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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 07.09.2005
Aktenzeichen: 3 W 173/05
Rechtsgebiete: FGG, FEVG


Vorschriften:

FGG § 17
FGG § 22
FEVG § 3 Satz 2
FEVG § 6
1. Eine im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit unterbliebene Rechtsmittelbelehrung steht weder der Wirksamkeit der gerichtlichen Entscheidung noch dem Beginn des Laufes der Rechtsmittelfrist entgegen.

2. Jedenfalls in Fällen, in denen ein juristisch gebildeter Beteiligter seine Rechte verfolgt, fehlt es an einem ursächlichen Zusammenhang zwischen Belehrungsmangel und Fristversäumnis.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 3 W 173/05

In dem Verfahren

betreffend die Anordnung von Abschiebungshaft,

hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Richter am Oberlandesgericht Petry, die Richterin am Oberlandesgericht Simon-Bach und den Richter am Oberlandesgericht Jenet auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 25. August 2005 gegen den ihm am 9. August 2005 zugestellten Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 1. August 2005

ohne mündliche Verhandlung

am 7. September 2005

beschlossen:

Tenor:

I. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde wird abgelehnt.

II. Die sofortige weitere Beschwerde wird als unzulässig verworfen.

Gründe:

I.

Der Beteiligte zu 1), der im Erstbeschwerdeverfahren nicht anwaltlich vertreten war, hat gegen den mit Rechtsmittelbelehrung ergangenen Beschluss des Amtsgerichts Mainz über die Anordnung von Abschiebungshaft sofortige Beschwerde eingelegt. Diese hat das Landgericht mit Beschluss vom 1. August 2005 zurückgewiesen. Die Entscheidung wurde dem Beteiligten zu 1) mit Postzustellungsurkunde am 9. August 2005 zugestellt. Der Verfahrensbevollmächtigte des Beteiligten zu 1), den dieser am 3. August 2005 mandatiert hatte, hat mit Schriftsatz vom 8. August 2005, der am 9. August 2005 bei dem Amtsgericht Mainz und nach Weiterleitung am 10. August 2005 bei dem Landgericht Mainz eingegangen war, die Vertretung des Beteiligten zu 1) angezeigt. Am 11. August 2005 hat das Landgericht dem Verfahrensbevollmächtigten eine Beschlussausfertigung zur Kenntnisnahme übersandt. Mit Schriftsatz vom 25. August 2005, der am gleichen Tag bei dem Pfälzischen Oberlandesgericht eingegangen ist, hat der Verfahrensbevollmächtigte für den Beteiligten zu 1) sofortige weitere Beschwerde eingelegt. Hilfsweise hat er beantragt, dem Beteiligten zu 1) bei einer etwaigen Versäumung der Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Rechtsmittelfrist sei nicht in Lauf gesetzt worden, weil der angefochtene Beschluss des Landgerichts keine Rechtsmittelbelehrung enthalten hatte.

II.

Die an sich statthafte sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist unzulässig. Sie ist nicht innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist des § 22 Abs. 1 FGG eingelegt worden.

1. Die Zwei-Wochen-Frist des § 22 Abs. 1 FGG, der über § 3 Satz 2 FEVG im Verfahren betreffend die Anordnung von Abschiebungshaft gilt, wurde mit der Zustellung des angefochtenen Beschlusses an den Betroffenen persönlich am 9. August 2005 in Lauf gesetzt und endete daher mit Ablauf des 23. August 2005 (§ 17 Abs. 1 FGG, §188 Abs. 2 BGB). Das Rechtsmittel des Betroffenen ist am 25. August 2005 und damit nach Ablauf der Beschwerdefrist bei Gericht eingegangen.

Es kann im vorliegenden Fall dahinstehen, ob in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit grundsätzlich eine Rechtsmittelbelehrung geboten ist (vgl. hierzu verneinend: etwa BayObLG MDR 1999, 1386, FamRZ 2000, 494 sowie Beschlüsse vom 20. April 2001 - 3Z BR 22/01 - und vom 15. Januar 1998 - 3Z BR 10/98 -; bejahend: KG KGR Berlin 2003, 290 ff und OLG Hamm FamRZ 2003, 302; OLG Frankfurt a. M.; NJW 2005, 299 und FamRZ 1999, 168). Denn selbst in dem Fall, dass eine Rechtsmittelbelehrung auch in Abschiebungshaftsachen für erforderlich erachtet würde, steht eine unterbliebene Rechtsmittelbelehrung nach der einhelligen Rechtsprechung weder der Wirksamkeit der gerichtlichen Entscheidung noch dem Beginn des Laufs der Rechtsmittelfrist entgegen (vgl. BGH FG-Prax 2002, 166 ff; BayObLG KG aaO; OLG Hamm aaO; OLG Frankfurt aaO; Keidel/Kuntze/Winkler/Schmidt, FG 15. Aufl., § 16 Rdnr. 68 sowie Keidel/Sternal, § 22 Rdnr. 68).

