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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 16.01.2001
Aktenzeichen: 3 W 237/00
Rechtsgebiete: InsO, InsVV


Vorschriften:

InsO § 6 Abs. 1
InsO § 7 Abs. 1 Satz 1
InsO § 64 Abs. 3
InsVV § 2
InsVV § 3 Abs. 2
1.) Hinsichtlich der Vergütung des Nachlassinsolvenzverwalters bestehen gegenüber dem Regelinsolvenzverfahren keine Besonderheiten.

2.) Die Darstellung eines Sachverhaltes durch das Erstbeschwerdegericht kann ausnahmsweise dann durch eine konkrete Bezugnahme auf bestimmte Urkunden oder Aktenteile ersetzt werden, wenn sich für das Rechtsbeschwerdegericht hieraus zuverlässig ergibt, von welchem Sachverhalt auszugehen ist.

3.) Ein Unterschreiten des Regelvergütungssatzes kommt über die in § 3 InsVV enumerativ genannten Fälle hinaus dann in Betracht, wenn der qualitative und quantitative Zuschnitt des Verfahrens ganz erheblich hinter den Kriterien des Normalfalles eines Insolvenzverfahrens zurückbleibt.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 3 W 237/00 2 T 548/00 LG Koblenz 11 IN 28/99 AG Betzdorf

In dem Nachlassinsolzvenzverfahren

wegen Vergütung des Nachlassinsolvenzverwalters,

hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dury, die Richterin am Oberlandesgericht Simon-Bach und den Richter am Oberlandesgericht Cierniak auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers vom 29. September/2. Oktober 2000 gegen den ihm am 19. September 2000 zugestellten Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 12. September 2000 ohne mündliche Verhandlung

am 16. Januar 2001

beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 12. September 2000 wird zugelassen.

2. Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

3. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde zu tragen.

4. Der Gegenstandswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 8.949,94 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Mit Schriftsatz vom 27. Juli 2000 beantragte der Nachlassinsolvenzverwalter, seine Vergütung entsprechend der Regelvergütung in Höhe von 13 418,23 DM sowie pauschlierte Auslagen in Höhe von 15 %, mithin 2 012,73 DM, jeweils zzgl. Mehrwertsteuer, festzusetzen.

Mit Beschluss vom 21. August 2000 setzte der Rechtspfleger bei dem Amtsgericht Betzdorf die Vergütung auf 6 709,12 DM und die Auslagen auf 1 006,37 DM, jeweils zzgl. Mehrwertsteuer, fest. Zur Begründung führte er aus, die Vergütung sei ausgehend von dem Regelsatz gemäß § 2 InsVV von 13.418,23 DM auf den hälftigen Betrag zu reduzieren, weil sowohl der zeitliche Aufwand, der Verwertungsaufwand als auch der Prüfungsumfang erheblich unter dem Aufwand eines durchschnittlichen Regelinsolvenzverfahrenfgelegen hätten. Die Insolvenzmasse habe lediglich aus einem Miterbenanteil an einem Hausgrundstück und einer landwirtschaftlichen Fläche bestanden, für die bereits Kaufinteressenten vorhanden gewesen seien. Mit diesen habe der Antragsteller nur noch über den Preis verhandeln müssen. Insgesamt seien lediglich sechs Insolvenzforderungen angemeldet worden.

Das Landgericht hat die gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde des Antragstellers mit Beschluss vom 12. September 2000 zurückgewiesen. Es hat ohne eigene Sachverhaltsdarstellung unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Rechtspflegers ausgeführt, die Regelung des § 3 Abs. 2 InsVV rechtfertige ein Zurückbleiben hinter dem Regelsatz. Dem Umfang und der Schwierigkeit der Geschäftsführung des Verwalters könne nach dieser Vorschrift durch Abweichungen vom Regelsatz Rechnung getragen werden. Die in § 3 Abs. 2 InsVV enthaltene Aufzählung von Regelbeispielen sei nicht abschließend. Bei der Bemessung der Vergütung des Insolvenzverwalters sei zu berücksichtigen, ob ein einfaches Insolvenzverfahren vorliege und ob bei einer niedrigen Teilungsmasse wenige Forderungsanmeldungen vorhanden seien. Unter Berücksichtigung der hier vorliegenden besonderen Umstände erachte die Kammer insgesamt eine Vergütung in Höhe des, hälftigen Regelsatzes als angemessen.

