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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 14.01.2004
Aktenzeichen: 2 WF 204/03
Rechtsgebiete: FGG, ZPO, KostO


Vorschriften:

FGG § 15 Abs. 1
FGG § 13 a Abs. 1 Satz 2
FGG § 19
FGG § 19 Abs. 1
FGG § 50
ZPO § 406 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 406 Abs. 5
KostO § 131 Abs. 1 Nr. 1
Die Bestellung eines Verfahrenspflegers gemäß § 50 FGG ist verfahrensleitende Zwischenverfügung (§ 19 FGG). Sie ist von den beteiligten Eltern nicht anfechtbar, da sie keinen schwerwiegenden Eingriff in deren Rechte beinhaltet.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 2 WF 204/03

In der Familiensache

betreffend die Regelung des Umgangsrechtes mit den Kindern

hier: Bestellung eines Verfahrenspflegers gemäß § 50 FGG und Ablehnung der Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit,

hat der 2. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Giersch, den Richter am Oberlandesgericht Hengesbach und die Richterin am Oberlandesgericht Geib-Doll auf die Beschwerden der Antragstellerin vom 10. Dezember 2003, eingegangen am 15. Dezember 2003, gegen den ihr am 4. Dezember 2003 zugestellten Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Neustadt an der Weinstraße vom 1. Dezember 2003

ohne mündliche Verhandlung am 14. Januar 2004

beschlossen:

Tenor:

1. Die Beschwerde gegen die Bestellung einer Verfahrenspflegerin für die betroffenen Kinder wird als unzulässig verworfen.

2. Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Sachverständigen Dipl.-Psychologin A... B... wegen Besorgnis der Befangenheit wird zurückgewiesen.

3. Die Antragsgegnerin hat die Kosten beider Beschwerdeverfahren zu tragen.

4. Die Gegenstandswerte der Beschwerden werden auf jeweils 1 000,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Amtsgericht - Familiengericht - Neustadt an der Weinstraße für die betroffenen Kinder eine Verfahrenspflegerin bestellt und den Antrag der Antragsgegnerin, die gerichtlich bestellte Sachverständige Dipl.-Psychologin A... B... wegen Besorgnis der Befangenheit zu entpflichten, abgelehnt. Anhaltspunkte für eine - im Übrigen nicht glaubhaft gemachte - mögliche Voreingenommenheit und Parteilichkeit der dem Gericht aus einer Vielzahl von Sorge- und Umgangsrechtsverfahren als besonders zuverlässig und insbesondere absolut neutral bekannte Sachverständige seien nicht ersichtlich.

Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihren Beschwerden.

Sie hält eine Begutachtung der Kinder zur Entscheidung darüber, ob und in welchem Umfang dem Antragsteller Umgang mit den beiden Kindern zu gestatten ist, für nicht erforderlich. Die Kinder seien alt genug, ihre Ansicht und ihren Willen zu äußern und hätten bei ihrer Anhörung durch das Familiengericht unmissverständlich erklärt, dass sie ihren Vater jedenfalls derzeit nicht sehen wollten. Sowohl sie als auch die Kinder hätten aufgrund des Verhaltens der Sachverständigen im Rahmen der begonnenen Exploration jedes Vertrauen zu der Sachverständigen verloren; deshalb könne ein Sachverständigengutachten auch nicht mehr sinnvoll erstellt werden. Für die Frage der Befangenheit komme es ausschließlich auf ihre Sicht der Dinge, nicht aber auf die objektiven Gegebenheiten an.

Die Bestellung einer Verfahrenspflegerin für die Kinder sei nicht erforderlich, da ein Gegensatz zwischen ihren und den Interessen der Kinder, der eine solche Maßnahme erfordere (§ 50 Abs. 2 FGG), nicht bestehe.

II.

1. Die Beschwerde gegen die Bestellung einer Verfahrenspflegerin für die beiden Kinder gemäß § 50 FGG ist nicht zulässig.

§ 50 FGG sieht eine Regelung über die Anfechtbarkeit der Bestellung eines Verfahrenspflegers nicht vor. Es gilt daher die allgemeine Bestimmung des § 19 Abs. 1 FGG. Danach ist gegen Verfügungen des Gerichtes erster Instanz das Rechtsmittel der (einfachen) Beschwerde gegeben.

Es entspricht allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, dass mit Verfügungen im Sinne dieser Vorschrift grundsätzlich nur Endentscheidungen gemeint sind, die ein Verfahren oder einen Abschnitt innerhalb einer anhängigen Angelegenheit abschließen (vgl. Keidel/Winkler-Kahl, FGG, 15. Aufl., § 19 Rdnr. 2 m.w.N.). Verfahrensleitende und vorbereitende sog. Zwischenverfügungen sind dagegen nur ausnahmsweise mit der Beschwerde anfechtbar, wenn sie erheblich in die Rechte eines Betroffenen eingreifen (vgl. Keidel aaO Rdnr. 9 und § 50 Rdnr. 47; Bumiller/Winkler, FGG, 7. Aufl., § 19 Rdnr. 6 jew. m.w.N.).

