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Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 15.08.2006
Aktenzeichen: 2 WF 136/06
Rechtsgebiete: RVG, VV RVG, ZPO, BGB
Vorschriften:
RVG § 2 Abs. 2 | |
RVG § 33 Abs. 1 | |
RVG § 55 | |
VV RVG Nr. 1000 | |
ZPO § 103 | |
ZPO § 104 | |
BGB § 779 |
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss
Aktenzeichen: 2 WF 136/06
In der Familiensache
betreffend die Regelung der elterlichen Sorge bei Getrenntleben der Eltern für das Kind A... S... W..., geboren am ...,
hier: wegen Festsetzung der der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin aus der Landeskasse zu gewährenden Vergütung
hat der 2. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Reichling und die Richterinnen am Oberlandesgericht Schlachter und Geib-Doll auf die Beschwerde der Landeskasse vom 28. Juni 2006 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bad Dürkheim vom 19. Mai 2006 ohne mündliche Verhandlung am 15. August 2006
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe:
Die - gemäß den §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 RVG zulässige - Beschwerde der Landeskasse bleibt in der Sache ohne Erfolg, weil die Kostenbeamtin des Familiengerichts auf die Erinnerung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin zu Recht ihren ursprünglichen Festsetzungsbeschluss vom 2. März 2006 geändert und mit Beschluss vom 7. April 2006 die Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VVRVG in Höhe von 219,24 € einschließlich Mehrwertsteuer festgesetzt hat.
Nach der Bestimmung der Nr. 1000 VVRVG, die an die Stelle des § 23 Abs. 1 Satz 1 und 2 BRAGO getreten ist, entsteht die Gebühr für die Mitwirkung des Rechtsanwalts beim Abschluss eines Vertrages, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht.
Die Voraussetzungen dieser Regelung sind hier erfüllt.
Der Senat hat bereits in seinem grundlegenden Beschluss vom 14. Dezember 2005 (Az.: 2 WF 220/05) dargelegt, dass er nach Inkrafttreten des RVG seine Rechtsauffassung geändert hat und nunmehr die Auffassung teilt, dass auch in isolierten Sorgerechtsverfahren die Einigungsgebühr der Nr. 1000 VVRVG - grundsätzlich - anfallen kann.
Dem liegt zugrunde, dass die Nr. 1000 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG im Unterschied zu § 23 Abs. 1 Satz 1 und 2 BRAGO für das Entstehen der Einigungsgebühr keinen Vergleichsvertrag im Sinne von § 779 BGB mehr voraussetzt. Der Gesetzgeber ist von diesem Erfordernis bewusst abgerückt, um "jegliche vertragliche Beilegung des Streits zu honorieren" (BT-Drs. 15/1971, S. 147, 204). Mithin sind nach seinem Willen an eine vertragliche Regelung zur Streitbeilegung geringere Voraussetzungen zu stellen, als an einen Vergleich im Sinne von § 779 BGB. Wie der Ausschluss von Anerkenntnis und Verzicht zeigt, geht diese Herabsetzung der Voraussetzungen zwar nicht so weit, dass das Erfordernis eines gegenseitigen Nachgebens gänzlich entfällt. Sie rechtfertigt es aber für Fälle der Einigung im Sorgerechtsverfahren vom Erfordernis der Verfügungsbefugnis über den Gegenstand der Einigung Abstand zu nehmen. Deshalb entspricht es seit Inkrafttreten des RVG der - soweit ersichtlich - vorherrschenden Auffassung, dass auch in isolierten Sorgerechtsverfahren eine Einigungsgebühr anfallen kann (vgl. Schneider, Die Einigungsgebühr nach dem RVG, MDR 2004, 423; OLG Nürnberg FamRZ 2005, 741 m.w.N.).
Die Voraussetzungen für eine in diesem Sinn zu verstehende Einigung der Eltern liegen hier vor.
