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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 17.09.2001
Aktenzeichen: 3 W 87/01
Rechtsgebiete: WEG, BGB


Vorschriften:

WEG § 15 Abs. 3
BGB § 242
BGB § 1004
1. In der Teilungserklärung als Hobbyräume ausgewiesene Kellerräume einer Wohnungseigentumsanlage dürfen nicht als Wohnungen genutzt werden.

2. Zur Verwirkung des Anspruchs auf Unterlassung einer zweckbestimmungswidrigen Nutzung von Teileigentum.


Aktenzeichen: 3 W 87/01

Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

In dem Verfahren

betreffend die Wohnungseigentumsanlage

wegen Nutzungsunterlassung,

hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dury, den Richter am Oberlandesgericht Ciemiak und die Richterin am Oberlandesgericht Simon-Bach auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 8. März 2001 gegen den seinem Verfahrensbevollmächtigten am 5. März 2001 zugestellten Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 21. Februar 2001 ohne mündliche Verhandlung am 17. September 2001

beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Der Beteiligte zu 1) hat die Gerichtskosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde zu tragen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Der Geschäftswert des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 4000,- DM festgesetzt.

Gründe:

Die sofortige weitere Beschwerde ist in förmlicher Hinsicht nicht zu beanstanden, §§ 43 Abs. 1 Nr. 1, 45 Abs. 1 WEG, 29 Abs. 1 und 4, 22 Abs. 1 FGG. In der Sache bleibt das Rechtsmittel jedoch ohne Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einer Verletzung des Gesetzes (§§ 27 Abs. 1 FGG, 550 ZPO).

1. Das Landgericht hat verfahrensfehlerfrei über den in der Beschwerdeinstanz nach mündlicher Verhandlung - anstelle des Feststellungsantrags - gestellten Antrag auf Erlass einer Leistungsverfügung entschieden (vgl. BayObLG ZMR 1993, 29, 30).

2. Die Entscheidung des Landgerichts enthält auch in der Sache keine Rechtsfehler. Der - der Nutzungsuntersagung zugrunde liegende - Unterlassungsanspruch gegen den Beteiligten zu 1) ist gemäß §§ 15 Abs. 3 WEG, 1004 BGB begründet.

a) Nach § 15 Abs. 3 WEG kann jeder Wohnungseigentümer einen Gebrauch der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile und des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen, der dem Gesetz, den Vereinbarungen und Beschlüssen und, soweit sich hieraus keine Regelung ergibt, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht. Nach dieser Vorschrift ist jeder Wohnungseigentümer antragsbefugt (Senat, Beschluss vom 5. April 2000 - 3 W 10/00 -; KG Wohnungseigentum 1992, 286; Weitnauer/Lüke, Wohnungseigentumsgesetz 8. Aufl. § 15 Rdnr. 42; Staudinger/Kreuzer, BGB 12. Aufl. § 15 WEG Rdnr. 134); er kann die Unterlassung eines unzulässigen störenden Gebrauchs verlangen.

Das Teileigentum des Beteiligten zu 1) ist in der Teilungserklärung mit dem Wort "Hobbyräume" bezeichnet. Die Teilungserklärung kann vom Rechtsbeschwerdegericht selbständig ausgelegt werden (Senat, Beschluss vom 20. August 2001 - 3 W 24/01).

Dabei ist auf den Wortlaut und Sinn abzustellen, wie sich dieser für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt. Unerheblich ist hingegen, welche Vorstellungen der Verfasser der Teilungserklärung oder des Aufteilungsplans mit der Zweckbestimmung verbunden hat und was die Parteien eines Kaufvertrages hinsichtlich der Zweckbestimmung der Räume erklärt oder vereinbart haben (vgl. Senat, ZMR 1987, 228, 229; Beschlüsse vom 19. Dezember 1996 - 3 W 184/96 - und 27. Mai 1997 - 3 W 81/97 -; BayObLG aaO; Bärmann/Pick/Merle, WEG 8. Aufl. § 45 Rdnr. 87, jew. m.w.N.).

