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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 10.08.2005
Aktenzeichen: 3 W 79/05
Rechtsgebiete: BGB, SGB XII


Vorschriften:

BGB § 1836 c
SGB XII § 90 Abs. 3

Entscheidung wurde am 16.01.2006 korrigiert: die Rechtsgebiete und Vorschriften wurden geändert und ein amtlicher Leitsatz hinzugefügt
Betreuervergütung: Berücksichtigung bereiter Mittel aus einer Sterbegeldversicherung bei der Ermittlung des einzusetzenden Vermögens.

Der Einsatz von Mitteln aus einer Sterbegeldversicherung stellt in der Regel eine Härte i. S. des § 90 Abs. 3 SGB XII dar.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen 3 W 79/05

In dem Verfahren

betreffend die Rückforderung aus der Staatskasse gezahlter Vergütung des Betreuers für die Betreuung der H..... D......., geboren am ........................,

hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dury und die Richterinnen am Oberlandesgericht Simon-Bach und Stutz auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 22./30. März 2005 gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 25. Februar 2005

ohne mündliche Verhandlung

am 10. August 2005

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die der Betroffenen im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde entstandenen Kosten werden der Landeskasse auferlegt.

III. Der Geschäftswert des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 312,-- € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Beteiligte zu 2) ist als Betreuer für die Betroffene eingesetzt. Mit Beschluss vom 9. März 2004 hat das Amtsgericht für die Zeit vom 19. November 2002 bis zum 18. November 2003 eine wegen festgestellter Mittellosigkeit der zu Betreuenden aus der Staatskasse zu zahlende pauschale Aufwandsentschädigung in Höhe von 312,-- € festgesetzt. Mit weiterem Beschluss vom 7. Dezember 2004 ordnete das Amtsgericht die Rückerstattung dieses Betrages aus dem Vermögen der Betroffenen mit der Begründung an, der Schonbetrag von 2 300,-- € sei weit überschritten. Dabei hat das Amtsgericht die Rückkaufswerte und Überschussbeteiligungen von vier Sterbegeldversicherungen der Betroffenen (angesparter Gesamtwert: 3 003,25 €) als einsatzfähiges Vermögen der Betroffenen erachtet.

Auf die hiergegen von dem Beteiligten zu 2) "in seiner Eigenschaft als Betreuer" eingelegten Beschwerde hat das Landgericht den Rückforderungsbeschluss aufgehoben und zur Begründung ausgeführt, der Betrag der Sterbegeldversicherungen sei dem Schonvermögen der Betroffenen zuzurechnen und sei deshalb nicht gemäß § 1908 i i. V. m. § 1836 c BGB i. V. m. § 90 SGB XII einzusetzen.

Hiergegen richtet sich die - zugelassene - sofortige weitere Beschwerde des Bezirksrevisors.

II.

1. Die sofortige weitere Beschwerde ist infolge ihrer Zulassung statthaft (§ 56 g Abs. 5 Satz 2 FGG). Das Rechtsmittel ist auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden (§§ 29 Abs. 1 und 3, Abs. 2 und Abs. 4, 21 Abs. 2, 22 Abs. 1, 29 Abs. 1 FGG). Insbesondere ist es nicht verfristet. Ein Nachweis der Zustellung des landgerichtlichen Beschlusses an den Bezirksrevisor liegt nicht vor, so dass von einer die Beschwerdefrist des § 22 FGG in Lauf setzenden Bekanntmachung der Entscheidung an diesen (§ 16 Abs. 2 FGG) nicht ausgegangen werden kann. Die Beschwerdebefugnis des Beteiligten zu 1) ergibt sich daraus, dass ein Rückforderungsanspruch der Staatskasse abgelehnt wird und der Erstbeteiligte die finanziellen Interessen des Staates zu wahren hat.

2. In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg.

Die angefochtene Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).

Die Erstbeschwerde war zulässig. Als Rechtsmittelführer ist die Betroffene, vertreten durch den Beteiligten zu 2) und nicht dieser selbst anzusehen. Die von dem Verfahrensbevollmächtigten gewählte Formulierung kann nur in diesem Sinne verstanden werden, da sich die Rückforderung gegen das Vermögen der Betroffenen richtet und der Betreuer durch den angefochtenen Beschluss selbst nicht beschwert wäre.

Die sofortige Beschwerde war auch in der Sache begründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass die, der Betroffenen aus den Sterbegeldversicherungen zustehenden Beträge dem Schonvermögen nach § 90 SGB XII zuzurechnen sind.

Im Einzelnen gilt Folgendes:

Soweit die Staatskasse den Betreuer befriedigt, gehen dessen Ansprüche gegen den Betroffenen auf sie über (§ 1836 e Abs. 1 Satz 1, § 1908 i Abs. 1 BGB). Sie kann bei dem Betroffenen Rückgriff nehmen, soweit dieser sein Einkommen und sein Vermögen gemäß § 1836 c BGB nach den Vorgaben des Sozialhilferechts hierfür einzusetzen hat. Zu dem einzusetzenden Vermögen gehören grundsätzlich auch sog. "bereite Mittel", über die der Betroffene nach einer ihm möglichen und zumutbaren Rechtsgestaltung, zum Beispiel Vertragskündigung, zur Bedarfszeit verfügen kann (BVerwG NJW 2004, 2914, 2915).

