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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 14.05.2001
Aktenzeichen: 3 W 36/01
Rechtsgebiete: InsO, ZPO


Vorschriften:

InsO § 38
InsO § 89
ZPO § 766
ZPO § 850 c
ZPO § 850 f Abs. 2
Leitsatz:

Einzelzwangsvollstreckung bei Insolvenz

(1) Insolvenzgläubiger gehören nicht zu den gemäß § 89 Abs. 2 Satz 2 InsO privilegierten Gläubigern von Forderungen aus vorsätzlichen unerlaubten Handlungen, die auch während der Dauer des Insolvenzverfahrens in den gemäß § 850 f Abs. 2 ZPO evtl. erweitert pfändbaren Teil der künftigen Bezüge des Schuldners vollstrecken dürfen.

(2) Das gilt auch für den Fall, dass ein Insolvenzgläubiger auf eine Beteiligung am Insolvenzverfahren verzichtet.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken

Beschluss

Aktenzeichen: 3 W 36/01

1 T 263/00 LG Frankenthal(Pfalz)

5 c M 566/2000 AG Speyer

In dem Zwangsvollstreckungsverfahren

wegen Antrags auf Bestimmung eines Termins zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung,

hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dury, die Richterin am Oberlandesgericht Simon-Bach und den Richter am Oberlandesgericht Cierniak auf die außerordentliche weitere Beschwerde der Gläubigerin vom 5./6. Februar 2001 gegen den ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 25. Januar 2001 zugestellten Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 15. Januar 2001

ohne mündliche Verhandlung

am 14. Mai 2001

beschlossen:

Tenor:

1. Die außerordentliche weitere Beschwerde wird als unzulässig verworfen.

2. Die Gläubigerin hat die Kosten des Verfahrens der außerordentlichen weiteren Beschwerde zu tragen.

3. Der Geschäftswert des Verfahrens der außerordentlichen weiteren Beschwerde wird auf 2.702,92 DM festgesetzt.

Gründe:

1. Das Rechtsmittel der Gläubigerin ist als - vorrangig zu prüfende (vgl. Senat, Beschluss vom 20. März 1998 - 3 W 34/98 -; OLG Bamberg NJW-RR 1992, 1466 f.) - sofortige weitere Beschwerde unzulässig, weil die angefochtene Entscheidung keinen neuen selbständigen Beschwerdegrund enthält (§ 568 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Die Beschränkung der weiteren Beschwerde durch die genannte Vorschrift gilt generell, auch im Rahmen des Zwangsvollstreckungsverfahrens (vgl. nur Zoller/Stöber, ZPO 22. Aufl. § 793 Rdnr. 8). An einem die weitere Anfechtung rechtfertigenden Beschwerdegrund fehlt es immer dann, wenn das Landgericht die Entscheidung des Amtsgerichts in der Sache gebilligt hat, mithin zwei inhaltlich übereinstimmende Entscheidungen vorliegen (Zöller/Gummer aaO § 568 Rdnr. 8). Das ist hier der Fall. Die Beschwerdekammer hat in Übereinstimmung mit dem Vollstreckungsgericht die Voraussetzungen für die Bestimmung eines Termins zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gemäß §§ 807, 900 ZPO zur Feststellung der laufenden Bezüge des Schuldners, welche der Zwangsvollstreckung nach § 89 Abs. 2 Satz 2 InsO unterliegen, verneint.

Die sofortige weitere Beschwerde ist auch nicht ausnahmsweise deshalb eröffnet, weil die Entscheidung des Landgerichts auf einem erstmaligen wesentlichen Verfahrensverstoß beruht (vgl. dazu Senat, Beschluss vom 11. April 2001 - 3 W 58/01 -; Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, ZPO 59. Aufl. § 568 Rdnr. 9 m.w.N.). Hierzu bedarf es keiner Entscheidung der Frage, ob anstelle des Vollstreckungsgerichts (Amtsgericht Speyer) das Insolvenzgericht (Amtsgericht Ludwigshafen am Rhein) über die Vollstreckungserinnerung der Gläubigerin nach § 766 Abs. 2 ZPO hätte entscheiden müssen (vgl. § 89 Abs. 3 InsO und hierzu Behr JurBüro 1999, 66, 68; Kübler/Prütting/Luke, InsO § 89 Rdnr. 34; HK-Eickmann, InsO 2. Aufl. § 89 Rdnrn. 6 ff.). Denn die Vorinstanzen sind übereinstimmend von der Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts ausgegangen. Eine gegebenenfalls unzutreffende Beurteilung dieser verfahrensrechtlichen Frage durch das Landgericht würde deshalb nicht die Voraussetzungen eines neuen selbständigen Beschwerdegrundes im Sinne des § 568 Abs. 2 Satz 2 ZPO erfüllen. Die Zulässigkeitssperre gilt nämlich insbesondere auch in Fällen der übereinstimmend unzutreffenden Annahme einer Verfahrensvoraussetzung und für die Frage des gesetzlichen Richters (KG NJW 1968, 2245; OLG Hamm JMBlNW 1964, 31; Zöller/Gummer aaO § 568 Rdnr. 8, 18, 20; anders bei ausschließlich zweitinstanzlichen Verfahrensfehlern: RGZ 42, 352, 354 f.; OLG Frankfurt MDR 1988, 63; OLG Koblenz JurBüro 1989, 696; KG MDR 1992, 997). Ob dies ebenso zu beurteilen wäre, wenn ein übereinstimmender (objektiv) willkürlicher Verstoß gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters vorläge (vgl. OLG Saarbrücken NJW-RR 1998, 207, 208), bedarf keiner Entscheidung; hierfür bestehen keinerlei Anhaltspunkte.

