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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 24.01.2002
Aktenzeichen: 3 W 5/02
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 1836 e Abs. 1
BGB § 1908 i Abs. 1
BGB § 1967
BGB § 1990
FGG § 56 g Abs. 1
FGG § 69 e Satz 1
Zur Festsetzung der Vergütung des Berufsbetreuers nach dem Tod des Betreuten.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 3 W 5/02

In dem Verfahren

betreffend die Festsetzung einer Vergütung für die Betreuung der

hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dury, den Richter am Oberlandesgericht Cierniak und die Richterin am Oberlandesgericht Simon-Bach auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 12./14. Dezember 2001 gegen den ihm am 5. Dezember 2001 zugestellten Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Zweibrücken vom 27. November 2001

ohne mündliche Verhandlung

am 24. Januar 2002

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die sofortige weitere Beschwerde ist infolge ihrer Zulassung statthaft (§§ 56 g Abs. 5 Satz 2, 69 e Satz 1 FGG) und auch im Übrigen förmlich nicht zu beanstanden (§§ 29 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 und 4, 20 Abs. 1, 21 Abs. 2, 22 Abs. 1 FGG). In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg. Der angefochtene Beschluss beruht nicht auf einer Verletzung des Gesetzes (§ 27 Abs. 1 FGG). Die Vorinstanzen haben der Beteiligten zu 2) zu Recht eine Vergütung in der festgesetzten Höhe bewilligt.

I.

Die Beteiligte zu 2) hat als Berufsbetreuerin einen Anspruch auf Vergütung ihrer Amtsführung gemäß §§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1836 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 BGB. Das Vormundschaftsgericht hat zwar bei ihrer Bestellung nicht festgestellt, dass sie die Betreuung gemäß § 1836 Abs. 1 Satz 2 BGB berufsmäßig geführt hat. Es bestand indes - nach der alten Rechtslage - kein Anlass zu dieser Feststellung, da die Bestellung zur Betreuerin vor dem Inkrafttreten des Betreuungsrechtsänderungsgesetzes vom 25. Juni 1998 (BGBl. I S. 1580) am 1. Januar 1999 erfolgt ist. Aus der regelmäßigen Gewährung der Vergütung aufgrund entsprechender Anträge der früheren Betreuerin ergibt sich zudem, dass das Gericht sie als Berufsbetreuerin angesehen hat. Eines förmlichen Beschlusses, der lediglich klarstellende Wirkung hätte, bedurfte es daher insoweit nicht (vgl. BGH NJW 2000, 3709, 3711; Beschluss vom 24. Oktober 2001 - XII ZB 142./01 -; OLG Schleswig FamRZ 2001, 1480, 1481).

Das Vormundschaftsgericht konnte die Vergütung der Beteiligten zu 2) auch noch nach dem Tode der Betreuten bewilligen (vgl. BayObLG FamRZ 1999, 1609; Bach, Kostenregelungen für Betreuungspersonen 2. Aufl. Rdnr. E 11.8) und gemäß §§ 69 e Satz 1, 56 g Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FGG förmlich festsetzen (vgl. HK-BUR/Bauer § 56 g FGG Rdnr. 61; Gregersen/Deinert, Die Vergütung des Betreuers 2. Aufl. Rdnr. 9.8.1; Palandt/Diederichsen, BGB 61. Aufl. § 1836 Rdnr. 8). Das gilt unabhängig davon, ob sich der Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse oder gegen den Nachlass der Betreuten richtet. Das Bayerische Oberste Landesgericht hat dies in seiner Entscheidung vom 14. März 2001 (BayObLGZ 2001, 65) näher begründet; dem schließt sich der Senat an.

Entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 1) war die Vergütung der Beteiligten zu 2) nicht gegen die Staatskasse festzusetzen. Für die Frage, ob einem Berufsbetreuer wegen seiner Vergütung ein Anspruch gegen den Betroffenen oder wegen dessen Mittellosigkeit gegen die Staatskasse zusteht, ist auf den Zeitpunkt der Entscheidung der letzten Tatsacheninstanz abzustellen (§ 23 FGG). Ist der Betreute bereits verstorben, sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Todes maßgebend, weil ein Vergütungsanspruch gegen den Erben nur gemäß §§ 1922, 1967 BGB in Betracht kommt. Der Vergütungsanspruch begründet eine Nachlassverbindlichkeit gemäß § 1967 Abs. 1 BGB als eine vom Erblasser herrührende Schuld i.S. von § 1967 Abs. 2 BGB (BayObLGZ 1995, 395, 396, 398; BayObLG FamRZ 1996, 1173; 1998, 697, 698; 1999, 1609, 1610; Thüringer OLG FGPrax 2001, 22, 23).

