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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 23.08.2001
Aktenzeichen: 3 W 114/01
Rechtsgebiete: FGG, BGB, BRAGO


Vorschriften:

FGG § 70
FGG § 70 b Abs. 1 S. 3
FGG § 67 Abs. 3 S. 2 Hs. 2
BGB § 1835 Abs. 3
BRAGO § 1 Abs. 2
BRAGO § 118
Vergütung des anwaltlichen Verfahrenspflegers

I. Die Vorschrift des § 67 Abs.3 S.2 Hs. 2 FGG schließt es nicht grundsätzlich aus, dass ein in Unterbringungsverfahren als Verfahrenspfleger bestellter Rechtsanwalt eine Vergütung nach der BRAGO verlangen kann (im Anschluss an BVerfG FamRZ 2000, 1280: FamRZ 2000, 1289).

II. Es gibt nach der Konzeption des Gesetzes keinen Grundsatz, dass die in Unterbringungsverfahren nach § 70 FGG angeordnete Verfahrenspflegschaft eine anwaltsspezifische oder dem Anwaltsberuf vorbehaltene Tätigkeit darstellt. Einem insoweit tätigen Rechtsanwalt steht eine Vergütung nach der BRAGO deshalb nur dann zu, wenn eine Einzelfallprüfung ergibt, dass im Rahmen der für den Betroffenen erbrachten Dienste ein Laie in gleicher Lage vernünftigerweise Rechtsrat eingeholt hätte.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 3 W 114/01

In dem Verfahren

betreffend die Festsetzung der Vergütung des Verfahrenspflegers für die Unterbringung des

hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch die Richter am Oberlandesgericht Hengesbach, Cierniak und Jenet auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 27. April 2001 gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 10. April 2001, ihm zugestellt am 24. April 2001, ohne mündliche Verhandlung

am 23. August 2001

beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 10. April 2001 wird aufgehoben.

Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Betzdorf vom 16. Januar 2001 wird zurückgewiesen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 379,92 DM festgesetzt.

Gründe:

Der Betroffene, der an einer psychischen Störung leidet, wurde im April 1999 aufgrund einer einstweiligen Anordnung des Amtsgerichts Köln vorläufig in einer geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses untergebracht. In dem Unterbringungsverfahren auf der Grundlage des PsychKG NW wurde ihm der Beteiligte zu 2), ein Rechtsanwalt, als Verfahrenspfleger beigeordnet. Mit Beschluss vom 28. Mai 1999 wurde eine vorläufige Betreuung angeordnet und wiederum der Beteiligte zu 2) gemäß §§ 67, 70 b FGG als Verfahrenspfleger für das Betreuungsverfahren bestellt. Durch weiteren Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 31. Mai 1999 wurde dem Betreuer die Genehmigung zu der Einwilligung erteilt, den Betroffenen weiter - bis längstens zum 31. August 1999 - in einer geschlossenen Einrichtung unterzubringen. Mit Schreiben vom 7. Juni 1999 nahm der Beteiligte zu 2) in seinen Eigenschaft als Verfahrenspfleger zu einer mit dem Betroffenen geführten Unterredung sowie dessen gesundheitlichem Zustand Stellung. Er befürwortete es darin, den Unterbringungsbeschluss aufrecht zu erhalten.

Mit Kostenrechnung vom 12. August 1999 berechnete der Beteiligte zu 2) unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von 60,-- DM für seine Tätigkeit als Verfahrenspfleger zunächst einen Gesamtbetrag von 223,28 DM, den er als Abschlagszahlung verstanden wissen wollte. Dieser Betrag wurde ihm durch den Kostenbeamten angewiesen. Mit weiterer Kostennote vom 31. Oktober 2000 machte der Beteiligte zu 2) nunmehr unter Zugrundelegung eines Geschäftswertes von 5.000,-- DM je eine 7,5/10 Geschäfts- und Besprechungsgebühr gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 und 2 BRAGO (je 240,-- DM), eine Auslagenpauschale in Höhe von 40,-- DM sowie die gesetzliche Mehrwertsteuer gemäß § 25 Abs. 2 BRAGO in Höhe von 83,20 DM geltend und verlangte unter Anrechnung des bereits angewiesenen Betrages in Höhe von 223,28 DM restliche 379,92 DM.

Der Rechtspfleger bei dem zwischenzeitlich zuständig gewordenen Amtsgericht - Vormundschaftsgericht - Betzdorf hat mit Beschluss vom 18. Januar 2001 den Antrag auf die geltend gemachte Mehrvergütung nach der BRAGO zurückgewiesen. Auf die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde hat das Landgericht Koblenz mit Beschluss vom 10. April 2001 unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die Vergütung antragsgemäß festgesetzt. Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu 1), Bezirksrevisor, mit seiner - durch das Landgericht zugelassenen - sofortigen weiteren Beschwerde, mit welcher er die Wiederherstellung der Entscheidung des Amtsgerichts verfolgt.

II.

