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Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 24.05.2007
Aktenzeichen: 4 U 104/06
Rechtsgebiete: BGB, EGBGB
Vorschriften:
BGB § 852 Abs. 2 (a.F) | |
BGB § 203 | |
BGB § 212 Abs. 1 (n.F) | |
EGBGB Art 229 § 6 |
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil
Aktenzeichen: 4 U 104/06
Verkündet am: 24. Mai 2007
In dem Rechtsstreit
wegen Schadensersatzes
hat der 4. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Staab, den Richter am Oberlandesgericht Friemel und die Richterin am Oberlandesgericht Bastian-Holler auf die mündliche Verhandlung vom 26. April 2007
für Recht erkannt:
Tenor:
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) aufgehoben. II. Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
III. Das Verfahren wird zur Entscheidung über die Höhe und auch über die Kosten des Berufungsverfahrens an das Landgericht zurückverwiesen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Auf den Grundstücken der Klägerin (FlStNr. ... und ...) in der B...in L... steht ein Einfamiliehaus mit Nebengebäuden sowie ein Gartenhäuschen. Im Jahre 2000 errichtete der Beklagte auf seinem dazwischen liegenden Grundstück B... (FlStNr. ...) ein Mehrfamilienhaus, das er- in baurechtlich genehmigter Weise - an das vorhandene Einfamilienhaus der Klägerin anbaute. Das Haus des Beklagten überragt nunmehr das Haus der Klägerin. Im Zuge der Bauarbeiten riss der Beklagte eine hälftig auf seinem Grundstück (FlStNr. ...) und dem Grundstück (FlStNr. ...) der Klägerin stehende Trennwand und die Außenwand des Gartenhäuschens der Klägerin ab, die allein auf dem Grundstück FlStNr. ... der Klägerin stand.
Die Klägerin machte noch im selben Jahr schriftlich gegenüber dem Beklagten Schadensersatzansprüche geltend. Während die hinter dem Beklagten stehende Haftpflichtversicherung eine Prüfung der Ansprüche der Klägerin zusagte, wies der Beklagte durch Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 5. Januar 2001 sämtliche Forderungen zurück. In der Folgezeit kam es zwischen dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin und der Haftpflichtversicherung des Beklagten zu einem umfangreichen Schriftwechsel. Die Versicherung des Beklagten bezahlte am 9. März 2001 1 199,94 € (2 346,87 DM) und am 27. November 2001 weitere 1 849,49 €. Am 6. Januar 2004 wandte sich die Klägerin über ihren Prozessbevollmächtigten erneut an die Haftpflichtversicherung des Beklagten und machte weitere Ansprüche geltend, woraufhin die Haftpflichtversicherung eine Prüfung zusagte. Mit Schreiben vom 30. Januar 2004 teilte sie mit, keine Zahlungen mehr leisten zu wollen.
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten unter Berücksichtigung der von seiner Haftpflichtversicherung geleisteten Zahlungen die Bezahlung weiterer 7 499,09 € nebst Zinsen.
Durch das angefochtene Urteil, auf das zur Ergänzung des Tatbestands Bezug genommen wird, hat die Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) die Klage wegen Verjährung abgewiesen.
Mit ihrer Berufung bekämpft die Klägerin das Urteil in vollem Umfang. Sie rügt die Rechtsauffassung der Einzelrichterin.
Sie beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern
und
den Beklagten zu verurteilen, an sie 7 499,09 € nebst 5 %-Punkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit 16. Dezember 2001 zu bezahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt die Entscheidung des Landgerichts unter Vertiefung seines dortigen Vorbringens.
Auf die gewechselten Schriftsätze und vorgelegten Urkunden wird zur Ergänzung des Tatbestands Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin führt zu einem vorläufigen Erfolg. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch ist nicht verjährt. Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt, weshalb der Senat durch Grundurteil über den Anspruch der Klägerin entscheidet und die Sache nach § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO auf Antrag der Klägerin zur Entscheidung über die Höhe an das Landgericht zurückverweist, weil insoweit noch eine aufwendige Beweisaufnahme notwendig sein wird.