Die Eltern haben zunächst gegenläufige Anträge auf Übertragung der elterlichen Alleinsorge gestellt. Nachdem das Familiengericht ein kinderpsychologisches Gutachten eingeholt hatte, haben die Eltern anlässlich ihrer Anhörung am 25. Januar 2006 auf Vorschlag des Familiengerichts eine Einigung dahin erzielt, dass es bei der gemeinsamen elterlichen Sorge bewenden und der Mutter das Recht der Aufenthaltsbestimmung und der Gesundheitsfürsorge übertragen werden soll.
Somit haben beide Parteien durch gegenseitiges Nachgeben ihren bisherigen Streit beigelegt.
Die Tatsache, dass das Familiengericht das Verfahren mit Beschluss vom 25. Januar 2006 beendet und der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das Recht der Gesundheitsfürsorge übertragen hat, vermag nichts daran zu ändern, dass das Verfahren aufgrund vorheriger Einigung der Eltern ein gütliches Ende genommen hat.
Der Senat setzt sich mit dieser Rechtsauffassung nicht in Widerspruch zu dem von der Beschwerdeführerin in Bezug genommenen Beschluss des BGH vom 28. März 2006 (Az.: VIII ZB 29/05).
Die Kostenbeamtin des Familiengerichts weist in ihrer Entscheidung über die Nichtabhilfe vom 16. Mai 2006 zu Recht darauf hin, dass der Beschluss des Bundesgerichtshofs ein zivilprozessuales Kostenfestsetzungsverfahren gemäß den §§ 103, 104 ZPO und damit die Frage prozessualer Erstattungsfähigkeit von Kosten im Außenverhältnis zur gegnerischen Partei zum Gegenstand hatte.
Aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit mag in solchen Verfahren zum Schutz der gegnerischen Partei die förmliche Protokollierung eines Prozessvergleichs Voraussetzung für die Erstattbarkeit der Einigungsgebühr der Nr. 1000 VVRVG sein (vgl. BGH aaO.); hier ist dagegen zu klären, ob in der Person der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin die Einigungsgebühr der Nr. 1000 VVRVG entstanden ist, weil sie in einem isolierten Sorgerechtsverfahren an einer gütlichen Einigung der Eltern auf Seiten der Antragstellerin mitgewirkt hat.
Auch im Falle der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen bewilligter Prozesskostenhilfe ist Rechtsgrundlage für das Entstehen des Gebührentatbestands allein der zwischen der bedürftigen Partei und dem Rechtsanwalt abgeschlossene Geschäftsbesorgungsvertrag mit entsprechender Verfahrensvollmacht (vgl. von Eicken/Müller-Rabe in Gerold/Schmidt u.a., RVG, 17. Aufl., Rdnr. 13 zu § 45 RVG m.w.N.).
Die Frage, ob in der Person der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin die Einigungsgebühr der Nr. 1000 VVRVG entstanden ist, ist daher allein anhand des bestehenden Mandatsverhältnisses i.V.m. den Gebührenbestimmungen des RVG zu beantworten. Der Umstand, dass die Beiordnung - worauf die Beschwerdeführerin zu Recht hinweist - einen unmittelbaren Anspruch des Rechtsanwalts gegenüber der Staatskasse und eine unmittelbare Schuldnerschaft der Staatskasse begründet (vgl. von Eicken/Müller-Rabe aaO., Rdnr. 3 zu § 45 RVG m.w.N.), rechtfertigt keine andere Betrachtungsweise.
Die förmliche Protokollierung eines Prozessvergleichs im Falle der Einigung der Eltern in einem isolierten Sorgerechtsverfahren mag zwar aus Gründen der Rechtsklarheit auch für die Staatskasse wünschenswert sein; sie wird dadurch aber nicht zur unabdingbaren Voraussetzung für das Entstehen der Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VVRVG.
Das Verfahren über die Beschwerde ist gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet, § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.
Die Festsetzung eines Beschwerdewertes erübrigt sich daher.
Ende der Entscheidung
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