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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 29.11.2000
Aktenzeichen: 3 W 195/00
Rechtsgebiete: EuGVÜ, C.P.C


Vorschriften:

EuGVÜ Art. 36 Abs. 1
EuGVÜ Art. 31 Abs. 1
EuGVÜ Art. 38
EuGVÜ Art. 39
EuGVÜ Art. 46 Nr. 1
EuGVÜ Art. 47 Nr. 1
C.P.C Art. 479
1. Die Durchführung der Zwangsvollstreckung aus den mit der Vollstreckungsklausel versehenen Titeln obliegt - abgesehen von den Ausnahmefällen der Art. 38 und 39 EuGVÜ - dem innerstaatlichen Recht des Vollstreckungsstaates.

2. Die Vollstreckbarerklärung eines italienischen Titels ist nicht davon abhängig, dass die Voraussetzungen des Art. 479 C.P.C erfüllt sind.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 3 W 195/00 2 O 568/00 Landgericht Landau in der Pfalz

In dem Verfahren

wegen Zulassung der Zwangsvollstreckung aus einem ausländischen Titel,

hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Richter am Oberlandesgericht Hengesbach, die Richterin am Oberlandesgericht Simon-Bach und den Richter am Landgericht Edinger auf die Beschwerde der Schuldnerin vom 31. August/1. September 2000 gegen den ihr am 18. August 2000 zugestellten Beschluss des Vorsitzenden der 2. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 18. Juli 2000 ohne mündliche Verhandlung

am 29. November 2000

beschlossen:

Tenor:

1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Die Schuldnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Wert der Beschwer der Schuldnerin übersteigt 60 000,-- DM nicht.

4. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf bis zu 60 000,-- DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Vollstreckbarkeit zweier italienischer Urteile. Am 30. März 1995 erwirkte die Gläubigerin gegen den Schuldner ein Urteil des Landgerichts Forli (Urteil Nr. 203) über 15 090,70 DM nebst Verzugszinsen seit dem 19. Oktober 1978 und festgesetzte Verfahrenskosten in Höhe Lit. 4.342.90, von denen der überwiegende Teil in Höhe von Lit. 4.000.000 auf Rechtsanwaltshonorare und Gebühren entfällt. Hierauf werden die Mehrwertsteuer in Höhe von 19 % und die sogenannte c.p.a. (= Cassa pensione degli avvocati" - Anwaltsversorgungskasse) geschuldet.

Dieses erstinstanzliche Urteil wurde im Berufungsrechtszug vollumfänglich durch das Oberlandesgericht Bologna bestätigt. Die Schuldnerin wurde verurteilt, die Kosten der Berufungsinstanz in Höhe von Lit. 5.000.000 zu erstatten. Diese setzen sich aus Lit. 2.800.000 für Honorare und Lit. 2.200.000 für Kosten, Gebühren und Pauschalerstattung allgemeiner Kosten zusammen.

Das für vorläufig vollstreckbar erklärte Urteil des Landgerichts Forli wurde der Schuldnerin durch den Hilfs-Gerichtsvollzieher bei dem Amt für Zustellungen des Landgerichts Forli unter der Anschrift ihres Rechtsanwaltes, die sie als Domizil gewählt hatte, am 18. September 1995 zugestellt. Das Urteil des Oberlandesgerichts Bologna ist nach dem Vermerk des Urkundsbeamten vom 23. Mai 2000 rechtskräftig geworden; es wurde der Schuldnerin am 28. Januar 1999 ebenfalls an deren Wahldomizil zugestellt.

Auf Antrag der Gläubigerin hat der Vorsitzende der 2. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz mit Beschluss vom 18. Juli 2000 angeordnet, dass die Entscheidungen der italienischen Gerichte mit der deutschen Vollstreckungsklausel zu versehen seien.

Gegen diesen am 18. August 2000 zugestellten Beschluss hat die Schuldnerin mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 31. August 2000, der am 1. September 2000 bei dem Pfälzischen Oberlandesgericht Zweibrücken eingegangen ist, Beschwerde eingelegt. Sie beantragt, den Beschluss aufzuheben. Zur Begründung führt sie an, das Landgericht habe den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Da das erstinstanzliche Urteil erst sechzehn Jahre nach Erhebung der Klage ergangen sei, könne nicht mehr von einer angemessenen Frist im Sinne des Art. 6 EMRK gesprochen werden. Das italienische Gericht sei nicht in der Lage gewesen, einen einzigen Zeugen in Deutschland vernehmen zu lassen; es hätte diese nach Italien laden müssen. Im Übrigen habe ihr weder das Landgericht Forli noch das Oberlandesgericht Bologna rechtliches Gehör gewährt. Das Gericht habe sich über ihre Forderung nach Bestellung eines Dolmetschers für die italienische Sprache hinweggesetzt.

