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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 30.07.2004
Aktenzeichen: 3 W 152/04
Rechtsgebiete: BNotO, BeurkG


Vorschriften:

BNotO § 14 Abs. 2
BNotO § 15 Abs. 2
BNotO § 23
BeurkG § 54d
1. Gegen die Weigerung des Notars, in bestimmter Weise über Geld auf einem von ihm geführten Anderkonto zu verfügen, ist die Beschwerde nach § 15 Abs. 2 Satz 1 BNotO eröffnet.

2. Zur Frage der Pflichtwidrigkeit bei Weigerung des Notars, den auf einem Anderkonto hinterlegten Geldbetrag an den Hinterlegungsbeteiligten auszukehren, der den Herausgabeanspruch des anderen Hinterlegungsbeteiligten gepfändet und an sich zur Einziehung hat überweisen lassen.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 3 W 152/04

In dem Verfahren

betreffend die Weigerung des Notars F............... das Guthaben auf einem Anderkonto auszukehren,

hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dury, den Richter am Oberlandesgericht Petry und die Richterin am Landgericht Stutz auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) bis 4) vom 12./13. Juli 2004 gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 3. Februar 2004

ohne mündliche Verhandlung

am 30. Juli 2004

beschlossen:

Tenor:

I. Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Gegenstandswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 66 140,88 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Mit Urkunde des im Beschlusseingang genannten Notars vom 19. Februar 2002 kaufte der Beteiligte zu 5) von den Beteiligten zu 1) bis 4) verschiedene Grundstücke und unterwarf sich wegen der Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen. Einen Kaufpreisteil von 100 000,-- EUR zahlte der Beteiligte zu 5) - wie vertraglich vereinbart - auf ein Anderkonto des beurkundenden Notars ein. Die Vertragsparteien wiesen den Notar an, das Anderkonto nach Umschreibung des Eigentums unter den in der Vertragsurkunde bestimmten Voraussetzungen auszukehren. Zur weiteren Abwicklung des Kaufvertrages kam es in der Folge nicht, weil der Beteiligte zu 5) den Restkaufpreis nach Eintritt der Fälligkeit nicht zahlte. Aufgrund einer ihnen erteilten vollstreckbaren Ausfertigung der Notarurkunde erwirkten die Beteiligten zu 1) bis 4) daraufhin einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts, mit dem sie in Höhe von 66 140,88 EUR den Anspruch des Beteiligten zu 5) gegen den Urkundsnotar auf Herausgabe des auf dem Anderkonto hinterlegten Geldbetrages pfändeten und an sich zur Einziehung überweisen Hessen. Gegenüber dem Beteiligten zu 5) erklärten die Beteiligten zu 1) bis 4) danach den Rücktritt vom Kaufvertrag.

Weil sich der Notar wegen des Vertragsrücktritts geweigert hat, den hinterlegten Betrag an sie auszuzahlen, haben die Beteiligten zu 1) bis 4) mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 28. August 2003 Beschwerde nach § 15 BNotO eingelegt mit dem Ziel, den Notar anzuweisen, den Betrag von 66 140,88 EUR aus dem Anderkonto an sie auszuzahlen.

Das Rechtsmittel ist beim Landgericht ohne Erfolg geblieben. Die Zivilkammer hat den Notar als nach § 14 Abs. 2 BNotO berechtigt angesehen, die Auszahlung zu verweigern, weil die Zwangsvollstreckung der Beteiligten zu 1) bis 4) aus der Vollstreckungsunterwerfungserklärung des Beteiligten zu 5) unredlich sei; denn etwaige Schadensersatzansprüche der Verkäufer gegen den Käufer seien in der Urkunde nicht tituliert. Dagegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) bis 4), mit der sie ihr Rechtsschutzbegehren weiterverfolgen.

II.

Das Rechtsmittel ist als Rechtsbeschwerde statthaft, nicht an eine Frist gebunden und auch im Übrigen verfahrensrechtich bedenkenfrei (§ 15 Abs. 2 BNotO i. V. m. §§ 27, 29 FGG).

Zur Entscheidung über die weitere Beschwerde zuständig ist das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken nach §§ 28 Abs. 1, 199 FGG, § 4 Abs. 3 GerOrgG Rheinland-Pfalz.

In der Sache bleibt die weitere Beschwerde ohne Erfolg. Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts hält der im Verfahren der Rechtsbeschwerde allein möglichen rechtlichen Nachprüfung stand (§ 15 Abs. 2 Satz 2 BNotO, 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).

Die Zivilkammer ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die Beschwerdemöglichkeit nach § 15 Abs. 2 Satz 1 BNotO auch gegen die Weigerung eines Notars eröffnet ist, in bestimmter Weise über Geld zu verfügen, das auf einem von ihm geführten Anderkonto hinterlegt ist (vgl. BGH NJW 1998, 2134, 2135; BGH DNotZ 1991, 682; BayObLG NJW-RR 2000, 945; BayObLG FGPrax 1997, 240 = BayObLGR 1998, 8 = MittBayNot 1998, 120; Renner in Huhn/von Schuckmann, BeurkG, § 54 d Rdnr. 19; Winkler, BeurkG, 15. Aufl., § 54 d Rdnr. 18; Schippel, BNotO, 7. Aufl., § 23 Rdnr. 44; Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 5. Aufl., § 23 Rdnr. 154).

