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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 26.02.2001
Aktenzeichen: 3 W 272/00
Rechtsgebiete: FGG, BGB


Vorschriften:

FGG § 27 Abs. 1 Satz 1
BGB § 2247
BGB § 2255
BGB § 2358
1. Zur Frage des Beruhens im Falle einer Verletzung des rechtlichen Gehörs durch eine Überraschungsentscheidung.

2. Im Verfahren auf Erteilung eines Erbscheins können Errichtung, Form und Inhalt eines nicht auffindbaren Testaments mit allen zulässigen Beweismitteln bewiesen werden.

3. Der Umstand allein, dass die Testamentsurkunde nicht aufgefunden werden kann, begründet keine Vermutung dafür, dass der Erblasser sie in Widerrufsabsicht vernichtet habe. Insoweit trägt derjenige die Feststellungslast, der sich zur Begründung des von ihm beanspruchten Erbrechts auf die Vernichtung beruft.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 3 W 272/00 2 T 392/00 Landgericht Koblenz 7 VI 250/99 Amtsgericht Westerburg

In dem Verfahren

hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dury, die Richterin am Oberlandesgericht Simon-Bach und den Richter am Oberlandesgericht Cierniak auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 24./27. November 2000 gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 17. Oktober 2000

ohne mündliche Verhandlung

am 26. Februar 2001

beschlossen:

Tenor:

1. Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Der Wert des Beschwerdegegenstandes für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 334.000,-- DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der zwischen dem 27. Februar 1998 und dem 3. März 1998 an den Folgen eines Gewaltverbrechens verstorbene Erblasser im Jahre 1965 oder 1966 ein privatschriftliches Testament errichtet, mit dem er seinen Neffen, den Beteiligten zu 9), zum Alleinerben eingesetzt hat. Die Beteiligte zu 1), im Falle gesetzlicher Erbfolge neben den weiteren Beteiligten dieses Verfahrens Erbin zweiter Ordnung, ist dieser Annahme entgegengetreten und meint darüber hinaus, dass, falls von der Errichtung eines solchen Testaments auszugehen sein sollte, der Erblasser dieses widerrufen habe.

Mit - am 8. Juni 2000 berichtigtem - Beschluss vom 31. Mai 2000 hat das Nachlassgericht den Antrag des Beteiligten zu 9) auf Erteilung eines Erbscheins, der ihn als Alleinerben ausweist, zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass zwar von einer Erbeinsetzung des Beteiligten zu 9) ausgegangen werden könne, diesem aber nicht der Beweis gelungen sei, dass die "testamentarische Erbeinsetzung bis zum Zeitpunkt des Todes fortgegolten hatte und dem Willen des Erblassers entsprach". Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde des Beteiligten zu 9) hat das Landgericht diese Entscheidung mit Beschluss vom 17. Oktober 2000 aufgehoben und das Nachlassgericht zur Erteilung des beantragten Erbscheins angewiesen. In Übereinstimmung mit dem Nachlassgericht von einer Erbeinsetzung des Beteiligten zu 9) ausgehend ist das Beschwerdegericht der Auffassung, es stehe nicht fest, dass der Erblasser seine letztwillige Verfügung widerrufen bzw. das Testament "aus diesem Grunde" vernichtet habe; die Feststellungslast für einen Widerruf treffe die Beteiligte zu 1). Diese hat gegen die Entscheidung des Landgerichts weitere Beschwerde eingelegt.

II.

Die weitere Beschwerde ist statthaft und in zulässiger Weise erhoben (§§ 27, 29 Abs. 1 und 4, 20 FGG). In der Sache bleibt das Rechtsmittel jedoch ohne Erfolg, weil die angefochtene Entscheidung nicht auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§§ 27 Abs. 1 FGG, 550 ZPO).

