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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 11.07.2002
Aktenzeichen: 3 W 48/02
Rechtsgebiete: BGB, WEG


Vorschriften:

BGB § 928
WEG § 11
Wohnungs- und Teileigentum kann nicht durch Verzicht aufgegeben werden..
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 3 W 48/02

In dem Verfahren

betreffend die Aufgabe des im Grundbuch von Neuwied Blatt..... eingetragenen Teileigentums - Kfz-Abstellplatz in der Tiefgarage, im Aufteilungsplan mit Nr. 27 bezeichnet -,

hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dury, den Richter am Oberlandesgericht Cierniak und die Richterin am Oberlandesgericht Simon-Bach auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2) vom 5./6. Februar 2002 gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 18. Januar 2002

ohne mündliche Verhandlung

am 11. Juli 2002

beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 3 000,-- Euro festgesetzt.

Gründe:

Die weitere Beschwerde ist statthaft (§ 78 GBO), an keine Frist gebunden und auch im Übrigen verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden (§§ 80 Abs. 1 GBO, 29 Abs. 1 FGG).

In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts (§ 78 Satz 1 GBO). Der Senat teilt die von den Vorinstanzen vertretene Auffassung, dass der von den Beteiligten zu 1) und 2) erklärte Verzicht auf das Teileigentum an dem Kfz-Abstellplatz nicht ins Grundbuch eingetragen werden kann. Denn die Vorschrift des § 928 Abs. 1 BGB, wonach das Eigentum an einem Grundstück durch Verzicht gegenüber dem Grundbuchamt und Eintragung des Verzichts in das Grundbuch aufgegeben werden kann, findet nach der inzwischen herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, der sich der Senat anschließt, auf das Wohnungseigentum keine entsprechende Anwendung (vgl. BGHZ 115, 1, 7-9; BayObLGZ 1991, 90, 92= NJW 1991, 1962; KG NJW 1989, 42, 43 = OLGZ 1988, 355 ff; OLG Düsseldorf NJW-RR 2001, 233; LG Konstanz NJW-RR 1989, 1424, 1425; Palandt/Bassenge, BGB 61. Aufl. §928 Rdnr. 1; RGRK, BGB 12. Aufl. §928 Rdnr. 2; Staudinger/Pfeifer, BGB 13. Aufl. § 928 Rdnr. 8; Staudiger/Rapp, WEG 12. Aufl. § 1 Rdnr. 60; Jauernig, BGB 9. Aufl. §928 Rdnr. 2; Ermann/Hagen/Lorenz, BGB 10. Aufl. § 928 Rdnr. 2; Niedenführ/Schulze, WEG 4. Aufl. § 10 Rdnr. 10; Weitnauer, WEG 8. Aufl. §3 Rdnr. 90 unter Hinweis auf BGHZ 115, 1, 3 und Aufgabe seiner bisherigen gegenläufigen Meinung; a.A.: Bärmann/Pick/Merle, WEG 8. Aufl. § 3 Rdnr. 79 f; MüKo/Kanzleiter, BGB 3. Aufl. § 928 Rdnr. 2 a; Kanzleiter NJW 1996, 905 ff).

