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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 02.07.2008
Aktenzeichen: 3 W 97/08
Rechtsgebiete: AufenthG, StPO, StVollzG


Vorschriften:

AufenthG § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4
AufenthG § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5
StPO § 455
StPO § 455 Abs. 4 Nr. 3
StVollzG § 65 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 3 W 97/08 In dem Verfahren betreffend die Verlängerung angeordneter Abschiebungshaft,

hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dury, den Richter am Oberlandesgericht Kratz und die Richterin am Oberlandesgericht Stutz auf die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen vom 5. Juni 2008 gegen den Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 26. Mai 2008 ohne mündliche Verhandlung

am 2. Juli 2008 beschlossen: Tenor:

1. Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 26. Mai 2008 wird zurückgewiesen.

2. Der Antrag des Betroffenen auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Abschiebungshaft in dem Zeitraum vom 20. Februar 2008 bis zum 6. März 2008. Der Betroffene reiste am 13. Juli 2005 nach Deutschland ein. Nach rechtskräftiger Abweisung eines Asylantrages und Bestandskraft der Ausweisungsverfügung war er seit dem 15. Mai 2006 untergetaucht. Am 8. Januar 2008 wurde der Betroffene von Österreich den deutschen Behörden überstellt. Am selben Tag ordnete das Amtsgericht Frankfurt/Main Abschiebungshaft bis zum 19. Februar 2008 an, die in der Folge in der Gewahrsamseinrichtung für Ausreisepflichtige in I......... vollzogen wurde. Die Ausländerbehörde, die im Besitz eines unbefristet gültigen Rückreisedokuments für den Betroffenen ist, buchte sodann für den 13. Februar 2008 einen unbegleiteten Rückflug nach Guinea. Die Abschiebung scheiterte indes am Widerstand des Betroffenen. Mit Beschluss vom 19. Februar 2008 ordnete das Amtsgericht Bingen, an welches das Verfahren zwischenzeitlich abgegeben worden war, sodann die Verlängerung der Abschiebungshaft um drei Monate bis zum 19. Mai 2008 an. Am 3. März 2008 wurde der Betroffene, der sich vom 10. bis zum 25. Januar 2008 in einem Hungerstreit befand, aufgrund einer psychischen Erkrankung zur stationären Behandlung in der geschlossenen Station ... der R.... - Klinik in A..... aufgenommen. Mit Beschluss vom 6. März 2008 setzte daraufhin das Amtsgericht die Abschiebungshaft für die Dauer der Krankenhausbehandlung zunächst aus und hob sie schließlich mit Beschluss vom 20. März 2008 auf, nachdem in einer Stellungnahme der behandelnden Klinikärzte vom 18. März 2008 die Haftunfähigkeit des Betroffenen attestiert wurde. Mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 26. März 2008 hat der Betroffene in dem Erstbeschwerdeverfahren sodann beantragt, die Rechtswidrigkeit der Haft festzustellen. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen. II. Das Rechtsmittel ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden (§ 106 Abs. 2 AufenthG i. V. m. § 3 Satz 2 FEVG, §§ 27, 29 FGG). In der Sache führt die Rechtsbeschwerde nicht zum Erfolg. Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO). 1. Das Landgericht hat im Ausgangspunkt zutreffend und von der Rechtsbeschwerde auch nicht angegriffen festgestellt, dass die Haftgründe nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 4 und 5 AufenthG vorlagen und dass die Verlängerung der Abschiebungshaft auf insgesamt etwas mehr als vier Monate im Hinblick auf die Verhinderung der Abschiebung durch den Betroffenen rechtmäßig war. 2. Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist es für die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Abschiebungshaft allerdings nicht Voraussetzung, dass der (Verlängerung der) Abschiebungshaft "von Anfang an", also bereits zum Zeitpunkt des Erlasses der Verlängerungsentscheidung durch das Amtsgericht Bingen, eine Haftunfähigkeit des Betroffenen entgegen stand. Auch dann, wenn die Abschiebungshaft zunächst zu Recht verlängert, nach Wegfall einer ihrer Voraussetzungen (hier: der Haftfähigkeit) aber nicht unverzüglich durch die Behörde beendet worden ist, erzielt der Feststellungsantrag einen (Teil-)Erfolg (vgl. OLG Düsseldorf, InfAuslR 2007, 454; OLG München, OLGR 2008, 107). Denn das aus dem Freiheitsgrundrecht des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG begründete Feststellungsinteresse betrifft nicht nur Fallgestaltungen, in denen die Anordnung von Abschiebungshaft