1. Die sofortige weitere Beschwerde ist infolge ihrer Zulassung durch das Landgericht statthaft (§§ 69 e Satz 7, 56 g Abs. 5 Satz 2 FGG). Auch im Übrigen ist das Rechtsmittel förmlich nicht zu beanstanden § 29 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 2 und 4, 69 e Satz 1, 56 g Abs. 5 Satz 1, 21 Abs. 2, 20 FGG).

2. Das Rechtsmittel führt auch in der Sache zum Erfolg. Der angefochtene Beschluss des Landgerichts beruht auf einer Verletzung des Gesetzes (§§ 27 Abs. 1 FGG, 550 ZPO). Zu Unrecht hat die Kammer ohne nähere Einzelfallprüfung zugunsten des Beteiligten zu 2) für die geführte Verfahrenspflegschaft einen Vergütungsanspruch nach der Gebührenordnung für Rechtsanwälte (§ 118 Abs. 1 BRAGO) festgesetzt. Über den mit seinem Vergütungsantrag vom 12. August 1999 auf der Grundlage vor, § 1 BVormVG geltend gemachten und angewiesenen Betrag in Höhe von 223,28 DM hinaus stehen dem Beteiligten zu 2) keine weitergehenden Ansprüche in Form von Rechtsanwaltsgebühren zu.

a. Der Ausgangspunkt des Landgerichts, wonach es nicht von vornherein ausgeschlossen ist, dass der als Verfahrenspfleger tätige Rechtsanwalt Aufwendungsersatz nach den Grundsätzen der BRAGO liquidieren kann, ist allerdings zutreffend. Hieran ist er nicht durch § 67 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 FGG gehindert. Wie das Bundesverfassungsgericht zwischenzeitlich entschieden hat, folgt aus einer verfassungskonformer. Auslegung der Vorschrift, dass einem Rechtsanwalt, der im Rahmen einer Vormundschaft oder Betreuung für den Betroffenen Dienste erbringt, für die ein nicht anwaltlicher Vormund oder Betreuer seinerseits einen Rechtsanwalt hinzugezogen hätte, insoweit Aufwendungsersatz nach der BRAGO zusteht (vgl. BVerfG RPfleger 2001, 23, 24; FamRZ 2000, 1284, 1285 und dem nachfolgend OLG Karlsruhe NJW 2001, 1220; LG München BtPrax 2001, 175; LG Leipzig FamRZ 2001, 864). Damit ist verfassungsgerichtlich geklärt, dass auch nach der Neuordnung des Vergütungsrechts entgegen einer bis dahin weit verbreiteten Ansicht (vgl. z.B. OLG Köln FG-Prax 2000, 17, 18; BayObLG FamRZ 2000, 1301, jew. m.w.N.) die Neuregelung der Verfahrenspflegervergütung nicht jede Liquidation nach der BRAGO verstellt. Der Gesetzgeber wollte nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts trotz des ausdrücklichen Ausschlusses von § 1835 Abs. 3 BGB in § 67 Abs. 3 Satz 2 FGG für den anwaltlichen Verfahrenspfleger nicht von dem Grundgedanken abweichen, wonach ein Rechtsanwalt Vergütung nach der BRAGO auch für solche Tätigkeiten verlangen kann, bei denen ein Laie in gleicher Lage vernünftigerweise Rechtsrat eingeholt hätte. Es ist vielmehr eine Frage der Feststellung des Einzelfalls, ob aufgrund konkreter Besonderheiten professioneller Rechtsrat vonnöten oder wenigstens üblich war (vgl. BVerfG aaO. RPfleger 2001, 24; ähnlich bereits OLG Dresden RPfleger 1999, 539, 540 a.E.).

b. Dieses Erfordernis der Einzelfallprüfung gilt auch bei rechtsanwaltlichen Verfahrenspflegschaften in Unterbringungssachen (§ 70 b FGG). Der Gesetzgeber hat sich nicht dafür entschieden, die Führung von Verfahrenspflegschaften in Unterbringungsverfahren einem Rechtsanwalt vorzubehalten (vgl. BVerfG aaO RPfleger 2001, 25). Es gibt nach der Konzeption des Gesetzes keinen Grundsatz, dass die in Unterbringungsverfahren angeordnete Verfahrenspflegschaft eine anwaltsspezifische oder dem Anwaltsberuf vorbehaltene Tätigkeit darstellt. Der Verfahrenspfleger ist vielmehr auch in diesem Rahmen ein Vertreter eigener Art, für den der Gesetzgeber keine besondere berufliche Qualifikation oder Ausbildung fordert und kein eigenes Berufsbild geschaffen hat. Es ist den Gerichten überlassen, geeignete Personen auszuwählen (vgl. BVerfG aaO).