Sie habe bereits in der ersten Instanz das Fehlen der internationalen Zuständigkeit der italienischen Gerichte gerügt. Die Zustellung der Urteile sei nicht ordnungsgemäß erfolgt; diese sei weder gemäß Art. 479 C.P.C. innerhalb eines Jahres an ihren Bevollmächtigten noch an sie selbst erfolgt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist nach Art. 36 Abs. 1 des Übereinkommens der europäischen Gemeinschaft über gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 (EuGVÜ) in Verbindung mit §§ 11 Abs. 1, 35 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Ausführung zwischenstaatlicher Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge in Zivil- und Handelssachen vom 30. Mai 1988 (AVAG) statthaft. Sie ist rechtzeitig innerhalb der Frist des Art. 36 EuGVÜ, § 11 AVAG eingelegt worden und entspricht der von § 12 Abs. 1 AVAG bestimmten Form.

In der Sache führt die Beschwerde nicht zum Erfolg.

Der Vorsitzende der 2. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz hat die Urteile des Landgerichts Forli und des Oberlandesgerichts Bologna zu Recht für vollstreckbar erklärt.

Die Urteile des italienischen Gerichts stellen Entscheidungen dar, die gemäß Art. 31 Abs. 1 EuGVÜ für vollstreckbar erklärt werden können. Denn es handelt sich bei ihnen um Leistungsurteile (vgl. Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht 1997 Art. 31 Rdnr. 38). Im ersten Rechtszug hat die Gläubigerin die Originaltitel vorgelegt. Damit ist dem Erfordernis des Art. 46 Nr. 1 EuGVÜ Genüge getan. Die Vorschrift erfordert nicht, dass die Ausfertigung der Entscheidung bei den Akten verbleibt (vgl. BGHZ 75, 167, 169; Senat, Beschluss vom 14. September 1999 - 3 W 170/99 -; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 6. Aufl. Rdnr. 1 zu Art. 46 EuGVÜ).

Auch die Voraussetzungen des Art. 47 Nr. 1 EuGVÜ sind erfüllt. Danach hat eine Partei, welche die Zwangsvollstreckung betreiben will, die Urkunden vorzulegen, aus denen sich ergibt, dass die Entscheidung nach dem Recht des Urteilsstaates vollstreckbar ist und dass sie zugestellt worden ist. Italienische (erstinstanzliche) Urteile sind vollstreckbar, wenn sie für vorläufig vollstreckbar erklärt sind; Berufungsurteile sind ex lege vollstreckbar (vgl. Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze/Schlafen, Der internationale Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen Art. 47 II 4 c Gliederungsnummer 606.283). Das Urteil des Landgerichts Forli wurde gemäß Art 282 C.P.C. für vorläufig vollstreckbar erklärt. Das Urteil des Oberlandesgerichts Bologna ist als Berufungsurteil ex lege vollstreckbar; außerdem enthält es einen Rechtskraftvermerk vom 23. Mai 2000. Die Gläubigerin hat durch Vorlage der Zustellungsvermerke vom 18. September 1995 und vom 28. Januar 1999 auch den Nachweis über die Zustellung der Urteile geführt. Die Zustellung ist jeweils an den bevollmächtigten Anwalt der Schuldnerin erfolgt, bei dessen Kanzlei sie ein Wahldomizil innehatte, Art. 137, 141 C.P.C.. Dies ergibt sich für das Urteil des Landgerichts Forli aus dem Zustellungsvermerk des Hilfs-Gerichtsvollziehers vom 18. September 1995 und für das Urteil des Oberlandesgerichts Bologna aus dem Vermerk des Assistenten am Amt für Zustellungen, Vollstreckungen und Pfändungen beim Oberlandesgericht Bologna vom 28. Januar 1999. Ob darüber hinaus die Jahresfrist des Art. 479 C.P.C. eingehalten ist, kann ebenso dahinstehen wie die Frage, ob der Schuldnerin eine Leistungsaufforderung zugestellt worden ist. Denn diese Vorschrift betrifft das Vollstreckungsverfahren nach italienischem Recht und ist damit hier nicht einschlägig. Die Durchführung der Zwangsvollstreckung aus den mit der Vollstreckungsklausel versehenen Titeln unterliegt - abgesehen von den hier nicht vorliegenden Ausnahmefällen der Art. 38 und 39 EuGVÜ - dem innerstaatlichen Recht des Vollstreckungsstaates, hier also dem deutschen Recht (Bülow/Böckstiegel/Müller aaO Art. 31 V Gliederungsnummer 606.235).

