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Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 04.09.2008
Aktenzeichen: 4 U 135/07
Rechtsgebiete: InsO, GenG
Vorschriften:
InsO § 80 | |
GenG § 66 |
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil
Aktenzeichen: 4 U 135/07
Verkündet am: 4. September 2008
In dem Rechtsstreit
wegen Auszahlung eines Auseinandersetzungsguthabens,
hat der 4. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Petry und die Richter am Oberlandesgericht Friemel und Süs auf die mündliche Verhandlung vom 14. August 2008
für Recht erkannt:
Tenor:
I. Das Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 4. September 2007 wird geändert:
Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % der für die Beklagte insgesamt aus dem Urteil zu vollstreckenden Beträge abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Der Kläger ist durch den Beschluss des Amtsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 28. April 2006 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen des Landwirtes W... D... bestellt.
Der Insolvenzschuldner war bzw. ist - hierüber sind die Parteien uneins - Mitglied der beklagten landwirtschaftlichen Genossenschaft. Die Satzung der Genossenschaft in der Fassung vom 22. Oktober 2002 enthält unter anderem folgende Regelungen:
"§ 4 - Beendigung der Mitgliedschaft
Die Mitgliedschaft endet durch
a) Kündigung (§ 5)
b) Übertragung des Geschäftsguthabens (§ 6)
c) Tod (§ 7)
d) Auflösung einer juristischen Person oder einer Personengesellschaft (§ 8)
e) Ausschluss (§ 9).
§ 5 - Kündigung
(1) Jedes Mitglied hat das Recht, seine Mitgliedschaft zum Schluss eines Geschäftsjahres zu kündigen.
(2) ...
(3) Die Kündigung muss schriftlich erklärt werden und der Genossenschaft mindestens 24 Monate vor Schluss des Geschäftsjahres zugehen.
...
§ 9 - Ausschluss
(1) Ein Mitglied kann zum Schluss eines Geschäftsjahres aus der Genossenschaft ausgeschlossen werden aus den im Gesetz (§ 68 GenG) genannten Gründen oder wenn
...
c) es zahlungsunfähig geworden und überschuldet ist oder über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist;
...
§ 10 - Auseinandersetzungen
(1) Für die Auseinandersetzung zwischen dem ausgeschiedenen Mitglied und der Genossenschaft ist der festgestellte Jahresabschluss maßgebend; Verlustvorträge sind nach dem Verhältnis der Geschäftsanteile zu berücksichtigen. Im Falle der Übertragung des Geschäftsguthabens (§ 6) findet eine Auseinandersetzung nicht statt.
(2) Das ausgeschiedene Mitglied hat Anspruch auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens. Darüber hinaus hat das Mitglied keine Ansprüche auf das Vermögen der Genossenschaft. Die Genossenschaft ist berechtigt, bei der Auseinandersetzung die ihr gegen das ausgeschiedene Mitglied zustehenden fälligen Forderungen gegen das Auseinandersetzungsguthaben aufzurechnen. Der Genossenschaft haftet das Auseinandersetzungsguthaben des Mitgliedes als Pfand für einen etwaigen Ausfall, insbesondere im Insolvenzverfahren des Mitgliedes.
..."
Mit Schreiben vom 9. Februar 2006 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die Höhe des Genossenschaftsguthabens (Geschäftsguthabens) des Insolvenzschuldners "zum Stichtag 31. Dezember 2005" 30.217,39 € betrage.
Mit Schreiben vom 8. Mai 2006 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten die Kündigung der Mitgliedschaft des Insolvenzschuldners in der Genossenschaft und bat um Überweisung des Geschäftsguthabens auf sein Verwalterkonto.
Die Beklagte verweigerte die Auszahlung des Geschäftsguthabens unter Berufung darauf, dass ihr aufrechenbare Gegenforderungen gegen den Insolvenzschuldner zustünden. Der Kläger akzeptiert einen geringen Teil der zur Aufrechnung gestellten Forderungen und hat im Übrigen Klage auf Zahlung eines Betrages von 25.858,12 € nebst Zinsen und außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten erhoben. Die Parteien haben in erster Instanz allein über die insolvenzrechtliche Zulässigkeit der erklärten Aufrechnung gestritten.
Der Einzelrichter der 8. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) hat die Beklagte durch das angefochtene Urteil vom 4. September 2007 verurteilt, an den Kläger 25.858,12 € nebst Zinsen sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass die von der Beklagten erklärte Aufrechnung unwirksam sei, da ihr die Aufrechnungsverbote nach § 95 und § 96 InsO entgegenstünden.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, Sie macht unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags geltend, dass eine Aufrechnung auf Grund der Regelungen in ihren Satzungen unbeschadet der gesetzlichen Bestimmungen der Insolvenzordnung zulässig sei. Unabhängig davon hält sie die Klageforderung für jedenfalls derzeit nicht fällig, da die Kündigung des Klägers vom 8. Mai 2006 die Mitgliedschaft des Schuldners bei der Beklagten nach Maßgabe der Satzung frühestens zum Ablauf des Geschäftsjahres 2008 beenden könne.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Amtsgerichts (offensichtlich gemeint: Landgericht) Frankenthal (Pfalz) vom 4. September 2007 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe der Urteilsgründe und seines erstinstanzlichen Vorbringens. Die Rüge der fehlenden Fälligkeit sei verspätet und auch nicht entschuldigt. Im Übrigen habe die Beklagte selbst dem Kläger mitgeteilt, dass ein Auszahlungsanspruch bestehe.