Im hier gegebenen Fall ist nicht von einer Mittellosigkeit des Nachlasses auszugehen. Der rechtliche Maßstab für diese Bewertung ergibt sich aus dem durch das Betreuungsrechtsänderungsgesetz eingefügten § 1836 e Abs. 1 Satz 3 BGB i.V. mit § 1908 i Abs. 1 Satz 1 BGB. Nach diesen Vorschriften haftet der Erbe - entgegen der früheren Rechtslage - nur mit dem Wert des im Zeitpunkt des Erbfalls vorhandenen Nachlasses. Zwar gilt § 1836 e Abs. 1 BGB nach seinem Wortlaut nur für Regressansprüche der Staatskasse, soweit diese zuvor Ansprüche des Betreuers auf Vergütung oder Aufwendungsersatz befriedigt hat. Die Bestimmung ist aber bereits für die Prüfung heranzuziehen, ob der Nachlass mittellos ist; denn die Frage, ob die Vergütung durch den Erben aus dem Nachlass zu entrichten ist (§ 1836 Abs. 2 BGB) oder ob die Staatskasse einzutreten hat (§ 1836 a BGB), lässt sich nur einheitlich beantworten (BayObLGZ 2001, 65, 68 f.; Gregersen/Deinert aaO; HK-BUR/Bauer § 56 g FGG Rdnr. 60, 61; Palandt/Diederichsen aaO § 1836 e Rdnr. 4; vgl. aber LG Leipzig FamRZ 2000, 1451 und zum früheren Recht BayObLG FamRZ 1996, 1173; 1998, 697, 698). Dies trägt zudem der gesetzgeberischen Absicht Rechnung, dem Erben die Geltendmachung der in den §§ 1975 bis 1992 BGB vorgesehenen Mittel zur Beschränkung seiner Haftung zu ersparen (BayObLG, Beschluss vom 14. November 2001 - 3Z BR 334/01 -; BT-Drucks. 13/7158 S. 32).

Der gemäß § 1836 e Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 BGB somit maßgebliche Wert des Nachlasses besteht in dem vom Erblasser hinterlassenen Aktivvermögen abzüglich der Nachlassverbindlichkeiten (wegen der Einzelheiten vgl. BayObLG und Thüringer OLG, jew. aaO m.w.N.). Als die Betreute verstarb, verfügte sie nach den rechtsfehlerfreien und daher den Senat als Rechtsbeschwerdegericht bindenden Feststellungen des Landgerichts über ein "Reinvermögen von 18.857, 73 DM", das nach der in der angegriffenen Entscheidung in Bezug genommenen Abrechnung der Beteiligten zu 2) vom 22. November 2000 jedenfalls überwiegend aus leicht verwertbaren Vermögensgegenständen bestand (vgl. hierzu BayObLGZ 2001, 186, 188 f.; BayObLG, Beschluss vom 11. September 2001 - 3Z BR 251/01 -). Aus den Feststellungen des Landgerichts ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass weitere, für die Ermittlung des Nachlasswertes erhebliche abzugsfähige Nachlassverbindlichkeiten vorhanden gewesen sein konnten. Hierfür ergeben sich auch keine Hinweise aus den Akten oder aus dem Vorbringen des Beteiligten zu 1). Das gilt insbesondere für seine mehr als ein halbes Jahr nach dem Erbfall zu den Akten gelangte, nicht weiter ausgeführte Mitteilung, der Nachlass sei "nicht mehr vorhanden".

Zwar kommen dem Erben auch im Festsetzungsverfahren die Schongrenzen nach §§ 1836 e Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 BGB, 92 c Abs. 3 BSHG zugute (BayObLGZ 2001, 65, 68 f.; Thüringer OLG aaO; HK-BUR/Bauer § 56 g PGG Rdnr. 60; Gregersen/Deinert aaO). Der festgestellte Wert des Nachlasses übersteigt aber - auch unter Berücksichtigung der geltend gemachten Vergütung - den hier nach Lage des Falles allein in Betracht kommenden Freibetrag des § 92 c Abs. 3 Nr. 1 BSHG i.V. mit § 81 Abs. 1 BSHG bei weitem. Für das Vorliegen einer besonderen Härte i.S. der §§ 1836 e Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 BGB, 92 c Abs. 3 Nr. 3 BSHG ergeben die Feststellungen des Landgerichts keine Anhaltspunkte; auch der Beteiligte zu 1) trägt hierzu nichts vor.

Auch die vom Beteiligten zu 1) erhobene Unzulänglichkeitseinrede nach § 1990 BGB führt nicht zu einer Haftung der Staatskasse. So verhielt es sich zwar nach der bis zum Inkrafttreten des Betreuungsrechtsänderungsgesetzes geltenden Rechtslage, wenn die Unzulänglichkeitseinrede des Erben durchgriff (vgl. BayObLG FamRZ 1998, 697, 698). Ob nach dem seit dem 1. Januar 1999 geltenden Vergütungsrecht überhaupt noch Raum für eine Unzulänglichkeitseinrede gemäß § 1990 BGB bleibt (vgl. BayObLG, Beschluss vom 14. November 2001 - 3Z BR 334/01 -; Knittel BtG § 1836 d Rdnr. 5) oder ob dem Erben auch im Festsetzungsverfahren gemäß §§ 56 g Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 69 e Satz 1 FGG "weitere als die dem § 92 c Bundessozialhilfegesetz nachempfundenen Haftungsbeschränkungen ... nicht zugute" kommen (so für den Regress der Staatskasse BT-Drucks. aaO sowie HK-BUR/Winhold-Schött § 1836 e BGB Rdnr. 23; vgl. hierzu auch BayObLGZ 2001, 65, 68 f.; Thüringer OLG aaO; Gregersen/Deinert; aaO), bedarf im gegebenen Fall aber keiner Entscheidung. Denn das Landgericht hat rechtsfehlerfrei ausgeführt, dass die Unzulänglichkeitseinrede hier nicht durchgreift. Der Vergütungsanspruch der Beteiligten zu 2) richtet sich daher gegen den Nachlass der früheren Betreuten.

