Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 11.04.2002
Aktenzeichen: 4 U 122/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 277
BGB § 690
BGB § 823 Abs. 1
Hat sich der unentgeltlich handelnde Verwahrer mit der fahrlässigen Beschädigung der in Verwahrung gegebenen Sachen zugleich selbst geschädigt, so ist daraus zu folgern, dass er die eigenübliche Sorgfalt beachtet hat. Er haftet somit nur dann, wenn ein Fall grober Fahrlässigkeit vorliegt.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 4 U 122/01

Verkündet am: 11. April 2002

In dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatzes

hat der 4. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Staab sowie die Richter am Oberlandesgericht Reichling und Friemel

auf die mündliche Verhandlung vom 14. März 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 1. Juni 2001 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um einen Schadensersatzanspruch der Klägerin aus der Verwahrung von Süßwaren.

Die Parteien sind Schausteller, die auf Jahrmärkten Süßwaren verkaufen. Der Beklagte hatte seinen Verkaufswagen in einer angemieteten Panzerhalle in S... abgestellt. Der Klägerin, deren Schaustellerwagen repariert wurde, gestattete er, Süßwaren und andere Gegenstände in seinem Schaustellerwagen abzustellen. Am 12. September 2000 brach in dem Schaustellerwagen des Beklagten ein Brand aus, durch den der Wagen und die darin abgestellten Waren der Klägerin vollständig zerstört wurden. Dadurch entstand der Klägerin Schaden in unstreitiger Höhe von 15.146,55 DM.

Diesen Betrag hat sie mit ihrer Klage geltend gemacht.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, es habe sich um ein Gefälligkeitsverhältnis gehandelt. Im Übrigen treffe ihn kein Verschulden.

Mit Urteil vom 1. Juni 2001 hat der Einzelrichter der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) die Klage abgewiesen, weil nur ein Gefälligkeitsverhältnis vorliege und der Beklagte auch nicht schuldhaft gehandelt habe. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung.

Die Klägerin trägt vor, das Landgericht habe es zu Unrecht unterlassen, den Beklagten als Partei darüber zu vernehmen, dass der eingetretene Schaden ausschließlich von ihm zu vertreten sei. Der Beklagte habe selbst eingeräumt, er habe den Schaustellerwagen betreten, um eine Waage herauszuholen. Dabei habe er versehentlich einen Stromanschluss hergestellt und nicht mehr unterbrochen. Der Beklagte gehe selbst davon aus, dass die Schadensursache höchstwahrscheinlich in der versehentlichen Einschaltung eines unter der Theke befindlichen Heizstrahlers liege. Dies folge aus einer von ihm verfassten schriftlichen Erklärung vom 31. Mai 2001, die er in ähnlicher Form auch gegenüber seiner Haftpflichtversicherung abgegeben habe. Die Feststellung, der Brand sei durch einen technischen Defekt eingetreten, sei nur eine Vermutung des diensthabenden Polizeibeamten, der kein Brandsachverständiger sei. Wenn das Landgericht gleichwohl gemeint habe, die Voraussetzungen eines Anscheinsbeweises lägen nicht vor, habe es darauf hinweisen müssen. Dafür, dass weder ein Fremdverschulden noch ein technischer Defekt in der Stromzufuhr selbst als Schadensursache in Betracht komme, berufe sich die Klägerin nunmehr auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zu verurteilen, an sie 15.146,55 DM nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 13. Februar 2002 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung vom 12. September 2001 und trägt noch vor, es treffe zwar zu, dass er eine Waage aus seinem Schaustellerwagen geholt habe und dazu den Stromanschluss durch Einstecken eines 32 Ampere Steckers hergestellt habe. Es sei aber eine reine Vermutung, dass er dabei den Heizstrahler versehentlich in Betrieb gesetzt habe. Dies könne genauso gut durch die Klägerin beim Einlagern ihrer Ware geschehen und nur deshalb zunächst ohne Folgen geblieben sein, weil dann alsbald der Stecker herausgezogen wurde.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, §§ 511, 511 a Abs. 1, 516, 518, 519 ZPO a.F. i.V.m. § 26 Nr. 5 EGZPO. In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg. Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