II.
Die zulässige Berufung führt auch in der Sache zum Erfolg. Das Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) ist entsprechend dem Antrag der Beklagten abzuändern, da der Erstrichter den Sachverhalt rechtlich nicht zutreffend bewertet hat.
Die Klage ist schon deswegen unbegründet, weil dem Kläger aus Rechtsgründen derzeit kein Anspruch auf Auszahlung eines Auseinandersetzungsguthabens des Insolvenzschuldners zusteht.
Die Kündigung der Mitgliedschaft des Insolvenzschuldners bei der Beklagten hat der Kläger als Insolvenzverwalter erklärt. Dass der Insolvenzverwalter grundsätzlich berechtigt ist, während der Insolvenz das Kündigungsrecht des Mitglieds einer Genossenschaft auszuüben, ist allgemein anerkannt, wobei dahinstehen kann, ob diese Befugnis unmittelbar aus seiner Stellung als Insolvenzverwalter (§ 80 Abs.1 InsO) oder aus einer entsprechenden Anwendung des § 66 GenG folgt (vgl. Lang/Weidmüller/Schulte, GenG, 35. Aufl., § 65 Rn. 8; Beuthien GenG, 14. Aufl., § 65 Rn. 7, jew. m.w.N.).
Spricht der Insolvenzverwalter für das Mitglied die Kündigung aus, so muss er allerdings die gesetzlichen bzw. satzungsmäßigen Kündigungsfristen einhalten (vgl. Lang/Weidmüller/Schulte, aaO, Rn. 9; vgl. auch Beuthien aaO, § 66 Rnrn. 1 und 2 <für den Pfändungsgläubiger>). Ein Sonderkündigungsrecht des Insolvenzverwalters ist weder in der Insolvenzordnung noch im Genossenschaftsgesetz vorgesehen.
Der Kläger hat die Kündigung mit Schreiben vom 8. Mai 2006 erklärt. Gemäß § 5 Abs. 1 und Abs. 3 der Satzung der Beklagten wird diese Kündigung damit erst zum Schluss des Geschäftsjahres 2008 wirksam (vgl. auch Lang/Weidmüller/Schulte, aaO, § 65 Rdnr. 9).
Diese Satzungsbestimmungen der Beklagten sind auch wirksam. Insbesondere halten sie sich in dem von § 65 Abs. 2 GenG vorgesehenen gesetzlichen Rahmen.
Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Beklagte sich auf seine Kündigung eingelassen und dieser nicht widersprochen habe. Denn gemäß § 65 Abs. 5 GenG sind Vereinbarungen, die gegen die vorstehenden Absätze des § 65 GenG verstoßen, unwirksam. Dies betrifft sowohl Bestimmungen in der Satzung als auch im Einzelfall getroffene Vereinbarungen. Auch ein Verzicht der Genossenschaft im Einzelfall oder im Allgemeinen auf die Einhaltung der satzungsmäßigen Kündigungsfrist ist unzulässig (vgl. Lang/Weidmüller/Schulte, aaO, § 65 Rn. 12; Beuthien, aaO, § 65 Rn. 6; RGZ 71, 388, 391).
Das in § 65 Abs. 3 GenG vorgesehene Recht zu einer Kündigung mit einer verkürzten Frist, kommt im vorliegenden Fall nicht zum Tragen, da die Satzung der Beklagten keine Kündigungsfrist von "mehr als zwei Jahren" bestimmt. Insoweit kann hier auch dahinstehen, ob der Kläger als Insolvenzverwalter überhaupt geltend machen könnte, dass ihm ein Zuwarten bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Da der Insolvenzschuldner somit zurzeit noch nicht aus der Beklagten ausgeschieden ist sondern seine Mitgliedschaft bis zum Ende des Geschäftsjahres 2008 andauert, ist die Klage auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens derzeit unbegründet. Denn gemäß § 10 Abs. 3 der Satzung der Beklagten hat nur das ausgeschiedene Mitglied einen Anspruch auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens. Dies entspricht auch § 73 Abs. 1 GenG, der ausdrücklich bestimmt, dass die Auseinandersetzung der Genossenschaft mit dem ausgeschiedenen Mitglied nach Beendigung der Mitgliedschaft erfolgt. Da die Auseinandersetzung im Übrigen auch auf der Grundlage der von der Genossenschaft zu erstellenden Jahresabschlussbilanz zum Ende des Geschäftsjahrs, in dem die Mitgliedschaft endet (Beuthien, aaO, § 73 Rn. 5),zu erfolgen hat (vgl. § 10 Abs. 1 der Satzung der Beklagten; § 73 Abs. 2 GenG), kann das ausgeschiedene Mitglied nicht auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens klagen, bevor die Jahresabschlussbilanz nicht durch die Generalversammlung der Genossenschaft festgestellt ist (vgl. Lang/Weidmüller/Schulte, aaO, § 73 Rn. 4).
Nachdem die Klage schon aus diesem Grunde abweisungsreif ist, kommt es im weiteren nicht mehr darauf an, ob die von der Beklagten erklärten Aufrechnungen zulässig sind bzw. ob ein wirksames Pfandrecht der Beklagten am Auseinandersetzungsguthaben durch die Satzung begründet worden ist oder ob der Wirksamkeit der Aufrechnung bzw. des Pfandrechts die Bestimmungen der Insolvenzordnung entgegenstehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 ZPO).
Beschluss
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 25.858,12 € festgesetzt.
Ende der Entscheidung
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