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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 04.03.2004
Aktenzeichen: 4 U 115/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 142 Abs. 1
ZPO § 139 Abs. 1
ZPO § 139 Abs. 5
ZPO § 296 a
ZPO §§ 371 ff.
ZPO §§ 415 ff.
Gibt das Gericht in der mündlichen Verhandlung dem Beweisführer auf, das Original einer bestimmten Urkunde nachzureichen, so muss es die mündliche Verhandlung wieder eröffnen, wenn es bei seiner Beweiswürdigung auf das Original dieser Urkunde abstellen will.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 4 U 115/02

Verkündet am: 04. März 2004

In dem Rechtsstreit

wegen Darlehensrückzahlung

hat der 4. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Staab sowie die Richter am Oberlandesgericht Reichling und Friemel

auf die mündliche Verhandlung vom 5. Februar 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgericht Frankenthal (Pfalz) vom 23. Mai 2002 geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um Darlehensrückzahlungsansprüche des Klägers.

Der Kläger hat die Beklagte auf Rückzahlung von angeblich darlehensweise hingegebenen 36.500,00 DM nebst Zinsen in Anspruch genommen. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat geltend gemacht, das Geld sei ihr schenkweise für sich und ihre Tochter überlassen worden, deren Vater der Kläger ist.

Mit Urteil vom 23. Mai 2002 hat der Einzelrichter der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) die Beklagte zur Zahlung von 16.872,63 € (33.000,00 DM) nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur näheren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie der Entscheidungsgründe wird auf das Urteil Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit der Berufung, die sie innerhalb gesetzlicher Frist eingelegt hat. Sie hat das Rechtsmittel innerhalb mehrfach bewilligter Fristverlängerung begründet, die ihr jeweils auf rechtzeitigen Antrag gewährt worden ist.

Die Beklagte macht geltend, es habe zwischen den Parteien keine Darlehensabrede bestanden. Im Hinblick auf die gemeinsame Tochter habe sie - die Beklagte - von einer unbenannten Zuwendung ausgehen dürfen. Auf der Grundlage der nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz im Original vorgelegten Überweisungsdurchschrift sei nicht von einer darlehensweise erfolgten Hingabe des Betrages von 33.000,00 DM auszugehen. Von der darauf angegebenen Zweckbestimmung habe die Beklagte erst im laufenden Prozess erfahren; auf Ihren Kontoauszügen sei lediglich der Vermerk "Überweisung" eingedruckt gewesen. Der Zusatz auf der Überweisungsdurchschrift sei erst im Nachhinein angebracht worden.

Die Beklagte beantragt,

Das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

Die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung vom 13. November 2002 und trägt noch vor, seine jetzige Ehefrau habe seinerzeit den Überweisungsauftrag zur Bank gebracht und dabei den Verwendungszweck gelesen. Im Hinblick darauf habe sie die Beklagte aufgesucht, um sie auf dem Hintergrund der Darlehenshingabe anzusprechen. Die Beklagte habe ihr dabei versichert, zwischen ihr und dem Kläger bestehe keine Beziehung mehr und es handle sich wirklich um ein Darlehen. Im Übrigen treffe es nicht zu, dass im Jahre 1990 auf dem Kontoauszug der Beklagten der Überweisungszweck nicht eingedruckt gewesen sei. Zumindest sei dann die Durchschrift des Überweisungsauftrages beigefügt gewesen.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes zweiter Instanz wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis erhoben. Wegen der Beweisthemen und -mittel wird auf die prozessleitende Verfügung vom 6. März 2003 (Bl. 136 d.A.), den Beweisbeschluss vom 15. Mai 2003 (Bl. 151 d.A.) und den Beweisbeschluss vom 7. Juli 2003 (Bl. 178 d.A.) verwiesen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Protokoll der Sitzung vom 10. April 2002 (Bl. 144 d.A.), die schriftliche Äußerung der Zeugin K... vom 16. Juni 2003 (Bl. 163 d.A.), mit deren Verwertung die Parteien sich einverstanden erklärt haben, das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dr. C... vom 6. Oktober 2003 und das Protokoll der Sitzung vom 5. Februar 2004 (Bl. 207 d.A.), in dem das Ergebnis der mündlichen Anhörung des Sachverständigen festgehalten ist.

