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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 10.06.2002
Aktenzeichen: 2 WF 37/02
Rechtsgebiete: BRAGO, BGB


Vorschriften:

BRAGO § 23
BGB § 1671
Eine Verständigung der Eltern über das Sorgerecht löst auch dann keine Vergleichsgebühr aus, wenn durch gerichtlich protokollierte elterliche Vereinbarung die Fortgeltung der gemeinsamen elterlichen Sorge unter (befristeter) Bevollmächtigung der Mutter zur alleinigen Regelung der Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung bestimmt wird, hier mit Ausnahme von Vermögens- und Gesundheitsfürsorge sowie schulischer Ausbildung des Kindes (Fortführung der ständigen Senatsrechtsprechung, vgl. KostRsp. § 23 BRAGO Nr. 7; FamRZ 2001, 506 und 1393).
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 2 WF 37/02

In der Familiensache

wegen Ehescheidung und Folgesachen

hier: Vergütung des beigeordneten Rechtsanwaltes; Beschwerde der Landeskasse

hat der 2. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Giersch, den Richter am Oberlandesgericht Burger und die Richterin am Oberlandesgericht Geib-Doll auf die Beschwerde der Landeskasse vom 8. März 2002, gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Kandel vom 18. Februar 2002,

ohne mündliche Verhandlung am 10. Juni 2002

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Beschwerde wird der angefochtene Beschluss geändert. Die Erinnerung der Rechtsanwältin ... vom 22. Januar 2002 gegen die Festsetzung ihrer Vergütung durch Beschluss des Amtsgerichts Kandel vom 15. Januar 2002 wird insgesamt zurückgewiesen.

2. Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Die Antragstellerin hat im Ehescheidungs-Verbundverfahren zunächst die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge für das ehegemeinschaftliche Kind F..., geb. am 16. Juli 1994, beantragt. Der Antragsgegner ist diesem Begehren entgegen getreten. In der mündlichen Verhandlung vom 24. Oktober 2001 haben die Parteien folgende "elterliche Vereinbarung" geschlossen:

"Beide Elternteile üben nach Trennung und Scheidung die elterliche Sorge weiterhin gemeinsam aus.

Der Antragsgegner erteilt der Antragstellerin Vollmacht zur Regelung der Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung. Diese Vollmacht erstreckt sich nicht auf folgende Belange des Kindes:

- Vermögenssorge

- Gesundheitsfürsorge

- schulische Ausbildung des Kindes

Diese Vollmacht ist befristet bis zum 15. Juli 2003. Ab dem 16. Juli 2003 wird die elterliche Sorge nach Maßgabe des § 1687 BGB ohne jegliche Einschränkung durch vorstehende Vollmacht gemeinsam ausgeübt."

Die Vereinbarung wurde anschließend familiengerichtlich genehmigt.

Die der Antragstellerin beigeordnete Rechtsanwältin hat u.a. die Festsetzung einer Vergleichsgebühr aufgrund der Vereinbarung begehrt; dem wurde durch Festsetzungsbeschluss der Kostenbeamtin vom 15. Januar 2002 nicht entsprochen, weil das Sorgerecht nicht der Parteidisposition unterliege. Auf die Erinnerung der Rechtsanwältin wurde durch den angefochtenen Beschluss des Familienrichters die Festsetzung der Vergleichsgebühr dem Grunde nach angeordnet. Die beteiligten Eltern hätten hier eine Vereinbarung getroffen, die eine weitergehende Entscheidung über den Sorgerechtsantrag entbehrlich gemacht habe; die erteilte familiengerichtliche Genehmigung habe keine konstitutive Wirkung gehabt, sondern sei lediglich als Appell an die elterliche Verantwortung zu verstehen gewesen. Der hiergegen gerichteten Beschwerde der Landeskasse hat der Familienrichter nicht abgeholfen. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt, insbesondere auf die angeführten gerichtlichen Entscheidungen Bezug genommen.

Das nach § 128 Abs. 3 und 4 BRAGO statthafte und zulässige Rechtsmittel der Landeskasse, über die der Senat gemäß §§ 128 Abs. 4, 10 Abs. 3 Satz 4 BRAGO, § 568 Satz 2 ZPO in seiner Gesamtheit zu entscheiden hat, führt in der Sache zum Erfolg. Der Senat teilt die Auffassung der Kostenbeamtin, wonach eine Vergleichsgebühr gemäß § 23 BRAGO hier nicht angefallen ist.