1. Die Einzelrichterin hat angenommen, dass sich der Anspruch der Klägerin "aus dem NachbarG Rheinland-Pfalz" oder aus § 823 BGB ergäbe. Das trifft zu.
Die Klägerin begehrt Schadensersatz wegen des Abrisses einer hälftig auf beiden Grundstücken der Parteien stehenden Mauer, sowie der Abtragung der allein auf ihrem Grundstück stehenden Rückwand ihres Gartenhäuschens.
Die hälftig auf beiden Grundstücken stehende Wand war eine Nachbarwand im Sinne von § 3 des rheinland-pfälzischen NachbarG (LNRG). Eine Nachbarwand im Sinne der Vorschrift ist eine Wand, die auf der Grenze steht und die auf beiden Seiten der Grenze errichteten oder zu errichtenden Gebäuden als Abschlusswand, zur Unterstützung oder Versteifung dient (Hülbusch/Bauer/Schlieck LNRG § 3 Rdnr. 8). Die vom Beklagten abgerissene Mauer diente auf Seiten des Grundstücks der Klägerin als Auflager einer Überdachung des auf ihrem Grundstück befindlichen Lagerplatzes und als dessen Rückwand. Der Überdachung des Lagerplatz mit der Abschlusswand war somit ein Gebäude im Sinne der vorgenannten Vorschrift. Reißt der Nachbar ein solches Gebäude unberechtigt ab, kommen als Anspruchsgrundlagen ein (verschuldensunabhängiger) Schadensersatzanspruch nach § 10 Abs. 3 LNRG oder ein (verschuldensabhängiger) deliktischer Schadensersatzanspruch nach § 823 BGB in Betracht. Umstritten ist, ob auch vertragliche Ansprüche wegen einer Verletzung der nachbarrechtlichen Schutz- und Gemeinschaftspflichten möglich ist (verneinend BGHZ 42, 374; OLG Düsseldorf Urteil vom 23. Januar 1998 - 22 U 119/97 - bei Juris; zweifelnd BGHZ 135, 235; bejahend Hülbusch/Bauer/Schlieck aaO. Einleitung Rdnr. 33). Ob vorliegend auch vertragliche Ansprüche in Betracht kommen, kann dahinstehen, weil der Klägerin jedenfalls die übrigen, vorgenannten Ansprüche zustehen. Soweit der Beklagte die allein auf dem Grundstück der Klägerin und damit in ihrem Alleineigentum stehende Rückwand ihres Gartenhäuschens abgerissen hat, steht der Klägerin ein deliktischer Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 1 BGB zu.
2. Die Einzelrichterin hat angenommen, dass diese Ansprüche verjährt seien.
Den deliktischen Ansprüchen ist gemeinsam, dass - wie die Einzelrichterin zutreffend ausgeführt hat - die Verjährungsfrist drei Jahre beträgt (§ 852 BGB (a.F.) sowie § 53 LNRG).
Das Landgericht hat ausgeführt, dass die Verjährungsfrist "im Spätjahr 2000" begonnen habe und zunächst durch die Teilregulierung der Haftpflichtversicherung der Beklagten vom 9. März 2001 unterbrochen worden sei; die anschließend begonnen habende neue Verjährungsfrist sei durch die Verhandlungen der Versicherung mit dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin gehemmt worden; diese Hemmung habe aber insgesamt nur ca. drei Monate gedauert, so dass die am 10. März 2001 neu begonnen habende Verjährungsfrist auch unter Berücksichtigung dieses Hemmungszeitraumes lange vor Einreichung des Antrags auf Erlass eines Mahnbescheids am 30. Dezember 2004 abgelaufen sei.
