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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 18.04.2005
Aktenzeichen: 3 W 15/05
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 2271 Abs. 1
BGB § 2296 Abs. 2
ZPO § 418 Abs. 1
ZPO § 418 Abs. 2
Zur Wirksamkeit des bei Lebzeiten der Ehegatten erklärten Widerrufs einer wechselbezüglichen Erbeinsetzung und zum Nachweis der Zustellung der Widerrufserklärung durch den Gerichtsvollzieher.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen 3 W 15/05

In dem Verfahren

betreffend die Erteilung eines Erbscheins über die Erbfolge nach der am 6. Juni 2004 verstorbenen G H L,

hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dury, den Richter am Oberlandesgericht Petry und die Richterin am Oberlandesgericht Stutz auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 18. Januar 2005 gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 23. Dezember 2004

ohne mündliche Verhandlung

am 18. April 2005

beschlossen:

Tenor:

I. Der angefochtene Beschluss wird mit Ausnahme der Geschäftswertfestsetzung aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird das Verfahren zur erneuten Sachbehandlung und Entscheidung, auch über die etwaige Erstattung außergerichtlicher Kosten im Verfahren der weiteren Beschwerde, an das Landgericht Koblenz zurückverwiesen.

II. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 1 500 000,- € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Beteiligte zu 1) ist der Witwer der am 6. Juni 2004 im Alter von 62 Jahren verstorbenen Erblasserin G H L. Die Beteiligten zu 2) und 3) sind die aus der Ehe hervorgegangenen Nachkommen.

Die Erblasserin und der Beteiligte zu 1) errichteten am 23. März 1992 handschriftlich ein gemeinschaftliches Testament, worin sie sich gegenseitig zu Universalerben einsetzten.

Am 19. Februar 2001 erklärte die Erblasserin gegenüber dem Beteiligten zu 1) in dessen Abwesenheit in notarieller Form den Widerruf ihrer letztwilligen Verfügung in dem vorbezeichneten Ehegattentestament. Laut der im Original zu den Akten gelangten Zustellungsurkunde wurde eine Ausfertigung der Widerrufserklärung dem Beteiligten zu 1) persönlich am 22. Februar 2001 durch Vermittlung eines Gerichtsvollziehers zugestellt.

Am 5. Juni 2002 verfügte die Erblasserin zur Niederschrift eines Notars letztwillig dahin, dass sie zu ihren Erben die Beteiligten zu 2) und 3) zu je 1/2-Anteilen bestimme.

Die Beteiligten haben nach dem Erbfall unter Berufung auf die ihnen jeweils günstige Verfügung der Erblasserin von Todes wegen widerstreitende Erbscheinsanträge gestellt. Gegen die durch Vorbescheid angekündigte Absicht des Nachlassgerichts, dem Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 2) und 3) entsprechen zu wollen, hat der Beteiligte zu 1) Beschwerde eingelegt. Das Rechtsmittel hat er im Wesentlichen damit begründet, er habe zu Lebzeiten der Erblasserin von deren Testamentswiderruf vom 19. Februar 2001 keine Kenntnis erlangt. Die Annahme der zuzustellenden Widerrufserklärung habe er seinerzeit verweigert, woraufhin der Gerichtsvollzieher das zuzustellende Schriftstück auch nicht etwa zurückgelassen, sondern wieder mitgenommen habe; die Richtigkeit dieser Sachdarstellung hat der Beteiligte zu 1) u. a. in das Wissen des dafür als Zeuge benannten Zustellers gestellt.

Das Landgericht hat mit der nunmehr angefochtenen Entscheidung das Rechtsmittel ohne Durchführung weiterer Ermittlungen zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) mit weiterhin dem Ziel, ihm unter Zurückweisung des Erbscheinsantrags der Beteiligten zu 2) und 3) einen Erbschein zu erteilen, der ihn aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments vom 23. März 1992 als Alleinerben ausweist.

II.