c. Das Landgericht folgt zwar zunächst diesem Grundsatz, führt dann aber unter Berufung auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EuGMR EuGRZ 1992, 349) weiter aus, wegen der in der Unterbringung liegenden Einschränkung der persönlichen Freiheit und der verminderten geistigen Leistungsfähigkeit des hiervon Betroffenen sei anwaltlicher Beistand erforderlich. Diese Ausführungen versteht der Senat dahin, dass die Kammer - entgegen den eingangs des angefochtenen Beschlusses erfolgten Darlegungen - in generalisierender Betrachtung bei Unterbringungen nach den PsychKGen der Länder oder aufgrund von Betreuungsrecht den anwaltlichen Beistand für zwingend notwendig hält. Dies findet - wie oben dargelegt - keine Stütze im Gesetz. Zu einem derartigen Automatismus zwingt auch nicht die zitierte Entscheidung des EuGMR. In dem dort entschiedenen Fall ging es um eine Person, die in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht war, weil sie Straftaten begangen hatte, für welche sie aufgrund einer Geisteskrankheit nicht verantwortlich gemacht werden konnte. In derartigen Fällen stehen strafrechtliche Fragen, insbesondere die des Maßregelvollzuges im Vordergrund, anders als in den Fällen der Unterbringung nach Betreuungsrecht oder den PsychKGen. Hier soll der Verfahrenspfleger weniger Rechtsberater sein, als vielmehr gesetzlicher Vertreter zur Ermittlung und Durchsetzung von Interessen und Wünschen des Betroffenen in dem Verfahren. Für diese Aufgabe kann ein Sozialarbeiter, eine im Umgang mit psychisch Kranken erfahrene Person oder auch ein Laie, der die Lebensverhältnisse des Betroffenen kennt und/oder dessen Vertrauen genießt, im Einzelfall am besten geeignet sein. Erst dort, wo Rechtsrat in einem Maße im Vordergrund steht, dass ein solcher Verfahrenspfleger seinerseits einen Rechtsanwalt hinzugezogen hätte, stellen sich die dem rechtsanwaltlichen Verfahrenspfleger obliegenden Pflichten als spezifische Anwaltstätigkeiten dar, die nach der BRAGO abgerechnet werden können.

d. Die nach alledem erforderliche Einzelfallprüfung hat das Landgericht hier unterlassen. Eine Zurückverweisung der Sache erübrigt sich jedoch. Der Senat kann über die Frage abschließend entscheiden, weil der Sachverhalt insoweit hinreichend geklärt ist und weitere Erkenntnisse nicht zu erwarten sind. Er vermag im vorliegenden Fall nicht festzustellen, dass ein Laie in vergleichbarer Situation als Verfahrenspfleger zur Wahrnehmung der Rechte des Betroffenen einen Rechtsanwalt hinzugezogen hätte.

Es ging um die Frage, ob der Gesundheitszustand des Betroffenen es erfordert hat, ihn zunächst nach PsychKG NW unterzubringen, ihm ein Betreuer beizuordnen und - nach Einrichtung der Betreuung - dem Betreuer die Genehmigung zu erteilen ist, den Betroffenen weiterhin in einer geschlossenen Einrichtung unterzubringen. Der Beteiligte zu 2) hat in diesem Zusammenhang den Betroffenen persönlich aufgesucht; die Einschätzung seines Gesundheitszustandes und die daraus resultierende Unterbringungsbedürftigkeit hat er in seinem Schriftsatz vom 7. Juni 1999 dem Gericht dargelegt und eine weitere Unterbringung abschließend befürwortet. Spezifisch rechtliche Fragen, für die ein anderweitig geeigneter, nicht juristisch geschulter Verfahrenspfleger einen Rechtsanwalt hinzugezogen hätte, standen dabei nicht im Vordergrund. Die Tätigkeit des Beteiligten zu 2) ist demnach im vorliegenden Fall nicht als Erbringung anwaltlicher Dienste anzusehen.

3. Der Senat war nicht gehalten, mit Blick auf die Entscheidungen des BayOblG und des OLG Köln (jew. aaO) die weitere Beschwerde dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorzulegen (§ 28 Abs. 2 FGG). Zwar haben die zitierten Obergerichte in Abweichung zu der hier vertretenen Auffassung entschieden, dass für die Vergütung des Rechtsanwalts als Verfahrenspfleger in einer Unterbringungssache die Bestimmungen der BRAGO generell nicht anwendbar sind. Die Entscheidung des Senats beruht aber zum einen nicht auf einer Abweichung, da im vorliegenden Fall auch vom Standpunkt des Senats aus im Ergebnis eine Vergütung nach der BRAGO nicht festzusetzen war (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 14. Aufl., § 28 Rdnr. 14). Zum anderen sind die Entscheidungen des BayObLG und des OLG Köln durch die zwischenzeitlich ergangenen Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Juni 2000 (aaO) überholt; eine Vorlagepflicht ist dadurch entfallen (vgl. BGH NJW 1998, 3653; Senat FamRZ 2000, 303).

4. Die Festsetzung des Wertes des Beschwerdegegenstandes folgt aus §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO).

Ende der Entscheidung

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