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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 22.02.2006
Aktenzeichen: 3 W 14/06
Rechtsgebiete: KostO


Vorschriften:

KostO § 92
1. Auch für eine im Wege der einstweiligen Anordnung errichtete Betreuung erfolgt der Kostenansatz auf der Grundlage des § 92 KostO, wenn das Vermögen des Betroffenen mehr als 25.000,-- Euro beträgt.

2. Der Gebührenansatz verstößt nicht gegen Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft, weil die Gesellschaftssteuerrichtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 17. Juli 1969 nicht das gesamte an Wertgebühren ausgerichtete Normengefüge der Kostenordnung erfasst.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 3 W 14/06

In dem Verfahren

betreffend den Kostenansatz für das Betreuungsverfahren

hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dury, die Richterin am Oberlandesgericht Simon-Bach und den Richter am Oberlandesgericht Jenet auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 23. Januar 2006 gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 3. Januar 2006

ohne mündliche Verhandlung

am 22. Februar 2006

beschlossen:

Tenor:

I. Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Das Verfahren der weiteren Beschwerde ist gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Mit Beschluss vom 28. Oktober 2004 errichtete das Amtsgericht Koblenz im Wege der einstweiligen Anordnung eine vorläufige Betreuung für die Betroffene und bestellte den Beteiligten zu 1) zum vorläufigen Betreuer. Am 26. November 2004 ist die Betroffene verstorben. Sie wurde ausweislich des Erbscheins des Amtsgerichts Koblenz vom 28. Juni 2005 von dem Beteiligten zu 1) als Miterbe zu 1/2 beerbt.

Die Landesjustizkasse stellte dem Beteiligten zu 1) mit Kostenansatz vom 22. September 2005 eine Gebühr für die vorläufige Betreuung in Höhe von 490,-- € in Rechnung. Grundlage für die Berechnung war das auf 512.568,-- Euro festgesetzte Vermögen der Betroffenen. Die zunächst vom Beteiligten zu 2) als Testamentsvollstrecker eingelegte Erinnerung gegen den Kostenansatz hat das Amtsgericht zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Beteiligte zu 1) mit seiner Beschwerde. Er vertritt die Auffassung, dass Gebühren für das Verfahren nicht angefallen seien, weil die Betreuung im Wege der einstweiligen Anordnung errichtet worden war. Im Übrigen stehe die Kostenrechnung außer Verhältnis zum Aufwand der Maßnahme unter Berücksichtigung der Wirkungen für die Betroffene.

Das Landgericht hat die Beschwerde mit Beschluss vom 3. Januar 2006 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Ansatz der Gebühr sei weder dem Grund noch der Höhe nach zu beanstanden. Auch die Tatsache, dass die Betreuung hier nur einen Monat gedauert habe, führe nicht zu einer anderen Beurteilung, da das Gesetz nicht zwischen kurzfristigen und länger andauernden Betreuungsmaßnahmen unterscheide. Die weitere Beschwerde wurde zugelassen.

Der Beteiligte zu 1) führt im Rechtsbeschwerdeverfahren aus, der Kostenansatz sei unverhältnismäßig. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften müsse sich jeder Kostenansatz für staatliche Maßnahmen an dem insoweit erforderlichen Aufwand orientieren. Dem Beschluss vom 28. Oktober 2004 lägen keine umfangreichen Ermittlungen oder Nachforschungen zugrunde.

II.

Die weitere Beschwerde ist infolge ihrer Zulassung gemäß § 14 Abs. 5 Satz 1 KostO statthaft und auch ansonsten in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden.

In der Sache bleibt die weitere Beschwerde jedoch ohne Erfolg. Der angefochtene Beschluss beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts (§ 14 Abs. 3 Satz 3 KostO i. V. m. § 546 ZPO).