1. Die verfahrensrechtliche Beanstandung, das Landgericht habe seine Hinweispflicht und den Grundsatz des rechtlichen Gehörs dadurch verletzt, dass es abweichend von einem in der mündlichen Verhandlung erteilten Hinweis entschieden habe, greift im Ergebnis nicht durch.

a) Die Beteiligte zu 1) trägt hierzu in ihrer Beschwerdeschrift vor, das Landgericht habe im Anschluss an die Beweisaufnahme erklärt, der Antragsteller - der Beteiligte zu 9) - sei nach wie vor dafür "beweispflichtig", dass ein etwa zu einem früheren Zeitpunkt zu seinen Gunsten errichtetes Testament auch tatsächlich noch zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers Bestand gehabt habe. Nach der mit der weiteren Beschwerde vorgelegten anwaltlichen Versicherung des Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1) habe der Vorsitzende darauf hingewiesen, dass der notwendige Beweis für die Erbeinsetzung des Antragstellers nicht erbracht worden sei. Übereinstimmend heißt es in beiden Darstellungen sodann, dem Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1) sei erklärt worden, weitere Ausführungen seien nicht erforderlich.

b) Der Senat muss den - nicht eindeutigen - Behauptungen nicht nachgehen und auch nicht den Eingang der mit der weiteren Beschwerde angekündigten eidesstattlichen Versicherung des Zeugen A abwarten; denn er schließt aus, dass der angefochtene Beschluss auf einem etwaigen Verfahrensverstoß beruhen kann (§ 27 Abs. 1 Satz 1 FGG).

Allerdings läge nach dem Vortrag der Beteiligten zu 1) sowohl bei einem - unzutreffenden, vgl. Ziff. 2 b) - Hinweis auf die Feststellungslast für das Vorliegen eines Widerrufs des Testaments als auch bei einem Hinweis auf eine von der Zivilkammer zunächst beabsichtigte, von der Vorinstanz abweichende Beweiswürdigung zur Frage der Testamentserrichtung eine mit dem auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu beachtenden Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG; BVerfG NJW 1995, 2095, 2096) unvereinbare Überraschungsentscheidung vor. Das Gericht verletzt nämlich das rechtliche Gehör, wenn es - wie hier behauptet - einen ausdrücklichen Hinweis zu einer entscheidungserheblichen Frage erteilt und in seiner Entscheidung entgegengesetzt erkennt, ohne die Verfahrensbeteiligten auf die Änderung der rechtlichen Beurteilung hinzuweisen (vgl. BVerfG NJW 1996, 3202; NJW-RR 1993; 382, 383 und zum FG-Verfahren OLG Köln JMBL.NW 1981, 101; OLG Hamm FamRZ 1987, 1063; Keidel/Kayser, FG 14. Aufl. § 12 Rdnr. 132). Das Landgericht wäre daher nach den auch im Verfahren, der freiwilligen Gerichtsbarkeit Geltung beanspruchenden Grundgedanken der §§ 139 Abs. 1, 278 Abs. 3 ZPO (vgl. BGH NJW 1982, 2505, 2506; BayObLGZ 1988, 422, 424; ZIP 1998, 2099, 2101; OLG Frankfurt am Main DB 1997, 85, 86; OLG Köln OLGZ 1992, 395, 396; Jansen, FGG 2. Aufl. 12 Rdnr. 7) gehalten gewesen, den Beteiligten vor einer von dem erteilten Hinweis abweichenden Entscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (vgl. BGH VersR 1967, 1095, 1096; NJW 1994, 1880, 1881; NJW-RR 1994, 566, 567; Stein/Jonas/Leipold, ZPO 21. Aufl. § 278 Rdnr. 37 a).

Auf einem solchen Verstoß könnte die angefochtene Entscheidung jedoch nicht beruhen. Wenn das rechtliche Gehör nicht - etwa dadurch, dass ein materiell Beteiligter überhaupt nicht zum Verfahren zugezogen wird - völlig versagt wird, sondern der Anspruch auf Gehör - wie hier von der Beteiligten zu 1) behauptet - nur in einzelnen Verfahrensabschnitten verletzt ist, liegt kein absoluter, sondern ein relativer Beschwerdegrund vor (BayObLGZ 1980, 23, 25; 1988, 356, 358; BayObLG FamRZ 1987, 101, 102; 1997, 218; Rpfleger 1982, 69, 70; Keidel/Kayser aaO § 12 Rdnr. 152; Keidel/Kahl aaO § 27 Rdnr. 18). Die Verletzung rechtlichen Gehörs ist daher nur dann von Bedeutung, wenn die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensverstoß beruht oder beruhen kann. Deshalb muss stets die Ursächlichkeit des Rechtsfehlers geprüft werden. Im gegebenen Fall ist unabhängig davon, ob sich der behauptete Hinweis des Gerichts auf die Errichtung oder aber auf einen Widerruf des Testaments bezog, auszuschließen, dass die Entscheidung der Beschwerdekammer bei einem der Sach- und Rechtslage entsprechenden Hinweis anders ausgefallen wäre:

Die Beteiligte zu 1) hätte zur Frage des Beruhens mit der weiteren Beschwerde darlegen müssen, was sie bei Gewährung des rechtlichen Gehörs in der Vorinstanz vorgebracht hätte (vgl. BayObLGZ 1990, 177, 180 f.; BayObLGR 2001, 3; Jansen aaO 12 Rdnr. 8, 104; s. auch BVerfG NJW 1994, 1053, 1054; 1996, 3202; BGH, jew. aaO und BGHZ 31, 43, 47). Das ist im Zusammenhang mit der Rüge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht geschehen.

Ihre weiteren Ausführungen, mit denen die Beteiligte zu 1) einen Rechtsfehler des Landgerichts aufzuzeigen versucht, bewegen sich zwar weitgehend auf tatsächlichem Gebiet; der Senat schließt aber aus, dass dieser Vortrag die Entscheidung des Beschwerdegerichts hätte beeinflussen können. Das gilt namentlich für den Hinweis auf "verschiedene Zeugen", welche die Vermögenslosigkeit des Erblassers zurzeit der Testamentserrichtung bestätigen könnten. Denn das Landgericht hat ausgeführt, daß der Erblasser - in der Zeit der Testamentserrichtung - den Beteiligten zu 9) "in Zusammenhang mit der Beantragung eines Siedlungseignungsscheins" (S. 4 der Beschlussabschrift) als seinen Erben angegeben hat. Damit hat es Umstände festgestellt, die eine Erbeinsetzung unabhängig vom Vorhandensein von Vermögen nahe legen. Diesen gewichtigen Umstand übergeht die Beteiligte zu 1) ebenso wie die an anderer Stelle getroffene Feststellung der Beschwerdekammer, der Erblasser habe seiner früheren Ehefrau - somit nicht lange vor seinem Tode - erklärt, das Haus bekäme der Neffe (der Beteiligte zu 9). Im Blick auf diese Beweislage ist es auszuschließen, daß das Landgericht in Kenntnis der Ausführungen der Beteiligten zu 1) die Tatfrage der Errichtung eines Testaments im Jahre 1965 oder 1966 sowie eines späteren Widerrufs anders beurteilt hätte. Der Vortrag zeigt keine neuen oder vom Gericht erkennbar übersehenen erheblichen Umstände auf. Das gilt auch für die von der Beschwerdekammer gewürdigte Aussage des von ihr vernommenen Zeugen A. Indem sie dessen Angaben erst im Zusammenhang mit einem Widerruf des Testaments erörtert, hat sie entschieden, dass den Äußerungen des Erblassers gegenüber dem "ihm unbekannten" (S. 11 der Beschwerdeschrift) Zeugen anlässlich eines Besuchs bei der Beteiligten zu 1) keine Bedeutung für die Frage der Errichtung eines Testaments - ca. 20 Jahre vor diesem Zeitpunkt - beizumessen ist.

Auch im Übrigen vermag der Senat den Akten keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Beteiligte zu 1) weitere entscheidungserhebliche Tatsachen oder zusätzliche Beweismittel hätte vorbringen können. Nach dem Akteninhalt sind die insoweit in Betracht kommenden Beweisquellen erschöpft. Die in den Entscheidungen der Vorinstanzen nicht erwähnte eidesstattliche Versicherung der Frau H U vom 30. März 1999 bestätigt lediglich die Darstellung der Zeugin K U (nicht: O) über die Testamentserrichtung. Diese Zeuginnen hat der Beteiligte zu 9) bei seinen umfangreichen Nachforschungen nach Bekannten des Erblassers ermittelt. Hinweise auf weitere noch lebende Personen, die Auskunft über die Errichtung des Testaments geben könnten, liegen nicht vor. Die Beteiligte zu 1) hatte der Erblasser über seine letztwillige Verfügung nicht informiert; das Ergebnis ihrer eigenen Nachforschungen hat sie bereits in ihrer Erwiderung auf die Erstbeschwerde des Beteiligten zu 9) vorgetragen.

