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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 16.11.2006
Aktenzeichen: 4 U 126/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 139
Hat das Gericht den Parteien (erfolglos) einen Vergleichsvorschlag unterbreitet, stellt es eine unzulässige Überraschungsentscheidung dar, wenn die Klage ohne vorherigen Hinweis als unschlüssig abgewiesen wird.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 4 U 126/05

Verkündet am: 16. November 2006

In dem Rechtsstreit

wegen Restwerklohnforderung,

hat der 4. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Staab, den Richter am Oberlandesgericht Petry und die Richterin am Oberlandesgericht Bastian-Holler auf die mündliche Verhandlung vom 26. Oktober 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 29. Juli 2005 aufgehoben; die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Berufungsverfahrens an das Landgericht zurückverwiesen. II. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin führt zu einem vorläufigen Erfolg. Das Urteil der Einzelrichterin ist nicht frei von Verfahrensfehlern. Sie hat teilweise den Sachvortrag der Parteien nicht ausgeschöpft und ihre Hinweispflicht verletzt (§ 139 ZPO).

1. Die Einzelrichterin hat angenommen, die Klägerin habe nicht schlüssig dargetan, dass sie mit den in ihrer Schlussrechnung Nr. 19204 vom 23. August 2004 abgerechneten Arbeiten beauftragt worden sei. Das trifft nicht zu. Der Vortrag der Klägerin ist schlüssig.

Ein Tatsachenvortrag ist schlüssig, wenn er - seine Richtigkeit unterstellt - geeignet ist, den Klageantrag sachlich zu rechtfertigen. Die Angabe näherer Einzelheiten, die den Zeitpunkt und den Vorgang bestimmter Ereignisse betreffen, ist nicht erforderlich, soweit diese Einzelheiten für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Das Gericht muss nur in der Lage sein, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen (BGH NJW 1984, 2889; Zöller/Greger, ZPO 25. Aufl. vor § 253 Rdnr. 23 m.w.N.).

Der Vortrag der Klägerin erfüllt diese Voraussetzungen.

Sie hat vorgetragen, dass zwischen den Parteien des Rechtsstreits und der Streitverkündeten am 30. März (bei der Streitverkündeten in K...) und am 6. April 2004 (im Büro des Architekten G...) zwei Besprechungen darüber stattgefunden hätten, welche Positionen des Nachtragsangebots vom 16. April 2004 von der Beklagten und welche von der streitverkündeten Generalunternehmerin übernommen werden sollten; die entsprechende Aufteilung sei im Nachtragsangebot entsprechend markiert worden. Unstreitig haben die Besprechungen stattgefunden, weil sich nach dem Wechsel des Generalunternehmers herausgestellt hatte, dass das Leistungsverzeichnis der ursprünglich beauftragten Generalunternehmerin, der Fa. C... G... f... I... GmbH ungenügend war und deshalb zusätzliche Arbeiten notwendig waren, welche kostenmäßig zwischen den Parteien verteilt werden sollten.

Der Vortrag der Klägerin, dass sie von der Beklagten beauftragt worden sei, die ihrer Schlussrechnung vom 23. August 2004 zugrunde liegenden Arbeiten durchzuführen, ist somit schlüssig. Dieser Annahme steht insbesondere nicht entgegen, dass die Besprechungen vom 30. März und 6. April 2004 zeitlich vor dem Nachtragsangebot vom 16. April 2004 lagen. Es ist ohne Weiteres möglich, dass bei diesen Besprechungen bereits über die im nachfolgenden Angebot vom 16. April 2004 schriftlich niedergelegten Positionen verhandelt wurde.

Wenn die Einzelrichterin wegen der Zeitabfolge die Richtigkeit des Klägervortrags bezweifelte, hätte sie die Klägerin nach § 139 ZPO zur Klarstellung auffordern müssen. Dann hätte die Klägerin - wie nunmehr in der Berufungsbegründung geschehen - klargestellt, dass - was auf der Hand liegt - das Nachtragsangebot vom 16. April 2004 bei den Besprechungen noch nicht vorlag.