Zunächst hat der Rechtspfleger bei dem Amtsgericht zu Recht gemäß § 14 Abs. 2 KostO über die Erinnerung gegen den Kostenansatz entschieden. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats, dass der Rechtspfleger zur Entscheidung berufen ist, wenn er - wie hier gemäß §§ 4 Abs. 1, 3 Nr. 2 a RPflG - für die Entscheidung in der "Hauptsache" zuständig ist. Von der Entscheidung über den Kostenansatz ist derjenige, der als Kostenbeamter die Kostenrechnung erstellt hat, ausgeschlossen. Dem ist im vorliegenden Fall Genüge getan, da der Rechtspfleger den Kostenansatz nicht gefertigt hatte. Gegen den Kostenansatz war für den Beteiligten zu 1) gemäß §§ 11 Abs. 1 RPflG, 14 Abs. 3 Satz 1 KostO die Beschwerde eröffnet, wenn - was hier der Fall ist - der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- € übersteigt.

In der Sache ist nicht zu beanstanden, dass im vorliegenden Fall der Kostenansatz auf der Grundlage des § 92 KostO erfolgt ist. Nach dieser Vorschrift werden bei Betreuungen, die nicht auf einzelne Rechtshandlungen beschränkt sind, Kosten erhoben, wenn das Vermögen des Fürsorgebedürftigen nach Abzug der Verbindlichkeiten mehr als 25 000,-- € beträgt. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Das Vermögen der Betroffenen wurde mit Vermögensaufstellung vom 29. September 2005 auf 512.568,-- € festgesetzt.

Das Betreuungsverfahren ist auch nicht ausnahmsweise nach § 91 Satz 2 KostO gebührenfrei. Nach dieser Vorschrift werden für einstweilige Anordnungen keine Gebühren erhoben. Zwar war im vorliegenden Fall die Betreuung zunächst im Wege der einstweiligen Anordnung angeordnet worden. Dies ändert jedoch nichts an der Rechtfertigung des Kostensansatzes. Denn § 92 Abs. 1 Satz 1 KostO geht als spezialgesetzliche Regelung dem § 91 Satz 2 KostO vor (vgl. LG München, Beschluss vom 13. Oktober 2003; Korinthenberg/Lappe/Bengel/Reimann, KostO 16. Aufl. § 91 Rdnr. 9 a und § 92 Rdnr. 16 f). Dies ergibt sich bereits aus der Systematik des § 92 KostO. Denn § 92 Abs. 1 Satz 1 KostO ordnet eine Kostenpflicht bei Betreuungen an. Dass hiervon auch vorläufige Betreuungen umfasst sein müssen, verdeutlicht die Vorschrift des § 92 Abs. 4 KostO. Denn diese bestimmt, dass in den Fällen, in denen eine vorläufige Betreuung in eine endgültige übergeht, das Verfahren eine Einheit bildet und deswegen nur eine (und gerade keine zwei) Gebühren erhoben werden (vgl. LG München aaO; Rohs/Wedewer, KostO Dezember 2001 § 92 Rdnr. 40). Wenn von vornherein bei vorläufigen Betreuungen keine Gebühren anfallen sollten, hätte es der Vorschrift des § 92 Abs. 4 KostO nicht bedurft. Die Vorschrift des § 91 Satz 2 KostO wurde erst mit dem Gewaltschutzgesetz vom 11. Dezember 2001 in die Kostenordnung eingeführt. Diese Einführung sollte an der bestehenden Kostenpflicht für vorläufige Betreuungen nichts ändern. Denn Grund für die Einführung war (BT-Drs. 14/5429 S. 36), dass "einstweilige Anordnungen im selbständigen Verfahren nach dem FGG, die nunmehr verfahrensrechtlich geregelt werden sollen, nicht gebührenpflichtig werden sollen, weil sie immer Teil des Hauptsacheverfahrens sind".

Die Anordnung der vorläufigen Betreuung ist - anders als Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz - nicht zwingend Teil des Hauptsacheverfahrens. Sie kann jedoch in ein Hauptsacheverfahren übergehen, was dann gebührentechnisch über § 92 Abs. 4 KostO Berücksichtigung findet.