Der unsubstantiierte Hinweis auf neue Beweismittel und neuen Sachvortrag auf den Seiten 4 und 5 der Beschwerdeschrift hindert den Senat daher unter den hier gegebenen Umständen nicht, das Beruhen auszuschließen. Einer vorherigen Nachfrage bei der Beteiligten zu 1) (vgl. Keidel/Kayser aaO 5 12 Rdnr. 152) bedarf es hierzu nicht. Der Senat schließt im Blick auf die hier gegebene Sachlage nämlich aus, dass die Beteiligte zu 1) - über ihren weitgehend auf tatsächlichem Gebiet liegenden Beschwerdevortrag hinaus - erhebliche Ausführungen dazu machen könnte, was sie bei einem zutreffenden bzw. korrigierenden Hinweis des Gerichts außerdem noch hätte vorbringen können, zumal die der angegriffenen Entscheidung zugrunde liegenden Tatsachen bereits in erster und zweiter Instanz ausführlich erörtert worden sind.

2. Das Landgericht ist auch im Übrigen ohne eine im Verfahren der weiteren Beschwerde allein zu prüfende Gesetzesverletzung zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beteiligte zu 9) aufgrund des Testaments au dem Jahre 1965 oder 1966 Alleinerbe des Erblassers geworden und ihm deshalb der beantragte Erbschein zu erteilen ist (§ 2359 BGB).

a) Rechtsfehlerfrei hat das Beschwerdegericht angenommen, Errichtung und Inhalt des eigenhändigen Testaments seien erwiesen.

aa) Im Verfahren auf Erteilung eines Erbscheins ist von Amts wegen das Vorhandensein, die Echtheit und Wirksamkeit der Verfügung von Todes wegen zu prüfen (Soergel/Harder, BGB 12. Aufl. § 2255 Rdnr. 13; Palandt/Edenhofer, BGB 60. Aufl. § 2358 Rdnr. 3). Die Errichtung eines nicht mehr vorhandenen Testaments kann mit allen zulässigen Beweismitteln bewiesen werden (vgl. § 2356 Abs. 1 Satz 2 BGB). An den Nachweis des Inhalts und der formgültigen Errichtung der letztwilligen Verfügung sind jedoch strenge Anforderungen zu stellen (Senat, NJW-RR 1987, 1158; Beschluss vom 14. September 1992 - 3 W 130/92 BayObLGZ 1971, 147, 154; BayObLG NJW-RR 1992, 653, 654; OLG Hamm OLGZ 1975, 87, 90; Palandt/Edenhofer aaO § 2255 Rdnr. 12). Hierbei bestimmt das Gericht den Umfang der Ermittlungen unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des einzelnen Falles nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Frage, ob der Erblasser ein formgültiges Testament errichtet hat, liegt auf tatsächlichem Gebiet. Die hierzu vom Gericht der Tatsacheninstanz getroffenen Feststellungen und dessen Beweiswürdigung können im Verfahren der weiteren Beschwerde gemäß §§ 27 Abs. 1 FGG, 561 ZPO nur dahin nachgeprüft werden, ob der Tatrichter den maßgeblichen Sachverhalt ausreichend erforscht (§ 12 FGG, § 2358 BGB), bei der Erörterung des Beweisstoffes alle wesentlichen Umstände berücksichtigt (§ 25 FGG) und dabei nicht gegen Beweisregeln, Denkgesetze und feststehende Erfahrungssätze verstoßen hat, ferner, ob die Beweisanforderungen zu hoch oder zu niedrig angesetzt worden sind (BayObLG FamRZ 1986, 1043, 1044 f.; 1990, 1162, 1163; Rpfleger 1989, 457; Keidel/Kahl aaO § 27 Rdnr. 42 m. w. N.).

bb) Nach diesen Grundsätzen ist dem Landgericht eine Verletzung der Ermittlungs- und Aufklärungspflicht nicht unterlaufen. Ein möglicher Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme gemäß den §§ 15 Abs. 1 Satz 1 FGG, 355, 375 Abs. 1 ZPO bei der - zutreffend im Strengbeweisverfahren durchgeführten (vgl. Senat, NJW-RR 1988, 1211; OLGZ 1989, 295, 297; OLG Köln NJW-RR 1993, 970) - Vernehmung der Zeugin K U durch den ersuchten Richter ist schon in erster Instanz geheilt worden (§ 295 ZPO; vgl. BGHZ 40, 179, 183 f.; BGH NJW 1979, 2518; OLG Hamm OLGZ 1968, 334, 335; KG FamRZ 1968, 605, 606; Jansen aaO § 27 Rdnr. 41). Eine erneute Anhörung der bereits im ersten Rechtszug vernommenen Zeugen war hier nicht gebotet (vgl. Senat, OLGZ 1989, 295; BayObLG Rpfleger 1989, 457, 458; Bassenge/Herbst, FGG/RPflG 8. Aufl. § 23 Rdnr. 4). Aus den in Ziff. 1 genannten Gründen scheidet auch eine durchgreifende Verletzung der Aufklärungspflicht als Folge eines unzutreffenden Hinweises des Gerichts aus.

