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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 12.11.2002
Aktenzeichen: 3 W 213/02
Rechtsgebiete: GG, KostO, RPflG


Vorschriften:

GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 20 Abs. 3
KostO § 14 Abs. 2
KostO § 18 Abs. 1
KostO § 23 Abs. 2
KostO § 32
KostO § 62 Abs. 1
RPflG § 3 Nr. 1 Buchst. h
RPflG § 4 Abs. 1
1. Die Berechnung der Gebühr für die Eintragung einer Grundschuld in das Grundbuch nach dem Nennbetrag der Schuld als Geschäftswert verstößt weder gegen den allgemeinen Gleichheitssatz noch gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

2. Die Anknüpfung der Höhe der Gebühr an den Wert des Geschäfts verstößt auch nicht gegen Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaften (jeweils Anschluss an BayObLGZ 2000, 350).

3. Über die Erinnerung gegen den Kostenansatz hat zunächst der Rechtspfleger des Grundbuchamts zu entscheiden.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 3 W 213/02

In dem Verfahren

betreffend den Kostenansatz für die Eintragung einer Grundschuld an dem unter lfd. Nr. ...... im Grundbuch von ......... Band ..... Blatt ..... eingetragenen Grundstück, Gemarkung ............ Flurstück .............................. ............... zu ...........ar,

hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dury, den Richter am Oberlandesgericht Cierniak und die Richterin am Oberlandesgericht Simon-Bach auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2) vom 25./28. Oktober 2002 gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 27. September 2002

ohne mündliche Verhandlung

am 12. November 2002

beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die weitere Beschwerde ist infolge ihrer Zulassung gemäß § 14 Abs. 3 Satz 2 KostO statthaft und auch ansonsten in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Insbesondere wird der in § 14 Abs. 3 Satz 2 KostO vorausgesetzte Wert des Beschwerdegegenstandes überschritten.

II.

In der Sache bleibt die weitere Beschwerde jedoch ohne Erfolg. Der angefochtene Beschluss beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts (§ 14 Abs. 3 Satz 3 KostO i.V.m. § 546 ZPO).

1. Mit Recht hat zunächst der Rechtspfleger des Grundbuchamts gemäß § 14 Abs. 2 KostO über die Erinnerung der Beteiligten zu 1) und 2) gegen den Kostenansatz entschieden. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats, dass der Rechtspfleger zur Entscheidung berufen ist, wenn er für die Entscheidung in der "Hauptsache" zuständig ist, in diesem Fall also gemäß §§ 4 Abs. 1, 3 Nr. 1 Buchst. h RPflG (vgl. Senat, JurBüro 1981, 1709, 1710; Rpfleger 1998, 332; ebenso etwa BayObLG NZG 2002, 786, 787). Von der Entscheidung über die Erinnerung gegen den Kostenansatz ist der konkrete Rechtspfleger, der als Kostenbeamter die Kostenrechnung erstellt hat, zwar ausgeschlossen (Senat, Rpfleger 1998, 332 m.w.N.). Diesem Umstand ist hier aber Rechnung getragen worden.

2. Zu Recht hat das Amtsgericht für die Eintragung der Grundschuld in das Grundbuch eine volle Gebühr (§ 62 Abs. 1 KostO) angesetzt und die Gebühr gemäß § 32 KostO nach dem Nennbetrag der Schuld (des Grundpfandrechts) als Geschäftswert berechnet (§ 23 Abs. 2 KostO). Das entspricht den genannten Vorschriften der Kostenordnung. Auch die Beteiligten zu 1) und 2) bestreiten dies nicht. Sie meinen jedoch, die genannten Wertvorschriften seien nicht verbindlich, da die Ermittlung der Gebühr ausschließlich nach einem am Nennbetrag der Schuld orientierten Geschäftswert gegen höherrangiges Recht verstoße. Stattdessen müsse die Höhe der Gebühr nach dem tatsächlichen Aufwand und einem eventuellen Haftungsrisiko bestimmt werden. Dem folgt der Senat nicht; er schließt sich vielmehr der zu der von den Beteiligten zu 1) und 2) aufgeworfenen Rechtsfrage ergangenen Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts an (vgl. BayObLGZ 2000, 350; 2001, 275; BayObLG NJW-RR 2000, 736; ebenso OLG Hamm FGPrax 2001, 90).

a) Die Berechnung der genannten Gebühr nach dem Nennbetrag der Schuld als Geschäftswert verstößt nicht gegen Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaften.