II.

Die Berufung ist zulässig, §§ 511 Abs. 1 und 2 Nr.1, 519, 520 ZPO. In der Sache führt das Rechtsmittel zum Erfolg. Das Landgericht hat die Beklagte zu Unrecht zur Zahlung verurteilt. Das angefochtene Urteil ist deshalb zu ändern. Die Klage ist in vollem Umfang abzuweisen.

Das Landgericht hat das Vorliegen eines Darlehensvertrages hinsichtlich des im Berufungsverfahren noch im Streit stehenden Betrages von 16.872,63 € (33.000,00 DM) bejaht, weil in der Original-Überweisungsdurchschrift (nachgeheftet nach Bl. 57 d.A.) als Verwendungszweck "Darlehen für den Kauf einer Eigentumswohnung" angegeben sei. Dies hält den Angriffen der Berufung nicht stand. Das angefochtene Urteil ist in verfahrensfehlerhafter Weise ergangen.

1. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 21. März 2002 hatte der Erstrichter dem Kläger aufgegeben, das Original der Durchschrift des Überweisungsbelegs vom 26. März 1990 oder einen Abdruck der Mikroverfilmung dieses Auftrags vorzulegen. Dem ist der Kläger mit Schriftsatz vom 26. März 2002 insoweit nachgekommen, als er die Überweisungsdurchschrift im Original vorgelegt hat. Bei seinem Urteil hat der Erstrichter dann ausdrücklich auf dieses Original abgestellt und auf dieser Grundlage den Abschluss eines Darlehensvertrages für nachgewiesen erachtet. Das hätte nicht ohne Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung geschehen dürfen (vgl. Zöller/Greger, ZPO 24. Aufl. § 139 Rdn. 14 und § 296 a Rdn. 4; Musielak/Stadler, ZPO 3. Aufl. § 139 Rdn. 30 m.w.N.).

2. Das Urteil des Landgerichts beruht auf dem Verfahrensfehler. Die Beklagte hat im Berufungsrechtszug erstmals bestritten, dass der Zusatz "Darlehen für den Erwerb einer Eigentumswohnung" auf dem Überweisungsformular angebracht war. Ihr Bestreiten ist im zweiten Rechtszug zulässig (§ 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) und führt zu einer der Beklagten günstigeren Entscheidung. Der Kläger hat den ihm obliegenden Nachweis für das Vorliegen eines Darlehensvertrages nicht erbracht. Dies geht zu seinen Lasten.

a. Soweit der Kläger behauptet hatte, die Beklagte habe gegenüber seiner Ehefrau bestätigt, dass das Geld darlehensweise geflossen sei, hat er dies nicht nachgewiesen.

Zwar hat die Zeugin M... G... bei ihrer Vernehmung vom 10. April 2003 ausgesagt, sie habe den Überweisungsbeleg seinerzeit zur Bank gebracht und dabei von dessen Inhalt Kenntnis genommen. Daraufhin habe sie die Beklagte aufgesucht um abzuklären, ob diese noch etwas mit ihrem Ehemann habe. Sie habe dabei gefragt, wie es dazu komme, dass ihr Ehemann der Beklagten so viel Geld leihe. Die Beklagte habe ihr geantwortet, sie habe nichts mehr mit ihrem Mann. Sie wolle kein Geld von ihm. Das Geld sei für die Eigentumswohnung bestimmt und sie wolle es zurückzahlen.

Der Senat hat gem. § 141 ZPO die Beklagte zu der Aussage der Zeugin G... gehört. Die Beklagte hat zwar bestätigt, dass es einmal zu einem Besuch der Zeugin G... gekommen sei. Sie hat es aber in Abrede gestellt, dass aus Anlass dieses Besuches über die Überweisung gesprochen worden sei.

