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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 10.09.2001
Aktenzeichen: 3 W 204/01
Rechtsgebiete: AuslG


Vorschriften:

AuslG § 55
AuslG § 57
AuslG § 58
AuslG § 61
Anordnung von Abschiebungshaft zur Sicherung der Zurückschiebung

1. Die mit dem Vollzug eines Rückübernahmeabkommens verbundene Bearbeitungsdauer steht der Anordnung von Abschiebungshaft zur Sicherung der Zurückschiebung grundsätzlich nicht entgegen.

2. Die Frage, ob der Betroffene gemäß § 55 Abs. 2 AuslG einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung hat, ist im Verfahren nach dem Gesetz über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen nicht zu prüfen (im Anschluss an BayObLGZ 1991, 247, 250).


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 3 W 204/01

In dem Verfahren

betreffend die Anordnung von Abschiebungshaft zur Sicherung der Zurückschiebung,

hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Richter am Oberlandesgericht Hengesbach, die Richterin am Oberlandesgericht Simon-Bach und den Richter am Oberlandesgericht Cierniak auf die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen vom 29. August 2001 gegen den seinem Verfahrensbevollmächtigten am 27. August 2001 zugestellten Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bad Kreuznach vom 23. August 2001 ohne mündliche Verhandlung

am 10. September 2001

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die sofortige weitere Beschwerde ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden (§§ 103 Abs. 2 AuslG, 3 Satz 2, 7 FEVG, 29 Abs. 1 und 2, 22 Abs. 1 FGG). In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg. Die Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Verletzung des Gesetzes (§§ 27 Abs. 1 FGG, 550 ZPO).

Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für die Anordnung von Abschiebungshaft zur Sicherung der Zurückschiebung (§§ 61 Abs. 3, 57 AuslG) gegeben sind. Der Betroffene ist unerlaubt in das Bundesgebiet eingereist (§§ 61 Abs. 1 Satz 1, 58 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 AuslG). Die Sozialistische Republik Vietnam ist nach Art. 1 des Abkommens zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Sozialistischen Republik Vietnam über die Rückübernahme von vietnamesischen Staatsangehörigen (Rückübernahmeabkommen) vom 21. Juli 1995 (BGBl. II S. 744) zur Rückübernahme des Betroffenen verpflichtet; gemäß § 61 Abs. 1 Satz 2 AuslG ist daher seine Zurückschiebung zulässig, solange die Rückübernahmeverpflichtung besteht.

Auch die weiteren Voraussetzungen für die Anordnung von Abschiebungshaft zur Sicherung der Zurückschiebung gemäß §§ 61 Abs. 3, 57 AuslG liegen vor. Den Haftantrag hat die zuständige Verwaltungsbehörde die Beteiligte zu 2) - gestellt (§§ 3 Satz 1 FEVG, 63 Abs. 4 Nr. 1 AuslG). Das Landgericht hat auch die Haftgründe des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 und 5 AuslG mit zutreffenden Erwägungen, auf die der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt, bejaht. Die von dem Erstbeschwerdegericht aus dem Verhalten des Betroffenen gezogenen Schlussfolgerungen verstoßen weder gegen Denkgesetze noch gegen allgemeine Erfahrungssätze und halten den Anforderungen stand, die an die tatrichterliche Überzeugungsbildung zu stellen sind. Einwände hiergegen hat der Betroffene auch im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde nicht erhoben.

Der Anordnung der Abschiebungshaft steht § 57 Abs. 2 Satz 4 AuslG nicht entgegen. Die Haftanordnung setzt nämlich nicht den Nachweis voraus, dass die Abschiebung - hier die Zurückschiebung - des Betroffenen innerhalb der angeordneten Haftzeit von 3 Monaten durchführbar ist (vgl. auch BVerfG NJW 1987, 3076). Lediglich wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Zurückschiebung nicht innerhalb der nächsten 3 Monate durchgeführt werden kann, verbietet die Vorschrift die Anordnung von Abschiebungshaft. So verhält es sich hier jedoch entgegen der Auffassung des Betroffenen nicht: Zum einen steht nach den rechtsfehlerfreien und daher den Senat als Rechtsbeschwerdegericht bindenden Feststellungen des Landgerichts nicht fest, dass die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten 3 Monate durchgeführt werden kann; denn die Bearbeitungsdauer durch die vietnamesischen Behörden beträgt "ca. bis zu 3 Monaten (nach der Übergabe)". Zwar fand die Übergabe des gemäß dem Protokoll zur Durchführung des vorbezeichneten Rückübernahmeabkommens vom 21. Juli 1995 (BGBl. II S. 746) erstellten Übernahmeersuchens erst am 15. August 2001 und damit mehr als ein Monat nach der Haftanordnung am 6. Juli 2001 statt. Da aber nach den Feststellungen des Landgerichts die dreimonatige Bearbeitungsdauer - in Übereinstimmung mit Art. 2 Nr. 2 des zitierten Protokolls - lediglich eine Höchstfrist ist, steht nicht fest, dass die Abschiebung nicht innerhalb von 3 Monaten nach der Haftanordnung durchgeführt werden kann. Diese Möglichkeit ist im gegebenen Fall auch deswegen in Betracht zu ziehen, weil gemäß Art. 3 des Rückübernahmeabkommens Straftäter und Beschuldigte - unabhängig von den in Art. 2 Nr. 2 des Durchführungsprotokolls bezeichneten Fristen - "möglichst rasch zurückzuführen" sind; hierauf hat die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Hanoi in ihrer dem Betroffenen mitgeteilten Verbalnote vom 13. August 2001 ausdrücklich hingewiesen. Zum anderen entspricht es ständiger Rechtsprechung des Senats, dass es sich um einen von dem Ausländer selbst zu vertretenden Umstand im Sinne des § 57 Abs. 2 Satz 4 AuslG handelt, wenn dieser keinen Nationalpass hat, insbesondere ohne einen solchen einreist (vgl. auch BGH NJW 1996, 2796, 2797; OLG Hamm FGPrax 1997, 77). Die Verzögerung im Vollzug der Zurückschiebung, die darauf beruht, dass die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragte Behörde sich erst um die Ausstellung eines Passersatzpapieres und um die Rückübernahme des Betroffenen bemühen muss, ist allein von diesem selbst im Sinne dieser Vorschrift zu vertreten. Könnte ein Reisepass vorgelegt werden, würde sich die Bearbeitungsdauer für das Übernahmeersuchen auf eine Höchstfrist von sechs Wochen verkürzen (Art. 5 Abs. 1 Rückübernahmeübereinkommen, Art. 2 Nr. 2 Durchführungsprotokoll). Der vom BGH (aaO) erörterte Ausnahmefall, dass die Behörde nicht alle notwendigen Anstrengungen unternommen hat, um die für die Abschiebung benötigten Unterlagen zu beschaffen, liegt hier nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts nicht vor. Der Umstand, dass der "Antrag auf Ausstellung eines Passersatzes gemäß dem oben angegebenen Rückübernahmeabkommen" erst 2 Wochen nach der Haftanordnung gefertigt worden ist, begegnet im Blick auf die hier gegebene Sach- und Rechtslage keinen Bedenken; hinzu kommt insoweit, dass die Beteiligte zu 2) in jedem Fall - und auch hier - erst gemäß §§ 61 Abs. 3, 60 Abs. 4 AuslG den Staat, in den der Betroffene zurückgeschoben werden soll, bestimmen muss, was u. a. Ermittlungen zur Einreise erfordert (vgl. hierzu auch Renner, Ausländerrecht 7. Aufl. § 60 AuslG Rdnr. 15).