Anerkennungshindernisse im Sinne von Art. 34 Abs. 2, 27, 28 EuGVÜ stehen der Vollstreckbarkeitserklärung der Entscheidungen nicht entgegen.

Die Frage der ordungsgemäßen und rechtzeitigen Zustellung. des das Verfahren einleitenden Schriftstückes (Art. 27 Ziff. 2 EuGVÜ) kann hier dahinstehen. Denn die Schuldnerin hat sich auf die Verfahren vor den italienischen Gerichten eingelassen. Hierfür genügt jedes Verhandeln, aus dem sich ergibt, dass die Beklagte von dem gegen sie eingeleiteten Verfahren Kenntnis erlangt und die Möglichkeit der Verteidigung gegen das Begehren der Klägerin erhalten hat, es sei denn ihr Vorbringen hat sich nur darauf beschränkt, den Fortgang des Verfahrens zu rügen, weil die Zustellung nicht ordnungsgemäß oder nicht rechtzeitig erfolgt sei (vgl. hierzu Senat aaO; OLG Hamm NJW-RR 1995, 189, 190 m. w. N.; Kropholler aaO Rdnr. 22 zu Art. 27.EuGVÜ). Ausweislich der Entscheidungsgründe der italienischen Titel ist die Antragsgegnerin dem Vorbringen der Gläubigerin in der Sache entgegengetreten.

Der Vollstreckung aus den italienischen Titeln steht auch nicht Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ entgegen.

Verfahrensrechtlich würde ein Verstoß gegen den ordre public der Bundesrepublik Deutschland voraussetzen, dass die Entscheidung in einem Verfahren ergangen ist, das von den Grundprinzipien des deutschen Verfahrensrechts in einem solchen Maße abweicht, dass es nach der deutschen Rechtsordnung nicht mehr als in einer geordneten rechtsstaatlichen Weise ergangen angesehen werden kann (vgl. BGH NJW 1978, 1114, 1115 und 1992, 3096, 3098; Kropholler aaO Art. 27 Rdnr. 9). Die von der Schuldnerin erhobene Rüge der langen Verfahrensdauer erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Aus dem Urteil des Landgerichts Forli ergibt sich, dass das Gericht Zeugenbeweis, auch im Wege der Rechtshilfe erhoben hat, was die lange Verfahrensdauer zumindest mitbegründet. Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch ein in der Bundesrepublik durchgeführtes Verfahren, bei dem Zeugen im Ausland im Wege der Rechtshilfe vernommen werden müssen, über viele Jahre dauert. Auch ein Verstoß gegen die nach deutschem Recht durch Art. 103 GG garantierten verfahrensrechtlichen Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit und des Anspruches auf rechtliches Gehör liegt nicht vor. Die Schuldnerin war im Ausgangsverfahren durch italienische Rechtsanwälte vertreten. Ihr war es deshalb nicht verwehrt, auf den Verfahrensablauf Einfluss zu nehmen. Auch nach deutschem Recht hätte es ihr oblegen, zu der geltend gemachten Forderung Sachvortrag zu bringen, ohne dass ihr ein Dolmetscher hätte bestellt werden müssen.

Ein Verstoß gegen den materiellen ordre public, der einen untragbaren Widerspruch zwischen der ausländischen und inländischen materiellen Regelung voraussetzt (vgl. BGH NJW 1992, 3096, 3101 und NJW 1993, 1801, 1802), ist nicht erkennbar.

Ohne Erfolg bleibt schließlich auch die Rüge der fehlenden internationalen Zuständigkeit. Hinsichtlich der Zuständigkeit des Erstgerichts gilt grundsätzlich gemäß Art. 28 Abs. 3 EuGVÜ ein Nachprüfungsverbot. Die Ausnahmen hiervon sind in Art. 28 Abs. 1 EUGVÜ abschließend aufgezählt (vgl. Kropholler aaO Art. 28 Rdnrn. 1, 5). Der Rechtsstreit betraf eine Kaufpreisforderung. Die Voraussetzungen des darüber hinaus in Art. 28 Abs. l EuGVÜ angeführten Art. 55 EuGVÜ liegen ersichtlich nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Den Wert des Beschwerdegegenstandes hat der Senat gemäß §§ 25 Abs. 2, 12 Abs. 1 GKG i. V. m. § 3 ZPO festgesetzt.

Die Festsetzung des Wertes der Beschwer ist entsprechend gemäß §§ 17 Abs. 1 AVAG, 546 Abs. 2 ZPO erfolgt.

Ende der Entscheidung

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