Die Richtlinie des Rates vom 17. Juli 1969, betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (69/335/EWG i.d.F. der Richtlinie des Rates vom 10. Juni 1985, 85/303/EWG, abgedruckt ABl. L 249, S. 25, ABl. L 156, S. 23; sog. Gesellschaftssteuerrichtlinie) ist nach ihrem Art. 3 nur auf Kapitalgesellschaften und vergleichbare Personenvereinigungen und somit nicht in dem hier gegebenen Fall anzuwenden. Der Europäische Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 2. Dezember 1997 (ZIP 1998, 206) auch keinen allgemeinen Grundsatz dahin aufgestellt, dass die Mitgliedstaaten generell keine Gebühren für staatliche Leistungen erheben dürften, die über die Kosten für die jeweilige Leistung hinausgehen. Die Entscheidung beschränkt sich, ebenso wie diejenige vom 29. September 1999 (ZIP 1999, 1681), auf die Auslegung der genannten Richtlinie und die hiervon erfassten Abgabentatbestände. Auf andere Sachverhalte kann die Entscheidung nicht übertragen werden. Die Urteilsgründe enthalten keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gerichtshof die Erhebung von Gebühren auch in Bereichen beschränken wollte, die in der Richtlinie nicht geregelt sind. Das Gleiche gilt für die Entscheidung vom 21. März 2002 (ZIP 2002, 663) über die Berechnung der Gebühren beamteter Notare im Bezirk des Oberlandesgerichts Karlsruhe für die notarielle Beurkundung eines Vertrages über die Gründung einer Kapitalgesellschaft (im Ergebnis übereinstimmend Waldner in Rohs/Wedewer, KostO vor § 1 Rdnr. 15; Rohs aaO § 18 Rdnr. 1 a).

b) Die Berechnung der Gebühr nach dem durch den Nennbetrag der Schuld bestimmten Geschäftswert ist - entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 1) und 2) - auch mit dem Verfassungsrecht vereinbar. Die Anknüpfung der Höhe der Gebühr an den Wert des Geschäfts (§ 18 Abs. 1 KostO) verstößt weder gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) noch gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG; übereinstimmend Rohs aaO).

aa) Das Bundesverfassungsgericht hat sich wiederholt mit der Frage der Vereinbarkeit von Wertgebühren mit dem Grundgesetz beschäftigt (BVerfGE 50, 217, 225 ff.; 80, 103, 106 f.; 85, 337, 346 f.; 97, 332, 334 ff.; BVerfG JurBüro 2000, 146). Nach den hierzu entwickelten Grundsätzen muss eine Verknüpfung zwischen der Gebühr und den Kosten der öffentlichen Leistung mit dem Zweck bestehen, die Kosten ganz oder teilweise zu decken; die Gebühr darf diese Kosten jedoch übersteigen oder unterschreiten (BVerfGE 50, 217, 226) und neben der Deckung der anfallenden Kosten auch andere Ziele verfolgen (BVerfG JurBüro 2000, 146). In diesem Zusammenhang darf der Gesetzgeber auch dem Gesichtspunkt der Leistungsfähigkeit des Gebührenschuldners Bedeutung zumessen, um dem verfassungsrechtlich abgesicherten Sozialstaatsprinzip und dem Justizgewährungsanspruch Rechnung zu tragen (BVerfGE 80, 103, 107). Aus der Zweckbindung der Gebühr ergibt sich keine verfassungsrechtlich begründete Begrenzung der Gebührenhöhe durch die tatsächlichen Kosten einer staatlichen Leistung; das Kostendeckungsprinzip und ähnliche gebührenrechtliche Prinzipien sind keine Grundsätze mit verfassungsrechtlichem Rang (BVerfG JurBüro 2000, 146). Der weite Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers ist nur dann überschritten, wenn die Gebühr völlig unabhängig von der gebührenpflichtigen Staatsleistung festgesetzt wird und kein vernünftiger Gesichtspunkt vorhanden ist, unter dem die Verknüpfung von Gebühr und Leistung sachgemäß erscheint (BVerfGE 50, 217, 227).

Diese weit gefasste Grenze ist hier nicht überschritten. Die Beteiligten zu 1) und 2) beanstanden den fehlenden Bezug zwischen dem die Höhe der Gebühr bestimmenden Geschäftswert und dem für die Eintragung anfallenden Aufwand. Ihnen ist zuzugeben, dass kein Bezug zwischen dem Nennbetrag der Schuld (§ 23 Abs. 2 KostO) und der Bearbeitungsdauer besteht. Einen Erfahrungssatz, wonach die Eintragungen bei hohen Nennbeträgen öfter schwierige Probleme mit sich brächten als bei niedrigen Nennbeträgen, gibt es nicht. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die Gebühr nicht nur zur Deckung des für die konkrete Eintragung anfallenden Arbeitsaufwands bestimmt ist, sondern auch zur Deckung der sonstigen allgemein mit der Grundbuchführung verbundenen Aufwendungen wie den Sachinvestitionen, der Abgleichung des Grundbuchs mit anderen öffentlichen Registern, insbesondere dem Liegenschaftsregister, den Rechtsbehelfsverfahren und der Kosteneinziehung.