Dem kann nicht gefolgt werden.
Zutreffend hat die Einzelrichterin angenommen, dass in der Teilzahlung der hinter dem Beklagten stehenden Haftpflichtversicherung vom 9. März 2001 ein die Verjährung unterbrechendes Anerkenntnis lag, das zur Folge hatte, dass die Verjährung am nächsten Tag erneut begann (§ 208 BGB (a.F.)).
Ein Anerkenntnis im Sinne von § 208 BGB a.F. ist anzunehmen, wenn der Schädiger oder der für ihn handelnde Haftpflichtversicherer (vgl. dazu BGH VersR 1970, 549) dem Geschädigten auf sein Verlangen Schadensersatzleistungen erbringt. Dabei ist grundsätzlich unerheblich, ob die Forderung des Geschädigten ganz oder nur teilweise erfüllt wird. Da der gesamte aus einer unerlaubten Handlung entspringende Schaden eine Einheit darstellt, liegt ein den Anspruch auf Ersatz dieses Schadens insgesamt umfassendes Anerkenntnis grundsätzlich auch dann vor, wenn sich der Schaden aus mehreren Schadensarten zusammensetzt, der Geschädigte nur einzelne Schadensteile geltend macht und der Schädiger nur darauf bezahlt. Denn der Schädiger erweckt dadurch bei dem Geschädigten das Vertrauen, dass er auch auf die anderen Schadensgruppen, soweit sie geltend gemacht werden, Schadensersatz leisten werde. Etwas anderes kommt nur in Betracht, wenn der Schädiger bei seiner Leistung in unzweideutiger Weise zum Ausdruck bringt, dass er keine weiteren Leistungen erbringen werde (vgl. BGH NJW-RR 1986, 324 m.w.N.; OLG Koblenz NJW-RR 1994, 1049). Das war hier nicht der Fall.
Die hinter dem Beklagten stehende Versicherung hat sogar am 27. November 2001 ein weiteres, verjährungsunterbrechendes Anerkenntnis abgegeben, weil sie an diesem Tag nochmals 1 849,49 € bezahlt hat, nachdem die Klägerin mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 7. September und 19. November 2001 zusätzliche Ansprüche geltend gemacht hatte.
Die deshalb am 28. November 2001 erneut beginnende Verjährungsfrist konnte deshalb frühestens am 28. November 2004 enden. Zu berücksichtigen ist aber ferner, dass der zwischen November 2000 und 27. November 2001 geführte Schriftwechsel der Klägerin und der hinter dem Beklagten stehenden Haftpflichtversicherung den Ablauf der Verjährung auch gehemmt hat, weil darin ein Verhandeln über die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche lag. Das Schreiben der Haftpflichtversicherung vom 27. November 2001 beinhaltete ein weiteres "Verhandeln" über die Ansprüche der Klägerin.
Der Begriff der Verhandlung im Sinne von § 852 Abs. 2 BGB a.F. ist weit auszulegen. Es genügt jeder Meinungsaustausch über den Schadensfall, es sei denn die (weiteren) Verhandlungen werden erkennbar abgelehnt. Es ist noch nicht einmal erforderlich, dass der Gegner eine Bereitschaft zum Entgegenkommen signalisiert (BGH Urteil vom 5. November 2002 - VI ZR 416/01 - bei Juris; NJW-RR 2001, 1168; NJW 1983, 2075; OLG Düsseldorf Urteil vom 21. Oktober 2005 - 23 U 49/05 - bei Juris; Palandt/Heinrichs BGB aaO. § 203 Rdnr. 2 m.w.N.). Unzweifelhaft hat die Haftpflichtversicherung des Beklagten seit Anmeldung ihrer Schäden durch die Klägerin seit November 2000 mit dieser verhandelt. Die Versicherung hat zunächst eine Überprüfung des Schadensfalles zugesagt und die Einholung eines Gutachtens angekündigt. Nach dessen Vorliegen hat sie zweimal Zahlungen geleistet, letztmals am 27. November 2001. Auch in dem Begleitschreiben dazu vom selben Tage hat die Versicherung nicht den Eindruck erweckt, dass diese Zahlung abschließend sein sollte und sie keinen weiteren Schadensersatz mehr leisten werde, sondern für den Fall der Benennung von Zeugen (für den Schaden am Dach) und die Vorlage einer Architektenrechnung (wegen der Architektenkosten) weitere Zahlungen nicht ausgeschlossen.
