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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 25.10.2006
Aktenzeichen: 2 UF 85/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 233
ZPO § 234 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 234 Abs. 2
ZPO § 517
ZPO § 519
ZPO § 522 Abs. 1
Die Einlegung der Berufung setzt nicht voraus, dass der Berufungsführer den Umfang der begehrten Aufhebung des angefochtenen Urteils bereits bei Einlegung des Rechtsmittels bestimmt. Es genügt, dass das Rechtsmittel überhaupt eingelegt werden kann und der Umfang der Anfechtung (später) mit der Berufungsbegründung festgelegt wird. Das durch Mittellosigkeit begründete Hindernis an der rechtzeitigen Einlegung der Berufung entfällt deshalb schon mit der teilweisen Bewilligung von Prozesskostenhilfe (Anschluss an OLG Zweibrücken - Beschluss vom 28. Juli 2005 - 6 UF 110/04 = OLGReport Zweibrücken 2005, 843).
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 2 UF 85/06

In der Familiensache

wegen Trennungs- und Kindesunterhaltes

hat der 2. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Reichling und die Richterinnen am Oberlandesgericht Schlachter und Geib-Doll ohne mündliche Verhandlung am 25. Oktober 2006

beschlossen:

Tenor:

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Ludwigshafen am Rhein vom 20. März 2006 wird als unzulässig verworfen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.913 € festgesetzt.

IV. Die Gegenvorstellung gegen den Beschluss des Senats vom 11. September 2006 wird zurückgewiesen. Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung von Trennungs- und Kindesunterhalt in Anspruch. Mit Urteil vom 30. März 2006 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Ludwigshafen am Rhein der Klage auf Zahlung von Kindesunterhalt zum Teil entsprochen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Urteil ist der Klägerin am 10. April 2006 zugestellt worden.

Mit Schriftsatz vom 9. Mai 2006, eingegangen am 10. Mai 2006 hat die Klägerin Prozesskostenhilfe für die Durchführung eines beabsichtigten Berufungsverfahrens beantragt. Der Senat hat der Klägerin daraufhin durch Beschluss vom 18. August 2006 die begehrte Prozesskostenhilfe zum Teil bewilligt und im Übrigen versagt. Der Beschluss enthielt in seinem bewilligenden Teil insoweit ein offensichtliches Schreibversehen, als die monatliche Höhe des Trennungsunterhalts, zu dessen Geltendmachung der Klägerin Prozesskostenhilfe gewährt wurde, für die Zeit von Februar 2005 bis Juni 2006 mit monatlich 147 € und daneben für die Zeit ab Juli 2005 mit monatlich 63 € angegeben war. Der Beschluss des Senats vom 18. August 2006 ist der Klägerin am 25. August 2006 zugestellt worden.

Mit Schriftsatz vom 8. September 2006 hat die Klägerin gegen den Beschluss vom 18. August 2006 Gegenvorstellung erhoben. Daraufhin hat der Senat durch Beschluss vom 11. September 2006 den Beschluss vom 18. August 2006 gemäß § 319 ZPO dahin berichtigt, dass die als Endzeitpunkt für die Geltendmachung einer monatlichen Trennungsunterhaltsrate von 147 € angegebene Monatsbezeichnung "Juni 2006" durch die Bezeichnung "Juni 2005" ersetzt wurde. Im Übrigen hat der Senat einen Anlass zur Änderung des Beschlusses vom 18. August 2006 verneint. Der Beschluss vom 11. September 2006 ist der Klägerin am 15. September 2006 zugestellt worden.

Mit Schriftsatz vom 20. September 2006, eingegangen am selben Tag, hat die Klägerin gegen das Urteil vom 30. März 2006 Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel begründet. Zugleich hat sie gegen die Versäumung der Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

II.