1. Entgegen der Ansicht des Landgerichts geht der Senat davon aus, dass die Parteien mit Rechtsbindungswillen gehandelt haben und deshalb zu einander in vertragliche Beziehungen getreten sind. Maßgebend dafür ist, ob anhand objektiver Kriterien auf Grund der Erklärungen und des sonstigen Verhaltens der Parteien der Wille, eine rechtsgeschäftliche Bindung einzugehen, festgestellt werden kann. Für die Beurteilung der Frage des Bindungswillens sind vor allem die wirtschaftliche und rechtliche Bedeutung der Angelegenheit, insbesondere für den Begünstigten, und die Interessenlage der Parteien zu berücksichtigen (BGHZ 88, 373, 382; 92, 164, 168; Palandt/Heinrichs aaO vor § 241 Rdn. 9, jew. m.w.N.). Im hier zu entscheidenden Falle standen für die Beklagte erhebliche Vermögenswerte auf dem Spiel. Nach ihrem eigenen, von Beklagtenseite nicht bestrittenen Vorbringen hatte sie nahezu den gesamten Bestand an Süßwaren und den sonstigen zum Betreiben ihres Schaustellergeschäftes notwendigen Gegenständen im Schaustellerwagen des Beklagten eingelagert. Der Gesamtwert all dieser Gegenstände belief sich auf mehr als 15.000,-- DM. Sie stellten letzten Endes die Grundlage der wirtschaftlichen Existenz der Klägerin dar. Im Hinblick darauf ist den Ausführungen der Klägerin in ihrem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 25. April 2001 beizupflichten, nach denen unter den Umständen des hier zu entscheidenden Falles die Größenordnung des Schadens auf das Vorhandensein eines Rechtsbindungswillens schließen lässt. Der erstmals im Senatstermin vom 25. März 2002 zur Sprache gekommene Umstand, dass es sich bei dem Beklagten um den Vater der Klägerin handelt, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Tatsache, dass sie ihren Vater gerichtlich in Anspruch nimmt, verdeutlicht, dass die Klägerin gerade nicht davon ausgegangen ist, die mit der Einlagerung der Gegenstände entstandenen Rechtsbeziehungen bewegten sich im Bereich einer bloßen Gefälligkeit.

Auch die zwischen den Parteien entstandenen vertraglichen Beziehungen rechtfertigen aber im Ergebnis den geltend gemachten Schadensersatzanspruch nicht. Ein Entgelt für die Einlagerung der Waren war unstreitig nicht vereinbart. Somit kommt allenfalls eine unentgeltliche Verwahrung in Betracht, bei der die Haftung des Verwahrers gemäß § 690 BGB auf die eigenübliche Sorgfalt beschränkt ist, sofern er nicht grob fahrlässig gehandelt hat. Entscheidend sind dabei die individuellen persönlichen Eigenarten des Verwahrers unter Einschluss eines bei ihm üblichen "Schlendrians" (vgl. dazu etwa Grundmann in MüKo zum BGB, 3. Aufl. § 277 Rdn. 3 m.w.N.). Nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin zur Schadensursächlichkeit haftet der Beklagte demnach nicht.

Die Klägerin bezieht sich auf die vorgelegte Erklärung des Beklagten vom 31. Mai 2001, in der er angegeben hat, er habe eine Waage aus seinem Wagen geholt und dabei durch Einstecken eines 32 Ampère-Steckers den Stromanschluss hergestellt. Beim Verlassen des Wagens habe er die Stromzufuhr nicht mehr unterbrochen. Auf diese Weise habe er unbemerkt einen Heizstrahler in Betrieb gesetzt, der unter der Theke montiert war und dadurch den Brand verursacht.

Trifft dies zu, so hat der Beklagte zwar möglicherweise unsorgfältig gehandelt. Er hat sich durch sein eigenes Verhalten aber zugleich in erheblichem Maße selbst geschädigt; denn auch sein Eigentum ist völlig zerstört worden. Da nicht anzunehmen ist, dass sich der Beklagte anders verhalten hätte, wenn die im Eigentum der Klägerin stehenden Gegenstände nicht in seinem Schaustellerwagen eingelagert gewesen wären, muss gerade aus dieser Selbstschädigung gefolgert werden, dass der Beklagte die eigenübliche Sorgfalt beachtet hat (vgl. dazu BGH VersR 1960, 802, 804; Grundmann aaO Rdn. 3 mit Fn. 11, jew. m.w.N.). Er haftet somit nur dann, wenn sein Verhalten als grob fahrlässig anzusehen ist. Dafür ist aber weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich. Insbesondere ist nicht zu erkennen, dass sich dem Beklagten beim Verlassen seines Schaustellerwagens eine Überprüfung des Heizgerätes auf eine versehentlich hergestellte Betriebsbereitschaft hätte aufdrängen müssen.

2. Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung des Eigentums der Klägerin besteht ebenfalls nicht. Der für vertragliche Ansprüche kraft Gesetzes abgemilderte Haftungsmaßstab beschränkt zugleich die deliktische Haftung (vgl. etwa BGH aaO sowie NJW 1992, 2474, 2475 und NJW 1985, 794, 796; Palandt/Thomas aaO vor § 823 Rdn. 9 m.w.N.). Auch insoweit muss sich die Klägerin deshalb entgegen halten lassen, dass der Beklagte die eigenübliche Sorgfalt beachtet und nicht grob fahrlässig gehandelt hat. Ihre Beweisantritte zum Geschehenshergang können somit dahinstehen.

3. Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

Eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO ist nicht veranlasst. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Ende der Entscheidung

Zurück