Im Weiteren kann dahinstehen, ob im Verfahren der (Erst-)Beschwerde nach § 15 BNotO die Sachbehandlung des Notars lediglich darauf zu prüfen ist, ob sie auf vertretbaren Erwägungen beruht und nicht etwa willkürlich ist, oder ob dem Beschwerdegericht die Pflicht zur umfassenden Überprüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht obliegt (zum Meinungsstand vgl. einerseits Schippel aaO, §15 Rdnr. 85 mit Hinweis auf BGH und andererseits Eylmann/Vaasen/Frenz, BNotO, § 15 Rdnr. 44 ff; Arndt/Lerch/Sandkühler aaO, § 15 Rdnr. 104 ff).

Denn auch auf der Grundlage der zuletzt genannten Auffassung ist gegen die Entscheidung der Zivilkammer aus Rechtsgründen nichts zu erinnern.

Der Senat stimmt mit dem Landgericht darin überein, dass der Notar die von den Beteiligten zu 1) bis 4) verlangte Auszahlung des von ihm treuhänderisch gehaltenen Geldbetrages als Vornahme einer hoheitlichen Amtstätigkeit verweigern durfte.

Nach § 23 BNotO ist der Notar zuständig, u. a. Geld "zur Aufbewahrung oder zur Ablieferung an Dritte zu übernehmen". In diesen Fällen, in denen er als Vertrauensperson eingeschaltet wird, stellt seine Tätigkeit eine "sonstige Betreuung der Beteiligten auf dem Gebiete vorsorgender Rechtspflege" im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 1 BNotO dar, bei der er gegenüber mehreren Beteiligten mit unterschiedlichen Interessen Amtspflichten übernimmt. Durch die Übernahme der Einrichtung eines Anderkontos zum Zwecke der Hinterlegung eines Geldbetrages wird der Notar verpflichtet, die Hinterlegungsanweisungen eigenverantwortlich und sorgfältig zu erledigen. Auch in diesen Fällen wird der Notar hoheitlich tätig; zwischen ihm und den Parteien des (hier: Kauf-) Vertrages besteht ausschliesslich eine öffentlich-rechtliche Rechtsbeziehung ( BGH NJW 1998, 2134 ). Mit der Einbezahlung des Kaufpreisteils von 100 000,-- EUR durch den Beteiligten zu 5) auf das Anderkonto des beurkundenden Notars traf diesen somit auch hier die Verpflichtung, entsprechend den Hinterlegungsanweisungen im Kaufvertrag zu verfahren.

Nach der Anweisung in § 3 des notariellen Kaufvertrages vom 19. September 2002 durfte der Notar den hinterlegten Kaufpreisteil erst nach Eigentumsumschreibung an die Verkäufer auskehren. Nach § 5 des Vertrages hat er ihn im Falle des Rücktritts der Verkäufer vom Vertrag wegen Nichtzahlung des Kaufpreises - abzüglich anfallender Gerichts- und Notarkosten sowie einer näher bezeichneten Vermittlungsprovision - an den Käufer zurückzuerstatten.

Das Auszahlungsbegehren der Beteiligten zu 1) bis 4) steht damit in Widerspruch zu den dem Notar erteilten Hinterlegungsanweisungen.

Unabhängig davon haben die Vorinstanzen aber auch mit Recht angenommen, dass der Notar die ihm angesonnene Amtstätigkeit auch deshalb nach § 14 Abs. 2 BNotO, § 54 d BeurkG verweigern durfte, weil davon auszugehen ist, dass die Beteiligten zu 1) bis 4) mit dem beabsichtigten Zugriff auf den Hinterlegungsbetrag unredliche Zwecke verfolgen.

Den auf dem notariellen Anderkonto gehaltenen Betrag hat der Beteiligte zu 5) als Teilzahlung auf den Kaufpreis geleistet. Ein Anspruch auf Kaufpreiszahlung steht den Beteiligten zu 1) bis 4) aufgrund des von ihnen erklärten Rücktritts vom Vertrag indes nicht mehr zu. Mit dem in der notariellen Urkunde geschaffenen Vollstreckungstitel (nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO) ist ausschließlich der - in Wegfall geratene - Anspruch auf die Kaufpreiszahlung tituliert, nicht aber etwaige Schadensersatzansprüche, deren sich die Beteiligten zu 1) bis 4) möglicherweise gegenüber dem Beteiligten zu 5) berühmen. Wegen derartiger Ansprüche darf deshalb aus der Vollstreckungsunterwerfungserklärung des Beteiligten zu 5) nicht die Zwangsvollstreckung betrieben werden. Denn es ist nicht zulässig, einen Vollstreckungstitel, der einen bestimmten Anspruch aus einem bestimmten Rechtsgrund zubilligt, einfach zu einer Zwangsvollstreckung wegen eines anderen Anspruchs zu benutzen (Verbot des sog. Titelmantels; vgl. auch MüKo/Wolfsteiner, ZPO, 2. Aufl., § 794 Rdnrn. 186, 209 und OLG Koblenz, NJW-RR 1990, 883, 884 m. w. N.).

Die Weigerung des Notars, das auf dem Anderkonto bestehende Guthaben an die Beteiligten zu 1) bis 4) auszukehren, ist somit nicht als amtspflichtwidrig zu beurteilen. Allein hierüber - und nicht über die Erfolgsaussichten einer etwaigen "Drittschuldnerklage" gegen den Notar - ist im Verfahren nach § 15 Abs. 2 BNotO zu befinden.

Die Verpflichtung zur Tragung der Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde ergibt sich aus dem Gesetz (§ 131 Abs. 1 Nr. 1 KostO).

Den Wert des Beschwerdegegenstandes für das Verfahren der weiteren Beschwerde hat der Senat gemäß §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO in Höhe des zur Auszahlung verlangten Geldbetrages festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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