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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 24.06.2004
Aktenzeichen: 3 W 100/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1897 Abs. 4
Zur Frage der Eignung der Tochter als Vermögensbetreuerin, wenn diese aus einem notariellen Grundstücksübertragungsvertrag zur Wartung und Pflege der Mutter verpflichtet ist, den Lohn für die hierfür eingestellte Pflegekraft dem Vermögen der Mutter entnimmt und darüber hinaus die Überweisung größerer Geldbeträge von dem Konto der Mutter an sich und ihre Schwester veranlasst hat.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 3 W 100/04

In dem Verfahren

wegen Betreuerauswahl,

hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dury, den Richter am Oberlandesgericht Petry und die Richterin am Landgericht Stutz auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 18. Mai 2004 gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Kaiserslautern vom 29. April 2004

ohne mündliche Verhandlung

am 24. Juni 2004

beschlossen:

Tenor:

I. Der angefochtene Beschluss wird insoweit aufgehoben, als die Beteiligte zu 2) auch zur Vermögensbetreuerin der Betroffenen bestellt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird das Verfahren zur erneuten Sachbehandlung und Entscheidung, auch über eine etwaige Kostenerstattung im Rechtsbeschwerdeverfahren, an das Landgericht Kaiserslautern zurückverwiesen.

II. Der Gegenstandswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf bis zu 750,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligte zu 1) und die Beteiligte zu 2) sind die Töchter der Betroffenen.

Im Oktober 2003 regte die Beteiligte zu 1) an, für die Betroffene eine Vermögensbetreuung zu errichten.

Die Betroffene lebt im Haushalt der Beteiligten zu 2), der sie (und ihr damals noch lebender Ehemann) mit notariellem Vertrag das Hausgrundstück übergeben hat. Als Gegenleistung für die Übergabe ist ein lebenslängliches Leibgeding zugunsten der Betroffenen vereinbart. Für die Pflege der Betroffenen wurde zwischenzeitlich eine Vollzeitkraft eingestellt, deren Lohn die Beteiligte zu 2) mit der Rente der Betroffenen begleicht.

Im Dezember 2003 wurde aus dem Vermögen der Betroffenen an die Beteiligten zu 1) und 2) jeweils ein Betrag in Höhe von 30.000 Euro überwiesen. Nach dem Vortrag der Beteiligten zu 1) soll die Überweisung auf Veranlassung der Beteiligten zu 2) erfolgt sein.

Das Amtsgericht hat den Antrag auf Einrichtung einer Betreuung zurückgewiesen. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) hat das Landgericht Betreuung mit den Wirkungskreisen Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge und Aufenthaltsbestimmung angeordnet und - dem Vorschlag der Betroffenen entsprechend - die Beteiligte zu 2) zur Betreuerin bestellt.

Mit der weiteren Beschwerde wendet sich die Beteiligte zu 1) ausschließlich gegen die Bestellung der Beteiligten zu 2) zur Vermögensbetreuerin.

II.

Die weitere Beschwerde ist statthaft, nicht an eine Frist gebunden und auch im Übrigen verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden (§§ 27 Abs. 1, 29 Abs. 1 und 4 FGG).

Insbesondere ist die Beteiligte zu 1) beschwerdebefugt, § 69 g Abs. 1 FGG.

Nach überwiegender Rechtsprechung, der der Senat folgt, können nahe Angehörige im Sinne des § 69 g Abs. 1 FGG auch gegen die erstmalige Bestellung eines Betreuers Beschwerde mit dem Ziel einlegen, die eigene Person an die Stelle des ausgewählten Betreuers zu setzen. Denn hierbei handelt es sich um eine zulässige Teilanfechtung der die Bestellung und Auswahl umfassenden Einheitsentscheidung nach § 69 Abs. 1 Nr. 2 FGG (vgl. BGH FamRZ 1996, 607; Senat FGPrax 1997, 104 und 1999, 146, Beschluss vom 20. Februar 2003 - 3 W 245/02 -; KG FamRZ 1995, 1442; OLG Hamm NJW-RR 1997, 70, 71; Keidel/Kuntze/Winkler/Kayser, FGG, 15. Aufl., § 69 g Rdnr. 13). Das Gleiche gilt für den Fall, dass Ziel des Rechtsmittels - wie hier - nicht die eigene Bestellung des Angehörigen, sondern vielmehr die Bestellung eines Dritten ist (vgl. etwa Senat, Beschluss vom 20. Februar 2003 - 3 W 245/02 -; OLG Schleswig FamRZ 1995, 432; Keidel/Kuntze/Winkler/Kayser aaO). Denn für die in § 69 g Abs. 1 FGG geregelte Beschwerdebefugnis kommt es nicht darauf an, ob der Rechtsmittelführer selbst bereit und in der Lage ist, die Betreuung zu übernehmen. Die Vorschrift räumt dem in ihr genannten Personenkreis und der zuständigen Behörde unabhängig von der Beeinträchtigung eigener Rechte eine Beschwerdebefugnis ein.