Somit traten durch das Schreiben der Versicherung vom 27. November 2001 zugleich eine Hemmung und eine Unterbrechung der Verjährungsfrist ein. Das ist möglich. In diesem Fall bleibt dem Gläubiger auch die Wirkung einer Hemmung erhalten; sie wird nicht von der gleichzeitig eintretenden Unterbrechung der Verjährung berührt. Vielmehr läuft die neue Verjährungsfrist erst vom Ende der Hemmung an (BGHZ 109, 220, 223).
Die durch das Schreiben ausgelöste Hemmung endete erst, wenn die Versicherung weitere Verhandlungen verweigerte, oder durch Zeitablauf, wenn die Klägerin die Verhandlungen einschlafen ließ (BGH NJW 1986, 1337; Palandt/Heinrichs, aaO. § 203 Rdnr. 4). Da die Versicherung zunächst keine weiteren Verhandlungen verweigert hatte, kommt es für den Beginn der sich anschließenden Verjährungsunterbrechung maßgeblich darauf an, ab welchem Zeitpunkt angenommen werden kann, dass die Verhandlungen "eingeschlafen" sind. Dieser kann nicht auf eine Zeit vor dem 1. Januar 2002 datiert werden.
Ein durch "Einschlafenlassen" bewirkter Abbruch der Verhandlungen kann nur unter besonderen Umständen angenommen werden, so wenn der Geschädigte den Zeitpunkt versäumt, zu dem von ihm eine Antwort auf ein Schreiben des Geschädigten zu erwarten gewesen wäre, falls die Regulierungsverhandlungen mit verjährungshemmender Wirkung fortgesetzt werden sollten (BGH NJW 1986, aaO.; 1977 674; Palandt/Heinrichs aaO. § 203 Rdnr. 4 m.w.N.). In der Rechtsprechung wird insoweit eine Frist von etwa einem Monat zur Begründung eines Abbruchs der Verhandlungen durch "Einschlafen-Lassen" angenommen, wenn der Berechtigte dem Schädiger bzw. seiner Versicherung eine Frist gesetzt hatte (BGH Urteil vom 5. November 2002 - VI ZR 416/01 - bei Juris) oder wenn der Schädiger eine Prüfung der Ansprüche angekündigt und der Anspruchsteller keine Nachfrage mehr gehalten hatte (OLG Düsseldorf Urteil vom 21. Oktober 2005 - 23 U 49/05 - bei Juris).
Ausgehend von diesen Grundsätzen kann hier nicht davon ausgegangen werden, dass die zwischen der Klägerin und der Haftpflichtversicherung des Beklagten geführten Verhandlungen vor dem Jahresende 2001 beendet waren. Das Schreiben der Haftpflichtversicherung des Beklagten vom 27. November 2001 ist ausweislich des Eingangsstempels am 30. November 2001 den Rechtsanwälten der Klägerin zugegangen. Da das Ende der Frist, zu welchem frühestens ein "Einschlafen-Lassen" von Verhandlungen angenommen werden könnte, somit auf den Jahreswechsel fiel, ist unter Berücksichtigung der mit den darin liegenden Feiertagen verbundenen Erschwernisse eine etwas längere Frist zu Grunde zu legen. Frühestens ab Beginn des Jahres 2002 bestand deshalb Anlass für die Annahme, dass die Regulierungsverhandlungen zwischen der Klägerin und der Haftpflichtversicherung des Beklagten "eingeschlafen" waren, weil kein weiterer Schriftwechsel mehr geführt wurde.
