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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 02.09.2005
Aktenzeichen: 3 W 168/05
Rechtsgebiete: FGG, GerOrgG Rheinland-Pfalz


Vorschriften:

FGG § 22 Abs. 2
GerOrgG Rheinland-Pfalz § 4 Abs. 3 Nr. 2 a
Das für die Rechtsmitteleinlegung unzuständige und auch vorher mit der Sache noch nicht befasste Gericht trifft gegenüber dem Rechtsmittelführer keine generelle Fürsorgepflicht, durch Hinweise oder geeignete Maßnahmen eine Versäumung der Rechtsmittelfrist zu verhindern. Unterbleiben derartige Maßnahmen, ist darin kein Wiedereinsetzungsgrund zu sehen (Fortführung der Senatsentscheidung vom 09. Februar 2005 - 3 W 5/05 -).
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 3 W 168/05

In dem Verfahren

betreffend die Wohnungseigentumsanlage H,

wegen Anfechtung von Beschlüssen der Wohnungseigentümer,

hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Richter am Oberlandesgericht Petry und die Richterinnen am Oberlandesgericht Simon-Bach und Stutz auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerr vom 13. Juli/18. August 200 gegen den ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 1. Juli 2005 zugestellten Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 20. Juni 2005

ohne mündliche Verhandlung

am 2. September 2005

beschlossen:

Tenor:

I. Der Antrag auf Wiedereinsetung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde wird abgelehnt.

II. Die sofortige weitere Beschwerde wird als unzulässig verworfen.

III. Die Antragsgegner haben die Gerichtskosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde zu tragen.

IV. Der Geschäftswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 36 351,18 EUR festgesetzt.

Gründe:

Das Rechtsmittel der Antragsgegner ist als sofortige weitere Beschwerde nach §§ 43 Abs. 1 Nr. 4, 45 Abs. 1 WEG an sich statthaft. Es ist jedoch als unzulässig, da verfristet, zu verwerfen, weil die weitere Beschwerde innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist (§§ 43 Abs. 1, 45 Abs. 1 WEG, § 22 Abs. 1 FGG) nicht bei dem für die Entscheidung zuständigen Pfälzischen Oberlandesgericht Zweibrücken angebracht worden ist.

Die Zweiwochenfrist des § 22 Abs. 1 FGG wurde mit der Zustellung des angefochtenen Beschlusses am 1. Juli 2005 in Gang gesetzt und endete daher mit Ablauf des 15. Juli 2005 (§ 17 Abs. 1 FGG, § 188 Abs. 2 BGB). Das Fehlen der in Wohnungseigentumssachen an sich erforderlichen Rechtsmittelbelehrung im Beschluss des Landgerichts steht weder der Wirksamkeit der gerichtlichen Entscheidung noch dem Beginn des Laufs der Rechtsmittelfrist entgegen (BGHZ 150, 390 = FG Prax 2002, 166).

Durch die Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde per Telefaxschreiben vom 13. Juli 2005 bei dem Oberlandesgericht Koblenz ist die Frist nicht gewahrt worden, weil das von dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegner angegangene Gericht nicht das zuständige Rechtsmittelgericht ist. In Rheinland-Pfalz ist die Zuständigkeit für Entscheidungen über das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde in WEG-Sachen aufgrund der Ermächtigung des § 199 Abs. 1 FGG beim Pfälzischen Oberlandesgericht Zweibrücken konzentriert, § 4 Abs. 3 Nr. 2 a GerOrgG Rheinland-Pfalz (Sammlung des bereinigten Landesrechts Rheinland-Pfalz - BS-300-1).

Bei dem Pfälzischen Oberlandesgericht Zweibrücken ist die weitere Beschwerde aber erst am 18. August 2005 - und damit verfristet - eingegangen.

Gegen die Fristversäumnis kann den Antragsgegnern die mit Schriftsatz vom 1. September 2005 nachgesuchte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht bewilligt werden.

Gemäß §§ 22 Abs. 2, 29 Abs. 4 FGG setzt die Gewährung der Wiedereinsetzung voraus, dass die Antragsgegner ohne eigenes Verschulden oder Verschulden ihres anwaltlichen Vertreters an der Einhaltung der Rechtsmittelfrist gehindert waren. Dieses Erfordernis ist nicht erfüllt. Die Antragsgegner müssen sich das Verschulden ihres Verfahrensbevollmächtigten zurechnen lassen, welches darin liegt, dass er die weitere Beschwerde bei einem unzuständigen Gericht eingelegt hat.