2. Die Gläubigerin geht ersichtlich selbst von der Unzulässigkeit einer sofortigen weiteren Beschwerde gemäß § 568 Abs. 2 Satz 2 ZPO aus. Aber auch die von ihr ausdrücklich so bezeichnete außerordentliche - erkennbar gemeint: weitere - Beschwerde ist nicht zulässig. Die Voraussetzung der von der Gläubigerin geltend gemachten greifbaren Gesetzwidrigkeit, dass nämlich die angefochtene Entscheidung (vgl. dazu BGH NJW 1997, 744) mit der geltenden Rechtsordnung schlechthin unvereinbar ist, weil sie jeder rechtlichen Grundlage entbehrt und dem Gesetz inhaltlich fremd ist (vgl. BGH NJW 1993, 1865; 1998, 1715 f.; Senat, Beschluss vom 19. Dezember 2000 - 3 W 230/00 -), erfüllt der angefochtene Beschluss schon deshalb nicht, weil das Landgericht die Rechtsfrage, ob das Vollstreckungsverbot des § 89 Abs. 1 InsO eingreift, richtig beantwortet hat:

Dem Antrag der Gläubigerin, einen Termin zur Abnahme einer auf den gemäß § 89 Abs. 2 Satz 2 InsO i. V. mit § 850f Abs. 2 ZPO pfändbaren Teil der künftigen Bezüge des Schuldners beschränkten eidesstattlichen Versicherung zu bestimmen, steht das Vollstreckungsverbot des § 89 Abs. 1 InsO entgegen. Danach sind Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger während der Dauer des Insolvenzverfahrens weder in die Insolvenzmasse noch in das sonstige Vermögen des Schuldners zulässig; das gilt auch für den Antrag nach § 900 ZPO i. V. mit § 807 ZPO (Nerlich/Römermann/Wittkowski, InsO § 89 Rdnr. 11; Luke aaO § 89 Rdnr. 9). Die Gläubigerin ist gemäß § 38 InsO Insolvenzgläubigerin. Denn ihre (persönlichen) Ansprüche aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen sind ausweislich des Vollstreckungsbescheids vom 1. Februar 1999 am 26. und 28. August 1998 sowie am 28. September 1998 und damit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners am 17. März 1999 entstanden. Der Umstand, dass sie sich nach ihren Ausführungen in der außerordentlichen weiteren Beschwerde nicht am Insolvenzverfahren beteiligt, ändert an ihrer Eigenschaft als Insolvenzgläubigerin nichts; hierdurch entfällt insbesondere nicht das Verbot der Einzelzwangsvollstreckung nach Verfahrenseröffnung (vgl. Kübler/Prütting aaO § 38 Rdnr. 4 [Holzer], § 89 Rohr. 4 [Lüke]).

Die Gläuberin gehört nicht zu den gemäß § 89 Abs. 2 Satz 2 InsO privilegierten Gläubigern von Forderungen aus vorsätzlichen unerlaubten Handlungen, die auch während der Dauer des Insolvenzverfahrens in den gemäß § 850f Abs. 2 ZPO eventuell erweitert pfändbaren Teil der künftigen Bezüge des Schuldners vollstrecken dürfen. Zwar betreibt sie die Zwangsvollstreckung wegen entsprechender Forderungen. Das Vollstreckungsprivileg des § 89 Abs. 2 Satz 2 InsO gilt aber nicht für Insolvenzgläubiger. Denn die Vorschrift bestimmt, wie sich bereits aus der Bezugnahme "dies gilt nicht ..." ergibt, lediglich eine Ausnahme von dem weiteren Vollstreckungsverbot in § 89 Abs. 2 Satz 1 InsO. Der Zugriff auf den nicht allgemein pfändbaren Teil der künftigen Bezüge ist daher während des Insolvenzverfahrens nur für die in § 89 Abs. 2 Satz 2 InsO bezeichneten Deliktsgläubiger eröffnet, die nicht zugleich Insolvenzgläubiger i. S. der §§ 35, 36 InsO sind. Für diese verbleibt es bei dem Vollstreckungsverbot des § 89 Abs. 1 InsO (so auch Eickmann aaO § 89 Rdnrn. 3, 13; Stöber, Forderungspfändung 12. Aufl. Rdnr. 972a; Behr aaO S. 67). Aus der Begründung des Entwurfs einer Insolvenzordnung vom 15. April 1992 ergibt sich entgegen der Auffassung der Gläubigerin nichts anderes (vgl. BT-Drucks. 12/2443 S. 137 f. zu § 100 InsO-E).

