Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 23.11.2001
Aktenzeichen: 3 W 226/01
Rechtsgebiete: WEG, BGB


Vorschriften:

WEG § 8
WEG § 14 Nr. 1
WEG § 15 Abs. 3
WEG § 22 Abs. 1
BGB § 903
BGB § 1004
1. Ein Wohnungseigentümer kann von einem anderen Wohnungseigentümer nicht die Beseitigung von baulichen Veränderungen verlangen, die zu einem Zeitpunkt vorgenommen worden sind, zu dem noch keine (werdende) Wohnungseigentümergemeinschaft bestand. Das gilt auch dann, wenn der frühere Alleineigentümer und Vermieter einem früheren Mieter die Durchführung der Baumaßnahmen auf der Grundlage des Mietvertrages gestattet hat.

2. Zur Beseitigung einer unterirdisch verlegten Wasserleitung, wenn die Teilungserklärung in Abänderung der §§ 22 Abs. 1 Satz 2, 14 Nr. 1 WEG jegliche nicht völlig unerhebliche Veränderung am gemeinschaftlichen Eigentum von der Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer abhängig macht.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 3 W 226/01

In dem Verfahren

betreffend die Wohnungseigentumsanlage

wegen Beseitigung von baulichen Veränderungen,

hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch die Richter am Oberlandesgericht Hengesbach und Cierniak sowie die Richterin am Oberlandesgericht Simom-Bach auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 20./21. September 2001 gegen den ihren Verfahrensbevollmächtigten am 10. September 2001 zugestellten Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 31. August 2011

ohne mündliche Verhandlung

am 23. November 2001

beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Die Beteiligten zu 1) haben die Gerichtskosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde zu tragen; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Der Geschäftswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 10.500,-- DM festgesetzt.

Gründe:

1. Die sofortige weitere Beschwerde ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden (§§ 43 Abs. 1 Nr. 1, 45 Abs. 1 WEG, 29 Abs. 1 und 4, 22 Abs. 1 FGG). Das gilt auch insoweit, als die Beteiligten zu 1) das Rechtsmittel nach Ablauf der Einlegungsfrist auf weitere Teile der angefochtenen Entscheidung erstreckt haben (vgl. BGHZ 91, 154, 159; Keidel/Kahl, FG 14. Aufl. § 21 Rdnr. 7 b).

2. In der Sache bleibt das Rechtsmittel jedoch ohne Erfolg; denn die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einer Verletzung des Gesetzes (§§ 43 Abs. 1 WEG, 27 Abs. 1 FGG, 550 ZPO).

a) Zu Recht geht das Landgericht - ebenso wie bereits das Amtsgericht - davon aus, dass die Beteiligten zu 1) befugt sind, ohne Ermächtigungsbeschluss der übrigen Wohnungseigentümer den Beseitigungsanspruch allein gerichtlich geltend zu machen (vgl. BGHZ 116, 393, 394; KG ZMR 2000, 331, 332).

b) Die Beteiligten zu 1) haben keinen Anspruch auf Beseitigung des an der Wohneinheit der Beteiligten zu 2) angebrachten Vordachs sowie des im Bereich der Sondernutzungsfläche dieser Beteiligten errichteten Schwimmbeckens. § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB scheidet als Rechtsgrundlage aus, weil die baulichen Maßnahmen an der Wohnanlage zu einer Zeit ausgeführt wurden, zu der weder eine rechtlich in Vollzug gesetzte noch eine werdende Wohnungseigentümergemeinschaft bestand.

