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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 30.10.2002
Aktenzeichen: 3 W 192/02
Rechtsgebiete: FGG


Vorschriften:

FGG § 23
FGG § 34
1. Der Hinweis eines Beteiligten, er sei als Halbbruder des Erblassers gesetzlicher Erbe zweiter Ordnung, genügt dann nicht für die Annahme eines berechtigten Interesses an der Einsicht in die Nachlassakten, wenn der Beteiligte durch das Testament des Erblassers nicht von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen worden ist.

2. Eine im Beschwerderechtszug unzulässige Änderung des Verfahrensgegenstandes liegt nur dann vor, wenn eine andere Angelegenheit zum Gegenstand des Beschwerdeverfahrens gemacht wird.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 3 W 192/02

In dem Verfahren

betreffend den Nachlass des am ......... in ......................... verstorbenen P........ D........ H....... W.......O....... F....... L........

hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dury, den Richter am Oberlandesgericht Cierniak und die Richterin am Oberlandesgericht Simon-Bach auf die weitere Beschwerde des Beteiligten vom 1. Oktober 2002 gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 11. September 2002

ohne mündliche Verhandlung

am 30. Oktober 2002

beschlossen:

Tenor:

I. Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Gegenstandswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 250,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Erblasser verstarb am ........... in .......... Er hinterließ seine Ehefrau und sieben Kinder. Mit seiner Ehefrau hatte er am 29. April 1993 ein gemeinschaftliches Testament errichtet.

Der Beteiligte - ein Halbbruder des Erblassers - hat am 22./24. Juli 2002 bei dem Amtsgericht Koblenz "die Erteilung je einer beglaubigten vollständigen und ungekürzten Abschrift (Kopie) sämtlicher letztwilligen Verfügungen des Erblassers, auch der etwa widerrufenen, gemäß § 2264 BGB sowie der Eröffnungsniederschrift des Nachlassgerichts gemäß § 34 Abs. 1 FGG" beantragt. Zur Begründung hat er auf seine Eigenschaft als gesetzlicher Erbe zweiter Ordnung verwiesen (§ 1925 BGB).

Mit Verfügung vom 29. Juli 2002 hat die Rechtspflegerin bei dem Amtsgericht Koblenz diesen Antrag zurückgewiesen. Hiergegen hat der Beteiligte Beschwerde eingelegt; er hat seinen Antrag dahin "modifiziert..., den gesamten Nachlassakt H......... L......... zur Einsichtnahme gemäß § 34 FGG an das Nachlassgericht (Notariat IV) in............., .......... zu senden." Das Landgericht Koblenz hat das Rechtsmittel mit Beschluss vom 11. September 2002 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten.

II.

1. Das Rechtsmittel des Beteiligten ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden (§§ 27 Abs. 1, 29 Abs. 1 FGG). Gegen die Verweigerung von Akteneinsicht in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind die Beschwerde und ggf. die weitere Beschwerde eröffnet, da es sich nicht um Justizverwaltungsakte, sondern um gerichtliche Verfügungen handelt (Senat, Beschluss vom 2. November 1994 - 3 W 175/94). Die Befugnis des Beteiligten zur Einlegung der Rechtsbeschwerde folgt bereits daraus, dass das Landgericht seine Erstbeschwerde zurückgewiesen hat (§§ 20 Abs. 1, 29 Abs. 4 FGG).

2. In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg, weil die angefochtene Entscheidung nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO).

a) Das Landgericht hat die Erstbeschwerde - was vom Senat von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. Keidel/Kahl, FG 14. Aufl. § 27 Rdnr. 15) - zu Recht als zulässig angesehen. Zwar sind in der Beschwerdeinstanz neue Anträge, die den Verfahrensgegenstand verändern, grundsätzlich ausgeschlossen (BayObLGZ 1961, 289, 291; 1997, 213, 214; OLG Hamm OLGZ 1968, 332, 333). Eine im Beschwerderechtszug unzulässige Änderung des Verfahrensgegenstandes liegt aber erst dann vor, wenn eine andere Angelegenheit zum Gegenstand des Beschwerdeverfahrens gemacht wird, nämlich eine gerichtliche Handlung von anderer rechtlicher Bedeutung oder eine zwar gleichartige, aber sich auf einen anderen sachlichen Gegenstand beziehende Handlung (Jansen, FGG 2. Aufl. § 23 Rdnr. 4; Keidel/Kahl aaO § 23 Rdnr. 3, jew. m.w.N.). Dies ist hier nicht der Fall, da der erstinstanzliche Antrag, auch soweit er auf § 2264 BGB gestützt war, Bestandteile der Nachlassakten betraf. Zudem hat der Beteiligte den "modifizierten" Antrag bereits in seiner an das Nachlassgericht gerichteten Rechtsmittelschrift vom 13./15. August 2002 gestellt; hierüber hat das Nachlassgericht eine Entscheidung getroffen, indem es der Beschwerde (§§ 11 Abs. 1 RPflG, 19 Abs. 1 FGG) nicht abgeholfen hat (vgl. BayObLGZ 1994, 73, 76; BayObLG FamRZ 1990, 649).

b) Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei ausgeführt, dass die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 Satz 1 FGG nicht erfüllt sind. Nach dieser Vorschrift kann die Einsicht der Gerichtsakten jedem insoweit gestattet werden, als er ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht. Bei der Entscheidung gemäß § 34 FGG handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die im Rechtsbeschwerdeverfahren nur einer eingeschränkten Überprüfung unterliegt. Die weitere Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass das Landgericht die rechtlichen Begriffe des berechtigten Interesses oder der Glaubhaftmachung oder die dem richterlichen Ermessen gesetzten Schranken verkannt hat (vgl. Senat aaO). Fehler dieser Art sind im gegebenen Fall weder dargetan noch sonst ersichtlich; das Landgericht hat ein berechtigtes Interesse des Beteiligten an einer Einsicht in die Nachlassakten mit Recht verneint:

Ein solches Interesse kann nicht bei jedem Verwandten des Erblassers ohne weiteres bejaht werden. Es ist vielmehr nur dann gegeben, wenn der Antragsteller darlegt und glaubhaft macht, dass er als gesetzlicher oder testamentarischer Erbe, als Pflichtteilsberechtigter oder Vermächtnisnehmer in Betracht kommt oder sonst ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse hat, das auch tatsächlicher (wirtschaftlicher) Art sein kann (BayObLGZ 1995, 1, 4 f.; BayObLG Rpfleger 1982, 345; 1984, 238; 1990, 421; FGPrax 1997, 32; NJWE-FER 2000, 292; LG Erfurt NJWE-FER 1997, 187).

Danach genügt hier der Hinweis des Beteiligten, er sei als Halbbruder gesetzlicher Erbe zweiter Ordnung (§ 1925 BGB), nicht für die Annahme eines berechtigten Interesses. Denn die Verwandteneigenschaft erfüllt diese Voraussetzung des § 34 Abs. 1 Satz 1 FGG - wie ausgeführt - für sich allein noch nicht. Anders verhielte es sich, wenn der Beteiligte durch das gemeinschaftliche Testament von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen worden wäre. In einem solchen Fall haben diejenigen, die als gesetzliche Erben in Betracht kommen, ein berechtigtes Interesse, sich anhand der Nachlassakten zu vergewissern, ob sie gegen die Wirksamkeit der sie übergehenden letztwilligen Verfügung etwas einwenden können. Dabei kommt es nicht darauf an, ob irgendein Anhalt für eine begründete Einwendung besteht; denn ein berechtigtes Interesse stellt auch die Erlangung der Gewissheit dar, dass das nicht der Fall ist (BayObLGZ 1906 [Bd. 6], 154; 1954, 310, 313). Der Beteiligte ist aber nicht durch das gemeinschaftliche Testament von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen. Denn da gesetzliche Erben der ersten Ordnung (§ 1924 BGB) vorhanden sind, wäre er als gesetzlicher Erbe zweiter Ordnung ohnehin nicht zur Erbfolge berufen (§ 1930 BGB; vgl. LG Lübeck Rpfleger 1985, 151).

c) Es kann dahingestellt bleiben, ob der Beteiligte sein erstinstanzliches, auf § 2264 BGB gestütztes Einsichtsbegehren hilfsweise aufrechterhalten hat. Denn da er kein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht hat, kann er erst recht kein rechtliches Interesse an einer Einsicht in die in § 2264 BGB bezeichneten Schriftstücke geltend machen (vgl. Soergel/Harder, BGB 12. Aufl. § 2264 Rdnr. 8).

3. Der Senat ist nicht gemäß § 28 Abs. 2 FGG verpflichtet, die weitere Beschwerde dem Bundesgerichtshof vorzulegen. Entgegen der Auffassung des Beteiligten weicht er nicht von den Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 4. März 1905 (BayObLGZ 1906 [Bd. 6], 154) und vom 7. Dezember 1954 - BReg. 2 Z 188/54 - (BayObLGZ 1954, 310) ab. Bei dem Beschluss aus dem Jahre 1954, der das Einsichtsbegehren gesetzlicher Erben betrifft, die durch Testament enterbt worden waren, handelt es sich zudem um eine Entscheidung, die auf eine erste Tatsachenbeschwerde ergangen ist (aaO S. 312 f.; vgl. Keidel/Kahl aaO §28 Rdnr. 23, 24). Der Senat weicht auch nicht von dem Beschluss vom 4. März 1905 ab. In dieser Entscheidung hat das Bayerische Oberste Landesgericht ein berechtigtes Interesse der Schwester des Erblassers an der Einsicht in die Nachlassakten angenommen, weil diese "durch die Legitimation (der späteren Testamentserbin) und die letztwilligen Verfügungen ihres Bruders von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen" worden war (aaO S. 156). Dass ein gesetzlicher Erbe zweiter Ordnung auch dann ein berechtigtes Interesse i.S. des § 34 FGG hat, wenn er nicht durch Testament von der Erbfolge ausgeschlossen ist, sagt das Gericht nicht. Im Übrigen hat das Bayerische Oberste Landesgericht seiner Entscheidung vom 25. Mai 1982 - 1 Z 22/82 - (abgedruckt in Rpfleger 1982, 345) dieselbe Rechtsauffassung zugrunde gelegt, die auch der Senat vertritt (zum Wegfall der Vorlagepflicht in einem solchen Fall vgl. BGH NJW 1974, 702; Keidel/Kahl aaO § 28 Rdnr. 22): Das Gericht hat nämlich auf weitere Beschwerde die Auffassung der Vorinstanzen gebilligt, der damalige Antragsteller - ein Enkel der Erblasserin - habe kein berechtigtes Interesse an der Einsicht der Nachlassakten, weil er sowohl als testamentarischer Erbe als auch als gesetzlicher Erbe ausscheide.

III.

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Hinsichtlich der Gerichtskosten ergibt sich die Kostentragungspflicht aus § 131 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KostO. Eine Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten ist nicht veranlasst.

Den Wert des Beschwerdegegenstandes für das Rechtsbeschwerdeverfahren hat der Senat gemäß §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 KostO in Anlehnung an die unbeanstandet gebliebene Wertbestimmung des Landgerichts festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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