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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 17.05.2001
Aktenzeichen: 4 U 106/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 252
BGB § 54 Abs. 2
BGB § 325 Abs. 1
BGB § 538 Abs. 1
Voraussetzung des Anspruchs auf entgangenen Gewinn bei Unmöglichkeit der Nutzung einer Pachtsache

1. Der vom Verpächter gegenüber dem Pächter wegen Unmöglichwerdens seiner Verpächterpflichten zu leistende Schadensersatz umfasst grundsätzlich auch den entgangenen Gewinn des Pächters, der diesem dadurch entstanden ist, dass er die Pachtsache nicht mehr zu einer bisher ausgeübten selbständigen Tätigkeit nutzen kann.

2. An einem solchen entgangenen Gewinn fehlt es aber dann, wenn der Pächter nach seinem eigenen Vorbringen ohnehin veranlasst war, die Nutzung der Pachtsache aus allein in seiner Person liegenden Gründen einzustellen und deshalb die Möglichkeit ausschlägt, die Nutzung der selben Pachtsache mit einem anderen Verpächter fortzusetzen.

3. Zum Mitverschulden des Geschädigten in einem solchen Falle.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken

IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 4 U 106/00

5 O 922/99 Landgericht Frankenthal (Pfalz)

Verkündet am: 17. Mai 2001

Bastian, Justizsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatzes

hat der 4. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Staab sowie die Richter am Oberlandesgericht Reichling und Jenet

auf die mündliche Verhandlung vom 26. April 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 29. Juni 2000 geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

III. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Der Wert der Beschwer der Klägerin wird auf 59 243,44 DM festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen Nichtgewährung des Gebrauchs eines verpachteten Cafés auf Schadensersatz in Anspruch.

Der Beklagte hatte aufgrund Vertrages vom 29. August 1989 von der Fa. H A GmbH in M Räumlichkeiten zum Betrieb eines Cafés gemietet. Dafür hatte er 500,-- DM Monatsmiete zu zahlen. Die Räumlichkeiten hatte der Beklagte zusammen mit dem Inventar bis 31. August 1999 an die Klägerin weiterverpachtet. Der von ihr zu entrichtende Pachtzins betrug monatlich 2.000,-- DM zzgl. Mehrwertsteuer. Darüber hinaus hatte die Klägerin dem Beklagten eine monatliche Umsatzprovision von 1.800,-- DM zzgl. Mehrwertsteuer zuzahlen.

Mit Schreiben vom 24. Juli 1998 kündigte die Fa. H das Mietverhältnis mit dem Beklagten fristlos, weil dieser mit mehr als zwei Monatsmieten in Rückstand geraten war. Wegen dieser fristlosen Kündigung gab auch die Klägerin den Betrieb des Cafés am 22. August 1998 auf. Für August 1998 zahlte die Klägerin an den Beklagten. Pachtzins und Umsatzprovision nicht mehr. Deshalb kündigte der Beklagte ihr mit Schreiben vom 14. April 1999 fristlos.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, der Beklagte habe ihr den Gewinn zu ersetzen, der ihr vom 28. Juli 1998 bis zum 31. August 1999 entgangen sei und der sich auf 59.243,44 DM berechne.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zur Zahlung von 59.243,44 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 26. Juli 1999 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, die Klägerin habe sowohl vor als auch nach der Räumung die Möglichkeit gehabt, die Caferäume zu den gleichen oder sogar besseren Konditionen von der Fa. H A GmbH zu mieten, wie sie zwischen ihm - dem Beklagten - und der Klägerin bestanden hätten. Zudem sei er - der Beklagte - bereit gewesen, die Klägerin in einem von ihm selbst betriebenen Cafe als Bedienung zu beschäftigen. Im übrigen schulde die Klägerin ihm noch anteilige Miete und Umsatzprovision für August 1998 in Höhe von insgesamt 3.128,25 DM. Damit werde hilfsweise aufgerechnet.

Der Einzelrichter hat der Klage nach Beweisaufnahme in Höhe von 19.251,75 DM nebst Zinsen stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, dem Beklagten sei infolge der fristlosen Kündigung seine Pflicht zur Gebrauchsüberlassung unmöglich geworden. Gemäß §§ 538, 537 BGB i.V.m. § 252 BGB könne die Klägerin Ersatz des Gewinns verlangen, den sie ohne die eingetretene Leistungsstörung hätte ziehen können und der auf der Grundlage der von ihr vorgelegten Gewinn- und Verlustrechnungen auf 120,-- DM pro Tag, für die gesamte Restlaufzeit also auf 44.760,-- DM zu veranschlagen sei. Die Klägerin treffe aber ein hälftiges Mitverschulden, weil sie nach der Aussage des Zeugen H, des Geschäftsführers der Fa. H A GmbH, die Möglichkeit gehabt habe, das Café zumindest zu den gleichen, wenn nicht sogar besseren Bedingungen fortzuführen. Allerdings habe die Klägerin, welche es abgelehnt habe, mit der Fa. H A GmbH einen Miet- oder Pachtvertrag zu schließen allein durch diese Weigerung noch nicht gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen. Dazu sei das Angebot, das ihr die Fa. H A gemacht habe, noch zu unbestimmt gewesen. Der Klägerin sei aber anzulasten, dass sie nicht in konkrete Verhandlungen mit der Fa. H A eingetreten sei. Das darin liegende Verschulden sei mit dem des Beklagten gleich zu werten. In eine abhängige Tätigkeit als Bedienung habe sich die Klägerin nicht verweisen lassen müssen. Somit verbleibe ein Schadensersatzanspruch von 22.380,-- DM, der sich um den Betrag von 3.128,25 DM, mit dem der Beklagte hilfsweise aufgerechnet habe, auf 19.251,75 DM reduziere.