Wie der Senat wiederholt entschieden hat, ist die Versäumung der Notfrist zur Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde nicht unverschuldet, wenn ein außerhalb des Landes Rheinland-Pfalz ansässiger Rechtsanwalt die landesrechtliche Bestimmung, nach der für die weitere Beschwerde in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken zuständig ist, wegen Gesetzesunkenntnis nicht beachtet; das gilt auch bei Fehlen der in Wohnungseigentumssachen an sich erforderlichen Rechtsmittelbelehrung in der Entscheidung des Landgerichts über die Erstbeschwerde (vgl. zum Ganzen mit näherer Begründung, auf die hiermit zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, Beschluss vom 9. Februar 2005, - 3 W 5/05 -, veröffentlicht u.a. in NJW 2005, 1439 und in juris; Beschluss vom 2. Dezember 1987, - 3 W 106/87 -, veröffentlicht in MDR 1988, 418).

Im vorliegenden Fall dürfte als weiteres Verschuldenselement hinzukommen, dass vor Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde die vorerwähnte Entscheidung des Senats vom 9. Februar 2005 u.a. im Heft Nr. 20 der NJW vom 16. Mai 2005 und im Heft Nr. 12 der MDR vom 20. Juni 2005 (dort S. 707) veröffentlicht worden war und den Rechtsanwalt die Berufspflicht trifft, zumindest eine allgemeine juristische Fachzeitschrift regelmäßig und zeitnah zu ihrem Erscheinen auszuwerten (vgl. etwa BGH NJW 1979, 877).

Darüber hinaus liegt ein Anwaltsverschulden auch darin, dass der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegner nicht den "sicheren Weg" gewählt und von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, die weitere Beschwerde gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 FGG fristwahrend bei dem Gericht erster Instanz oder bei dem Landgericht einzulegen.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist den Antragsgegnern auch nicht deshalb zu gewähren, weil das Oberlandesgericht Koblenz die innerhalb der Rechtsmittelfrist bei ihm eingegangene sofortige weitere Beschwerde nicht vor Fristablauf an das zuständige Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken weitergeleitet hat. Denn darin ist kein Umstand zu sehen, der das Verschulden des Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegner überholt hätte.

Es ist anerkannten Rechts, dass für ein Gericht, das weder mit der Sache vorher befasst war noch für die Rechtsmitteleinlegung zuständig ist, keine generelle Fürsorgepflicht besteht, durch Hinweise oder geeignete Maßnahmen eine Fristversäumung des Rechtsmittelführers zu verhindern (BGH NJW-RR 2004, 1655, 1656; Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken, Beschluss vom 10. August 2004, - 4 U 139/04-, veröffentlicht in OLGR Zweibrücken 2005, 57 und MDR 2005, 591).

Abgesehen von der nach dem Vorstehenden hier zu verneinenden Fürsorgepflicht wäre ohnehin jedenfalls im ordentlichen Geschäftsgang nicht mehr mit einer fristwahrenden Weiterleitung des Rechtsmittels zu rechnen gewesen. Die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde endete am 15. Juli 2005. Bei der Fernschreibstelle des Oberlandesgerichts Koblenz ist die per Telekopie eingelegte weitere Beschwerde am 13. Juli 2005 um 16.50 Uhr eingegangen, also am Ende der üblichen Dienstzeit. Bei dieser Sachlage hätte das Fristversäumnis nur noch durch eine - frühestens am 14. Juli 2005 - außerhalb des normalen Geschäftsablaufs veranlasste Benachrichtigung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegner per Telefon oder per Telefax oder durch sofortige Weiterleitung der Rechtsmittelschrift per Fernkopie abgewendet werden können. Das zu verlangen wäre aber eine Überspannung der Anforderungen an die Pflichten eines mit der Sache nicht vorbefassten und für das Rechtsmittel unzuständigen Gerichts. Diese gehen jedenfalls nicht soweit, dass der Partei oder ihrem Bevollmächtigten die Verantwortung für die Einhaltung der Formalien vollständig abgenommen wird. Deshalb kann eine Partei oder ihr Bevollmächtigter gerade nicht damit rechnen, dass das unzuständige Gericht sie innerhalb der Rechtsmittelfrist fernmündlich oder per Telefax auf die fehlerhafte Einlegung des Rechtsmittels hinweist oder alles daran setzt, das Rechtsmittel noch fristwahrend an das zuständige Gericht weiterzuleiten. Erwartet werden kann in derartigen Fällen nur die Behandlung der Sache im üblichen Geschäftsgang und - nach Erkennen der Unzuständigkeit - die Weiterleitung des Rechtsmittels auf dem üblichen Postweg. So ist von dem Oberlandesgericht Koblenz hier verfahren worden.

Die Entscheidung über die Verpflichtung zur Tragung der Gerichtskosten beruht auf § 47 Satz 1 WEG. Eine Anordnung betreffend die Erstattung außergerichtlicher Kosten anderer Verfahrensbeteiligter nach § 47 Satz 2 WEG ist schon deshalb nicht veranlasst, weil niemand außer den Antragsgegnern am Rechtsbeschwerdeverfahren beteiligt worden ist. Den Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde hat der Senat gemäß § 48 Abs. 3 WEG entsprechend der Wertfestsetzung durch das Landgericht bestimmt.

Ende der Entscheidung

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