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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 25.05.2005
Aktenzeichen: 3 W 63/05
Rechtsgebiete: GG, POG Rheinland-Pfalz, FGG


Vorschriften:

GG Art. 10 Abs. 1
GG Art. 12 Abs. 1
GG Art. 14 Abs. 1
POG Rheinland-Pfalz § 31 Abs. 5
POG Rheinland-Pfalz § 21 Abs. 1
FGG § 27
FGG § 29
1. In der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist grundsätzlich die Fortsetzung eines in der Hauptsache erledigten Verfahrens zum Zwecke der Feststellung der Rechtswidrigkeit nicht vorgesehen; eine solche kommt vielmehr nur bei tiefgreifenden Grundrechtseingriffen oder Bestehen einer Wiederholungsgefahr in Betracht.

2. Eine auf der Grundlage des § 31 POG ausgesprochene Anordnung der Bekanntgabe eines Telefonteilnehmers stellt keinen den Telekommunikationsdienstleister betreffenden tiefgreifenden Grundrechtseingriff dar.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen 3 W 63/05

In dem Verfahren

betreffend die Anordnung einer Auskunft über die Telekommunikation gemäß § 31 POG Rheinland-Pfalz in der seit dem 10. März 2004 geltenden Fassung,

hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Richter am Oberlandesgericht Petry und die Richterinnen am Oberlandesgericht Simon-Bach und Stutz auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 15. März 2005 gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Kaiserslautern vom 14. Februar 2005

ohne mündliche Verhandlung

am 25. Mai 2005

beschlossen:

Tenor:

I. Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird für das Verfahren der weiteren Beschwerde auf 1 000,-- € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligte zu 1) (Dt. Telekom AG) begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit des von dem Amtsgericht Kaiserslautern erlassenen Beschlusses, mit dem diese neben anderen Telekommunikationsdienstleistem verpflichtet worden war, im Wege der Umkehrsuche festzustellen, von welchem ihrer Kundenanschlüsse am 14. Januar 2005 (Freitag) in der Zeit zwischen 7.25 Uhr und 7.55 Uhr der Anschluss ........... angerufen worden war. Dieser Anschluss gehört einer Arztpraxis. Zu der angegebenen Zeit ging dort ein Anruf einer unbekannten Frau ein, die sich nur durch Stöhnen artikulieren konnte und offensichtlich aufgrund einer Notlage nicht in der Lage war, ihren Namen zu nennen. Das Praxispersonal hat in der Folge durch einen Anruf bei einer nach seiner Auffassung als Anruferin in Betracht kommenden Patientin ohne Erfolg versucht, die Identität der Frau in Erfahrung zu bringen. Daraufhin wurde seitens der Arztpraxis die Polizei informiert. Diese hat zunächst wegen Gefahr im Verzug gemäß § 31 POG die Bekanntgabe der Verbindungsdaten des Anschlusses durch die verschiedenen Netzbetreiber angeordnet und diesen das Begehren per Telefax bekannt gemacht. Da die R...-T... F... mitgeteilt hatte, dass die erforderlichen Daten erst am darauf folgenden Montag bekannt gegeben werden könnten, zu diesem Zeitpunkt aber keine Gefahr im Verzug mehr bejaht werden könne, hat die Polizei den Antrag auf richterliche Anordnung der Maßnahme gestellt. Das Amtsgericht hat diesem Antrag entsprochen. Gegen den am 15. Januar 2005 (Samstag) im richterlichen Bereitschaftsdienst ergangenen Beschluss hat die Beteiligte zu 1) am 19. Januar 2005 Beschwerde eingelegt, nachdem sie die angeforderten Verbindungsdaten am 18. Januar 2005 übermittelt hatte. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 14. Februar 2005 das Rechtsmittel als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, das im hier vorliegenden Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit erforderliche Rechtsschutzbedürfnis an der Feststellung der behaupteten Rechtswidrigkeit der inzwischen erledigten Maßnahme bestehe unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt. Mit ihrer gegen diese Entscheidung erhobenen weiteren Beschwerde verfolgt die Beteiligte zu 1) ihr Begehren unter anderem unter Hinweis auf Art. 10, 12 und 14 GG weiter. Sie begründet ihre weitere Beschwerde im Wesentlichen damit, dass die Erledigung der Suche nach Telefonverbindungen in Fällen der vorliegenden Art Personal und Sachmittel in erheblichem Maße in Anspruch nehme, so dass diese für andere Aufgaben nicht mehr zur Verfügung stünden.