Die Berufung ist gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen. Sie ist nicht innerhalb der Berufungsfrist des § 517 ZPO eingelegt worden. Das angefochtene Urteil ist der Klägerin am 10. April 2006 zugestellt worden. Die Frist zur Einlegung des Rechtsmittels ist somit mit dem 10. Mai 2006 abgelaufen. Die Berufung der Klägerin ist aber erst am 20. September 2006 beim Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken eingegangen.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann der Klägerin für die Einlegung der Berufung nicht bewilligt werden. Gemäß §§ 233, 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO muss der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dann, wenn die Berufungsfrist versäumt wurde, innerhalb einer Frist von zwei Wochen gestellt werden. Die Frist beginnt gemäß § 234 Abs. 2 ZPO mit dem Wegfall des Hindernisses.

Das Hindernis an der Einlegung des Rechtsmittels lag für die Klägerin in dem durch ihre Bedürftigkeit begründeten Unvermögen, einen Rechtsanwalt mit der notwendigen Vertretung zur Vornahme der fristwahrenden Prozesshandlung zu beauftragen (Zöller/Greger, ZPO 25. Aufl. § 233 Rdn. 23 " Prozesskostenhilfe" m.w.N.). Dieses Hindernis ist durch den Beschluss des Senats vom 18. August 2006 entfallen, mit dem der Klägerin teilweise Prozesskostenhilfe zur Durchführung der beabsichtigten Berufung bewilligt wurde. Mit der Zustellung dieses Beschlusses am 25. August 2006 ist der Klägerin der Wegfall des Hindernisses an einer rechtzeitigen Einlegung des Rechtsmittels bekannt geworden. Dadurch wurde die Frist zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Lauf gesetzt. Sie endete mit Ablauf des 8. September 2006. Das Wiedereinsetzungsgesuch ist aber erst am 20. September 2006 und damit nach Fristablauf beim Pfälzischen Oberlandesgericht Zweibrücken eingegangen.

Der Umstand, dass der Senat seinen Prozesskostenhilfebeschluss vom 18. August 2006 wegen eines offensichtlichen Schreibversehens berichtigt hat, führt zu keiner Änderung des Fristablaufs. Das Unvermögen zur Beauftragung eines Rechtsanwalts entfällt bereits in dem Augenblick, in dem der Partei ein Rechtsanwalt beigeordnet wird. Denn dieser erhält Vergütung und Vorschuss aus der Staatskasse (§§ 45 Abs. 1, 47 Abs. 1 RVG) und kann gegen die Partei Vergütungsansprüche nicht geltend machen (§ 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO). Dem Erfordernis der Beiordnung eines Rechtsanwalts wird durch den Beschluss des Senats vom 18. August 2006 Rechnung getragen. Der Umstand, dass die Beiordnung nicht in dem von der Klägerin begehrten Umfang erfolgt war hinderte die Einlegung der Berufung ebenso wenig, wie das Schreibversehen, das der Senat im Folgenden berichtigt hat. Maßgebend für die Einlegung der Berufung ist § 519 ZPO. Ebenso wie bereits § 518 ZPO a.F. setzt die Regelung nicht voraus, dass der Berufungsführer den Umfang der begehrten Aufhebung des Urteils bereits bei Einlegung des Rechtsmittels bestimmt. Es genügt, dass das Rechtsmittel überhaupt eingelegt werden kann und der Umfang der Anfechtung (später) mit der Berufungsbegründung festgelegt wird (BGH NJW-RR 1993, 451; OLG Zweibrücken - 6.Zs. - OLGR 2001, 66, 67 und 2005, 843; Zöller/Gummer/Heßler aaO § 519 Rdn. 36, jeweils m.w.N.). Deshalb war es der Klägerin bereits mit Zustellung des Beschlusses des Senats vom 18. August 2006 möglich, den Auftrag zur Einlegung der Berufung zu erteilen. Das für die Einlegung des Rechtsmittels bestehende Hindernis war zu diesem Zeitpunkt entfallen.

Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren ergeht gemäß § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Festsetzung des Gebührenstreitwert beruht auf §§ 42 Abs. 1 und 5 GKG.

Zu einer Änderung des Senatsbeschlusses vom 11. September 2006 besteht kein Anlass. Deshalb ist auch die erneute Gegenvorstellung der Klägerin zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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