Gegen dieses Urteil haben zunächst der Beklagte und sodann die Klägerin jeweils fristgemäß Berufung eingelegt. Sie haben ihre Rechtsmittel innerhalb der - auf Beklagtenseite mehrfach auf fristgerechten Antrag verlängerten - Berufungsbegründungsfrist begründet.

Der Beklagte ist der Ansicht, die Klägerin habe durch ihr Verhalten in eklatanter Weise gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen und könne deshalb überhaupt keinen entgangenen Gewinn verlangen.

Er beantragt,

1. das angefochtene Urteil auf seine Berufung zu ändern und die Klage abzuweisen,

2. die Anschlussberufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

1. das angefochtene Urteil auf ihre Berufung zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie über den bereits ausgeurteilten Betrag von hinaus weitere 39.991,69 DM nebst 4 % Zinsen seit 26. Juli 1999 zu zahlen,

2. die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin trägt vor, das Landgericht habe ihren entgangenen Gewinn nicht nur auf 120,-- DM pro Tag veranschlagen dürfen, sondern hätte richtigerweise von 169,10 DM täglich ausgehen müssen. Daraus errechne sich bei einer restlichen Vertragslaufzeit von 373 Tagen eine Forderung, die den geltend gemachte Betrag von 59.243,44 DM übersteige. Für eine Minderung nach § 254 Abs. 2 BGB bestehe kein Raum. Das Erstgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass sie - die Klägerin - sich im Frühjahr und Sommer 1998, wie auch schon zuvor in einer schwierigen psychischen und physischen Ausgangssituation befunden habe, die sie aufs äußerste beansprucht habe. Sie habe eine tägliche Arbeitszeit von 10,00 bis 16,00 Stunden gehabt. Zudem habe es familiäre Schwierigkeiten gegeben, weil ihr Sohn schlechte schulische Leistungen gezeigt und eine Klasse habe wiederholen müssen. Deshalb sei in ihrer Familie beschlossen worden, dass sie - die Klägerin - beruflich zurücktrete, um die Entwicklung des Sohnes zu stützen und zu fördern. Der Beklagte müsse sich dies zurechnen lassen. Unter den gegebenen Umständen sei es ihr - der Klägerin - nicht zuzumuten gewesen, auf ein vages Angebot der Fa. H A positiv einzugehen.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils sowie auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten und die selbständige Anschlussberufung der Klägerin sind jeweils förmlich nicht zu beanstanden. In der Sache führt die Berufung zum Erfolg. Die Anschlussberufung ist unbegründet.

1. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch aus § 325 Abs. 1 bzw. § 538 i.V.m. § 252 BGB. Zwar hat der Beklagte die ihm gegenüber seitens der Fa. H A GmbH ausgesprochene fristlose Kündigung zu vertreten. In Folge dieser Kündigung ist ihm die Erfüllung des Pachvertrages mit der Klägerin unmöglich geworden. Daraus ergibt sich für den hier zu entscheidenden Fall aber kein Anspruch der Klägerin auf entgangenen Gewinn.

a. Grundsätzlich erfasst ein Schadensersatzanspruch gemäß § 325 bzw. § 538 BGB allerdings auch den entgangenen Gewinn i.S.v. § 252 BGB. Nach der Vermutung in § 252 Satz 2 BGB ist das der Gewinn, der nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge oder nach den besonderen Umstänen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. Diese Vermutung greift im hier vorliegenden Fall aber nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin nicht ein.