Das sich aus § 928 BGB ergebende Recht zum Verzicht auf das Eigentum ist Ausfluss der dem Eigentümer nach § 903 BGB zustehenden Befugnis, mit der ihm gehörenden Sache nach Belieben zu verfahren, soweit nicht Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen. Miteigentum nach Bruchteilen ist zwar seinem Wesen nach dem Alleineigentum gleichartig. Deshalb ließe sich bei einer nur auf das Sachenrecht bezogenen Betrachtungsweise eine entsprechende Anwendung des § 928 BGB auf ein Miteigentumsrecht durchaus vertreten. Miteigentum nach Bruchteilen unterscheidet sich vom Alleineigentum jedoch in der Weise, dass der Miteigentümer nur einen ideellen Anteil an der Sache hat und daher alle Miteigentümer in der Gemeinschaft verbunden sind, die nach dem Gesetz Rechte und Pflichten zwischen den Teilhabern begründet. Die das Gemeinschaftsverhältnis bestimmenden Vorschriften sind darauf angelegt, dass jeder Miteigentumsanteil einen Rechtsträger hat. Nach § 748 BGB ist jeder Teilhaber den anderen gegenüber verpflichtet, die Lasten des gemeinschaftlichen Gegenstandes sowie die Kosten der Erhaltung, der Verwaltung und einer gemeinschaftlichen Nutzung nach dem Verhältnis seines Anteiles zu tragen. Könnte sich ein Teilhaber dieser Verpflichtung durch Verzicht auf seinen Miteigentumsanteil entledigen, so müssten die anderen Teilhaber zwangsläufig einen entsprechend höheren Beitrag leisten, ohne dass ihnen jener Anteil zuwachsen würde. Denn der aufgegebene Anteil wäre herrenlos und unterläge nach § 928 Abs. 2 BGB nur dem Aneignungsrecht des Fiskus. Die Mehrbelastung der verbleibenden Teilhaber lässt sich auch nicht mit der Begründung rechtfertigen, ihr Recht zur Nutzung des gemeinschaftlichen Grundstückes sei nicht mehr durch das Recht des ausgeschiedenen Teilhabers zur Mitnutzung beschränkt. Denn die anteilige Beitragspflicht aller Miteigentümer beruht nicht nur auf dem jedem von ihnen zustehenden Recht zur Nutzung der gemeinschaftlichen Sache, sondern auch darauf, dass der für das Gemeinschaftseigentum anfallende Kostenaufwand der Werterhaltung jedes Miteigentumsanteiles zugute kommt. Da der aufgegebene Anteil aber den verbleibenden Miteigentümern - wie bereits ausgeführt - nicht zuwachsen würde, fiele ihnen dessen Wert dann auch nicht bei einer von ihnen herbeigeführten Aufhebung der Gemeinschaft durch Zwangsversteigerung des Grundstückes und durch Teilung des Erlöses (§ 753 Abs. 1 BGB) zu. Das Aneignungsrecht des Fiskus an dem aufgegebenen Miteigentumsanteil würde sich deshalb an dem Erlösanteil fortsetzen (BGHZ aaO, 8/9).

Auf der anderen Seite gewährleistet das Gesetz, dass kein Miteigentümer gegen seinen Willen an die Gemeinschaft gebunden bleibt. Denn nach § 749 Abs. 1 BGB kann jeder Teilhaber jederzeit die Aufhebung der Gemeinschaft verlangen, sofern nicht die Teilhaber durch Vereinbarung in den nach § 749 Abs. 2 BGB zulässigen Grenzen, dann auch mit Wirkung für einen Sondernachfolger (§ 751 Satz 1 BGB), dieses Recht freiwillig eingeschränkt haben. Daher ist auch für denjenigen Teilhaber, der an der Werterhaltung seines Miteigentumsanteiles kein Interesse hat, der gesetzeskonforme Weg zur Loslösung von der Gemeinschaft deren Aufhebung und nicht der Verzicht auf seinen Anteil (BGHZ aaO).