Die Beschwerdekammer hat auch die übrigen Voraussetzungen des Vergütungsanspruchs zu Recht bejaht:

Bei der Festsetzung der Betreuervergütung nach § 1836 BGB ist dem Tatrichter in entsprechender Anwendung von § 287 ZPO ein Schätzungsermessen für die Feststellung des vergütungsfähigen Zeitaufwands eingeräumt. Dieses Ermessen kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob es auf denkgesetzlich unrichtigen oder offenbar unsachlichen Erwägungen beruht und ob wesentliche Tatsachen nicht beachtet worden sind. Hat ein Betreuer seinen Zeitaufwand im Einzelnen für bestimmte wesentliche Tätigkeiten aufgeschlüsselt, so findet schon in der Tatsacheninstanz nur eine Plausibilitätsprüfung der Zeitangaben statt, mit der Missbrauchsfällen begegnet werden soll. Denn es steht grundsätzlich im Ermessen des Betreuers, welchen Zeitaufwand er - bei einer exante Betrachtung - für die Erledigung einzelner betreuungsrechtlicher Geschäfte als erforderlich ansehen durfte (Senat, FamRZ 2000, 1533; BayObLG JurBüro 1993, 49; FamRZ 1996, 1169, 1170; OLG Schleswig FamRZ 1998, 185; 2001, 1480, 1481; OLG Hamm FamRZ 1999, 1230; HK-BUR/Bauer/Deinert § 1836 BGB Rdnr. 85; Knittel aaO § 1836 BGB Rdnr. 18; vgl. für die Notwendigkeit einer bestimmten Tätigkeit als solcher auch Senat, OLGR 2000, 114 = BtPrax 2000, 86). Nach diesen Maßstäben ist die Folgerung des Landgerichts, der von der Beteiligten zu 2) geltend gemachte Zeitaufwand sei plausibel, frei von Rechtsfehlern; das gilt auch für die Tätigkeiten nach dem Tod der Betroffenen (vgl. BayObLGZ 1995, 395; OLG Schleswig FGPrax 2000, 113). Substantiierte Einwendungen hiergegen hat der Beteiligte zu 1) nicht erhoben; seinen mit der Erstbeschwerde vorgebrachten pauschalen Einwand, die Abrechnung sei falsch, hat er mit der nicht näher begründeten sofortigen weiteren Beschwerde nicht wiederholt.

Des Weiteren ist der vom Landgericht nach pflichtgemäßem Ermessen (vgl. BayObLG NJW-RR 2001, 1299) bestätigte Stundensatz von 75,-- DM hier nicht zu beanstanden. Allerdings hat der Bundesgerichtshof im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BGHZ 145, 104; BVerfGE 101, 331, 357 ff.; dem folgend Senat, BtPrax 2001, 78; BayObLG aaO und BtPrax 2001, 164) entschieden, dass die in § 1 BVormVG festgelegten Sätze von 35, 45 und 60,-- DM (jetzt 18, 23 und 31 Euro) eine wesentliche Orientierungshilfe für die Höhe der Vergütung des Betreuers eines bemittelten Betroffenen sind. Das bedeutet zum einen, dass sie Mindestsätze darstellen, die nicht unterschritten werden dürfen, und zum anderen, dass sie im Regelfall angemessen sind und nur überschritten werden dürfen, wenn dies die Schwierigkeit der Betreuungsgeschäfte ausnahmsweise gebietet. Das Landgericht hat hierzu, auch durch Bezugnahme auf den Beschluss des Vormundschaftsgerichts vom 13. Februar 2001, rechtsfehlerfrei dargelegt, dass im gegebenen Fall eine leichte Überschreitung des an sich für Betreuer mit abgeschlossener Ausbildung an einer Hochschule in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BVormVG vorgesehenen Stundensatzes angemessen ist.

II.

Die Entscheidung des Senats ergeht gemäß § 131 Abs. 3 KostO gerichtsgebührenfrei. Der Senat ist - im Ergebnis in Übereinstimmung mit dem Landgericht - der Auffassung, dass der Beteiligte zu 1) das Rechtsmittel auch im Interesse der verstorbenen Betreuten, nämlich zur Durchsetzung ihres Erblasserwillens, eingelegt hat.

Eine Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Auslagen ist nicht veranlasst, weil der Senat außer dem Beteiligten zu 1) niemand am Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde beteiligt hat. Deshalb erübrigt sich auch die Festsetzung eines Gegenstandswertes für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde.

Ende der Entscheidung

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