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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 15.02.2006
Aktenzeichen: 3 W 209/05
Rechtsgebiete: GmbHG, BGB


Vorschriften:

GmbHG § 38
GmbHG § 39
BGB § 242
Die eigene Abberufung des alleinigen Gesellschafters einer GmbH als Geschäftsführer gemäß § 38 GmbHG ist rechtsmissbräuchlich, wenn dieser nicht zugleich einen neuen Geschäftsführer bestellt oder ein wichtiger Grund für die Abberufung vorliegt.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 3 W 209/05

In der Handelsregistersache

betreffend die Eintragung der Abberufung des Geschäftsführers der Firma I............... GmbH,....................,

hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Richter am Oberlandesgericht Petry und die Richterinnen am Oberlandesgericht Simon-Bach und Stutz auf die weitere Beschwerde des Antragstellers vom 11. Oktober 2005 gegen den Beschluss der 12. Zivilkammer - 2. Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Mainz vom 5. September 2005 ohne mündliche Verhandlung am 15. Februar 2006 beschlossen:

Tenor:

I. Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 2 500,-- € festgesetzt.

Gründe:

I.

Im Handelsregister des Amtsgerichts Bingen am Rhein ist unter HRB ..... die im Rubrum genannte beschränkt haftende Gesellschaft eingetragen.

Nach Übernahme sämtlicher Geschäftsanteile mit Verträgen der Notare V..... aus dem Jahr 1998 (Urk.R.Nr.......) und Dr. K.... vom 28.Dezember 2001 (Urk.R.Nr. ......) war der Antragsteller zuletzt alleiniger, von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiter, Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH. Am 2. Februar 2005 hielt der Antragsteller unter Verzicht auf die Einhaltung sämtlicher Form- und Fristvorschriften hinsichtlich Ladung, Einberufung und Mitteilung der Tagesordnung eine Gesellschafterversammlung ab und beschloss, sich "mit dem Tag der Eintragung in das Handelsregister als Geschäftsführer abzuberufen". Am gleichen Tag hat er für die Gesellschaft bei dem Amtsgericht - Insolvenzgericht - Bingen am Rhein die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt; dieser Antrag wurde mit Beschluss vom 2. März 2005 mangels Masse abgewiesen. Der Notar Dr. G....., B...., beantragte mit Schriftsatz vom 3. Februar 2005 die Eintragung der Abberufung des Antragstellers in das Handelsregister. Mit Schreiben vom 4. Februar 2006 hat der Antragsteller den Erwerb der Geschäftsanteile wegen arglistiger Täuschung gegenüber den Veräußerern angefochten.

Das Amtsgericht - Registergericht - Bingen am Rhein hat den Antrag des Beteiligten auf Eintragung der Änderung mit Beschluss vom 6. April 2005 zurückgewiesen mit der Begründung, die Abberufung des Antragstellers als Geschäftsführer, der zugleich alleiniger Gesellschafter sei, sei ohne die Bestellung eines neuen Geschäftsführers rechtsmissbräuchlich. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers hat das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der eventuell drohende wirtschaftliche Zusammenbruch der Firma und auch die bereits erfolgte Auflösung der Gesellschaft rechtfertige nicht die Amtsniederlegung des bisherigen Geschäftsführers. Vielmehr bedürfe die GmbH in dieser Phase zur Abwicklung der noch anstehenden Geschäfte eines Geschäftsführers bzw. Liquidators. Im Falle der vorzeitigen Amtsniederlegung des Geschäftsführers vor Vollbeendigung der GmbH wäre die Handlungsfähigkeit der rechtlich noch existenten Gesellschaft vollständig beseitigt. Dies sei im Interesse des Rechtsverkehrs an der Handlungsfähigkeit einer noch existierenden Gesellschaft gerade nicht vertretbar. Die Behauptungen des Antragstellers zur arglistigen Täuschung beim Erwerb der GmbH-Anteile könnten in dem vorliegenden registergerichtlichen Verfahren nicht abschließend und mit der erforderlichen Sicherheit geklärt werden. Gegebenenfalls müsse zur Klärung dieser Frage ein Zivilprozess geführt werden.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde des Antragstellers.

II.

Die - an keine Frist gebundene - weitere Beschwerde des Antragstellers ist verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden (§§ 27, 29 FGG).