II.

Die weitere Beschwerde ist statthaft und auch sonst in förmlicher Hinsicht nicht zu beanstanden (§§ 31 Abs. 5 Satz 5, 21 Abs. 1 Satz 3 Polizei- und Ordnungsbehördengesetz Rheinland-Pfalz (POG), §§ 27 Abs. 1, 29 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 4, 20 Abs. 1, 21 Abs. 2 FGG). Die Beschwerdeberechtigung der Beteiligten zu 1) ergibt sich aus der Verwerfung ihrer Erstbeschwerde.

In der Sache führt das Rechtsmittel jedoch nicht zum Erfolg. Die Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 546 ZPO). Die Kammer hat die Erstbeschwerde zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen, auf die der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt, als unzulässig verworfen. So ist die Kammer zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass für das vorliegende Verfahren die Bestimmungen des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) entsprechend gelten.

Auf dieser Grundlage hat das Landgericht die Zulässigkeit der Beschwerde zu Recht verneint. Die Fortsetzung eines in der Hauptsache erledigten Verfahrens zum Zwecke der Feststellung der Rechtswidrigkeit ist im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit grundsätzlich nicht vorgesehen (vgl. BayObLGZ 1993, 82, 84 und FamRZ 1996, 558; OLG Hamburg FG-Prax 1996, 39; KG FamRZ 1997, 442; SchlHOLG FamRZ 1996, 1344; Senat, etwa Beschluss vom 13. August 2002 - 3 W 10/02 m.w.N.; Keidel/Kuntze/Winkler/Kahl, FG 15. Aufl. § 19 Rdnr. 86). Wenn auch trotz Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzzieles nach Art. 19 Abs. 4 GG bei tatsächlich erledigten tiefgreifenden Grundrechtseingriffen oder auch Bestehen einer Wiederholungsgefahr eine nachträgliche gerichtliche Überprüfung geboten sein kann (vgl. etwa BVerfGE 104, 220 ff, zitiert nach juris), so kommt eine solche im vorliegenden Fall dennoch nicht in Betracht. Unter den Begriff der tiefgreifenden Grundrechtseingriffe fallen vornehmlich solche, die schon das Grundgesetz unter Richtervorbehalt gestellt hat (BverfGE 104 aaO und 96, 27, 40, zitiert nach juris). Das Bundesverfassungsgericht hat seine frühere Rechtsprechung (vgl. BVerfGE 49, 329 ff), wonach Art. 19 Abs. 4 GG in der Regel keine nachträgliche gerichtliche Überprüfung verlangt, für tief greifende Grundrechtseingriffe weitergeführt und typische Ausnahmefälle festgelegt, in denen auch nach der Erledigung der Hauptsache das Rechtsschutzinteresse an einer gerichtlichen Sachentscheidung fortbesteht. Hierzu gehören erledigte richterliche Durchsuchungsanordnungen, die Telefonüberwachung sowie beendete, richterlich bestätigte, polizeiliche Ingewahrsamnahmen und zunächst im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit mit kurzer Frist angeordnete und genehmigte Freiheitsentziehungen, bei denen typischerweise vor Beendigung der mit einem erheblichen Grundrechtseingriff verbundenen Maßnahme keine hinreichende Möglichkeit zur gerichtlichen Überprüfung besteht, wie etwa eine vorläufige, gerichtlich angeordnete Unterbringung psychisch auffälliger Personen nach § 70 h FGG in Verbindung mit Landesrecht, Anordnungen der Abschiebungshaft im Wege einstweiliger Anordnung nach § 11 FEVG oder zur Vorbereitung der Ausweisung nach § 57 Abs. 1 AuslG, bei denen die Haft auf eine Höchstdauer von sechs Wochen begrenzt ist oder werden soll. Mit Beschluss vom 5. Dezember 2001 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 104 aaO) ein schutzwürdiges Interesse des Betroffenen an nachträglicher Feststellung der Rechtswidrigkeit auch nach Erledigung einer mit längerer Frist angeordneten Freiheitsentziehung gemäß § 57 Abs. 2 und 3 AuslG bejaht. Dieses Interesse entstehe in aller Regel schon durch das Gewicht des Eingriffs jeder Inhaftierung in das Grundrecht auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) unter Berücksichtigung der diskriminierenden Wirkung und des Rehabilitationsinteresses, unabhängig vom Zeitpunkt der Erledigung, vom konkreten Ablauf des Verfahrens und auch unabhängig davon, ob Rechtsschutz typischerweise noch vor Beendigung der Haft erlangt werden könne.