Nach diesen Grundsätzen sind die Vorinstanzen rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass die in der Teilungserklärung als Hobbyräume ausgewiesenen beiden Kellerräume nicht als Wohnungen genutzt werden dürfen (vgl. BayObLG NJW-RR 1991, 139; WE 1985,126). Die Bezeichnung von Räumen eines Teileigentums in der Teilungserklärung als "Hobbyräume" stellt eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter dar. Zwar ist mit der Teilungserklärung für den Beteiligten zu 1) als Teileigentümer keineswegs bindend festgelegt, dass die hier in Rede stehenden Räumlichkeiten nur als Hobbyräume genutzt werden dürfen. Eine solche Zweckbestimmung ist aber nach allgemeiner Ansicht dahin auszulegen, dass jede Nutzung der betreffenden Räumlichkeiten ausgeschlossen sein soll, von der stärkere Beeinträchtigungen ausgehen als sie mit der Nutzung entsprechend dem in der Teilungserklärung festgelegten Zweck verbunden sind (vgl. Senat, NJW-RR 1988, 141; FGPrax 1997,180; BayObLG NJW-RR 1988,140,141; 1991,141; 1995, 464; ZWE 2001, 160, 161; KG NJW-RR 1995, 333, 334). Hiernach sind die Vorinstanzen zu Recht davon ausgegangen, dass eine Nutzung als Wohnung mehr beeinträchtigt als eine Verwendung als Hobbyraum. Dies folgt schon aus der wesentlich intensiveren Nutzung der Räume, wenn sie als Lebensmittelpunkt für eine oder mehrere Personen dienen. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass Fälle denkbar sind, in denen es sich ausnahmsweise anders verhält (ebenso für Hobbyräume BayObLG NJW-RR 1991, 139; ZMR 1993, 29, 30; NZM 1999, 33; ZWE 2001, 27, 28; OLG Köln ZMR 2001, 661, 662). In Übereinstimmung hiermit hatte der Beteiligte zu 1) in seiner Erwiderung auf die Erstbeschwerde - anders als nunmehr in der weiteren Beschwerde - eingeräumt, das Amtsgericht habe "richtig ausgeführt, dass ... die Umwandlung von Hobbyräumen in eine eigenständige Wohneinheit typischerweise als störend angesehen werden kann ..."

b) Der Unterlassungsanspruch gegen den Beteiligten zu 1) ist auch nicht verwirkt. Eine Verwirkung setzt voraus, dass seit der Möglichkeit, das Recht geltend zu machen, längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung des Rechts als gegen Treu und Glauben verstoßend erscheinen lassen (Palandt/Heinrichs, BGB 60. Aufl. § 242 Rdnr. 87). Gegenstand der Verwirkung können auch einzelne Ansprüche aus einem dinglichen Recht sein. Für Unterlassungsansprüche gilt dies jedenfalls dann, wenn die Rechtsverletzung - wie hier der Übergang zur Nutzung als Wohnung - auf einem bestimmten abgeschlossenen Eingriff beruht (BayObLG NJW-RR 1991, 1041; MüKo/Roth, BGB 4. Aufl. § 242 Rdnr. 464). Ist ein Unterlassungsanspruch gegen einen Wohnungseigentümer verwirkt, so wirkt dies für und gegen den Sondernachfolger (Senat, Beschluss vom 11. Juni 2001 - 3 W 218/00 -, zur Veröff. bestimmt; BayObLG WE 1994, 180, 181). Die Entscheidung, ob das für eine Verwirkung erforderliche Zeit- und Umstandsmoment gegeben ist, liegt im wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet. Die vom Tatrichter insoweit getroffenen tatsächlichen Feststellungen sind für das Rechtsbeschwerdegericht bindend, wenn sie keinen Rechtsfehler erkennen lassen (BayObLG ZMR 1999, 847, 848).

