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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 02.02.2004
Aktenzeichen: 3 W 251/03
Rechtsgebiete: WEG, FGG, ZPO


Vorschriften:

WEG § 22 Abs. 1 Satz 2
WEG § 14 Nr. 1
FGG § 27 Abs. 1
ZPO § 559
Die Feststellung, ob eine ohne Zustimmung sämtlicher Wohnungseigentümer vorgenommene bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums (hier: Anbringung einer Markise) den optischen Gesamteindruck der Wohnanlage nachteilig verändert, obliegt grundsätzlich den Tatrichtern. Sie kann vom Rechtsbeschwerdegericht nicht auf ihre sachliche Richtigkeit, sondern nur darauf überprüft werden, ob ihr Ergebnis auf einem Rechtsfehler beruht.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

3 W 251/03

In dem Verfahren

betreffend die Wohnungseigentumsanlage .....,

wegen Beseitigung einer Markise,

hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Richter am Oberlandesgericht Petry, die Richterin am Oberlandesgericht Simon-Bach und die Richterin am Landgericht Stutz auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin vom 26. November 2003 gegen den ihren Verfahrensbevollmächtigten am 24. November 2003 zugestellten Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 31. Oktober 2003

ohne mündliche Verhandlung

am 2. Februar 2004

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin hat die Gerichtskosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde zu tragen.

III. Der Gegenstandswert des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 2 000,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 1) bis 7) sind die Eigentümer der von dem Verfahren betroffenen Wohnanlage, die von der Beteiligten zu 8) verwaltet wird.

Der Antragstellerin und der Antragsgegnerin gehören nebeneinander liegende Wohnungen im dritten Geschoß. Diese haben auf der von der Straßenfront abgewandten Nordseite des Gebäudes jeweils einen Balkon, wobei die Balkonflächen der Wohnungen durch eine Glasscheibe voneinander getrennt sind.

Die Antragsgegnerin hat im Jahr 2002 ohne Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer über ihrem Balkon eine 5 m lange und auf eine Breite von 1,5 m ausfahrbare Markise anbringen lassen; diese ist in der Bodenplatte des Balkons der Oberliegerwohnung verankert.

In dem vorliegenden Verfahren verlangt die Antragstellerin die Beseitigung der Markise. Der Antrag war beim Amtsgericht erfolgreich. Demgegenüber hat auf die Erstbeschwerde der Antragsgegnerin hin das Landgericht nach Inaugenscheinnahme der Örtlichkeit das Beseitigungsverlangen der Antragstellerin zurückgewiesen, weil - wie in der Entscheidung näher ausgeführt wird - die Wohnungseigentümer nach den Umständen des vorliegenden Falles durch die bauliche Veränderung keinen über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehenden Nachteil erführen. Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie ihr Beseitigungsverlangen weiterverfolgt.

II.

1. Die sofortige weitere Beschwerde ist statthaft und auch im Übrigen verfahrensrechtlich bedenkenfrei (§§ 43 Abs. 1 Nr. 1, 45 WEG, §§ 27 Abs. 1, 29 Abs. 1 und Abs. 4, 21 Abs. 2, 22 Abs. 1 FGG).

2. In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg. Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO). Die Tatrichter haben vielmehr mit aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen einen Beseitigungsanspruch der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin gemäß § 1004 BGB, §§ 15 Abs. 3, 22 Abs. 1 WEG verneint.

a) Im Ausgangspunkt ist richtig, dass das Anbringen einer Markise eine bauliche Veränderung im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG darstellt, die über die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgeht. Eine so geartete bauliche Veränderung bedarf auch grundsätzlich der Zustimmung aller Wohnungseigentümer. Entbehrlich ist diese Zustimmung allerdings dann, wenn die Wohnungseigentümer durch die Maßnahme keinen über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehenden Nachteil erfahren (§§ 22 Abs. 1 Satz 2, 14 Nr. 1 WEG). Maßgebend ist danach, ob den anderen Wohnungseigentümern durch die bauliche Maßnahme in vermeidbarer Weise ein Nachteil erwächst. Unter Nachteil in diesem Sinne ist jede nicht ganz unerhebliche konkrete Beeinträchtigung zu verstehen. Indes stellt nicht jede Veränderung, etwa des optisch- architektonischen Erscheinungsbildes der Wohnanlage, bereits eine über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinausgehende Beeinträchtigung dar. Ein nicht hinzunehmender optischer Nachteil liegt vielmehr nur bei solchen Veränderungen vor, die sich objektiv nachteilig auf das äußere Bild der Wohnanlage auswirken; entscheidend ist, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in der entsprechenden Lage verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann (vgl. zum Ganzen BGHZ 116, 392 = NJW 1992, 978, 979; Senat, Beschlüsse vom 21. September 1999 - 3 W 141/99 -, abgedr. in FG-Prax 1999, 220 und OLGR 2000, 131, vom 14. Oktober 2002 - 3 W 182/02 -, abgedr. in ZWE 2003, 274, 276, sowie vom 21. November 2002 - 3 W 179/02 -, abgedr. in FG-Prax 2003, 60 und OLGR 2003, 168; BayObLG NJW-RR 1996, 266; BayObLG NJW-RR 2003, 952, 953, jeweils m. w. N.).