Gegen diesen ihm am 19. September 2000 zugestellten Beschluss beantragte der Nachlassinsolvenzverwalter am 2. Oktober 2000 die Zulassung der sofortigen weiteren Beschwerde, mit der er die Festsetzung seiner Vergütung entsprechend seinem Antrag begehrte. Er ist der Auffassung, die vom Landgericht vorgenommene Interpretation des § 3 Abs. 2 InsVV sei nicht zulässig. Das unter Buchstabe d) aufgeführte Fallbeispiel sei eindeutig und lasse die Auslegung dahin, dass ein Abschlag auch dann gerechtfertigt sei, wenn die Masse gering sei, nicht zu. Nach einhelliger Meinung sei § 3 Abs. 2 d InsVV nur dann einschlägig, wenn die darin genannten Voraussetzungen kumulativ vorlägen.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist zuzulassen. Sie führt in der Sache jedoch nicht zum Erfolg.

1. Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig.

a) Das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken ist gemäß § 7 Abs. 3 InsO i.V.m. § 1 a Abs. 2 der rheinland-pfälzischen Landesverordnung über die gerichtliche Zuständigkeit in Zivilsachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der Fassung vom 28. April 1998 (GVBl. S. 134) für die Entscheidung über die weitere Beschwerde in Insolvenzsachen zuständig.

b) Die sofortige weitere Beschwerde ist statthaft. Sie ist auf den gemäß §§ 7 Abs. 1 Satz 2 InsO, 577 Abs. 1 und 2, 569 ZPO form- und fristgerecht eingereichten Antrag hin zuzulassen, weil sie darauf gestützt wird, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruht und die Nachprüfung der Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist (§ 7 Abs. 1 Satz 1 InsO).

Eine weitere Beschwerde nach § 7 Abs. 1 Satz 1 InsO setzt stets voraus, dass bereits gegen die Entscheidung des Erstgerichts die sofortige Beschwerde gemäß § 6 Abs. 1 InsO statthaft war (BGH ZInsO 2000, 280; Senat, Beschlüsse vom 19. Oktober 2000 - 3 W 108/00 - und vom 26. Oktober 2000 - 3 W 206/00 - = ZIP 2000, 260 f; BayObLG MDR :1999, 1344 und 2000, 51; OLG MDR 1999, 629; OLG Naumburg, Beschluss vom 10. März 2000 - 5 W 18/00 - = ZInsO 2000, 216 und NZI 2000, 263, 264 jew. m.w.N.). Das ist hier der Fall. Denn der Beschluss des Amtsgerichts über die Festsetzung der Vergütung des Insolvenzverwalters einschließlich der zu erstattenden Auslagen unterliegt gemäß §§ 6 Abs. 1, 64 Abs. 3 InsO, 11 Abs. 1 RPflG der sofortigen Beschwerde, wenn - wie hier - der Mindestbeschwerdewert der §§ 64 Abs. 3 Satz 2 InsO, 567 Abs. 2 ZPO erreicht ist. Im Nachlassinsolvenzverfahren bestehen gegenüber dem Regelinsolvenzverfahren keine Besonderheiten (Kübler/Prütting RWS-Kommentar, InsO § 315 Rdnr. 10).

Der Nachlassinsolvenzverwalter macht geltend, die angefochtene Entscheidung des Landgerichts beruhe auf einer Verletzung des Gesetzes. Die Frage nach den Grundsätzen der Bemessung der Vergütung, insbesondere nach den Voraussetzungen der Reduzierung der Regelvergütung haben grundsätzliche Bedeutung, so dass die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist.