Auch die Höhe der festgesetzten Gebühr begegnet keinen Bedenken. Insbesondere hat die Dauer der angeordneten Betreuung keinen Einfluss hierauf. Dass auch für nur kurzfristige Betreuungen eine volle Jahresgebühr fällig wird, ergibt sich aus § 92 Abs. 1 Satz 2 KostO. Danach wird für jedes angefangene Kalenderjahr eine Gebühr in Höhe von 5,-- € für jede angefangenen 5 000,-- € erhoben, um die das reine Vermögen den Betrag von 25 000,-- € übersteigt. Diese Gebühr wird nach § 92 Abs. 1 Satz 4 KostO erstmals bei Anordnung der Fürsorgemaßnahme fällig.

Entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 1) verstößt der Ansatz der hier beanstandeten Gebühr auch nicht gegen Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft. Denn die Gesellschaftssteuerrichtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 17. Juli 1969 (69/335/EWG i.d.F. vom 10. Juni 1985 85/303/EWG) betrifft die Regelung von einzelstaatlichen Steuern auf die Ansammlung von Kapital. Sie ist nach Art. 3 nur auf Kapitalgesellschaften und vergleichbare Personenvereinigungen anzuwenden. Sie zielt auf die Förderung des freien Kapitalverkehrs in Europa und primär auf die Begrenzung der so genannten Gesellschaftssteuer, wie sie in mehreren Mitgliedstaaten bekannt war. Der deutsche Gesetzgeber hat weder innerhalb der Umsetzungsfrist bis zum 31. Dezember 1971 noch in den folgenden Jahren Anlass für die Umsetzung der Richtlinie gesehen. Erst das Urteil des EuGH (ZIP 1998, 206) hat der Richtlinie eine größere Reichweite verliehen, indem die in Art. 12 Abs. 1 e) vorgesehene Ausnahme für "Abgaben mit Gebührencharakter" auf aufwandsbezogene Gebühren beschränkt und die als Wertgebühren berechneten Gebühren für die Eintragung in das Handelsregister einer Steuer im Sinne der Richtlinie gleichgestellt wurden. In nachfolgenden Entscheidungen hat der EuGH diese Auslegung weiterentwickelt und präzisiert (vgl. etwa EuGH ZIP 1999, 1681; 2000, 1891; 2001, 1145; 2002, 663). In der Folge haben deutsche Gerichte die Bestimmungen der Kostenordnung über die Handelsregistergebühren, insbesondere § 26 KostO, einhellig nicht mehr für anwendbar erklärt bzw. die Gebühren entsprechend den europarechtlichen Vorschriften herabgesetzt (vgl. etwa Senat NJW-RR 2000, 1377; OLG Hamm NJW-RR 1999, 1229; OLG Köln NJW-RR 2000, 1527; OLG Karlsruhe JurBüro 2001, 261; KG JurBüro 2003, 31; BayObLGZ 2000, 256). Der Bundesgesetzgeber hat dem durch das am 1. Dezember 2004 Handelsregistergebühren-Neuordnungsgesetz und die Handelsregistergebührenverordnung Rechnung getragen.

Die europäische Richtlinie erfasst jedoch entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 1) darüber hinaus nicht das gesamte an Wertgebühren ausgerichtete Normengefüge der Kostenordnung, das im Wesentlichen auch die anderen deutschen Kostengesetze prägt. Denn der EuGH hat - soweit ersichtlich - bislang keinen allgemeinen Grundsatz aufgestellt, dass die Mitgliedstaaten generell keine Gebühren für staatliche Leistungen erheben dürfen, die den Aufwand für die jeweilige Leistung übersteigen. Es sind in den Urteilsgründen auch keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass der EuGH die Erhebung von Gebühren in allen Bereichen beschränken wollte, die in der Richtlinie nicht geregelt sind (vgl. auch OLG Stuttgart, Beschluss des 8. Zivilsenates - 8 W 155/03 -; BayObLG NJW-RR 2001, 880 und OLG Hamm NJW-RR 2001, 379). Vielmehr beschränkt sich die Reichweite der Rechtsprechung des EuGH auf die Auslegung der Gesellschaftssteuer-Richtlinie und die hiervon erfassten Sachverhalte (vgl. OLG Stuttgart aaO). Deshalb ist die Erstreckung dieser Rechtsprechung auf andere Bereiche des Kostenrechts bislang einhellig abgelehnt worden (vgl. etwa BayObLG NJW-RR 2001 aaO und OLG Hamm aaO für eine Eintragung im Grundbuch; BayObLGZ 2000, 87 für das Verfahren auf gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern; BayObLG NJW-RR 2000, 736 für eine Testamentseröffnung; OLG Stuttgart aaO für die Erteilung eines Erbscheines).