b) Einen Verstoß gegen diese Rechtsgrundsätze lässt die Entscheidung des Landgerichts nicht erkennen.

In rechtlicher Hinsicht ist obergerichtlich entschieden, dass eine Markise auch in ausgezogenem Zustand nicht in jedem Fall eine optische Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes eines Gebäudes darstellt (vgl. BayObLG NJW-RR 1996, 266; OLG Düsseldorf, DWE 1989, 176, 178).

Im Übrigen liegt die Feststellung, ob die von einem Wohnungseigentümer vorgenommene bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums den optischen Gesamteindruck der Wohnanlage mehr als nur unerheblich nachteilig verändert, auf tatsächlichem Gebiet. Sie kann vom Senat als Rechtsbeschwerdegericht nicht auf ihre sachliche Richtigkeit, sondern nur darauf überprüft werden, ob ihr Ergebnis auf einem Rechtsfehler beruht (vgl. Senat, Beschluss vom 21. November 2002 - 3 W 179/02 -, abgedr. in FG-Prax 2003, 60, 61 m. w. N.; BayObLGR 2003, 423 [LS]; BayObLG NJW-RR 2003, 952).

Die Zivilkammer ist aufgrund von zwei zu unterschiedlichen Tageszeiten durchgeführten Ortsbesichtigungen und unter erschöpfender Würdigung der örtlichen Gegebenheiten zu dem Ergebnis gelangt, dass "im vorliegenden Fall durch die angebrachte Markise auch im ausgefahrenen Zustand weder das Erscheinungsbild des Gebäudes, noch der Sonneneinfall auf dem Balkon der Antragstellerin in einem solchen Maße beeinträchtigt (wird), dass dies ... als erheblich eingestuft werden könnte".

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin ohne Erfolg. Denn gemäß § 43 Abs. 1 WEG, § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 559 ZPO ist eine Nachprüfung der vom Landgericht verfahrensfehlerfrei festgestellten tatsächlichen Verhältnisse in der Rechtsbeschwerdeinstanz ausgeschlossen. Die Tatsachenwürdigung durch die Instanzgerichte ist nur dahin überprüfbar, ob die Tatrichter den maßgebenden Sachverhalt ausreichend erforscht (§ 12 FGG), bei der Erörterung des Beweisstoffes alle wesentlichen Umstände berücksichtigt (§ 25 FGG) und hierbei nicht gegen gesetzliche Beweisregeln und Verfahrensvorschriften sowie gegen Denkgesetze, feststehende Erfahrungssätze und den allgemeinen Sprachgebrauch verstoßen haben (vgl. in diesem Zusammenhang Senat, Beschluss vom 24. Oktober 2002 - 3 W 182/02 -, abgedr. in ZWE 2003, 274, 276).

Derartige Rechtsfehler werden indes von der weiteren Beschwerde nicht aufgezeigt und sind auch sonst nicht ersichtlich. Der Versuch der Rechtsbeschwerde, die eigene Würdigung der Antragstellerin zum tatsächlichen Vorliegen einer nicht ganz unerheblichen Beeinträchtigung durch die von der Antragsgegnerin angebrachte Markise an die Stelle der Wertung durch das Tatgericht zu setzen, ist unzulässig und kann dem Rechtsmittel deshalb nicht zum Erfolg verhelfen.

3. Die Entscheidung über die Verpflichtung zur Tragung der Gerichtskosten beruht auf § 47 Satz 1 WEG. Entsprechend dem Grundsatz, dass die Beteiligten ihre Kosten selbst zu tragen haben, ist eine Anordnung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten nach § 47 Satz 2 WEG nicht veranlasst.

Den Wert des Gegenstandes der sofortigen weiteren Beschwerde hat der Senat entsprechend der unbeanstandet gebliebenen Wertfestsetzung durch die Vorinstanzen bestimmt, § 48 Abs. 3 WEG.

Ende der Entscheidung

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