Diese Grundsätze gelten auch für die Aufgabe von Wohnungs- und Teileigentum. Die besondere Ausgestaltung des Miteigentums in der Form des Wohnungseigentums (vgl. BGH NJW 1989, 2534, 2535; BayObLG NJW 1991 aaO = OLGZ 1991 aaO; OLG Düsseldorf aaO; LG Konstanz aaO) besteht darin, dass mit dem Miteigentumsanteil am gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem insbesondere das Grundstück gehört (§ 1 Abs. 5 WEG), das Sondereigentum an einer Wohnung (§ 1 Abs. 2 WEG) oder an nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen verbunden wird (§ 1 Abs. 3 WEG). Der Inhalt des Sondereigentums wiederum wird von der gesetzlichen Regelung des Gemeinschaftsverhältnisses gemäß §§ 10 ff WEG und den gemäß § 10 Abs. 1, 2 i.V.m. § 5 Abs. 4 WEG in Abweichung davon zum Inhalt des Sondereigentums gemachten Vereinbarungen der Wohnungseigentümer über ihr Verhältnis untereinander geprägt. Mit dem Wohnungseigentum sind im Rahmen eines gesetzlich begründeten Schuldverhältnisses Verpflichtungen der Wohnungseigentümer untereinander verbunden, wie etwa die sich aus § 16 Abs. 2 WEG ergebende Verpflichtung, die gemeinschaftlichen Lasten und Kosten anteilig zu tragen. Durch die in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 WEG vorgeschriebene Unauflöslichkeit der Gemeinschaft ist sichergestellt, dass dieses gesetzliche Schuldverhältnis nicht einseitig beendet werden kann. Durch die Dereliktion eines Wohnungseigentums, die einer Teilaufhebung der Gemeinschaft gleichkäme, würde dieser das Wohnungseigentum prägende Grundsatz durchbrochen. Der das Eigentum aufgebende Wohnungseigentümer würde sich nicht nur den mit Grundeigentum verbundenen öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen entziehen, was das Gesetz mit der Vorschrift des § 928 BGB in Kauf nimmt, sondern auch den mit dem Wohnungseigentum untrennbar verbundenen Verpflichtungen gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Das sieht das Gesetz gerade nicht vor. Weil diese Verpflichtungen unmittelbar mit dem Wohnungseigentum verbunden sind, also nicht ohne dieses weiterbestehen, können sie nur dadurch aufrechterhalten werden, dass eine Aufgabe von Wohnungseigentum durch Verzicht nicht zugelassen wird (vgl. BayObLGZ aaO, 92 m.w.N.).

Die demgegenüber von Kanzleiter (vgl. Müko/Kanzleiter aaO und NJW 1996, 905, 907) vertretene Auffassung überzeugt nicht. Danach soll eine Benachteiligung der übrigen Miteigentümer durch den Verzicht eines Miteigentümers auf sein Miteigentum nicht entstehen, weil den Miteigentümern für den Fall, dass der Fiskus sein Aneignungsrecht ausübe, ein zahlungsfähiger Partner bei der Übernahme der Kosten zur Seite stehe. Falls der Fiskus auf sein Aneignungsrecht verzichte, eröffne sich den übrigen Miteigentümern selbst die Aneignungsmöglichkeit; sie "ersparten" in der Schwebezeit den bei einer Versteigerung des Miteigentumsanteils aufzuwendenden Kaufpreis. Dies ändert jedoch nichts daran, dass - wie sich aus der gesetzlichen Regelung des Gemeinschaftsverhältnisses ergibt - jeder Teilhaber zur Wahrung des Rechts der anderen Teilhaber, nur nach dem Verhältnis ihrer Anteile die Lasten und Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums tragen zu müssen, an die Gemeinschaft bis zu deren Aufhebung gebunden ist (OLG Düsseldorf aaO, 233; BGHZ 1 aaO, 3).

Eine andere Sichtweise rechtfertigt sich auch nicht auf der Grundlage des Vorbringens der Beteiligten zu 1) und 2) im Verfahren der weiteren Beschwerde. Es kann dahinstehen, ob der in der Beschwerdebegründung beschriebene Zustand des Stellplatzes tatsächlich zutrifft und deshalb eine mit der Zerstörung dieses Gebäudeteiles gleichzusetzende Situation vorliegt, die eine Auflösung der Gemeinschaft nach § 11 Abs. 1 Satz 3 WEG rechtfertigen könnte. Denn mit diesem neuen Tatsachenvorbringen sind die Beteiligten zu 1) und 2) im Verfahren der weiteren Beschwerde jedenfalls ausgeschlossen (vgl. etwa BGH NJW-RR 1986, 1130, 1131; BayObLG NJW 1990, 775, 776; Bauer/von Oefele/Budde, GBO § 78 Rdnr. 24; Keidel/Kuntze/Winkler/Kahl, FG 14. Aufl. § 27 Rdnr. 43). Die Vorschrift des § 74 GBO findet keine Anwendung (vgl. Bauer aaO).

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Kostentragungspflicht der Beteiligten zu 1) und 2) hinsichtlich der Gerichtskosten ergibt sich aus dem Gesetz, § 131 Abs. 1 Nr. 1 KostO.

Den Wert des Beschwerdegegenstandes der weiteren Beschwerde hat der Senat in Anlehnung an die unbeanstandet gebliebene Festsetzung durch das Landgericht bestimmt, §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 KostO.

Ende der Entscheidung

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