Somit hat die Verjährungsfrist aufgrund des Anerkenntnisses der Haftpflichtversicherung vom 27. November 2001 erst zu Beginn des Jahres 2002 begonnen, mit der Folge, dass sie frühestens am 31. Dezember 2004 abgelaufen ist. An diesem Fristende hat sich dadurch nichts geändert, dass auf die am 1. Januar 2002 noch laufende Verjährungsfrist, nach Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 ab diesem Zeitpunkt das bürgerliche Gesetzbuch in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung anzuwenden ist. Denn auch nach § 212 BGB Abs. 1 n.F. BGB verbleibt es bei dem Neubeginn der Verjährung im Falle eines Anerkenntnisses. Für die Verjährung des Anspruchs gilt nunmehr nach Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1EG BGB die (gleich lautende) dreijährige Verjährungsfrist des § 199 Abs. 1 BGB. Der Anspruch verjährte deshalb frühestens am 31. Dezember 2004. Da die Klägerin jedoch am 30. Dezember 2004 beim zuständigen Amtsgericht den Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids eingereicht hat, ist der Ablauf der Verjährungsfrist an diesem Tag rechtzeitig nach §§ 204 Abs. 1 Nr. 3 (n.F.), 167 ZPO i.V.m. Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 3 EGBGB gehemmt worden.
Zwar ist der Mahnbescheid dem Beklagten erst am 4. Februar 2005 und damit nach Ablauf der Verjährungsfrist zugestellt worden. Die Zustellung ist aber "demnächst" im Sinne von § 167 ZPO erfolgt, so dass die verjährungshemmende Wirkung auf den Eingang des Mahnantrags zurückdatiert werden kann.
Eine Zustellung "demnächst" liegt vor, wenn sie innerhalb einer nach den Umständen angemessenen, selbst längeren Frist erfolgt, sofern die Partei und ihr Prozessbevollmächtigter unter Berücksichtigung der Gesamtsituation alles Zumutbare für die alsbaldige Zustellung getan haben, was nicht der Fall ist, wenn sie durch nachlässiges oder auch nur leicht fahrlässiges Verhalten zu einer nicht nur geringfügigen Zustellungsverzögerung beigetragen haben. Als geringfügige Zustellungsverzögerung wird in der Rechtsprechung in der Regel ein Zeitraum von etwa 14 Tagen angesehen, wohingegen längere Zeiträume, so sie auf einer bereits nur leichten Nachlässigkeit der Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten beruhen, nicht mehr als geringfügig und damit unschädlich erachtet werden (BGH FamRZ 1988, 1154; NJW 1988, 411; NJW 2004, 3775; Zöller/Greger ZPO 26. Aufl. § 167 Rdnr. 11 m.w.N.). Vorliegend erfolgte die endgültige Zustellung des Mahnbescheids am 4. Februar 2005. Die Verzögerung war damit nicht nur geringfügig und grundsätzlich schädlich.
Vorliegend ist jedoch die Besonderheit, dass am 18. Januar 2005 ein erster Zustellungsversuch stattfand, der wegen einer unrichtigen Bezeichnung der Anschrift des Beklagten nicht erfolgreich war. Nach der Rechtsprechung ist in solchen Fällen davon auszugehen, dass, wenn die erste Zustellung "demnächst" erfolgt ist, die Zeitdauer der Verzögerung erst von der zunächst versuchten, fehlgeschlagenen Zustellung an gerechnet wird und die Frage, ob die spätere erfolgreiche Zustellung noch "demnächst" war, sich danach beantwortet, in welcher Zeitspanne die (erfolgreiche) Zustellung durch die Nachlässigkeit des Klägers hinausgeschoben wurde (BGH FamRZ 1988, aaO.).