Die weitere Beschwerde ist auch nicht etwa gemäß § 568 Abs. 2 Satz 2 ZPO unzulässig, weil die landgerichtliche Beschwerdeentscheidung mit der Entscheidung des Amtsgerichts übereinstimmt. Die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 1 InsO enthält insoweit keine solche Einschränkung der Statthaftigkeit. Sie geht als speziellere Bestimmung der allgemeinen Vorschrift des § 568 Abs. 2 Satz 2 ZPO vor (vgl. BGH ZInsO aaO, 281; Senat OLG-Rep. 2000, 369, 370; OLG Köln OLG-Rep. 2000, 141, 142; BayObLGZ 1999, 310, 312, 313). Demnach hängt die Zulässigkeit der weiteren Beschwerde nicht davon ab, ob die Vorinstanzen divergierende Entscheidungen getroffen haben, sondern allein davon, ob die Nachprüfung der - ggfs. auch übereinstimmenden - Entscheidungen der Vorinstanzen zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist (vgl. Senat aaO; OLG Köln ZIP 1999, 1929, 1930).

3. In der Sache führt die sofortige weitere Beschwerde jedoch nicht zum Erfolg. Der angefochtene Beschluss des Landgerichts beruht nicht auf einer Verletzung des Gesetzes (§§ 7 Abs. 1 Satz 2 InsO, 550 ZPO).

Es begegnet im vorliegenden Fall ausnahmsweise keinen rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht von der Darstellung eines Sachverhaltes abgesehen hat. Zwar ist die Rechtsbeschwerde gemäß § 7 InsO vom Gesetzgeber in enger Anlehnung an die weitere Beschwerde gemäß § 27 FGG ausgestaltet (BtDrs. 12/2443 S. 111). Im Verfahren nach § 27 FGG hat das Rechtsbeschwerdegericht wie auch im Verfahren nach § 7 Abs. 1 Satz 2 InsO nur dasjenige Vorbringen zu beurteilen, das sich aus dem Sachverhalt der angefochtenen Entscheidung entnehmen lässt (§ 561 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und an dessen tatsächliche Feststellungen das Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich gebunden ist (§ 561 Abs. 2 ZPO). Das Rechtsbeschwerdegericht ist damit nicht befugt, den Sachverhalt, von dem das Landgericht ausgegangen ist, aus den Akten zu ermitteln und der rechtlichen Prüfung zugrundezulegen (Senat, vgl. etwa Beschlüsse vom 29. Dezember 1998 - 3 W 272/98 - und vom 8. Januar 2001 - 3 W 161/00 - ; BayObLG, Beschlüsse vom 4. Juli 2000 - 4 Z BR 12/00 - und vom 24. Mai 2000 - 4 Z BR 11/00 -; OLG Köln NZI 2000, 133 m.w.N.). Diese dem Gericht der weiteren Beschwerde obliegende Überprüfung ist daher nur möglich, wenn sich der angegriffenen Entscheidung entnehmen lässt, von welchem konkreten Sachverhalt das Gericht der Erstbeschwerde ausgegangen ist und wie er festgestellt wurde. Dazu ist grundsätzlich eine vollständige Sachverhaltsdarstellung nötig, die lediglich durch konkrete Bezugnahme auf bestimmte Urkunden oder Aktenteile ersetzt werden darf (BayObLG, Beschlüsse aaO und NJW-RR 1994, 617, 618; OLG Köln NZI aaO). Aus einer solchen Bezugnahme muss sich zuverlässig ergeben, von welchem Sachverhalt das Landgericht ausgegangen ist.

Das Landgericht hat zur Vermeidung von Wiederholungen voll umfänglich Bezug auf die Entscheidung des Rechtspflegers bei dem Amtsgericht Bezug genommen. Diese Bezugnahme beinhaltet auch die tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Beschlusses, die den der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt wiedergeben. Dass der Sachverhalt der Entscheidung des Rechtspflegers nicht im Rahmen einer gesonderten Darstellung vorangestellt, sondern in die rechtliche Würdigung eingearbeitet worden ist, schadet insoweit nicht. Denn aus den tatsächlichen Feststellungen ergeben sich hier Art und Umfang der Tätigkeit des Antragstellers zweifelsfrei.