Bis zur Teilung gemäß § 8 WEG kann der Eigentümer eines Grundstücks dieses - im Rahmen der Rechtsordnung - nach seinen Vorstellungen baulich ausgestalten (§ 903 BGB). Auch nach der Teilung bleibt er zunächst Eigentümer aller Wohnungs- und Teileigentumseinheiten. Ihm steht somit auch zu dieser Zeit noch die alleinige Herrschaftsmacht nicht nur über jedes Sondereigentum, sondern auch über das gemeinschaftliche Eigentum zu. Wenn er bis zu diesem Zeitpunkt das gemeinschaftliche Eigentum baulich verändert, so ist dies keine Beeinträchtigung i.S. des § 1004 BGB und er ist nicht etwa "Störer" seines eigenen Eigentums, auch wenn dieses schon die Rechtsform des Wohnungseigentums erhalten hat. Wenn sodann andere Personen Wohnungs- oder Teileigentumseinheiten erwerben, übernehmen sie das Sondereigentum und das gemeinschaftliche Eigentum in dem Zustand, den diese bereits vorher erhalten haben. Sie können die Beseitigung dieses Zustands nicht gemäß § 1004 BQB verlangen (BayObLGZ 1987, 78, 81 f.; BayObLG WE 1991, 364; 1992, 194; NJW-RR 1994, 276; OLG Schleswig WE 1994, 87). Die Rechtslage ist hier nicht anders, als wenn ein Eigentümer-Bauträger eine Wohnanlage von vornherein abweichend von dem ursprünglichen Plan (zugleich Aufteilungsplan) errichtet und anschließend Wohnungseigentum überträgt. Der Wohnungseigentümer, der einen Miteigentumsanteil mit Sondereigentum in einer bestimmten baulichen Gestaltung erwirbt, ist nicht schon deshalb Störer i.S. des § 1004 BGB, weil der Zustand der Wohnanlage von dem in der Teilungserklärung oder der Gemeinschaftsordnung vorgesehenen abweicht (BayObLG NJW-RR 1986, 954, 955; 1988, 587, 588; OLG Hamm WE 1993, 318, 319).

Nach diesen Rechtsgrundsätzen, ist hier ein Beseitigungsanspruch aus § 1004 BGB nicht gegeben: Das Landgericht hat verfahrensfehlerfrei und damit für den Senat als Rechtsbeschwerdegericht bindend festgestellt, dass sowohl das Schwimmbecken als auch das Vordach vor der Teilung gemäß § 8 WEG errichtet worden waren. Entgegen der mit der weiteren Beschwerde erneut vorgetragenen Auffassung der Beteiligten zu 1) ist es für die rechtliche Beurteilung unerheblich, dass den damaligen Mietern des nunmehr von den Beteiligten zu 2) bewohnten Hauses (S. 6 des angefochtenen Beschlusses) diese baulichen Veränderungen von dem früheren Alleineigentümer und Vermieter gestattet worden sind. Es kommt nicht darauf an, dass der Vermieter sein Einverständnis auf der Grundlage eines schuldrechtlichen Vertrages erklärt hat. Denn der Ausschluss des Beseitigungsanspruchs beruht darauf, dass die Voraussetzungen des § 1004 BGB nicht vorliegen, wenn sich das gemeinschaftliche Eigentum in seinem ursprünglichen - im Zeitpunkt der Entstehung der (werdenden) Wohnungseigentümergemeinschaft bereits gegebenen - Zustand befindet und eine spätere Umgestaltung nicht vorliegt (OLG Hamm WE 1993, 318, 319). Eine dingliche Absicherung im Grundbuch oder ein einstimmiger Beschluss der Wohnungseigentümer ist daher entgegen der Auffassung der weiteren Beschwerde nicht erforderlich.

Der Beseitigungsanspruch gegen die Beteiligten zu 2) lässt sich auch nicht auf § 15 Abs. 3 WEG stützen (vgl. BayObLGZ 1987, 78, 82; BayObLG WE 1991, 364, 365). Dadurch, dass das Vordach und das Schwimmbecken, die beide vor dem maßgebenden Zeitpunkt errichtet wurden, nach wie vor vorhanden sind, machen die Beteiligten zu 2) nicht von dem gemeinschaftlichen Eigentum "Gebrauch" ; durch die bloße Existenz der baulichen Ausgestaltung verstoßen die Beteiligten zu 2) nicht gegen §§ 13 Abs. 2, 14 Nr. 1 WEG (Vgl. BayObLGZ 1987, 78, 82).