Die Einzelrichterin hat der Klägerin zwar am Ende der mündlichen Verhandlung vom 20. Juli 2005 den Hinweis erteilt, dass ihr der "bisherige Vortrag zur Auftragserteilung ... nicht schlüssig" erscheine. Ein solcher pauschaler Hinweis genügt aber nicht. Ein Hinweis nach § 139 ZPO muss konkret und unmissverständlich sein, insbesondere, wenn - wie hier - die Anforderungen an die Darlegung von der Bewertung des Gerichts und nicht einem substantiierten Bestreiten des Gegners abhängen (BGH NJW 2002, 3317; 1999, 2123). Ein konkreter Hinweis wäre hier insbesondere auch deshalb erforderlich gewesen, weil die Einzelrichterin zuvor den Parteien einen Vergleichsvorschlag unterbreitet hatte, so dass ihre im Urteil geäußerte Annahme, dass die Klage unschlüssig sei, für die Klägerin überraschend war (vgl. dazu auch BGH NJW 1999, aaO).

2. Entgegen der Auffassung der Einzelrichterin ergibt sich auch aus dem Schreiben der Streithelferin vom 16. Juli 2004 nicht, dass bei den Besprechungen am 30. März und 6. April 2004 keine Einigung über die Mehrungen zustande gekommen sei. Die Einzelrichterin hat den Wortlaut des Schreibens nicht ausgeschöpft.

In dem Schreiben wird bestätigt, dass die Klägerin den Nachtrag Nr. 76304/N 1 (vom 16. April 2004) eingereicht habe; dieser habe "auch Nachtragspositionen enthalten, die über den Leistungsumfang hinausgegangen und ... vom Bauherrn zu tragen" seien; aus dem Nachtrag Nr. 1 seien (deshalb) die Nachträge N 1.1 und N 1.2 gefertigt worden; der Nachtrag N 1.2 betreffe "die Positionen des Bauherrn"; bei einem (weiteren) Besprechungstermin vom 30. April 2004 seien Positionen in Höhe von 2 120,84 EUR streitig gewesen, insoweit habe man keine Einigung finden können; alle anderen Pos. aus dem Nachtrag seien aber vom Bauherrn akzeptiert worden.

Damit spricht der weitere Wortlaut des Schreibens, den die Einzelrichterin übergangen hat, eher für als gegen die Klägerin, nämlich dass eine Einigung über den größten Teil der von der Beklagten zu übernehmenden Nachträge bestanden habe.

3. Entgegen der Annahme der Einzelrichterin ist auch der Vortrag bezüglich der Rechnung Nr. 16704 vom 1. Juli 2004 schlüssig.

Die Klägerin hat vorgetragen, die Streitverkündete habe die Arbeiten, welche dieser Rechnung zugrunde lagen, im Auftrag und in Vollmacht der Beklagten erteilt. Die Einzelrichterin vermisst insoweit näheren Vortrag, "wann, wo und durch wen diese Auftragserteilung erfolgt" sei. Sie übersieht, dass die Auftragserteilung zwischen den Parteien unstreitig ist, so dass es auf die von der Einzelrichterin vermissten Umstände nicht ankommt. Der Streit der Parteien geht nur darum, ob die Streitverkündete dabei eigenen oder fremden Namens gehandelt und Vertretungsvollmacht hatte. Die Klägerin hat ihren Vortrag durch Vernehmung der Zeugen L... und G... unter Beweis gestellt, die Beklagte gegenbeweislich (ebenfalls) den Zeugen L... sowie den Zeugen G... benannt.

Auch der weitere Schluss, dass die in der Rechnung vom 1. Juli 2004 abgerechneten Arbeiten nichts mit den in dem Schreiben der Klägerin vom 18. Juni 2004 bezeichneten Arbeiten zu tun hätten, ist nicht gerechtfertigt. In dem genannten Schreiben hat die Klägerin im Zusammenhang mit der Verlegung von Kabeln für die "Sat-Verkabelung" mitgeteilt, dass die geänderten Modalitäten eine Verlängerung der "Koax-Leitung" um 174 m erfordere und insoweit einen gesonderten Auftrag erbeten, den die Streithelferin erteilt hat. Die Rechnung der Klägerin bezieht sich auf Transport- und Arbeitsstunden für Rohrverlegungen im Zusammenhang mit der "Sat-Verkabelung", also offenbar auf die beauftragten Arbeiten.

4. Da aufgrund der aufgezeigten Verfahrensfehler das erstinstanzliche Verfahren keine Grundlage für eine abschließende Entscheidung sein kann, ist der Rechtsstreit auf Antrag beider Parteien an das Landgericht zurückzuverweisen, weil über die Umstände der Auftragserteilung eine Beweisaufnahme durch Vernehmung mehrerer Zeugen notwendig ist (§ 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Der Senat weist insoweit darauf hin, dass die Klägerin im Berufungsverfahren für ihren Sachvortrag zur Auftragserteilung auch noch den Zeugen S... benannt hat.

5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

6. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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