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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 03.08.2006
Aktenzeichen: 3 W 152/06
Rechtsgebiete: FGG, FEVG


Vorschriften:

FGG § 19
FGG § 23
FEVG § 4
Hat erstinstanzlich das örtlich unzuständige Amtsgericht entschieden, kann das Landgericht, anstatt die Entscheidung aufzuheben, in der Sache selbst entscheiden, wenn es das gemeinsame Rechtsmittelgericht für das unzuständige und das in Wahrheit zuständige Gericht ist. In Haftsachen ist diese Verfahrensweise wegen der Eilbedürftigkeit von Freiheitsentziehungsverfahren grundsätzlich auch die allein sachgerechte.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 3 W 152/06

In dem Verfahren

betreffend die Anordnung von Abschiebungshaft,

hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dury, den Richter am Oberlandesgericht Petry und die Richterin am Oberlandesgericht Jahn-Kakuk auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 1. August 2006 gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 26. Juli 2006

ohne mündliche Verhandlung

am 3. August 2006

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht Frankenthal (Pfalz) zurückverwiesen.

Gründe:

Das Rechtsmittel der Ausländerbehörde ist gemäß § 106 Abs. 2 AufenthG, § 3 Satz 2 FEVG, §§ 27, 29 FGG zulässig, insbesondere nach § 29 Abs. 1 Satz 3 FGG formgerecht eingelegt. Es erzielt auch in der Sache einen jedenfalls vorläufigen Erfolg.

Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts beruht auf einer Verletzung des Rechts (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO), weil im vorliegenden Fall der Beschluss des Amtsgerichts Bad Dürkheim vom 28. Juni 2006 über die Anordnung von Sicherungshaft gegen die Betroffene von der Zivilkammer nicht ohne weitere Sachprüfung zu den Voraussetzungen der Abschiebungshaft allein wegen der angenommenen örtlichen Unzuständigkeit des von der Ausländerbehörde angegangenen Amtsgerichts hätte aufgehoben werden dürfen.

Ob die Auffassung der Zivilkammer zur vermeintlich fehlenden örtlichen Zuständigkeit des Amtsgerichts Bad Dürkheim zutrifft (vgl. in diesem Zusammenhang etwa OLG Düsseldorf, FGPrax 1998, 200; OLG Frankfurt InfAuslR 1992, 13; BayObLG NJW 1977, 2084), ist mit Blick auf das Vorbringen der Beteiligten zu 1) zu den tatsächlichen Umständen der Ingewahrsamnahme der Betroffenen durch die Polizei durchaus zweifelhaft; diese Frage muss indes aus den nachfolgend dargelegten Erwägungen nicht vertieft werden.

Zwar ist grundsätzlich richtig, dass es im Beschwerdeverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit von Amts wegen beachtet werden muss, wenn die angefochtene Entscheidung von einem örtlich unzuständigen Gericht erlassen ist und dass die Rechtsfolge der örtlichen Unzuständigkeit regelmäßig die Aufhebung der Entscheidung sowie die - vom Landgericht vorliegend allerdings nicht ausgesprochene - Anweisung an das Erstgericht ist, die Sache an das zuständige Amtsgericht abzugeben.

Das gilt jedoch nicht ausnahmslos, wenn erstinstanzlich das örtlich unzuständige Amtsgericht entschieden hat. Denn nach der in der Rechtsprechung und im Schrifttum herrschenden Meinung kann das Landgericht in einem solchen Fall in der Sache selbst entscheiden, wenn es das gemeinsame Rechtsmittelgericht für das unzuständige und das in Wahrheit zuständige Gericht ist. Diese Verfahrensweise ist in Haftsachen wegen der Eilbedürftigkeit von Freiheitsentziehungsverfahren auch die allein sachgerechte. Sie ist rechtlich unbedenklich, weil dann das Erstbeschwerdegericht als zweite Tatsacheninstanz (§ 23 FGG) in vollem Umfang an die Stelle des örtlich zuständigen Amtsgerichts tritt und für den weiteren Fortgang des Verfahrens allein die Entscheidung des in jedem Fall örtlich zuständigen Beschwerdegerichts maßgeblich ist (vgl. BayObLGZ 1968, 63, 65; BayObLG FamRZ 1961, 381 = BayObLGZ 1961, 119, 121 m. w. N.; Jansen FGG § 7 Rn. 12 m. w. N.; Bassenge/Herbst/Roth, FGG 10. Aufl. § 7 Rn. 5).

So liegen die Dinge hier, weil für die Anordnung von Abschiebungshaft gegen die Betroffene unzweifelhaft entweder das Amtsgericht Grünstadt oder das Amtsgericht Bad Dürkheim gemäß § 4 FEVG (Bedürfnis bzw. Polizeigewahrsam als Anstalt i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 FEVG) örtlich zuständig waren und für beide Amtsgerichte das Landgericht Frankenthal (Pfalz) das zuständige Erstbeschwerdegericht ist.

Eine abschließende Entscheidung in der Sache ist dem Senat nicht möglich, weil weiterer Aufklärungsbedarf besteht. Die Betroffene hat laut dem Protokoll ihrer Anhörung durch das Amtsgericht Bad Dürkheim am 28. Juni 2006 bekundet, sich in den Kosovo abschieben lassen zu wollen. Kann ihr das aufgrund des von ihr zu gewinnenden Eindrucks geglaubt werden, bestehen Zweifel am Vorliegen der Haftgründe gemäß § 62 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 und 5 AufenthG (vgl. § 62 Abs. 2 Satz 3 AufenthG). Mit Blick auf § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG wird auch der Behauptung der Verfahrensbevollmächtigten der Betroffenen nachzugehen sein, dass seitens der UNMIK-Behörden im Kosovo keine Bereitschaft zur Übernahme der Betroffenen ohne ihre in Frankreich lebenden minderjährigen Kinder bestehe. Schließlich wird die Zivilkammer auch Gelegenheit haben zu klären, ob mit Blick auf die gegen die Betroffene eingeleiteten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wegen Vergehens gegen das Aufenthaltsgesetz und wegen Bedrohung (Strafanzeigen und Ermittlungsbericht in Fotokopie Bl. 3-5 d. A.) das Einvernehmen der zuständigen Staatsanwaltschaft zu der geplanten Abschiebung vorliegt (§ 72 Abs. 4 AufenthG).

Ende der Entscheidung

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