1. Die weitere Beschwerde ist statthaft (§ 27 Abs. 1 FGG), nicht an eine Frist gebunden und auch im Übrigen verfahrensrechtlich bedenkenfrei (§ 29 Abs. 1 Satz 1 und 2 FGG). Die Berechtigung des Beteiligten zu 1) zur Einlegung der weiteren Beschwerde ergibt sich gemäß §§ 20 Abs. 1, 29 Abs. 4 FGG schon aus der Zurückweisung seiner Erstbeschwerde.

2. Das sonach zulässige Rechtsmittel ist auch begründet und führt in der Sache zu einem jedenfalls vorläufigen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts beruht auf einer Verletzung des Rechts (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO), weil die Zivilkammer entgegen § 12 FGG entscheidungserheblichem Tatsachenvorbringen und Beweisantritt des Beteiligten zu 1) nicht nachgegangen ist und dadurch die sie treffende Pflicht zur Sachaufklärung verletzt hat.

Im Einzelnen gilt dazu Folgendes:

a) Die Beteiligten zu 2) und 3) berufen sich für ihr behauptetes Erbrecht auf das notarielle Testament der Erblasserin vom 5. Juni 2002. Ihre darin verfügte Erbeinsetzung als Miterben zu je 1/2 konnte die Erblasserin indes nur wirksam treffen, wenn sie die Bindungswirkung der - im Zweifel wechselbezüglichen (§ 2270 Abs. 2 BGB) - Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1) in dem Ehegattentestament vom 23. März 1992 durch notariell beurkundeten Widerruf diesem gegenüber beseitigt hatte (§§ 2271 Abs. 1, 2296 Abs. 2 BGB).

b) Gemäß § 130 Abs. 1 BGB wird der Widerruf von gegenseitig abhängigen Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er dem bei Abgabe der Erklärung abwesenden anderen Ehegatten zugeht oder, was nach § 132 Abs. 1 BGB gleichgestellt wird, diesem durch Vermittlung eines Gerichtsvollziehers nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung zugestellt wird. Anders als das Landgericht zu meinen scheint, muss die Widerrufserklärung in Urschrift oder in Gestalt einer Ausfertigung (§ 47 BeurkG) der notariellen Widerrufsverhandlung zugehen; die Übermittlung einer Abschrift oder einer von dem Gerichtsvollzieher beglaubigten Abschrift an den bei der Widerrufserklärung abwesenden Ehegatten reicht nicht aus. Ebenso wenig genügt es, wenn ihm erst nach dem Tod des Widerrufenden eine Ausfertigung der notariellen Widerrufsverhandlung zugestellt wird, um dem erst zu dieser Zeit erkannten Zustellungsmangel abzuhelfen (ständige Rechtsprechung; vgl. zum Ganzen etwa BGHZ 48, 374 = NJW 1968, 496; BGHZ 31, 5; BGHZ 36, 201; BGHZ 130, 71 = NJW 1995, 2217; OLG Hamm FamRZ 1991, 1486; Palandt/Edenhofer, BGB, 64. Aufl., § 2271 Rdnr. 5).

c) Damit hängt im Streitfall die Entscheidung davon ab, ob dem Beteiligten zu 1) zu Lebzeiten der Erblasserin die notarielle Widerrufserklärung vom 19. Februar 2001 wirksam zugestellt worden ist. Nach Darstellung der Beteiligten zu 2) und 3) ist diese Zustellung durch persönliche Übergabe an ihn von dem Gerichtsvollzieher am 22. Februar 2001 vorgenommen worden. Demgegenüber will der Beteiligte zu 1) damals die Annahme des zuzustellenden Schriftstückes verweigert haben. Träfe dies zu, käme es, nachdem ein gesetzlicher Weigerungsgrund nicht ersichtlich ist, nach den vor dem Inkrafttreten des Zustellungsreformgesetzes am 1. Juli 2002 geltenden Zustellungsvorschriften der ZPO (§ 186 ZPO a. F.) darauf an, ob der Gerichtsvollzieher, was der Beteiligte zu 1) in Abrede stellt, das zu übergebende Schriftstück am Ort der Zustellung zurückgelassen hat. Denn nur im letzteren Fall wäre die Zustellung trotz der Annahmeverweigerung als bewirkt anzusehen (OLG Saarbrücken NJW-RR 1994, 636, 638; MüKo/Wenzel, ZPO, 2. Aufl., § 186 Rdnr. 1; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 60. Aufl., § 186 Rdnr. 3).