Der Senat teilt die Auffassung der Kammer, dass die Mittel, die der Betroffenen hier aus den Sterbegeldversicherungen im Falle einer Vertragsbeendigung zustünden, nicht dem einzusetzenden Vermögen zuzurechnen sind. Ihr Einsatz würde in vorliegendem Fall für die Betroffene eine unzumutbare Härte im Sinne von § 90 Abs. 3 SGB XII bedeuten, wobei es im Ergebnis dahingestellt bleiben kann, ob man das Sterbegeld als Bestandteil der Alterssicherung im Sinne des § 90 Abs. 3 Satz 2 SGB XII betrachtet (OLG Köln Beschluss vom 27.9.2002 Az: 16 Wx 188/02; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 19.12.2003) oder seine Verschonung unmittelbar aus Absatz 3 Satz 1 der Vorschrift herleitet (BVerwG NJW 2004, 2914, 2915 für Leistungen auf einen Grabpflegevertrag).

Grundsätzlich setzt eine solche Härte eine Fallgestaltung voraus, die nach den Leitvorstellungen des § 90 Abs. 2 SGB XII vom Vermögenseinsatz frei bleiben soll, aber wegen ihrer Atypik nicht von der Aufzählung dieser Vorschrift erfasst werden konnte (BVerwGE 92, 254). Dies ist vorliegend zu bejahen.

Bei der Beurteilung der Frage, ob eine unzumutbare Härte im Sinne des § 90 Abs. 3 SGB XII vorliegt, ist zum einen auf die, in § 90 Abs. 2 SGB XII zum Ausdruck kommenden Leitgedanken der Bestimmungen über das Schonvermögen abzustellen und sind zum anderen die in anderen Bestimmungen des SGB XII zum Ausdruck kommenden Wertungen zu berücksichtigen (BVerwG NJW 2004, 2914, 2915).

Aufgabe der Sozialhilfe nach § 1 Abs. 2 SGB XII ist es, dem Empfänger der Hilfe die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht. Infolge dessen schützt die Vorschrift des § 90 Abs. 2 SGB XII nicht nur wirtschaftliche Interessen, sondern - wie in Abs. 2 Nrn. 6 und 7 der Vorschrift zum Ausdruck kommt - auch immaterielle Werte. Dementsprechend ist der Wunsch vieler Menschen, für ein angemessenes Begräbnis und für die Zeit nach ihrem Tod vorzusorgen, dahin zu respektieren, dass ihnen die Mittel erhalten bleiben, die sie für eine angemessene Bestattung und Grabpflege zurückgelegt haben. Nur dann wenn diese Mittel nicht zu Lebzeiten zu einem anderen Zweck eingesetzt werden müssen, stehen sie nach dem Tod auch für die Bestattung und Grabpflege zur Verfügung. Auch wenn der Gesetzgeber das Sterbegeld nicht in § 90 Abs. 2 SGB XII als verschont aufgeführt hat, hat er doch die Vorsoge hierfür sozialhilferechtlich anerkannt (§ 33 SGB XII). Daher erscheint es gerechtfertigt, die angemessene Vorsorge für den Todesfall nach § 90 Abs. 3 SGB XII zu verschonen (BVerwG NJW 2004, 2914 ff; Niedersächsisches OVG Urteil vom 23. Juli 2003 Az: 4 LC 523/02; a. A. OVG Koblenz, Beschluss vom 24. März 2003, Az: 12 A 10302/03).

Darüber hinaus hat das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend darauf hingewiesen, dass das Recht über die eigene Bestattung zu bestimmen, Teil des grundgesetzlich geschützten Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 GG) ist und die Dispositionsfreiheit umfasst, bereits zu Lebzeiten für eine angemessene Bestattung Vorsorge zu treffen. Es kann von einem Betreuten nicht gefordert werden, auf eine angemessene Bestattungsvorsorge zu verzichten, um im größtmöglichen Umfang sein Vermögen für die Bestreitung zukünftiger Betreuerkosten anzusparen, und sich für den Todesfall auf eine eventuelle Übernahme der Kosten eines sog. "Armenbegräbnisses" durch den Sozialhilfeträger (§ 74 SGB XII) verweisen lassen. Zu Recht hat das Landgericht deshalb gefolgert, dass eine solch weitgehende Einschränkung der Lebensgestaltung, die auch die Vorsorge für ein angemessenes Begräbnis umfasst, in den Vorschriften des § 1836 c BGB i.V. mit den in Bezug genommenen Vorschriften des SGB XII keine Stütze findet (so auch OLG Frankfurt FGPrax 2001, 115).

Demzufolge sind die der Betroffenen aus der Sterbegeldversicherung zustehenden Mittel insoweit geschützt, als sie für eine angemessene Bestattung bestimmt sind. Die Angemessenheit einer Bestattung beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalles. Legt man die Kosten eines "durchschnittlichen" Begräbnisses zu Grunde, erscheint ein Betrag in Höhe von 3000 Euro jedenfalls nicht unangemessen.

Das Rechtsmittel ist gerichtsgebührenfrei (§ 11 Abs. 1 KostO). Die Anordnung über die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Betroffenen beruht auf § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG. Den Wert des Beschwerdegegenstandes hat der Senat nach dem von der Betroffenen zurückgeforderten Betrag festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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