Auch auf den vorliegenden Fall der Anordnung einer Betreuung kommt die Anwendung der Richtlinie nicht in Betracht. Denn es geht hier, was keiner weiteren Erörterung bedarf, gerade nicht um die durch die europäische Richtlinie geschützte Teilnahme einer Kapitalgesellschaft oder Personenvereinigung am Rechtsverkehr.

Die Berechnung der Gebühr auf der Grundlage des § 92 KostO verstößt auch weder gegen Art. 3 Abs. 1 GG noch gegen Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG. Das Bundesverfassungsgericht hat sich wiederholt mit der Frage der Vereinbarkeit von Wertgebühren mit dem Grundgesetz beschäftigt (vgl. etwa BVerfGE 50, 217, 225; 80, 103, 106; 85, 337, 346; 97, 332,334). Nach den insoweit entwickelten Grundsätzen muss zwar eine Verknüpfung zwischen der Gebühr und den Kosten der öffentlichen Leistung bestehen mit dem Zweck, die Kosten ganz oder teilweise zu decken; die Gebühr darf diese Kosten jedoch übersteigen oder unterschreiten (BVerfGE 50 aaO) und neben der Deckung der anfallenden Kosten auch andere Ziele verfolgen (BVerfG JurBüro 2000, 146). In diesem Zusammenhang darf der Gesetzgeber auch dem Gesichtspunkt der Leistungsfähigkeit des Gebührenschuldners Bedeutung zumessen, um dem verfassungsrechtlich abgesicherten Sozialstaatsprinzip und dem Justizgewährungsanspruch Rechnung zu tragen. Der weite Gestaltungsspielraum ist nur dann überschritten, wenn die Gebühr völlig unabhängig von der gebührenpflichtigen Staatsleistung festgesetzt wird und kein vernünftiger Gesichtspunkt vorhanden ist, unter dem die Verknüpfung von Gebühr und Leistung sachgemäß erscheint (BVerfGE 50 aaO).

Diese Grenze ist hier nicht überschritten. Wenn auch die Betreuung im vorliegenden Fall wegen des Todes der Betroffenen nur etwa einen Monat bestanden hat, so ist der Ansatz der Gebühr dennoch gerechtfertigt. Denn die mit der Anordnung der Betreuung anfallende Gebühr geht gerade auf den Tatbestand der Anordnung zurück und steht außer Bezug zu der Dauer der Betreuung. Auch die Berechnung der Gebühr auf der Grundlage des Vermögens der Betroffenen ist nicht zu beanstanden. Denn das Vermögen kann - wie im Zivilrechtsstreit der Streit- und Geschäftswert - im Rahmen zulässiger Pauschalierung als Anhaltspunkt für den Wert der staatlichen Leistung angesehen werden (BVerfGE 85 aaO). Diese im Rahmen des Zivilverfahrens geltende Beurteilung kann auch auf das Betreuungsverfahren übertragen werden. Denn auch bei bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten besteht kein unmittelbarer Bezug zwischen Streit- und Geschäftswert einerseits und Bearbeitungsaufwand andererseits (BVerfGE 85 aaO; BayObLG aaO).

Auch der allgemeine Gleichheitssatz gebietet nicht die entsprechende Anwendung der sich aus den auf der Grundlage der Richtlinie ergangenen Entscheidungen des EuGH ergebenden Grundsätze. Denn die Gebühr für Betreuungen vermögender Betroffener ist im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben durch § 92 KostO abschließend und für alle Betreuungsverfahren gleichermaßen geregelt.

Eine Kostenentscheidung und die Festsetzung des Gegenstandswerts der weiteren Beschwerde sind nicht veranlasst (§ 14 Abs. 9 KostO).

Ende der Entscheidung

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