d) Zwar bezeugt die bei der Akte befindliche Zustellungsurkunde (in Hülle Bl. 44 d. A.), dass der Gerichtsvollzieher am 22. Februar 2001 Ausfertigung der notariellen Urkunde über die Widerrufserklärung der Erblasserin dem Beteiligten zu 1) als Empfänger selbst in der Wohnung übergeben hat. Die Zustellungsurkunde begründet als öffentliche Urkunde nach der Beweisregel des § 418 Abs. 1 ZPO vollen Beweis für diese durch die Urkundsperson in ihr bezeugten Tatsachen (zur Anwendbarkeit der §§ 415 ff ZPO im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit vgl. Keidel/Kuntze/Winkler/Schmidt, FG, 15. Aufl., § 15 Rdnr. 53 m. w. N.).

Indes ist nach § 418 Abs. 2 ZPO hinsichtlich des gesamten formell bewiesenen Urkundeninhalts der Gegenbeweis zulässig, dass das bezeugte mit dem tatsächlichen Geschehen nicht übereinstimme, wobei der Beweis der Urkundenunrichtigkeit aber nicht - wie der Beteiligte zu 1) meint - durch seine Parteivernehmung oder eidesstattliche Versicherung geführt werden kann (MüKo/ Schreiber, ZPO, 2. Aufl., § 418 Rdnr. 6; Zöller/Geimer, ZPO, 25. Aufl., § 418 Rdnr. 4; vgl. auch BGH MDR 1965, 818).

Der Beteiligte zu 1) hat jedoch in der Begründung der Erstbeschwerde (dort S. 4 und 6 = Bl. 90 und 92 d. A.) einen in Einzelheiten aufgegliederten und damit hinreichend substantiierten Sachvortrag dahin gehalten, dass der Gerichtsvollzieher das zuzustellende Schriftstück nach der behaupteten Annahmeverweigerung wieder mitgenommen habe und für den damit in der Sache erhobenen Vorwurf der Falschbeurkundung im Amt (§ 348 Abs. 1 StGB) Beweis auch durch dessen Vernehmung als Zeuge angeboten.

Diesen Beweis hätte die Zivilkammer im Hinblick auf die oben dargestellte Rechtslage erheben müssen. Das wird nunmehr nachzuholen sein, wobei es sich empfehlen dürfte, die Befragung des Zeugen im Beisein des Beteiligten zu 1) durchzuführen, um diesen gegebenenfalls mit der Auskunftsperson und deren Bekundungen zu konfrontieren. Bei der Vernehmung des Zeugen wird die Kammer auch Gelegenheit haben, von ihm zu erfragen, wie es dazu gekommen ist, dass auf der Zustellungsurkunde am 3. März 2001 eine Ergänzung hinsichtlich der Person des Zustellungsempfängers vorgenommen worden ist.

3. Einer Entscheidung über die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde bedarf es wegen § 131 Abs. 1 Satz. 2, Abs. 5 KostO nicht. Im Hinblick auf den nur vorläufigen Erfolg der Rechtsbeschwerde war dem Landgericht zugleich die Entscheidung über die etwaige Anordnung einer Erstattung außergerichtlicher Kosten im dritten Rechtszug gemäß § 13 a Abs. 1 FGG vorzubehalten.

Den Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde hat der Senat gemäß §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO in Übereinstimmung mit der Wertbestimmung durch das Landgericht festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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