Ein Vergleich im Sinne von § 23 Abs. 1 BRAGO, § 779 BGB liegt vor, wenn der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis durch Vertrag um im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird (vgl. nur Hartmann, KostenG 31. Aufl. § 23 BRAGO Rn. 5). Hier erscheint es bereits zweifelhaft, ob ein gegenseitiges Nachgeben in diesem Sinne vorliegt. Die protokollierte Vereinbarung läuft der Sache nach auf den vom Antragsgegner begehrten Fortbestand der gemeinsamen elterlichen Sorge hinaus, so dass dieser sich in vollem Umfang durchgesetzt hätte. Die Bevollmächtigung der Antragstellerin zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung (§ 1687 BGB) wurde dadurch ausgehöhlt, dass mit der Vermögens- und Gesundheitsfürsorge sowie der schulischen Ausbildung des Kindes alle Bereiche, in denen solchen Entscheidungen erfahrungsgemäß zu erwarten waren, sogleich wieder ausgenommen wurden. Es sind zwar Meinungsverschiedenheiten der Eltern denkbar, die sich nicht auf die hier festgelegten Ausnahmen beziehen, sondern etwa ein Umgangsverbot, Wohnsitzverlegung und Auswanderung, die religiöse Erziehung oder besonders aufwendige Auslandsreisen und Ferienaufenthalte betreffen (Beispiele nach Palandt, BGB 61. Aufl. § 1687 Rn. 7). Allerdings ist nicht ersichtlich, dass derartige Entscheidungen hier tatsächlich zu erwarten waren und von den Parteien bei der geschlossenen Vereinbarung berücksichtigt wurden; es erscheint zudem zweifelhaft, ob der beteiligte Vater etwa auch einer alleinigen Entscheidung der Mutter über eine gemeinsame Auswanderung mit dem Kind zustimmen wollte.

Ein Vergleich scheidet aber jedenfalls deshalb aus, weil es den beteiligten Eltern an der Verfügungsbefugnis über den hier betroffenen Verfahrensgegenstand der elterlichen Sorge fehlt; dieser unterliegt vielmehr der vom Maßstab des Kindeswohls bestimmten amtswegigen Prüfung durch das Gericht. Der Senat geht daher in langjähriger ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Verständigung der Eltern über das Sorgerecht eine Vergleichsgebühr nicht auslöst (vgl. bereits Beschluss vom 17. August 1978, KostRsp. Nr. 7 zu § 23 BRAGO) und hat hieran auch in Bezug auf die seit 1. Juli 1998 geltende Neufassung des § 1671 BGB festgehalten, weil gemäß §§ 1671 Abs. 3, 1666 BGB weiterhin von Amts wegen auf die Wahrung des Kindeswohls zu achten ist (FamRZ 2001, 1393 f.; s.a. FamRZ 2001, 506 zu § 1696 BGB). Der Senat sieht sich - auch gegen die in Literatur und obergerichtlicher Rechtsprechung vertretene anderweitige Auffassung (vgl. etwa OLG Düsseldorf JurBüro 2001, 358; Hartmann a.a.O. § 23 BRAGO Rn. 43; Gerold u.a. BRAGO 15. Aufl. § 36 Rn. 4) - zu einer Aufgabe dieser Rechtsprechung auch weiterhin nicht veranlasst.

Gemäß dieser vom Senat vertretenen Auffassung - die auch der Familienrichter durchaus zugrunde gelegt hat - ist eine Vergleichsgebühr hier nicht angefallen. Die Parteien haben einen Vergleich auch nicht dadurch geschlossen, dass die im Wege einer besonders protokollierten "Vereinbarung" und mittels einer der Antragstellerin erteilten "Vollmacht" hinsichtlich der Gestaltung der elterliche Sorge übereingekommen sind. Auch hierdurch wurde eine alleinige Verfügungsbefugnis der Parteien über den Verfahrensgegenstand der elterlichen Sorge nicht begründet. Die von ihnen getroffene Regelung stellt sich vielmehr - soweit ihr überhaupt über die gemeinsame elterliche Sorge hinausgehende Befugnisse der Antragstellerin zu entnehmen sind (s.o.) - als übereinstimmender Antrag der Parteien dar, der Mutter einen Teil der elterlichen Sorge allein zu übertragen. Über diesen Antrag hatte das Familiengericht gemäß § 1671 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 BGB zu befinden, was durch die ausgesprochene familiengerichtliche Genehmigung auch geschehen ist. Es kommt daher nicht auf die - durch den Nichtabhilfebeschluss des Familienrichters vom 15. März 2002 aufgeworfene - Frage an, ob eine Prüfung nach § 1671 Abs. 3 BGB auch nach Rücknahme eines Sorgerechtsantrags stattzufinden hat; der Senat neigt allerdings dazu, diese Frage wegen der Einheitlichkeit des durch den einmal gestellten Antrag ausgelösten Verfahrens zu bejahen (vgl. auch Palandt aaO., § 1671 Rn. 19; MK, BGB 4. Aufl. § 1671 Rn. 126). Soweit der Familienrichter und die Beschwerdegegnerin auf die Schwierigkeit und Langwierigkeit der Verhandlungen hinweisen, die der hier geschlossenen elterlichen Vereinbarung vorausgegangen sind, kann solchen Umständen durch eine Anhebung des für die elterliche Sorge festzusetzenden Geschäftswertes und - in selbständigen Sorgerechtssachen - durch die Bemessung der Rahmengebühr nach § 118 BRAGO Rechnung getragen werden.

Die Regelung der Kosten des Beschwerdeverfahrens ergibt sich aus § 128 Abs. 5 BRAGO.

Ende der Entscheidung

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