Der gescheiterte Zustellungsversuch vom 18. Januar 2005 war "demnächst" erfolgt, obwohl zwischen Antrag und Zustellung bereits ein Zeitraum von 18 Tagen lag. Die eingetretene Verzögerung ist weder der Klägerin noch ihrem Prozessbevollmächtigten zuzurechnen. Der Mahnbescheid wurde vom Amtsgericht am 5. Januar 2005 erlassen. Die bis zur Zustellung am 18. Januar 2005 eingetretene Verzögerung hatte ihren Grund nicht in dem der Klägerin zuzurechnenden Bereich, sondern geschah im Verantwortungsbereich des Amtsgericht oder des Zustellungsorgans. Nachdem das Amtsgericht die Klägerin am 19. Januar 2005 von der gescheiterten Zustellung informiert hatte, hat sie umgehend am 27. Januar 2005 die richtige Anschrift des Beklagten mitgeteilt und den Antrag auf erneute Zustellung gestellt. Der Mahnbescheid wurde vom Amtsgericht am 28. Januar 2005 entsprechend geändert und dem Beklagten am 2. Februar 2005 zugestellt. Diese Zustellung lag mit 15 Tagen nach der ersten Zustellung zwar erneut geringfügig über der 14-Tagesfrist. Ein Versäumnis der Klägerin kann aber auch insoweit nicht festgestellt werden. Es kann insbesondere nicht darin gesehen werden, dass die Klägerin zunächst eine falsche Anschrift des Beklagten angegeben hatte. Das könnte ihr nur zum Vorwurf gemacht werden, wenn sie Anhaltspunkte für den erfolgten Wohnsitzwechsel des Beklagten gehabt hätte (vgl. BGH NJW 1993, 2614; Zöller/Greger aaO. Rdnr. 15). Dafür ist nichts ersichtlich. Der Beklagte hatte zu einem unbekannten Zeitpunkt das von ihm auf dem Nachbargrundstück der Klägerin errichtete Anwesen bezogen. Dass das bereits bei Stellung des ursprünglichen Mahnantrages der Fall gewesen war bzw. die Klägerin davon Kenntnis erlangt hätte, ist weder vorgetragen, noch ersichtlich.
3. Da die vorstehend ausgeführten Schadensersatzansprüche der Klägerin somit nicht verjährt sind, ist die Klage dem Grunde nach gerechtfertigt (§ 304 Abs. 1 ZPO).
Die Behauptung des Beklagten, die Klägerin habe den Abriss genehmigt, was die Klägerin bestritten hat, führt nicht zum Erfolg.
Das Vorbringen ist - worauf der Senat in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat - unsubstantiiert, da der Beklagte die näheren Umstände der angeblichen Zustimmungserklärung - welche nach der Lebenserfahrung auch ungewöhnlich wäre - nicht mitgeteilt hat. Er hat lediglich pauschal behauptet, die Beklagte habe bei einem nach Zeit, Ort und Anlass nicht näher bezeichneten Gespräch ihr Einverständnis erklärt und zum Beweis die Zeugen L... und Q... benannt. Dieser Vortrag setzte die Klägerin nicht in die Lage, sich konkret gegen die Behauptung zu verteidigen. Eine konkrete Darlegung des angeblichen Gesprächs wäre hier insbesondere deshalb erforderlich gewesen, weil der deliktische Eingriff des Beklagten nur dann gerechtfertigt gewesen wäre, wenn die Einwilligung der Geschädigten bereits im Zeitpunkt des Eingriffs vorgelegen hätte; fehlte sie, war der Eingriff rechtswidrig (BGHZ 106, 391, 397; Wegner, in MünchKomm BGB 4. Aufl. § 823 Rdnr. 665; Staudinger/Hager, BGB 1999, § 823 Rdnr. C 176). Erfolgte die Zustimmung dagegen erst nachträglich, war sie unerheblich. In Betracht könnte dann allenfalls ein nachträglicher Verzicht auf die Schadensersatzforderung