cc) Die Beweiswürdigung des Landgerichts zur Testamentserrichtung hält den Angriffen der weiteren Beschwerde stand. Sie berücksichtigt alle wesentlichen Umstände, ist nachvollziehbar und läßt keinen Rechtsfehler erkennen. Hierzu müssen die Schlussfolgerungen des Tatrichters nicht zwingend sein; es genügt, daß sie möglich sind (st. Rspr.; vgl. BayObLG NJW-RR 1992, 1358, 1359; FamRZ 1995, 1235, 1236). Das Landgericht hat insbesondere die Aussage der Zeugin K U rechtsfehlerfrei gewürdigt. Die mit der weiteren Beschwerde angegriffene Beurteilung der Glaubwürdigkeit dieser Zeugin und der Glaubhaftigkeit ihrer Bekundungen ist dem Tatgericht überlassen und kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht nachgeprüft werden (st. Rspr.; vgl. Senat, Beschluss vom 19. Oktober 1990 - 3 W 97/90; BayObLG FamRZ 1985, 534, 536; 1986, 1043, 1045; 1987, 101, 103; 1990, 1162, 1163; 1996, 1110, 1111; Keidel/Kahl aaO § 27 Rdnr. 48). Zudem läuft das Vorbringen der Beteiligten zu 1) im Wesentlichen auf den Versuch hinaus, ihre eigene Tatsachen- und Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des Landgerichts zu setzen. Damit aber kann sie im Verfahren der weiteren Beschwerde keinen Erfolg haben (vgl. BGH FamRZ 1972, 561, 563 f.; BayObLGZ 1982, 309, 317 m. w. N.).

Es liegt auch keine lückenhafte Beweiswürdigung vor. Zu einer noch eingehenderen Erörterung war die Beschwerdekammer nach der Beweislage nämlich nicht verpflichtet: Die weitere Beschwerde übergeht die Feststellungen, dass der Erblasser den Beteiligten zu 9) in zeitlichem Zusammenhang mit der Testamentserrichtung selbst als seinen Erben bezeichnet und seiner früheren Ehefrau nicht lange vor seinem Tode erklärt hat, sie würde das Haus nicht bekommen, das bekäme der Neffe, also der Beteiligte zu 9). Die Rechtsmittelführerin, die nur den ersten Teil dieser Äußerung wiedergibt, übersieht im Übrigen, dass diese Erklärung mit einem Pflichtteilsanspruch der früheren Ehefrau durchaus zu vereinbaren gewesen war (§ 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB). Bei dieser Beweislage war das Landgericht nicht verpflichtet, die Äußerung des Erblassers gegenüber dem Zeugen A anlässlich eines Besuchs bei der Beteiligten zu 1), er habe überhaupt kein Testament gemacht, im Hinblick auf die Errichtung der letztwilligen Verfügung ausdrücklich zu erörtern.

b) Keinen rechtlichen Bedenken begegnen ferner die Ausführungen des Landgerichts zur Frage eines Widerrufs des Testaments.