Nach den vorstehenden Ausführungen kann erst recht nicht davon ausgegangen werden, dass von vornherein feststeht, die Abschiebung des Betroffenen könne während der unter Ausschöpfung der gesetzlich zulässigen Dauer angeordneten Abschiebungshaft (vgl. Senat, Beschluss vom 3. Mai 2001 - 3 W 101/01; OLG Hamm NVwZ 1995, 826, 827) oder auch nur innerhalb der in § 57 Abs. 3 Satz 1 AuslG vorgesehenen Haftdauer von 6 Monaten (vgl. LG Berlin NVwZ Beilage 2/2001 S. 24) nicht durchgeführt werden. Soweit der Betroffene mit der sofortigen weiteren Beschwerde seinen gegenteiligen Standpunkt mit neuen - beim Senat keineswegs gerichtskundigen - Tatsachen begründet, kann er damit im Verfahren der Rechtsbeschwerde nicht gehört werden.

Die Ausführungen des Landgerichts und des Betroffenen (insbesondere im Erstbeschwerdeverfahren) zu der Frage, ob der Betroffene einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung hat (§ 55 Abs. 2 AuslG), geben dem Senat Veranlassung darauf hinzuweisen, dass die zuständige Verwaltungsbehörde und die Verwaltungsgerichte, nicht aber die Haftgerichte zu prüfen haben, ob die Abschiebung oder - wie hier - die Zurückschiebung des Betroffenen zu Recht betrieben wird (vgl. BGHZ 78, 145; BayObLG NVwZ 1993, 102; Beschluss vom 4. Oktober 1996 - 3 Z BR 257/96; Renner aaO § 57 Rdnr. 7). Dass dies auch für die Frage gilt, unter welchen Voraussetzungen die Behörde den Aufenthalt des Betroffenen dulden müsse, hat das Bayerische Oberste Landesgericht bereits mit überzeugender Begründung entschieden (BayObLGZ 1991, 247, 250). Im Übrigen verweist § 61 Abs. 3 AuslG nicht auf § 55 AuslG (vgl. hierzu VGH München BayVBl 1993, 244; OVG Hamburg, Beschluss vom 16. Juni 1993 - Bs IV 122/93 <juris>).

An dem vorstehenden Ergebnis würde sich nichts ändern, wenn man als Rechtsgrundlage für die Zurückschiebung des Betroffenen § 61 Abs. 2 AuslG heranziehen würde. Denn der Betroffene ist nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts vollziehbar ausreisepflichtig (§§ 58 Abs. 1 Nrn. 1 und 2, 42 Abs. 2 Nr. 1 AuslG); auch insoweit ist es zulässig, zur Sicherung der Zurückschiebung Haft zu beantragen (Kloesel/Christ/Häußer, Deutsches Ausländerrecht 4. Aufl. § 61 Rohr. 15).

Schließlich ist es aus Rechtsgründen auch nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz von einer erneuten Anhörung des Betroffenen abgesehen hat. Nach allgemeiner Ansicht in der Rechtsprechung, der auch der Senat folgt, ist zwar in aller Regel auch im Beschwerdeverfahren eine Anhörung des Betroffenen geboten. Von einer solchen kann aber dann abgesehen werden, wenn nach der konkreten Sachlage ohne Weiteres davon ausgegangen werden kann, dass sie zu keiner ergänzenden Aufklärung beitragen werde. Hier unterliegt die Annahme des Landgerichts, dass der Sachverhalt hinreichend aufgeklärt sei und von einer erneuten Anhörung keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten seien, keinen rechtlichen Bedenken. Auch mit der Rechtsbeschwerde werden insoweit keine Anhaltspunkte aufgezeigt.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weshalb sich auch die Festsetzung des Wertes des Beschwerdegegenstandes erübrigt.

Ende der Entscheidung

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