinaus vermag der Senat im Rahmen der Abwägung der beiderseitigen Interessen der Parteien auch nicht festzustellen, dass die Inanspruchnahme des Antragsgegners auf den - wegen der ehevertraglichen Regelung deutlich hinter den ehelichen Lebensverhältnissen zurückbleibenden - nicht gedeckten Unterhaltsbedarf der Antragstellerin von monatlich 280,-- € grob unbillig wäre. Hierzu hat der Antragsgegner auch keinen konkreten Sachvortrag gehalten.

4. Das Vorbringen des Antragsgegners im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 2. November 2006 gibt dem Senat keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Der Schriftsatz enthält keinen Tatsachenvortrag, der nicht rechtzeitig vor Schluss der mündlichen Verhandlung hätte gehalten werden können.

5. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der ersten Instanz auf § 93 a ZPO und hinsichtlich des Berufungsverfahrens auf §§ 97 Abs. 3 und Abs. 1 sowie 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Soweit die Antragstellerin mit ihrer Berufung obsiegt, ist dies angesichts des Gesamtstreitwerts des Berufungsverfahrens verhältnismäßig geringfügig und wirkt sich kostenmäßig nicht aus, weil es nicht zu einem Staffelsprung in der Gebührentabelle führt.

Das Urteil ist gemäß §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, 26 Nr. 9 EGZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären.

Die Revision ist (soweit darüber eine Entscheidung des Senats zu treffen ist) nicht zuzulassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 18 868,00 € festgesetzt; hiervon entfallen auf die Ehesache 9 000,00 €, auf die Folgesache "Regelung des Versorgungsausgleichs" 1 000,00 €, auf die Folgesache "nachehelicher Unterhalt" (12 x 664,00 € =) 7 968,00 € und auf die Folgesache "Regelung des Umgangsrechts" 900,00 €.

Ende der Entscheidung

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