Ein solcher Fall der Beschwerdebefugnis ist im hier vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben. Das Landgericht hat mit zutreffenden Erwägungen darauf abgestellt, dass ungeachtet der Grundrechtsfähigkeit der Beteiligten zu 1) ein tief greifender Grundrechtseingriff im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hier nicht vorliegt. Entgegen ihrer Auffassung hat die hier auf der Grundlage des § 31 POG angeordnete Bekanntgabe des Telefonteilnehmers die Beteiligte zu 1) nicht in dem durch Art. 10 Abs. 1 GG geschützten Grundrecht verletzt. Etwas Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 4. Februar 2005 - 2 BvR 308/04 - EuGRZ 2005, 178 ff, zitiert nach juris). In dieser Entscheidung wird zwar klargestellt, dass der hohe Rang der Grundrechte aus Art. 10 Abs. 1 GG, die mit der Gewährleistung eines privaten, vor der Öffentlichkeit und der öffentlichen Gewalt verborgenen Austauschs von Nachrichten, Gedanken und Meinungen die Würde des denkenden und freiheitlich handelnden Menschen wahren, sowie der einfach gesetzliche Richtervorbehalt auf einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff hindeuten, so dass auch insoweit die Möglichkeit der nachträglichen Kontrolle offen stehen muss. Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 1) wird damit jedoch nicht etwa sie selbst, sondern der jeweilige Teilnehmer am Fernmeldeverkehr grundrechtlich geschützt. Demnach kann sich - wie in dem der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde liegenden Fall - gerade nur für diesen selbst aus Art. 10 Abs. 1 GG ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ergeben, nicht jedoch für die Beteiligte zu 1) als Telekommunikationsdienstleisterin.

Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 1) kann sie sich zur Begründung der Beschwerdebefugnis auch nicht auf eine Verletzung des Art. 14 GG berufen. Denn ungeachtet der Tatsache, dass der hier behauptete Eingriff jedenfalls die Anforderungen eines tief greifenden Grundrechtseingriffes im dargelegten Sinne nicht erfüllen dürfte, hat das Landgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass die Beteiligte zu 1) für ihre Leistungen gemäß § 31 Abs. 6 Satz 3 POG in Verbindung mit § 12 Abs. 5 POG entschädigt wird und damit bereits eine Verletzung des Art. 14 GG ausscheidet. Auch der von der Beteiligten zu 1) behauptete Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG vermag ein Rechtschutzbedürfnis nicht zu begründen. Eine Verletzung der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Freiheit der Berufswahl scheidet von vorneherein aus. Ob die Berufsausübung durch die angeordnete Maßnahme überhaupt tangiert wird, kann letztlich dahin stehen. Denn auch unter Zugrundelegung der Richtigkeit des Vorbringens der Beteiligten zu 1) liegt jedenfalls auch insoweit kein tief greifender Grundrechtseingriff vor. Dies gilt um so mehr, als jedenfalls Inhalt und Schranken der Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG durch die Gesetze bestimmt werden, zu denen auch die im öffentlichen Interesse an der Abwehr von Gefahren für Leib und Leben Dritter erlassene Vorschrift des § 31 POG Rheinland-Pfalz gehört.

Auch das Berufen auf eine Wiederholungsgefahr vermag eine Beschwerdebefugnis nicht zu begründen. Die von der Beteiligten zu 1) angeführte allgemeine abstrakte Wiederholungsgefahr reicht insoweit jedenfalls nicht aus. Erforderlich ist vielmehr, dass eine auf den konkreten Sachverhalt, bezogene Gefahr besteht. Eine solche ist - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - hier weder ersichtlich noch hinreichend konkret dargetan.

Die Verpflichtung der Beteiligten zu 1), die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen, folgt aus § 131 Abs. 1 Satz 1 KostO. Eine Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten ist entbehrlich, weil der Senat niemand außer der Beteiligten zu 1) am Verfahren der weiteren Beschwerde förmlich beteiligt hat.

Die Wertfestsetzung erfolgt auf der Grundlage der unbeanstandet gebliebenen Festsetzung durch das Landgericht.

Ende der Entscheidung

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