III.

In der Sache führt das Rechtsmittel zu einem jedenfalls vorläufigen Erfolg.

Der Beschluss, mit dem das Landgericht für die Betroffene Betreuung angeordnet und die Beteiligte zu 2) zur Betreuerin für sämtliche Wirkungskreise bestellt hat, beruht insoweit auf einer Verletzung des Rechts, als die Auswahl der Beteiligten zu 2) als Betreuerin auch für den Aufgabenbereich der Vermögenssorge verfahrensfehlerhaft erfolgt ist (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO). Dies nötigt zur Aufhebung des Beschlusses und zur Zurückverweisung in diesem Umfang.

Rechtlich zutreffend ist der Ausgangspunkt des Landgerichts, dass bei der Auswahl des Betreuers der Vorschlag des Betroffenen, eine bestimmte Person zu seinem Betreuer zu bestellen, unabhängig von der Geschäftsfähigkeit des Betroffenen einen Vorrang dieser Person vor allen anderen in Betracht kommenden Personen begründet. Diesem Vorschlag, dessen Rechtswirksamkeit lediglich voraussetzt, dass der Betroffene im Betreuungsverfahren oder zu einem früheren Zeitpunkt einen ernsthaften, von seinem natürlichen Willen getragenen Wunsch geäußert hat, hat das Gericht grundsätzlich zu entsprechen (§ 1897 Abs. 4 BGB; BayObLG BtPrax 2000, 36; Bienwald, Betreuungsrecht, 3. Aufl., § 1897 BGB, Rdnr. 47).

Diese Bindung entfällt, wenn die Bestellung des Vorgeschlagenen dem Wohl des Betroffenen zuwiderläuft (§ 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB). Dies erfordert eine umfassende Abwägung aller Umstände (BayObLG aaO). Um dem im Betreuungsrecht im Vordergrund stehenden Willen des Betreuten ausreichend Geltung zu verschaffen, setzt die Nichtberücksichtigung seines Vorschlages allerdings voraus, dass das Ergebnis der Abwägung deutlich gegen die vorgeschlagene Person spricht. Es muss die konkrete Gefahr bestehen, dass der Vorgeschlagene die Betreuung des Betroffenen nicht zu dessen Wohl führen kann oder will. Interessenkonflikte von geringerem Gewicht genügen hierzu nicht (BayObLG FamRZ 2004, 734).

Die Auswahlentscheidung des Tatrichters bzw. des an seine Stelle tretenden Erstbeschwerdegerichts, die pflichtgemäßem Ermessen obliegt, kann das Rechtsbeschwerdegericht nur auf Rechtsfehler überprüfen, d.h. dahin, ob der Tatrichter von seinem Ermessen keinen oder einen rechtlich fehlerhaften, dem Sinn und Zweck des Gesetzes zuwiderlaufenden Gebrauch gemacht hat, von ungenügenden oder verfahrenswidrig zustande gekommenen Feststellungen ausgegangen ist oder wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat (vgl. BayObLG FamRZ 2002, 1589 m.w.N.). Danach ist insbesondere zu prüfen, ob der Tatrichter alle im Einzelfall wesentlichen Auswahlkriterien herangezogen und bei der Abwägung die im Gesetz vorgesehenen Regeln für ihre Gewichtung und ihr Verhältnis zueinander beachtet hat. Ein Sinn und Zweck des Gesetzes zuwiderlaufender Ermessensgebrauch liegt auch dann vor, wenn der Richter einen relevanten Umstand unvertretbar über- oder unterbewertet hat (BayObLG, Beschluss vom 18. Februar 2004 - 3Z BR 256/03 -, zitiert nach juris).