Ferner treten neben das Kriterium des Bearbeitungs- und Sachaufwands weitere Umstände, die geeignet sind, die Wertgebühr sachlich zu rechtfertigen. Dazu gehört zum einen die Bedeutung der Eintragung für die Beteiligten. Je höher der Nennbetrag der Schuld, desto höher ist das wirtschaftliche Interesse der Beteiligten an der staatlichen Leistung. Damit korrespondiert im Übrigen im Regelfall auch die Leistungsfähigkeit der Beteiligten. Der durch die Wertabhängigkeit der Gebühren vermittelte Ausgleich zwischen nicht kostendeckenden Eintragungen mit geringem Geschäftswert und Eintragungen mit hohem Geschäftswert spiegelt so eine Komponente des Sozialstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 1 GG) wider. Ferner steigt das Haftungsrisiko der öffentlichen Hand entsprechend dem Nennbetrag der Schuld. Schließlich kann für die Wertgebühr ihre Übersichtlichkeit und damit auch ihre Berechenbarkeit und Vorhersehbarkeit für die Beteiligten sowie ihre einfache Handhabbarkeit für die öffentliche Hand ins Feld geführt werden. Sie kommt letztlich wiederum den Beteiligten zugute, weil eine kostspielige Erfassung des Aufwands allein zu Zwecken der Gebührenberechnung unterbleiben kann. Ein allzu starker Anstieg der Gebühr bei höheren Geschäftswerten wird durch die in § 32 KostO vorgesehene Gebührendegression vermieden. Von einer "verdeckten Steuer" kann daher entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 1) und 2) nicht die Rede sein. Dem Umstand, dass bei einem von ihnen beabsichtigten Grundstückserwerb weitere Gebühren anfallen werden, kommt für die hier zu treffende Entscheidung keine Bedeutung zu.

bb) Das Bundesverfassungsgericht hat nicht beanstandet, dass der Gesetzgeber die Höhe der Gerichtsgebühren in bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten überwiegend an den Streit- oder Geschäftswert knüpft (BVerfGE 85, 337, 346). Letzterer könne im Rahmen zulässiger Pauschalierung als Anhaltspunkt für den Wert der staatlichen Leistung angesehen werden. Diese Beurteilung kann auf die Grundbuchgebühren übertragen werden. Auch bei bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten besteht kein unmittelbarer Bezug zwischen Streit- oder Geschäftswert einerseits, Bearbeitungsaufwand andererseits. Die oben genannten Kriterien reichen daher hier wie dort für die sachgerechte Entscheidung des Gebührengesetzgebers zugunsten der Wertgebühr aus, zumal es sich in Grundbuchsachen um ein Massengeschäft handelt, das in besonderem Maß nach einer Pauschalierung verlangt. Dem entspricht es, dass das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde einer Beteiligten, die sich erfolglos gegen die Wertgebühren in Grundbuchsachen gewandt hatte, nicht zur Entscheidung angenommen hat (Beschluss vom 1. Februar 1999 - 1 BvR 162/90, zitiert nach BayObLGZ 2000, 350, 354 und Mertin ZRP 2000, 81, 83 mit Fußnote 19).

cc) Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet nicht die entsprechende Anwendung der Grundsätze, die der Senat zu den Handelsregistergebühren, insbesondere zu §§ 26, 79 KostO entwickelt hat, auf Grundbuchgebühren. Der Senat hat zu diesen Vorschriften entschieden, dass Gebühren für bestimmte Handelsregistereintragungen den tatsächlichen Aufwand nicht übersteigen dürfen (Senat, FGPrax 1999, 195 = Rpfleger 1999, 464; OLGR 2000, 75; vgl. auch BayObLGZ 1998, 303, 306). Diese - richtlinienkonforme - Auslegung nationaler Kostenvorschriften war durch die Gesellschaftssteuerrichtlinie und die auf ihrer Grundlage ergangenen, bereits erwähnten Entscheidungen des Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften geboten. Demgegenüber ist der Gebührenmaßstab für Grundbucheintragungen im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben durch die Vorschriften der Kostenordnung abschließend geregelt. Europarechtliche Vorgaben, die eine abweichende Handhabung rechtfertigen könnten, bestehen nicht. Wollte man anders entscheiden, liefe dies darauf hinaus, dem europäischen Normgeber mittelbar über den Gleichheitssatz Einfluss auch auf solche nationalen Rechtsvorschriften einzuräumen, auf die sich seine Kompetenz nicht erstreckt.

dd) Ob eine Abkehr vom Wertgebührensystem bei den Grundbuchgebühren - jenseits zwingender verfassungsrechtlicher Vorgaben - wünschenswert ist (vgl. hierzu Mertin ZRP 2000, 81, 82 ff.), hat der Senat nicht zu entscheiden.

III.

Eine Kostenentscheidung und eine Festsetzung des Wertes des Beschwerdegegenstandes sind für das Verfahren der weiteren Beschwerde nicht veranlasst (§ 14 Abs. 7 KostO).

Ende der Entscheidung

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