In der Sache bleibt sie ohne Erfolg, weil die angefochtene Entscheidung nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 27 FGG, § 546 ZPO).

1. Zunächst bestehen gegen die Anmeldeberechtigung des Antragstellers als Geschäftsführer keine Bedenken. Denn in einem Fall, in dem die Abberufung des Geschäftsführers - wie hier - ausdrücklich erst mit Wirkung ab Eintragung des Ausscheidens im Handelsregister angemeldet wird, ist der Geschäftsführer noch anmeldeberechtigt.

2. In den Fällen der Amtsniederlegung durch den alleinigen Gesellschafter - Geschäftsführer einer Ein-Mann-GmbH vertritt die obergerichtliche Rechtsprechung - soweit ersichtlich - einhellig die Auffassung, dass diese rechtsmissbräuchlich sei, wenn der Geschäftsführer nicht zugleich einen neuen Geschäftsführer bestellt oder die Amtsniederlegung aus einem wichtigen Grund erfolgt (BayObLGZ 1999, 171; KG Berlin, Beschluss vom 1. November 2000 - 23 W 3250/02 - zit. nach juris -; OLG Hamm DNotZ 1989, 396; OLG Düsseldorf ZIP 2001, 25; Scholz/Schneider, GmbHG 9. Aufl., § 38 Rdnr. 90; Lutter/Hommelhoff, GmbHG 16. Aufl., § 38 Rdnr. 42; Palandt/Heinrichs, BGB 65. Aufl., § 242 Rdnr. 72; Meyke, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, 3. Aufl. S. 78; Lohr, DStR 2002, 2173). Der Senat teilt diese Auffassung. Der von Teilen der Literatur vertretenen Ansicht (Altmeppen/Roth, GmbHG 5. Aufl., § 38 Rdnr. 77, 78; Wachter, GmbHR 2001, 1129; Fleck, EWiR 1988, 795), wonach diese "Sonderbehandlung" des Gesellschafter-Geschäftsführers einer Ein-Mann-GmbH nicht gerechtfertigt und dessen Amtsniederlegung generell wirksam sei, folgt der Senat nicht. Vielmehr ist es im Interesse der Rechtssicherheit angesichts der Personenidentität von Geschäftsführungs- und Willensbildungsorgan gerechtfertigt, höhere Anforderungen an die Amtsniederlegung des alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführers zu stellen. Anderenfalls könnte dieser nach freiem Belieben das Gesellschaftsvermögen dem Gläubigerzugriff entziehen, indem er die Gesellschaft durch Amtsniederlegung handlungsunfähig macht (vgl. dazu ausführlich: Lohr, DStR 2202, 2173 ff).

Diese Grundsätze müssen auch dann gelten, wenn der Geschäftsführer sein Amt nicht niedergelegt hat, sondern - wie hier - sich als alleiniger Gesellschafter selbst gemäß § 38 GmbHG im Beschlusswege abberufen hat. Ist die Amtsbeendigung als solche rechtsmissbräuchlich, kann es nicht auf die Art und Weise der Beendigung (Amtsniederlegung, Abberufung oder einvernehmliche Aufhebung des Organverhältnisses) ankommen. Der Geschäftsführer kann in diesem Fall das Erfordernis eines wichtigen Grundes nicht durch seine eigene Abberufung bzw. durch eine Amtsbeendigung im Wege des In-Sich-Geschäfts unterlaufen (Lohr aaO).