von Anfang an rechtswidrig war. Die Feststellung betrifft in einem solchen Fall zwar keine unrichtige Entscheidung durch das Haftgericht, aber einen rechtswidrigen weiteren Vollzug der Abschiebungshaft durch die hierfür zuständige Behörde (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 3 FEVG). Eine solche Feststellung obliegt jedenfalls dann den Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit, wenn der Wegfall einer Haftvoraussetzung in Rede steht, die - hätte sie von Anfang an gefehlt - bei der Haftanordnung von dem Haftgericht zu berücksichtigen gewesen wäre (vgl. OVG Nordrhein - Westfalen, DÖV 2006, 922). Der Verwaltungsrechtsweg ist hingegen nur dann eröffnet, wenn es um den - angeblichen - zwischenzeitlichen Wegfall der materiellen Voraussetzungen der Ausreisepflicht geht (OVG Niedersachsen, InfAuslR 2007, 246). 3. Die Entscheidung der Kammer erweist sich gleichwohl im Ergebnis und auch im Wesentlichen in der Begründung als zutreffend. Zu Recht hat die Kammer in den ihre Entscheidung tragenden Gründen darauf abgestellt, dass sowohl das Amtsgericht Bingen als auch die die Abschiebungshaft vollstreckende Ausländerbehörde erstmals aufgrund der ärztlichen Stellungnahme vom 18. März 2008 von der Gewahrsamsunfähigkeit des Betroffenen Kenntnis erlangt haben und dass bis dahin auch kein Verstoß gegen die Pflicht zur Amtsermittlung des Sachverhaltes vorgelegen hat. Soweit der Betroffene in seiner Rechtsbeschwerde die Auffassung vertritt, für die Feststellung der Rechtswidrigkeit (des weiteren Vollzugs) der Abschiebungshaft komme es alleine auf das objektive Fehlen einer Haftvoraussetzung und nicht auf eine Kenntnis oder die Vorwerfbarkeit einer Unkenntnis des Gerichts oder der Behörde hiervon an, trifft dies auf das Fehlen bzw. den Wegfall der Haftfähigkeit nicht zu. Nach Auffassung des Senats kann nämlich in dieser Frage nichts anderes gelten, als für die Beantwortung der Frage der Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzugs im Sinne von Art. 5 MRK im Zusammenhang mit der Vollstreckung von Untersuchungshaft (§ 455 StPO). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 122, 268) ist eine (weitere) Inhaftierung eines haftunfähig erkrankten Beschuldigten unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit erst dann rechtswidrig, wenn ihre Unverhältnismäßigkeit objektiv erkennbar ist. Die gesetzliche Wertung des § 455 StPO verbietet einen Haftvollzug, von dem nahe Lebensgefahr oder eine schwere Gesundheitsgefahr droht. Dabei muss bei einer solchen Gefahr die Haft aber nicht zwingend unterbrochen werden. Vom Vollzug droht die Gefahr nämlich dann nicht mehr, wenn Mittel zur Abhilfe bestehen. Solche Mittel sind nicht nur die in § 455 Abs. 4 Nr. 3 StPO ausdrücklich genannte Untersuchung und Behandlung in Vollzugseinrichtungen, sondern nach § 65 Abs. 2 StVollzG auch diejenigen in einem externen Krankenhaus, die ohne Unterbrechung des Vollzugs vonstatten gehen können. Dabei darf im Hinblick auf das Grundrecht des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht zwischen Krankheiten unterschieden werden, die von der Haft und deren Grund unabhängig sind, und solchen, die psychische oder physische Folge der Haft sind. Diese Erwägungen gelten in gleichem Maße für den Vollzug der Abschiebungshaft, zumal § 65 Abs. 2 StVollzG nach § 2 Satz 1 des rheinlandpfälzischen Aufnahmegesetzes vom 21.12.1993, GVBl. S. 627 für die Abschiebungshaft anzuwenden ist. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze und den von der Kammer rechtsfehlerfrei festgestellten Tatsachen schließt sich der Senat der Bewertung in dem angegriffenen Beschluss an, dass die Unverhältnismäßigkeit der weiteren Vollstreckung der Abschiebungshaft erst aufgrund der ärztlichen Stellungnahme vom 18. März 2008 objektiv erkennbar war. Da die Beteiligte zu 2) unverzüglich nach Kenntnis von dieser Stellungnahme die Aufhebung der zu diesem Zeitpunkt bereits "ausgesetzten" Abschiebungshaft beantragt hat, war der Vollzug von Abschiebungshaft zu keinem Zeitpunkt rechtswidrig. Damit erweist sich die Rechtsbeschwerde als unbegründet. 4. Mangels hinreichender Erfolgsaussichten (§§ 14 FGG, 114 ZPO) war der Antrag des Betroffenen auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde zurückzuweisen. 5. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst; ebenso erübrigt sich die Festsetzung des Wertes des Beschwerdegegenstandes.

Ende der Entscheidung

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