Der Beseitigungsanspruch kann schließlich nicht aus dem zwischen den Wohnungseigentümern bestehenden gesetzlichen Schuldverhältnis (vgl. Bärmann/Pick/Merle, WEG 8. Aufl. § 10 Rdnr. 27) hergleitet werden. Die Beteiligten zu 2) haben das gemeinschaftliche Eigentum - ebenso wie alle übrigen Wohnungseigentümer - übernommen, ohne daran insoweit etwas zu verändern (vgl. BayObLG NJW-RR 1986, 954, 955; 1988, 587, 588).

c) Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht weiter die Zurückweisung des Antrags der Beteiligten zu 1) bestätigt, "die von (der) Wohneinheit (der Beteiligten zu 2) durch den Bereich der den Antragstellern (den Beteiligten zu 1) zugewiesenen Sondernutzungsfläche im Freien unter dem dort verlegten Pflaster geführte Wasserleitung zu entfernen und den früheren Zustand fachgerecht Wiederherzustellen". Die Voraussetzungen des § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB liegen auch insoweit nicht vor.

Das Landgericht hat keine Feststellungen zum Zeitpunkt des Verlegens der Wasserleitung (bestehend aus einem durch ein Elektrokabelrohr geführten Gummi-Plastikschlauch) getroffen und auch nicht geprüft, ob ihr Einbau als bauliche Veränderung i.S.d. § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG anzusehen ist (vgl. OLG Düsseldorf PGPrax 2000, 138). Auch wenn daher im Rechtsbeschwerdeverfahren von einer baulichen Veränderung im Bereich des gemeinschaftlichen Eigentums (vgl. Bärmann/Pick/Merle aaO § 15 Rdnr. 17, § 22 Rdnr. 29) auszugehen ist, vermag dies der weiteren Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Denn eine solche Baumaßnahme bedurfte hier nicht der Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer. Eine Zustimmung ist gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG entbehrlich, wenn aus der Maßnahme für den oder die betroffenen Wohnungseigentümer i.S. von § 14 Nr. 1 WEG kein Nachteil erwächst, der über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgeht (BGH NJW 1992, 978, 979; Senat, NJW-RR 1987, 1358; OLGR 1998, 209; WE 1999, 139, 144; Beschluss vom 9? November 2001 - 3 W 198/01 -; BayObLG NZM 1998, 795 f., jew. m. w. N.). Die Frage, ob und in welchem Umfang Ziff. II. 5 der Teilungserklärung eine die - abdingbaren (Senat, NJW-RR 1987, 1359 f.) - Bestimmungen der §§ 22 Abs. 1 Satz 2, 14 Nr. 1 WEG verschärfende Regelung enthält, bedarf hier keiner Entscheidung: Auch wenn danach jegliche nicht völlig unerhebliche Veränderung am gemeinschaftlichen Eigentum ohne Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer unzulässig sein sollte (vgl. BayObLG WE 1996, 470; s. ferner BGHZ 73, 196, 199, 200; Staudinger/Bub, BGB 12. Aufl. § 22 WEG Rdnr. 4), bedurfte es im gegebenen Fall nicht der Zustimmung der Beteiligten zu 1). Insoweit liegt die Feststellung, ob eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums eine nicht völlig unerhebliche Beeinträchtigung darstellt, weitgehend auf tatrichterlichem Gebiet. Der Senat als Rechtsbeschwerdegericht kann die tatsächliche Würdigung des Landgerichts gemäß, §§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, 561 Abs. 2 ZPO nicht auf ihre sachliche Richtigkeit, sondern nur darauf überprüfen, ob ihr Ergebnis auf einem Rechtsfehler beruht (vgl. etwa BGHZ 116, 392, 396; BayObLG NJW-RR 1997, 971, 972 Bärmann/Pick/Merle aaO § 22 Rdnr. 111 a). Das ist hier nicht der Fall:

Das Landgericht hat zunächst auf den Beschluss des Amtsgerichts vom 6. Februar 2001 Bezug genommen; dort hat das Amtsgericht ausgeführt, dass "irgendeine Beeinträchtigung durch die unterirdisch verlegten Leitungen ... nicht ersichtlich" sei. Zudem hat auch die Kammer selbst bei der Prüfung des § 15 Abs. 3 WEG dargelegt, dass von der unterirdisch verlegten Wasserleitung keine relevanten Beeinträchtigungen ausgehen. Sie hat in diesem Zusammenhang hervorgehoben, dass die Beteiligten zu 1) "ein sonstiges, rechtlich fassbares Interesse" an der Beseitigung der Wasserleitung nicht geltend gemacht haben. Diese Tatsachenwürdigung lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Einen Nachteil für ihr Sondereigentum (vgl. OLG Düsseldorf aaO) behaupten die Beteiligten zu 1) selbst nicht. An der betroffenen Fläche haben sie lediglich ein mit den Worten "im Freien" näher umschriebenes Sondernutzungsrecht (vgl. Staudinger/Kreuzer aaO § 15 WEG Rdnr. 77). Auf den von ihnen mit der weiteren Beschwerde hervorgehobenen Umstand, dass die Verlegung der Wasserleitung auch im Bereich der übrigen Gemeinschaftsfläche möglich gewesen wäre, kommt es daher nicht an. Mit ihren hypothetischen Erwägungen "zu etwaigen Reparatur- oder Wartungsarbeiten an der Wasserleitung" versucht die weitere Beschwerde lediglich, ihre Würdigung des Sachverhalts an die Stelle derjenigen des Landgerichts zu setzen; damit kann sie im Rechtsbeschwerdeverfahren keinen Erfolg haben.

Ein Anspruch auf Beseitigung kann auch nicht, wie bereits das Landgericht ausgeführt hat, auf § 15 Abs. 3 WEG gestützt werden. Eine Regelung darüber, unter welchen Voraussetzungen eine Wasserleitung verlegt werden darf, sieht die Gemeinschaftsordnung nicht vor. Die Vorinstanzen haben eine entsprechende Regelung durch Vereinbarung oder Eigentümerbeschluss nicht festgestellt. Es ist mithin davon auszugehen, dass die Beteiligten zu 2) die Wasserleitung wie geschehen nur dann verlegen durften, wenn dies dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entsprach. Ob und inwieweit dies der Fall ist, hat gemäß § 43 Abs. 2 WEG der Richter zu entscheiden (BayObLGE 1987, 79, 86). Die Entscheidungen der Vorinstanzen lassen, wie sich aus den Ausführungen des Senats zu §§ 22, 14 Nr. 1 WEG (und Ziff. II.5 der Teilungserklärung) ergibt, Ermessensfehler nicht erkennen (ebenso BayOBLG WE 1991, 364, 365 für den Fall eines mit den Versorungsleitungen in der Erde versenkten Flüssiggastanks).

Für die Entscheidung kann demzufolge dahinstehen, ob das Beseitigungsverlangen der Beteiligten zu 1) - wie vom Amtsgericht angenommen - außerdem als rechtsmissbräuchlich und als Verstoß gegen das Schikaneverbot (§ 226 BGB) ausgeschlossen wäre (vgl. dazu etwa Senat, ZMR 1999, 855; Beschluss vom 14. Juli 1999 - 3 W 131/99 -; OLG Düsseldorf ZMR 1998, 657, 658; KG ZMR, 2000, 331, 333; Bärmann/Pick/Merle aaO § 22 Rdnr. 237).

3. Die Entscheidung über die Gerichtskosten beruht auf § 47 Satz 1 WEG. Eine Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Auslagen (§ 47 Satz 2 WEG) ist nicht veranlasst, weil die übrigen Wohnungseigentümer nicht förmlich am Rechtsbeschwerdeverfahren beteiligt waren.

Den Geschäftswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde hat der Senat gemäß § 48 Abs. 3 WEG in Übereinstimmung mit den von den Vorinstanzen - unbeanstandet - angenommenen Werten festgesetzt.

Ende der Entscheidung

Zurück