Die Bestellung eines Verfahrenspflegers gemäß § 50 FGG ist nach überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur (OLG Zweibrücken [6. Zivilsenat] FamRZ 2001, 170; KG FamRZ 2000, 1298; OLG Celle FamRZ 1999, 1589; OLG Karlsruhe FamRZ 2000, 1296; OLG Brandenburg FamRZ 2000, 1295; OLG Düsseldorf FamRZ 2000, 249; OLG Dresden FamRZ 2000, 1296; Staudinger-Rauscher, BGB, Stand 2000, § 1684, Rdnr. 393 und Staudinger-Coester aaO, § 1666 Rdnr. 229; Keidel/Kuntze/Winkler-Engelhardt, FGG, 15. Aufl., § 50 Rdnr. 47), der sich der Senat anschließt, (lediglich) eine Zwischenentscheidung im Sinne einer verfahrensleitenden Verfügung.

Ob die Verfahrenspflegerbestellung erheblich in die Rechte der Beteiligten, insbesondere der beteiligten Eltern eingreift und damit auch als Zwischenverfügung der Anfechtung nach § 19 FGG unterliegt wird in Rechtsprechung und Literatur kontrovers diskutiert.

Begründet wird die Anfechtbarkeit von deren Befürwortern (OLG Hamm, FamRZ 1999. 41; OLG Frankfurt FamRZ 1999, 1293; KG FamRZ 2000, 1298; OLG Karlsruhe NJW-RR 2001, 78; OLG Köln FamRZ 2002, 968; Bumiller/Winkler aaO, § 50 Rdnr. 9) im Wesentlichen damit, dass der Verfahrenspfleger während des familiengerichtlichen Verfahrens die Stellung eines gesetzlichen Vertreters für die Kinder erlange und damit dieser Teilbereich der elterlichen Sorge nicht mehr von den Eltern eigenverantwortlich und allein wahrgenommen werden könne.

Nach anderer Ansicht (OLG Zweibrücken [6. Zivilsenat] FamRZ 2001, 170; OLG Stuttgart MDR 2001, 88 f; OLG Celle FamRZ 1999, 1589; OLG Brandenburg FamRZ 2000. 1595; OLG Naumburg MDR 2000, 1322; Staudinger-Rauscher und Staudinger-Coester jew. aaO, Keidel/Kuntze/Winkler-Engelhardt aaO, Rdnr. 47) bestehe ein selbständiges Anfechtungsrecht gegen die Verfahrenspflegerbestellung - auch für die Eltern - nicht, da sie keinen schwerwiegenden Eingriff in deren Rechte darstelle. Die Bestellung eines Verfahrenspflegers diene der sachgerechten Wahrnehmung der grundrechtlich geschützten Interessen des minderjährigen Kindes; sie solle dessen Stellung im Verfahren stärken. Mit ihr sei zwar zwangsläufig ein Eingriff in die Rechte der Eltern verbunden, der jedoch im Interesse des Kindeswohles gerechtfertigt und hinnehmbar sei. Den - ebenfalls am Verfahren beteiligten - Eltern bleibe es unbenommen, weiterhin die vermeintlichen Interessen ihres Kindes zur Geltung zu bringen und für das Kind das vorzutragen, was sie für erforderlich hielten; sie seien daher in ihren Rechten nicht wesentlich eingeschränkt.

Der Senat schließt sich vollinhaltlich der letztgenannten Auffassung an. Sie verdient nicht zuletzt auch deshalb den Vorzug, weil Sorge- und Umgangsrechtsverfahren in der Regel einer zügigen und schnellstmöglichen Bearbeitung bedürfen, um die mit ihnen einhergehenden Belastungen für die Kinder, deren Interessen und Wohl im Rahmen dieser Verfahren stets im Vordergrund zu stehen hat, möglichst gering zu halten. Dem liefe eine isolierte Anfechtbarkeit der Bestellung eines Verfahrenspflegers für das Kind wegen der damit zwangsläufig verbundenen Verzögerung der Hauptsache zuwider.

2. Soweit sich die Beschwerde der Antragsgegnerin dagegen richtet, dass ihr Antrag auf Ablehnung des gerichtlich bestellten Sachverständigen für unbegründet erklärt wurde, ist sie gemäß § 15 Abs. 1 FGG i.V.m. § 406 Abs. 5 ZPO als sofortige Beschwerde statthaft und verfahrensrechtlich bedenkenfrei, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§§ 567, 569 ZPO), hat in der Sache jedoch keinen Erfolg, da das Familiengericht den Antrag mit Recht abgelehnt hat.