kommen, den das Gesetz jedoch nicht vorsieht (BGH NJW 1987, 3203; Palandt/Grüneberg aaO. § 397 Rdnr. 1 m.w.N.). In Betracht käme dann allenfalls ein Erlassvertrag zwischen Gläubiger und Schuldner, der einen Verzicht auf die Forderung beinhaltete und das Erlöschen des Schuldnerverhältnisses bewirkt hätte. Dieser setzte einen unmissverständlichen rechtsgeschäftlichen Willen voraus, auf die Forderung zu verzichten, woran strenge Anforderungen zu stellen sind (vgl. BGH NJW 2006, 1511; Palandt/Grüneberg aaO., Rdnr. 4 m.w.N.). Insbesondere bei unbekannten Forderungen oder Ansprüchen aus unerlaubter Handlung kann ein Verzichtswillen im Zweifel nicht angenommen werden (BGH NJW 1984, 1346; Palandt/Grüneberg aaO.). Der Beklagte durfte sich deshalb nicht darauf beschränken, pauschal zu behaupten, die Klägerin habe sein Tun genehmigt.
Geht man sonach davon aus, dass der Beklagte der Klägerin wegen des Abrisses der beiden Mauern zum Schadensersatz verpflichtet ist, ist wahrscheinlich, dass die Schadensersatzansprüche der Klägerin die bislang von der Haftpflichtversicherung des Beklagten geleisteten Zahlungen übersteigen.
Bereits die Kosten für die Reparatur und Sanierung des Daches der Klägerin (2 298,64 €) und des Schornsteins (2 136,53 €) übersteigen die bislang von der Haftpflichtversicherung des Beklagten geleisteten Zahlungen.
Die wegen der Reparatur des Daches entstandenen Kosten sind schon jetzt im Prinzip durch die Rechnung der Firma L... vom 28. Juli 2001 nachgewiesen. Zwar behauptet der Beklagte, er habe die aufgetretenen Verschmutzungen selbst beseitigt und seien die Reparaturen nicht notwendig gewesen. Es erscheint jedoch unwahrscheinlich, dass die Firma L... die in ihrer Rechnung aufgeführten Arbeiten durchgeführt hat, ohne dass dafür ein Anlass bestanden hätte. Ähnliches gilt für die Kosten der Schornsteinerhöhung, welche die Klägerin aufwenden musste, weil der Anbau des Beklagten nunmehr ihr eigenes Anwesen überragt. Der diesbezügliche Anspruch der Klägerin ergibt sich aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 903, 905 BGB. Zum Eigentum der Klägerin gehört nach § 905 BGB auch der Luftraum über ihrem Grundstück, der nach dem Vortrag der Klägerin dadurch beeinträchtigt wird, dass durch den höheren Anbau des Beklagten der freie Windstrom behindert wird, was die Bestätigung des Bezirksschornsteinfegermeisters J... (ohne Datum) belegt, der (deshalb) einen weiteren Betrieb der Feuerstelle der Klägerin untersagt und die Verlängerung der Schornsteinmündung angeordnet hat. Es erscheint auch nahe liegend, dass die weiteren von der Klägerin beanspruchten Kosten für den Wiederaufbau der gemeinschaftlichen Grenzwand und die Wiederherstellung der Außenwand, welche die bislang von der Haftpflichtversicherung geleisteten Zahlungen deutlich übersteigen, ebenfalls zumindest teilweise zum Erfolg führen werden.
Insoweit wird aber noch eine aufwendige Beweisaufnahme durchzuführen sein, weshalb der Senat die Sache nach § 538 Nr. 4 ZPO auf Antrag der Klägerin an das Landgericht zurückverweist.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10.
IV.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO).
Ende der Entscheidung
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