Die Entscheidung des Landgerichts ist auch in der Sache rechtlich nicht zu beanstanden. Es kann dahinstehen, ob das unter § 3 Abs. 2 d) InsVV angeführte Regelbeispiel eine Auslegung zulässt. Denn das Landgericht hat seine Entscheidung nicht auf § 3 Abs. 2 d) gestützt. Es hat vielmehr darauf abgestellt, dass die in § 3 Abs. 2 InsVV enthaltene Aufzählung der Regelbeispiele nicht abschliessend ist. Das ist - wie bereits ausgeführt - rechtlich nicht zu beanstanden, Nach § 3 Abs. 2 InsVV ist ein Zurückbleiben hinter dem Regelsatz insbesondere in den dort unter a) bis d) genannten Fällen gerechtfertigt. Als Korrektiv zu den starren, aussschliesslich auf den Wert der Masse bezogenen Regelsätzen des § 2 InsVV sind konkret tätigkeitsbezogene Zu- und Abschläge erforderlich. Die Regelung des § 3 InsVV schliesst an § 63 InsO an, wonach "dem Umfang und der Schwierigkeit der Geschäftsführung des Verwalters" durch Abweichungen vom Regelsatz Rechnung zu tragen ist. Bei der Berechnung der Zu- und Abschläge soll der tatsächliche Arbeitsaufwand des Insolvenzverwalters maßgebendes Bemessungskriterium sein. Die Kriterien für diese Abweichungen sind im Wesentlichen aus § 4 Abs. 2 und 3 VergütVO übernommen. Wie im bisherigen Recht wird durch Einfügung des Wortes "insbesondere" gewährleistet, dass auch nicht geregelte Faktoren, die Einfluss auf den Umfang und die Schwierigkeit der Geschäftsführung des Insolvenzverwalters haben, die Höhe: der Vergütung beeinflussen können (vgl. Hess, InsVV § 3 Rdnrn. 1 und 2; Kübler/Prütting aaO Anhang I Begründung zu § 3 InsVV). Demnach kommt über die in § 3 InsVV enumerativ genannten Fällen hinaus ein Unterschreiten des Regelsatzes insbesondere dann in Betracht, wenn der qualitative und quantitative Zuschnitt des Verfahrens ganz erheblich hinter den Kriterien des Normalfalles eines Insolvenzverfahrens zurückbleibt (Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV 2. Aufl. § 3 Rdnr. 56). Bei den in § 3 InsVV aufgeführten Gründen, die eine Verminderung des Regelsatzes der festzusetzenden Vergütung rechtfertigen, handelt es sich um eine nicht erschöpfende Aufzählung beispielhafter Einzelfälle. Das Gericht kann bei der Festsetzung der dem Insolvenzverwalter zu gewährenden Vergütung von den aus §§ 1, 2 InsVV zu errechnenden Beträgen abweichen, wenn sich ein Missverhältnis zwischen der Tätigkeit des Insolvenzverwalters und dem Regelsatz der Vergütung feststellen lässt. Bei der von der Regelvergütung abweichenden Festsetzung der Verwaltervergütung sind außer den in § 3 Abs. 2 InsVV angeführten Umständen unter anderem folgende beispielhafte Gesichtspunkte zu berücksichtigen: die Dauer des Verfahrens, der Umfang und die Zahl der Forderungsanmeldungen, die zeitliche Inanspruchnahme der Arbeitskraft des Insolvenzverwalters während der Dauer des Verfahrens, die Anzahl der Insolvenzverwalterberichte sowie Besonderheiten und Schwierigkeiten einzelner Verwertungsmaßnahmen (vgl. Hess aaO § 3 Rdnrn. 10, 11, 14).

Ausgehend von den durch die Vorinstanzen festgestellten Besonderheiten des hier vorliegenden Falles, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, ist die vorgenommene Reduzierung der Vergütung rechtlich nicht zu beanstanden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 4 InsO, 97 Abs. 1 ZPO.

Den Gegenstandswert des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde hat der Senat gemäß §§ 25 Abs. 2, 35 GKG, 3 ZPO entsprechend der unbeanstandet gebliebenen Wertfestsetzung durch die Vorinstanz auf der Grundlage des Interesses des Antragstellers an der Änderung der angefochtenen Entscheidung bestimmt.

Ende der Entscheidung

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