Nach den verfahrensfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts liegt hier eine Verwirkung nicht vor. Allerdings haben die jeweiligen Wohnungseigentümer die Nutzung des Teileigentums des Beteiligten zu 1) zu Wohnzwecken über "mehrere Jahre" - wenn auch mit Unterbrechungen - hingenommen. Rechtsfehlerfrei ist das Landgericht jedoch zu der Annahme gelangt, dass der Beteiligte zu 1) aufgrund dieses Verhaltens nicht damit rechnen konnte, die übrigen Wohnungseigentümer, der Beteiligte zu 2) eingeschlossen, würden mit einer Nutzung des Teileigentums zu Wohnzwecken einverstanden sein. Für eine Verwirkung reicht nämlich der Ablauf einer längeren Zeitspanne allein nicht aus. Es müssen vielmehr weitere Umstände hinzukommen, die die verzögerte Geltendmachung des Rechts als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Daran fehlt es hier. Durch ihre mehrjährige Untätigkeit allein konnten die übrigen Wohnungseigentümer bei dem Beteiligten zu 1) nicht das Vertrauen erwecken, sie würden sich auf Dauer mit einer nach der Teilungserklärung nicht zulässigen Nutzung abfinden. Auch unter solchen Umständen bleibt nämlich die Nutzungsbeschreibung von Räumlichkeiten in der Teilungserklärung grundsätzlich bindend (Staudinger/Kreuzer aaO § 15 WEG Rdnr. 137 m.w.N.). Ein derartiges Vertrauen hätte hier allenfalls durch positive Handlungen oder Äußerungen der übrigen Wohnungseigentümer - insbesondere auch des Beteiligten zu 2) - entstehen können (vgl. BayObLG WE 1988, 143 f.; 1994, 180, 181; ZfIR 2000, 47; ZMR 2001, 556, 557; OLG Düsseldorf NJW-RR 1997, 907). Derartiges hat das Landgericht nicht festgestellt. Eine etwaige Zustimmung der jeweiligen Verwalter muss sich der Beteiligte zu 2) nicht zurechnen lassen. Denn der Verwalter handelt bei entsprechenden Zustimmungserklärungen im eigenen Namen und in eigener Zuständigkeit, ohne die Wohnungseigentümer selbst dadurch zu binden (BayObLG WE 1989, 67; 1994, 180, 181; FGPrax 2001, 103, 104). Etwa vom Beteiligten zu 1) vorgenommene Investitionen geschahen auf sein Risiko (vgl. BayObLG WE 1994, 180, 181). Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen kann dem Landgericht auch keine Verletzung der Amtsaufklärungspflicht (§ 12 FGG) vorgeworfen werden. Mit neuem tatsächlichen Vorbringen kann die weitere Beschwerde nicht gehört werden.

Für ein schikanöses Verhalten des Beteiligten zu 2) gemäß § 226 BGB fehlen jegliche Anhaltspunkte. Das Landgericht hat auch keine Tatsachen festgestellt, die den Schluss nahe legen, der Beteiligte zu 2) führe das vorliegende Verfahren nur deshalb durch, um dem Beteiligten zu 1) Schaden zuzufügen.

c) Der Unterlassungsanspruch ist auch nicht auf eine unmögliche Leistung gerichtet. Wird einem Teileigentümer die zweckbestimmungswidrige Nutzung des Teileigentums durch seine Mieter untersagt, hat er alle in Betracht kommenden Maßnahmen zu ergreifen, um die unzulässige Nutzung zu unterbinden. Das Wohnungseigentumsgericht kann ihn allerdings nicht zu bestimmten Maßnahmen verpflichten, insbesondere nicht dazu, die Räumung zu betreiben (BayObLG NJW-RR 1991, 658 f.). Abgesehen davon hätte der Beteiligte zu 2) einen Unterlassungsanspruch auch gegen die Mieter selbst (vgl. OLG München WuM 1992, 326 f.).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Den Geschäftswert hat der Senat unter Berücksichtigung der Wertung des Landgerichts gemäß § 48 Abs. 3 WEG festgesetzt (vgl. BayObLG ZMR 1993, 29, 31).

Ende der Entscheidung

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