2. Gegen die Fristversäumung kann dem Beteiligten zu 1) die im Rechtsbeschwerdeverfahren hilfsweise nachgesuchte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden. Gemäß §§ 22 Abs. 2, 29 Abs. 4 FGG setzt die Gewährung von Wiedereinsetzung voraus, dass der Beteiligte zu 1) ohne eignes Verschulden oder Verschuldens seines anwaltlichen Vertreters an der Einhaltung der Rechtsmittelfrist gehindert war. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Beteiligte zu 1) muss sich das Verschulden seines Verfahrensbevollmächtigten zurechnen lassen. Denn dieser hat in Kenntnis der ergangenen Entscheidung die Beschwerdefrist verstreichen lassen.

Der Beteiligte zu 1) kann sich im Rahmen der Wiedereinsetzung nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ihm mit der angefochtenen Entscheidung keine Rechtsmittelbelehrung erteilt worden ist. Zunächst ist im Abschiebungshaftverfahren eine Rechtsmittelbelehrung gesetzlich nicht vorgesehen (vgl. § 6 FEVG). Die Notwendigkeit einer solchen folgt auch nicht aus den Regelungen des FGG, auf dessen Verfahrensvorschriften § 3 Satz 2 FEVG verweist. Auch dort ist eine Rechtsmittelbelehrung nicht schlechthin, sondern nur in bestimmten, hier nicht einschlägigen Sonderbestimmungen (vgl. § 69 Abs. 1 Nr. 6, § 70 f Abs. 1 Nr. 4 FGG) vorgesehen. Das Unterlassen einer gesetzlich nicht vorgeschriebenen Rechtsmittelbelehrung stellt auch auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (NJW 1995, 3173) für sich allein gesehen nicht zwingend einen Wiedereinsetzungsgrund dar (vgl. Senat, etwa FGPrax 2004, 74 m.w.N.). Ob sich für das vorliegende Verfahren aus der im Wohnungseigentumsverfahren ergangenen Entscheidung des Bundesgerichtshofes (FGPrax aaO) etwas anderes ergeben könnte, kann dahinstehen. Denn auch nach der dort vertretenen Auffassung fehlt es jedenfalls in den Fällen, in denen ein juristisch gebildeter Beteiligter seine Rechte verfolgt, an einem ursächlichen Zusammenhang zwischen Belehrungsmangel und Fristversäumnis (vgl. BGH FGPrax aaO; Senat aaO; BayObLG NJW-RR 2001, 444, 445 und NJW-RR 2003, 301; OLG Celle, Beschluss vom 22. April 2004 - 4 W 62/04 -, zit. nach juris). Dass dieser Gedanke erst recht dann zum Tragen kommt, wenn ein Rechtsanwalt rechtzeitig vor Ablauf der Beschwerdefrist von der anzufechtenden Entscheidung Kenntnis erhält, bedarf keiner weiteren Ausführungen.

Auf dieser Grundlage scheidet vorliegend die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Denn der erst nach Erlass der angefochtenen Entscheidung mandatierte Verfahrensbevollmächtigte hätte, nachdem er auf der Grundlage des Schreibens des Landgerichts vom 11. August 2005 von dessen Entscheidung Kenntnis erlangt hatte, sich über die Zustellung des Beschlusses an seinen Mandanten und deren Datum informieren müssen und können. Gleichermaßen hätte er, nachdem ihm die Entscheidung jedenfalls eine Woche vor Ablauf der Rechtsmittelfrist bekannt war, rechtzeitig sofortige weitere Beschwerde einlegen können und müssen. Dies gilt auch für den Fall, dass er persönlich der Auffassung gewesen sein sollte, dass die fehlende Rechtsmittelbelehrung die Rechtsmittelfrist nicht in Lauf gesetzt hatte. Denn nach der ganz einhelligen Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung steht eine fehlende Rechtsmittelbelehrung weder der Wirksamkeit der Entscheidung noch dem Beginn des Laufes der Rechtsmittelfrist entgegen (vgl. vorstehende Zitate unter Ziffer II.1.). Diese Rechtsprechung zu kennen stellt eine Berufspflicht des Rechtsanwaltes dar. Der Anwalt muss zumindest eine allgemeine juristische Fachzeitschrift regelmäßig auswerten (vgl. BGH NJW 1979, 877 und Senat, Beschluss vom 2. September 2005 - 3 W 168/05 -, zur Veröffentlichung vorgesehen). Zumindest im Hinblick hierauf hätte der Verfahrensbevollmächtigte - ungeachtet einer möglicherweise gegenteiligen eigenen Auffassung - sofortige weitere Beschwerde einlegen müssen. Weshalb er dies dennoch nicht getan hat, erschließt sich aus seinem Vorbringen nicht.

Da es vorliegend bereits an dem ursächlichen Zusammenhang zwischen Belehrungsmangel und Fristversäumnis fehlt, bedarf es im Hinblick auf die Entscheidungen des Oberlandesgerichts Hamm (aaO), des Kammergerichts (KGR aaO) sowie OLG Frankfurt, Beschluss vom 20. April 2004 aaO), nicht der Vorlage an den Bundesgerichtshof gemäß § 28 Abs. 2 FGG.

Eine Kostenentscheidung für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde ist nicht veranlasst, weshalb auch die Festsetzung des Beschwerdewertes entbehrlich ist.

Ende der Entscheidung

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