Für die Ablehnung eines Sachverständigen sind nach § 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO dieselben Gründe maßgebend, die für die Ablehnung eines Richters gelten. Er kann mithin auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden (§ 42 ZPO). Für die Annahme der Befangenheit müssen objektive Gründe vorliegen, die aus der Sicht eines objektiven und vernünftig denkenden Beteiligten Anlass geben, Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen zu hegen; rein subjektive Vorstellungen vermögen dagegen entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin eine Ablehnung nicht zu begründen (allgemeine Meinung; vgl. nur Zöller-Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 42 Rdnr. 9 und Keidel/Kuntze/Winkler-Schmidt aaO, § 15 Rdnr. 50; jew. m.w.N.).

Die Antragsgegnerin stützt ihr Ablehnungsgesuch darauf, dass die Sachverständige im Rahmen der bereits durchgeführten Exploration den Eindruck erweckt habe, dass sie von vornherein selbstverständlich von einem Besuchsrecht der Kinder ausgehe sowie darauf, dass sich die Sachverständige gegenüber den Kindern negativ über sie geäußert habe. Diese Gründe vermögen die Ablehnung der Sachverständigen nicht zu rechtfertigen.

Nach der gesetzlichen Regelung (§ 1684 BGB) haben die Kinder in der Tat ein Recht auf Umgang mit dem Vater. Aufgabe der Sachverständigen ist es, dem erkennenden Gericht im Rahmen des von ihr zu erstattenden Gutachtens Hilfestellung zur Beantwortung der Frage zu geben, wie im Interesse und zum Wohl der betroffenen Kinder deren Umgang mit dem Vater auszugestalten ist und ob gegebenenfalls wegen einer zu besorgenden Kindeswohlgefährdung der Umgang (zeitweilig) eingeschränkt oder gar ausgeschlossen werden soll (vgl. § 1684 Abs. 3 und Abs. 4 BGB). Wenn die Sachverständige also im Rahmen der Exploration der beiden Jungen von deren Recht, den Vater zu besuchen, gesprochen haben sollte oder den Kindern den Eindruck vermittelt haben sollte, dass sie von einem solchen Besuchsrecht der Kinder ausgehe (was nach ihrer Stellungnahme auf das Ablehnungsgesuch vom 19. November 2003 nicht der Fall gewesen sei), könnte dies aus der Sicht eines vernünftig denkenden Beteiligten nicht dahingehend gewertet werden, die Sachverständige habe einseitig Partei zugunsten des Antragstellers (und damit zu ihren und der Kinder Lasten bezogen), sie sei voreingenommen und nicht in der Lage, ein neutrales Gutachten zu erstatten.

Es mag sein, dass der Antragsgegnerin (und möglicherweise auch den Kindern) die Fragen der Sachverständigen und deren Bemühen, den wirklichen Willen der durch den Konflikt der Eltern und den dadurch für sie entstandenen Loyalitätskonflikt belasteten und beeinträchtigten Kinder zu erforschen, unangenehm und unbequem sind, weil die Sachverständige dabei auch ihr aus den Akten oder bei der Exploration der Beteiligten bekannt gewordene Geschehnisse aus der Zeit des Zusammenlebens der beteiligten Eltern thematisieren muss, die nach Ansicht der Antragsgegnerin so nicht stattgefunden haben. Gerade hierzu ist die Sachverständige im Rahmen der gebotenen Neutralität aber verpflichtet, wenn sie sich nicht dem Vorwurf der Voreingenommenheit und Parteilichkeit des anderen Elternteiles, hier also des Antragstellers, aussetzen will.

Soweit die Antragsgegnerin meint, die Sachverständige sei nicht in der Lage, die schwierige Situation der Kinder richtig einzuschätzen, möge sie bedenken, ob nicht vielmehr ihr Verhalten die Situation für die Kinder erschwert, indem sie sich gegen eine Begutachtung der Kinder sperrt und eine Exploration der Kinder durch die Sachverständige auf "neutralem" Boden, also außerhalb des von ihr und ihrem neuen Lebenspartner kontrollierten häuslichen Umfeldes, zu verhindern sucht. Auch der Senat kann sich nach Aktenlage nicht des Eindrucks erwehren, dass die Antragsgegnerin mit ihren Rechtsmitteln in erster Linie einen befürchteten Kontrollverlust und einen alsbaldigen Abschluss des Umgangsrechtsverfahrens zu verhindern versucht. Derartiges Verhalten begründet ernsthafte Zweifel an ihrer Erziehungseignung, denen sie tunlichst durch Kooperationsbereitschaft begegnen sollte.

3. Die Kostenentscheidung folgt hinsichtlich der Beschwerde gegen die Verfahrenspflegerbestellung aus §§ 131 Abs. 1 Nr. 1 KostO, 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG und hinsichtlich des Beschwerdeverfahrens gegen die Abweisung des Befangenheitsantrages aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Den Gegenstandswert beider Beschwerdeverfahren schätzt der Senat gemäß § 3 ZPO jeweils auf ein Drittel des Hauptsachestreitwertes, der bei 3 000,00 EUR liegt (§§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 KostO).

Ende der Entscheidung

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