Nur diese dem Wortlaut und der Systematik der Vorschrift Rechnung tragende Auslegung entspricht dem Zweck der Vollstreckungsverbote in § 89 Abs. 1 und 2 InsO: Die Vorschrift dient dem Verfahrensziel, die Insolvenzgläubiger gemeinschaftlich aus dem Vermögen des Schuldners zu befriedigen; Absatz 2 soll gewährleisten, dass die künftigen Dienstbezüge des Schuldners im Falle eines Restschuldbefreiungsverfahrens den Gläubigern zur Verfügung stehen (Lüke aaO § 89 Rdnrn. 2 f.; Wittkowski aaO § 89 Rdnrn. 2 f., 18; Hess, InsO § 89 Rdnrn. 10, 39 bis 41). Persönliche Gläubiger, deren Vermögensansprüche gegen den Schuldner erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden sind (zum Entstehungszeitpunkt s. Nerlich/Römermann/Andres aaO § 38 Rdnr. 13), können hingegen grundsätzlich in das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners vollstrecken (vgl. § 91 Abs. 1 InsO). Im Blick auf den Umstand, dass gemäß § 35 InsO auch das Vermögen, das der Schuldner während des Verfahrens erlangt, vom Insolvenzbeschlag erfasst ist, hat dies freilich keine große praktische Bedeutung (vgl. Wittkowski aaO § 89 Rdnr. 20; Behr aaO). Zwar gehört die Differenz zwischen den gemäß § 850c ZPO und den gemäß § 850f Abs. 2 ZPO pfändbaren Bezügen nach den §§ 35, 36 InsO zum insolvenzfreien Vermögen (Smid, InsO § 89 Rdnrn. 6, 10).

89 Abs. 2 Satz 1 InsO weitet das Vollstreckungsverbot aber für die dort bezeichneten künftigen Bezüge des Schuldners insbesondere auf Neugläubiger aus (Luke aaO § 89 Rdnrn. 28, 32 f.; Eickmann aaO § 89 Rdnr. 12). Allein um diese Vollstreckungssperre abzumildern, sieht § 89 Abs. 2 Satz 2 InsO eine Ausnahme zugunsten der in der Vorschrift bezeichneten privilegierten (Neu-)Gläubiger vor. Ihnen eröffnet die Bestimmung im Blick auf ihre besondere Schutzbedürftigkeit auch während des Insolvenzverfahrens die Vollstreckung in den - von einer Abtretung an einen Treuhänder gemäß § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO nicht erfassten (FK-Ahrens, InsO 2. Aufl. § 287 Rdnr. 63; Smid aa0) - nicht allgemein pfändbaren Teil der künftigen Bezüge (Eickmann aaO § 89 Rdnr. 13; Steder ZIP 1999, 1879, 1881; vgl. auch die Anm. der Schriftleitung in DGVZ 2000, 77).

Die Auffassung der Gläubigerin, die auf ein Wahlrecht des Insolvenzgläubigers zwischen einer Beteiligung am Insolvenzverfahren und einer Einzelzwangsvollstreckung nach § 89 Abs. 2 Satz 2 InsO hinausläuft, ist daher unzutreffend. Gemäß § 87 InsO "können" die Insolvenzgläubiger ihre Forderungen "nur" nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen. Auch die nach § 12 KO früher bestehende, durch § 87 InsO nunmehr ausgeschlossene (vgl. BT-Drucks. aaO S. 137 zu § 98 InsO-E) Möglichkeit des Konkursgläubigers, nach einem Verzicht auf die Teilnahme am Konkursverfahren gegen den Gemeinschuldner persönlich im Klagewege vorzugehen (h.M., vgl. BGHZ 25, 395; 72, 239), eröffnete nicht den Zugriff auf das konkursfreie Vermögen (§ 19 K0; s. BGHZ 25, 395, 900).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Den Gegenstandswert des Verfahrens der außerordentlichen weiteren Beschwerde hat der Senat gemäß § 3 ZPO in Anlehnung an die unbeanstandete Wertbestimmung durch die Vorinstanz festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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