aa. Die Klägerin legt selbst dar, sie habe sich entschlossen, ihren Sohn zu unterstützen und ihm einen geregelten Tagesablauf zu ermöglichen. Aus diesem Grund und wegen ihrer auch ansonsten angeschlagenen körperlichen und seelischen Verfassung habe sie die Möglichkeit einer Fortsetzung des Vertrages mit der Fa. H A GmbH nicht wahrgenommen. Der Sache nach räumt die Klägerin damit ein, dass sie im hier im Streit stehenden Zeitraum keine Absicht mehr hatte, Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit zu erzielen. Dies war ihre eigene Entscheidung, für die sie den Beklagten nicht verantwortlich machen kann. Für ihren gegenteiligen Standpunkt kann sie sich nicht auf Rechtsprechung zur schadensmindernden Erwerbstätigkeit berufen (BGHZ 74, 221, 226 und 91, 357; 366 f.; OLG Düsseldorf VRS 72, 27; OLG Frankfurt NJW-RR 1998, 1699). Die von ihr herangezogenen Entscheidungen befassen sich mit der Erwerbsobliegenheit der Witwe bei Tötung des Ehegatten (BGHZ 91, OLG Düsseldorf und OLG Frankfurt, jeweils aaO) bzw. mit dem Erwerbsschaden eines durch einen Unfall Erwerbsgeminderten, der sich nunmehr entschließt, den Haushalt zu führen (BGHZ 74 aaO). Das hat mit dem hier zu entscheidenden Streitfall nichts zu tun. Es geht hier nicht darum, ob die Klägerin sich für die von ihr tatsächlich ausgeübte Tätigkeit etwas anrechnen lassen muss oder ob sie verpflichtet ist, einen Schaden der durch den Wegfall des Ernährers der Familie entstanden ist, durch eigene Tätigkeiten auszugleichen. Maßgebend ist allein, ob sie ohne schädigendes Ereignis aus ihrer bisherigen Tätigkeit Gewinn in der behaupteten Höhe erzielt hätte. Dies ist dann nicht der Fall, wenn sie nach eigenem Vorbringen aus anderen - allein in ihrer Person liegenden Gründen - ohnehin veranlasst war, eine solche Tätigkeit einzustellen.

b. Im Übrigen hat die Klägerin in so schwerwiegender Weise gegen ihre Verpflichtung zur Schadensminderung gemäß § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB verstoßen, dass ein Anspruch auch aus diesem Grunde entfällt.

Der in erster Instanz vernommene Zeuge H H Geschäftsführer der Fa. H A GmbH hat ausgesagt, der Gesellschaft sei bekannt gewesen, dass der Beklagte von der Klägerin monatlich 4.000,-- DM einnehme, und man habe angestrebt, bei einer Verschönerung und Verbesserung der Räumlichkeiten diese Miete selbst einzunehmen. Es sei deshalb von Anfang an der Wunsch der Fa. H A GmbH gewesen, das Mietverhältnis mit der Klägerin selbst fortzuführen. Schon zum Zeitpunkt des Bestehens des Mietverhältnisses mit dem Beklagten hätten deshalb Gespräche mit der Klägerin stattgefunden, und diese habe ihre Bereitschaft erklärt, das Mietverhältnis nach Beendigung mit dem Beklagten in irgend einer Weise weiterzuführen. Nachdem dann das Mietverhältnis mit dem Beklagten aufgrund von dessen Zahlungsverzug habe beendet werden sollen, habe er - der Zeuge - die Klägerin nochmals wegen der Fortsetzung angesprochen. Die Klägerin habe nun jedoch abgelehnt.

Gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen sprechen keine Anhaltspunkte. Auch die Klägerin behauptet das nicht. Damit steht fest, dass sie die Gelegenheit zu einer Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht wahrgenommen hat. Dies geht zu ihren Lasten. Die Klägerin war verpflichtet, alles zu tun, um den Schaden abzuwenden oder zu mindern, der ihr entstanden war. Nach der Aussage des Zeugen wäre ihr dies zwanglos möglich gewesen. Die weitere Frage, ob die Klägerin gegebenenfalls eine abhängige Tätigkeit hätte aufnehmen müssen, die ihr nach der Aussage der Zeugen F E und K ebenfalls angeboten worden sein soll, kann somit offen bleiben. Ebenfalls dahinstehen kann, dass es ohnehin Sache der Klägerin gewesen wäre, darzulegen, was sie zur Schadenminderung unternommen hat (vgl. etwa BGH NJW 1996, 652, 653 und NJW 1998, 3706, 3707).

Anders als das Landgericht sieht der Senat keinen Anlass, es der Klägerin zugutezuhalten, dass sie sich bei dem Zeugen H nicht nach den konkreten Konditionen eines Miet- oder Pachtverhältnisses mit der Fa. H A GmbH erkundigt hat. Demjenigen, der seiner Schadensminderungspflicht genügen will, ist eine solche Erkundigung abzuverlangen. Das muss umso mehr gelten, wenn wie hier - nach dem Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung - eine Alternative zur Diskussion steht, die nach Konditionen und Betriebsstätte der bisher ausgeübten Tätigkeit entspricht. Hätte die Klägerin Interesse gezeigt, so hätte sie nach der Aussage des Zeugen H ohne weiteres in Erfahrung gebracht, dass sie nicht mehr als 4.000,-- DM zu zahlen brauchte, was im wesentlichen demjenigen entsprach, was sie an Pacht und Umsatzprovision bislang an den Beklagten gezahlt hatte.

Zwar hat die Klägerin mit ihrem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 9. Mai 2001 nach Schluss der mündlichen Verhandlung versucht, Gründe nachzuschieben, die gegen die Zumutbarkeit einer Annahme des Angebots der Firma H A GmbH sprechen. Dieses Vorbringen hat jedoch nach § 296 a ZPO unberücksichtigt zu bleiben und gibt dem Senat keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung i.S.v. § 156 ZPO.

2. Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Den Wert der Beschwer hat der Senat gemäß § 546 Abs. 2 ZPO festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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