3. Einen neuen Geschäftsführer hat der Antragsteller nicht bestellt. Im Beschwerdeverfahren hat er vorgetragen, den Erwerb der Gesellschaftsanteile wegen arglistiger Täuschung angefochten zu haben. Ob der vom Antragsteller vorgetragene Sachverhalt zur Anfechtung des Erwerbsgeschäfts wegen arglistiger Täuschung berechtigt, ist zumindest zweifelhaft. Jedenfalls kann aus dem Vortrag des Antragstellers, die Empfänger der Anfechtungserklärungen hätten darauf keinerlei Reaktion gezeigt, nicht ohne weiteres geschlossen werden, dass diese den Sachverhalt nicht bestreiten und die Anfechtungserklärungen als wirksam erachten wollen. Ist die Wirksamkeit der Anfechtung indes ungeklärt, rechtfertigt dies in Fällen wie dem Vorliegenden die Zurückweisung der Anmeldung der Eintragung der Abberufung des Geschäftsführers. Durch dessen Abberufung wird die Gesellschaft aktiv und passiv handlungsunfähig, solange kein neuer Geschäftsführer bestellt ist. Da der alleinige Gesellschafter zudem diese Rechtsposition leugnet und auch keinen anderen Geschäftsführer bestellt, ergibt sich daraus für den Rechtsverkehr die völlige Handlungsunfähigkeit der GmbH und eine unabsehbare Unklarheit hinsichtlich ihrer Vertretung, wenn man die Abberufung als wirksam erachten würde (OLG Hamm, aaO.). Auf die Möglichkeit der Bestellung eines Notgeschäftsführers entsprechend § 29 BGB kann vorliegend nicht verwiesen werden. Zum einen würde die Notlage gerade erst durch die Amtsniederlegung des Antragstellers ohne die gleichzeitige Bestellung eines neuen Geschäftsführers in rechtsmissbräuchlicher Weise herbeigeführt werden; zum anderen erscheint die Bestellung eines Notgeschäftsführers für den dazu Ausgewählten vorliegend unzumutbar, da - nachdem der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH mangels Masse abgelehnt wurde - auch keine Mittel für dessen Vergütung zur Verfügung stehen dürften.

Zwar hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 14. Juli 1980 (Az.: II ZR 161/79, veröffentlicht in NJW 1980, 2415) ausgeführt, die aus wichtigen Gründen erklärte Amtsniederlegung eines Geschäftsführers einer GmbH sei, auch wenn über die objektive Berechtigung der Gründe gestritten werde, sofort wirksam. Der Senat hält jedoch in Übereinstimmung mit dem Bayerischen Obersten Landesgericht (BayObLGZ 1981, 266) und dem Oberlandesgericht Hamm (aaO) aufgrund der besonderen tatsächlichen Umstände der vorliegenden Fallgestaltung eine andere Betrachtsweise für geboten. In dem durch den Bundesgerichtshof entschiedenen Fall waren ein weiterer Geschäftsführer und zwei Gesellschafter vorhanden, die ihre Gesellschafterstellung nicht in Frage stellten und daher auch jederzeit zusätzliche Geschäftsführer hätten bestellen können. Damit war die Handlungsfähigkeit der GmbH gesichert. In vorliegendem Fall trifft dies - wie oben ausgeführt - nicht zu. Würde die Amtsniederlegung des Antragstellers ohne die Bestellung eines neuen Geschäftsführers als wirksam erachtet und im Handelsregister eingetragen, hätte dies zur Folge, dass die Gesellschaft nicht nur ohne handlungsfähiges Organ wäre, sondern es bei der hier gegebenen Fallgestaltung auch völlig unklar wäre, wer Inhaber der Gesellschaftsanteile und damit zur Bestellung des neuen Geschäftsführers rechtlich in der Lage ist (vgl. OLG Hamm aaO).

Die Beseitigung dieser Unklarheiten ist nicht den Gläubigern der GmbH, sondern allein dem Antragsteller zuzumuten. Durch die Übernahme der Geschäftsanteile hat er sich in die Rechtsposition des Alleingesellschafters begeben, so dass ihm der Beweis obliegt, dass die erklärte Anfechtung gerechtfertigt ist. Die Klarheit über die Nichtigkeit des Übernahmevertrages kann er gegebenenfalls durch Feststellungsklage gegen die früheren Gesellschafter herbeiführen. Das Registergericht kann diese Frage abschließend nicht selbst entscheiden (BGH aaO; BayObLG aaO). Diesem obliegt die Prüfung der eingereichten Urkunden dahin, ob sämtliche für die Eintragung erforderlichen Urkunden eingereicht worden sind und diese die Eintragung rechtfertigen. Eine allgemeine und umfassende Prüfung der materiellen Wirksamkeit der Gesellschafterbeschlüsse und Erklärungen scheidet indes aus (RGZ 127, 153; BGHZ 84, 285; Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 127 Rdnr. 1 ff).

4. Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf § 131 Abs. 1 Nr. 1 KostO nicht veranlasst.

Den Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde hat der Senat entsprechend der unangefochtenen gebliebenen Festsetzung durch das Landgericht gemäß § 131 Abs. 1 i. V. m. § 30 KostO festgesetzt.



Ende der Entscheidung

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