Der Senat sieht keinen Anlass, der Aussage der Zeugin G... mehr Glauben zu schenken, als der Darstellung der Beklagten. Beide sind am Ausgang des Rechtsstreits gleichermaßen interessiert. Anhaltspunkte, welche die Zeugin G... gegenüber der Beklagten glaubwürdiger erscheinen lassen könnten, sind weder bei der Beweisaufnahme zu Tage getreten noch sonst ersichtlich.

b. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Beklagte auf andere Weise Kenntnis davon erhalten hat, dass die streitgegenständliche Zahlung darlehensweise hätte erfolgen sollen. Zwar haben die Parteien im Laufe des Rechtsstreits unstreitig gestellt, dass es im Jahre 1990 banküblich gewesen sei, den Überweisungsbeleg von der Zahlungs- an die Empfängerbank weiterzuleiten. Unter diesen Umständen ist dem Zahlungsempfänger der Zugang einer auf dem Überweisungsträger angebrachten Erklärung unabhängig davon zuzurechnen, ob er den Überweisungsbeleg tatsächlich zur Kenntnis genommen hat (vgl. OLG Köln VersR 1967, 463, 464; BGH NJW 1983, 816). Dies setzt aber voraus, dass der Verwendungszweck überhaupt auf dem Überweisungsträger angegeben war.

Den ihm dafür obliegenden Nachweis hat der Kläger nicht geführt. Nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. C... vom 6. Oktober 2003, das der Sachverständige im Termin vom 5. Februar 2004 nochmals mündlich erläutert hat, kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Verwendungszweck "Darlehen für den Kauf einer Eigentumswohnung" erst nachträglich angebracht worden ist. Die auf Grund einer eingehenden und sorgfältigen Auswertung der ihm vorliegenden Anknüpfungstatsachen getroffenen Feststellungen des Sachverständigen sind widerspruchsfrei und schlüssig. Sein Gutachten ist in jeder Hinsicht überzeugend. Die dagegen erhobenen Einwendungen des Klägers nötigen zu keiner anderen Beurteilung. Zwar hat der Sachverständige festgestellt, dass der Schreibdruck im Formularfeld "Verwendungszweck" sowie in den Formularfeldern "Auftraggeber" und "Kontonummer des Auftraggebers" gleich stark zu bewerten ist. Daraus muss aber nicht unbedingt gefolgert werden, dass alle diese Formularfelder gleichzeitig ausgefüllt wurden. Wie der Sachverständige bei seiner Anhörung ausdrücklich festgestellt hat, lassen sich hinsichtlich der Zeitgleichheit der Beschriftung keine differenzierungsfähigen Methoden einsetzen und keine zwingenden Schlüsse ziehen.

Soweit der Kläger hervorhebt, er habe nicht gewusst, ob die Beklagte den Gutschriftsbeleg der Überweisung im Besitz habe, so dass er mit einer nachträglichen Änderung der Durchschrift ein erhebliches Risiko eingegangen wäre, zwingt dies nicht zu einer ihm günstigeren Beweiswürdigung. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger ein solches Risiko in Kauf genommen hat. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte schon vorprozessual in ihrem Schreiben vom 16. August 2000 die darlehensweise Hingabe des Betrages von 33.000,00 DM bestritten hatte.

Die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Beklagten vom 11. Februar 2004 und des Klägers vom 18. Februar 2004 geben keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, §§ 256 a, 156 ZPO.

3. Nach alledem steht nicht fest, dass der Kläger der Beklagten den Betrag von 33.000,00 DM als Darlehen überlassen hat. Dies geht zu Lasten des Klägers. Das angefochtene Urteil ist deshalb zu ändern. Die Klage ist in vollem Umfang abzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

Eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO ist nicht veranlasst. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Ende der Entscheidung

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