Gemäß § 2255 Satz 1 BGB kann ein Testament u. a. durch Vernichtung der Testamentsurkunde in der Absicht, es aufzuheben, widerrufen werden. Die Frage, ob die Vernichtung der Urkunde vom Erblasser selbst vorgenommen worden ist, ist eine Tatfrage, die der Tatrichter nach seinem pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden kann. Stellt er ohne Rechtsfehler fest, dass der Erblasser selbst die Urkunde vernichtet hat, wird nach § 2255 Satz 2 BGB vermutet, dass er die Aufhebung de Testaments beabsichtigt habe. Verbleiben nach ausreichenden Ermittlungen Zweifel daran, ob die Urkunde vom Erblasser selbst vernichte wurde; gehen diese Zweifel zu Lasten desjenigen, der sich zur Begründung des von ihm beanspruchten Erbrechts auf die Vernichtung beruft Der Nachweis eines Testamentswiderrufs mittels Vernichtung darf angesichts der Beweisschwierigkeiten nach dem Ableben des Erblassers allerdings nicht zu sehr erschwert werden, wenn die Testamentsurkunde nicht auffindbar ist. Eine tatsächliche Vermutung dafür, dass ein nicht mehr vorhandenes Originaltestament durch den Erblasser selbst vernichtet worden ist, besteht jedoch nicht. Es müssen zumindest Indizien vorliegen, beispielsweise der Nachweis einer Willensänderung des Erblassers, um im Zusammenhang mit der Nichtauffindbarkeit des Testaments den Beweis der Vernichtung i. S. des § 2255 BGB zu erbringen (Senat, NJW-RR 1987, 1158; Beschluss vom 14. September 1992 - 3 130/92 -; BayObLG Rpfleger 1980, 60; NJW-RR 1992, 1358; OLG Düsseldorf FamRZ 1994, 1283; KG OLGZ 1991, 144, 146; OLG Frankfurt am Mai Rpfleger 1978, 310, 312; OLG Hamm OLGZ 1975, 87, 91 f.; Soergel/Harder aaO § 2255 Rdnr. 15; Staudinger/Baumann, BGB 13. Aufl. § 2255 Rdnr. 27 ff.; Keidel/Kayser aaO § 12 Rdnr. 194).

Das Landgericht ist nach durchgeführter Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gelangt, dass nicht festzustellen ist, warum die Testamentsurkunde nicht mehr vorhanden ist. Nach seiner Wertung ist es nicht unwahrscheinlich, dass die Urkunde im Zusammenhang mit dem Gewaltverbrechen zum Nachteil des Erblassers verschwunden ist. Dies weist keinen Rechtsfehler auf. Die Äußerungen des Erblassers gegenüber dem Zeugen A hat das Beschwerdegericht gewürdigt und in einer rechtlich möglichen, nach Sachlage sogar nahe liegenden Schlussfolgerung nicht als ausreichend erachtet, eine Vernichtung der Urkunde durch den Erblasser zu beweisen. Hierbei hat es die Erklärung nicht etwa nur isoliert (vgl. "Allein...", Seite 6 der Beschlussabschrift), sondern auch in einer Gesamtschau mit den sonstigen Indizien (vgl. "Auch...", Seite 6 und 7 der Beschlussabschrift) bewertet. Mit der von der weiteren Beschwerde hervorgehobenen Deutungsmöglichkeit, der Erblasser habe erklärt, er habe kein Testament gemacht, weil er es zuvor bereits widerrufen habe, hat sich die Beschwerdekammer rechtsfehlerfrei auseinandergesetzt, wobei zu berücksichtigen ist, daß jene Erklärung mit der weiteren Äußerung des Erblassers, die Beteiligte zu 1) würde seinen Besitz ohnehin einmal erben, erbrechtlich nicht ohne weiteres in Einklang zu bringen ist. Eine noch eingehendere Auseinandersetzung mit der Aussage des Zeugen A war angesichts der Feststellung, dass der Erblasser den Beteiligten zu 9) in zeitlich wesentlich engerem Zusammenhang mit seinem Tode gegenüber seiner früheren Ehefrau unverändert als seinen Erben bezeichnet hat, nicht geboten.

Ein Widerruf des Testaments liegt in der Äußerung des Erblassers gegenüber dem Zeugen A nicht (vgl. §§ 2253 ff. BGB und Palandt/Edenhofer aaO § 2253 Rdnr. 2).

III.

Einer Kostenentscheidung für das Rechtsbeschwerdeverfahren bedarf es nicht. Hinsichtlich der Gerichtskosten ergibt sich die Kostentragungspflicht der Beteiligten zu 1) aus § 131 Abs. 1 Nr. 1 KostO. Eine Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten ist nicht veranlasst, weil im Verfahren der weiteren Beschwerde außer der Beteiligten zu 1) niemand förmlich beteiligt worden ist.

Den Wert des Beschwerdegegenstandes hat der Senat gemäß §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1, 107 Abs. 2 KostO in Anlehnung an die unbeanstandet gebliebene Wertbestimmung des Landgerichts (Beschluss vom 6. November 2000) festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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