Vorliegend hat das Landgericht bei der Auswahl der Beteiligten zu 2) als Betreuerin für den Bereich der Vermögenssorge den Umstand nicht ausreichend berücksichtigt, dass diese der Betroffenen einerseits aus dem notariellen Übertragungsvertrag vom 13. September 1983 zur "Wartung und Pflege" verpflichtet ist, andererseits aber die hierfür eingestellte Vollzeitpflegekraft mit der Rente der Betroffenen finanziert (hierfür spricht die Angabe von PPflegekosten i.H.v. 1.100 Euro unter IV. 6 (laufende Ausgaben) in dem von der Beteiligten zu 2) erstellten Vermögensverzeichnis vom 15. Mai 2004). Das Landgericht hat hierzu die Auffassung vertreten, bei der Frage der Kostentragung handele es sich um ein zivilrechtliches Problem, das im Betreuungsverfahren nicht geklärt werden könne. Bei der Beurteilung der Eignung einer Person als Vermögensbetreuer kann es aber nicht unberücksichtigt bleiben, wenn die vorgeschlagene Person die Mittel zur Finanzierung einer Pflegekraft dem Vermögen der Betroffenen entnimmt, obgleich sie selbst möglicherweise zur Tragung dieser Kosten verpflichtet ist. Bereits die Prüfung der Frage, wer zur Tragung der Pflegekosten verpflichtet ist, wird dem Vermögensbetreuer obliegen, sodass die Annahme eines Interessenkonfliktes in der Person der Beteiligten zu 2) nahe liegt.

Zwar hat die Kammer eine Interessenkollision, die eine andere Betreuerauswahl rechtfertigen könne, auch für den Fall verneint, dass die Beteiligte zu 2) zur Tragung der Pflegekosten verpflichtet sein sollte. Die hierfür gegebene Begründung, die Beteiligte zu 2) erfülle ihre Verpflichtungen hinsichtlich des vereinbarten "Altenteils" geradezu vorbildlich, trägt diese Schlussfolgerung jedenfalls für den Bereich der Vermögenssorge nicht.

Ganz außer Acht gelassen bei der Prüfung der Eignung der Beteiligten zu 2) als Vermögensbetreuerin hat das Landgericht im Übrigen den Vortrag der Beteiligten zu 1) in den Schriftsätzen vom 27. Januar und 27. März 2004, die der Beteiligten zu 2) nach Aktenlage wohl nicht zur Kenntnis gebracht wurden. Danach sollen von dem Konto der Betroffenen, für das die Beteiligte zu 2) eine Kontovollmacht hat, erhebliche Beträge abgebucht worden sein und unter anderem Anliegerbeiträge gezahlt worden sein, die die Beteiligte zu 2) zu tragen habe. Diese habe auch im Dezember 2003 aus dem Vermögen der Betroffenen die Überweisung eines Betrages in Höhe von jeweils 30.000 Euro an sich selbst und die Beteiligte zu 1) veranlasst (dem entspricht die Angabe der Beteiligten zu 2) im Vermögensverzeichnis).

Ob diese "Schenkungen" möglicherweise wegen eines unwirksamen Insichgeschäftes der Bevollmächtigten oder wegen der zu diesem Zeitpunkt möglicherweise bereits bestehenden Geschäftsunfähigkeit der Betreuten unwirksam sein könnten, kann dahingestellt bleiben. Unabhängig davon besteht nämlich - sollte der Vortrag der Beteiligten zu 1) zutreffen - bereits jetzt ein Konflikt zwischen den Anforderungen an eine Führung der Betreuung zum Wohl der Betroffenen und dem Interesse der Beteiligten zu 2) an der Sicherung der eigenen finanziellen Verhältnisse, der bei der Betreuerauswahl ins Gewicht fallen dürfte. Denn es wird jedenfalls auch Aufgabe des Vermögensbetreuers sein, der Wirksamkeit der erfolgten Schenkungen nachzugehen und eventuelle Rückforderungen geltend zu machen, was ebenfalls bei der Prüfung des Vorliegens einer Interessenkollision zu berücksichtigen sein wird.

Die aufgezeigten Verfahrensfehler nötigen zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache, denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die angefochtene Entscheidung darauf beruht und das Landgericht bei Beachtung der dargelegten Umstände eine andere - gegebenenfalls neutrale - Person als Betreuer für den Bereich der Vermögenssorge bestellt hätte. Der Senat als Rechtsbeschwerdegericht kann die erforderliche Ermessensentscheidung nicht nachholen, zumal die Beteiligte zu 2) nach Aktenlage noch keine Gelegenheit hatte, sich zu der Frage der "Schenkungen" zu äußern. Hierzu wird ihr im weiteren Verfahren Gelegenheit gegeben werden müssen.

IV.

Von der Bestellung eines Verfahrenspflegers hat der Senat im Hinblick auf die Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz abgesehen (Keidel/Kuntze/Winkler/Kayser, aaO, § 67 Rdnr. 4).

V.

Die Entscheidung des Senates ergeht gerichtsgebührenfrei (§ 131 Abs. 3 KostO). Die Frage einer etwaigen Kostenerstattung für das Rechtsbeschwerdeverfahren ist im Hinblick auf den vorläufigen Erfolg des Rechtsmittels dem Landgericht vorbehalten.

Den Gegenstandswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde hat der Senat gemäß §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 KostO festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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